| 37 | you raise him a whole war
Listen to me, girl, you have castles
inside your bones, coronets in your heart,
if he threatens you with battle,
you raise him a whole war,
the last time I checked, Queens cower before no man. -Unknown
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- Victorine -
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Die verletzte Stelle in meinem Oberschenkel pochte, während ich einen Schritt vor den anderen setzte. Ich bemühte mich, dem Tempo der anderen Soldaten gleich zu kommen, während wir durch den Gang des Kerkers gingen. Mein Blick schnellte nach rechts und nach links.
Ich würde wieder kommen. Wenn wir es schaffen würden, dann würde ich wieder kommen und all die Gefangenen befreien. Aber im Moment waren die Menschen hier vielleicht sogar am sichersten.
Die Treppenstufen waren besonders schwer. Jede Stufe nach oben sendete ein Schmerzsignal durch meine Nerven. Ich zischte beim Atmen, bis wir den Kerker endlich endgültig verlassen hatten.
„Wo suchen wir jetzt nach Cephas?", fragte Orestes leise in die Runde, während die restlichen Soldaten sich um Nicolas und mich formierten.
„Wir müssen nicht suchen", stieß ich hervor.
Cephas hatte mich in seinen Geist gelassen. Während er mich mit seinen Erinnerungen gequält hatte, hatte meine Fähigkeit auch seinen restlichen Geist durchforstet.
Ich hatte sämtliche Schutzräume dieses Schlosses ausfindig gemacht. Ich wusste, wo Cephas hinwollte. Es war sogar so, dass ich mich tatsächlich schonmal in diesem Raum befunden hatte.
In Gedanken rief ich mir den Aufbau des Schlosses aus Cephas Gedanken auf. Dann leitete ich Tryphosa, die vor mir lief, den Weg über die Gänge und Treppen.
Als wir schon fast da waren und um eine der letzten Abbiegungen bogen, da zuckte Tryphosa plötzlich zurück. Alarmiert zog Nicolas mich nach hinten, während sich andere Soldaten nach vorne drängten.
Ich konnte von hier aus sehen, dass Tryphosa sich kurz die verletzte Hand hielt und dann trotzdem ihr Schwert zog. Auf dem Gang schien anscheinend ein Kampf auszubrechen. Ich hörte Schwerter aneinander schlagen und die fremden Soldaten hin und wieder Befehle bellend.
Zwei unserer Männer blieben hinter Nicolas und mir, falls es hinter uns ebenso einen Angriff geben würde. Nicolas machte einen Schritt nach vorne und linste vorsichtig um die Ecke der Abbiegung. „Verflucht. Das sind ein Dutzend Männer."
„Es würde schneller gehen, wenn wir helfen", erinnerte ich ihn und griff nach meiner Armbrust.
„Sicher nicht. Ich werde unsere Leben nicht so kurz vor dem Ziel an ein bisschen Fußvolk riskieren", entgegnete Nicolas bestimmt.
Einer unserer Soldaten ging nun einige Schritte rückwärts und blieb neben uns stehen. Die Hand war seltsam angewinkelt, während die andere ein Schwert umklammert hielt. Tryphosa blickte uns nicht an, sondern stur geradeaus. Als wolle sie die feindlichen Soldaten nicht wissen lassen, dass hier noch jemand stand. „Victorine, gibt es auch noch einen anderen Weg?"
Für einen Moment überlegte ich angestrengt. „Ich glaube schon, ja."
„Wie weit ist der noch?", fragte sie schließlich.
„Nur noch zwei Abbiegungen", antwortete ich.
„Dann geht schonmal vor", zischte Tryphosa. „Das dauert hier wahrscheinlich noch etwas."
„Wir können euch nicht einfach zurücklassen", protestierte ich.
„Das tut ihr auch nicht. Wir kommen hier zurecht."
Unsicher sah ich zu Nicolas herüber, welcher mich bereits anblickte. Als wir ein paar Sekunden Blickkontakt hatten, nickte er wortlos. Wir mussten weiter und Cephas so schnell wie möglich finden.
Also machten wir kehrt. Am Ende des Ganges drehte ich mich noch einmal um, doch Tryphosa war nicht mehr zu sehen. Mit rasendem Herzen sah ich wieder nach vorne.
Trotz meinen Verletzungen lief ich möglichst schnell voran und zeigte auf die Tür, die in den Thronsaal führte. Den, in dem ich erfahren hatte, dass Crescentia nicht entführt worden war und sich freiwillig in Tenebris befand.
Doch Nicolas griff plötzlich nach meinem Arm und stoppte mich. „Victorine, du bleibst hinter mir. Du bist verletzt und kannst kaum ein Schwert schwingen. Ich bitte dich, sei nur dieses eine Mal vernünftig."
Meine erste Reaktion war, gegen seine Anschuldigung zu protestieren. Aber er hatte Recht. In meinem Zustand sollte ich mich wirklich etwas zurückhalten, wenn ich wollte, dass wir bloß zu zweit den Hauch einer Chance gegen Cephas hatten.
Wortlos nickte ich. Nicolas sah mich noch kurz ernst an, dann drehte er sich um und schlich auf die Tür zu. Mit gezückter Armbrust stand ich hinter ihm, als er langsam die Türklinke herunter drückte und in den von Kerzen beleuchteten Raum eintrat.
Wie für eine Zeremonie waren mehrere Reihen an edlen, gepolsterten Sitzbänken aufgestellt worden. Lautlos bückten wir uns hinter die letzte Bank, sodass wir hoffentlich nicht mehr sichtbar waren. Vom Ende des Raumes vernahmen wir gedämpfte Stimmen. Langsam und vorsichtig näherten wir uns, um den genauen Wortlaut besser wahrzunehmen.
„Mach dir um Nicolas und seine winzige Truppe keine Sorgen", hörten wir eine Stimme, die mir durch Mark und Bein fuhr. „Ich habe mehr als genug Soldaten, die nach ihnen suchen. Das einzige Problem ist nur, dass sich Xerxa nicht mehr bei mir meldet. Und die Männer einfach nicht mehr zurückkommen, die nach ihr schauen sollten."
„Hat sie sich nun doch gegen uns gestellt?" Bei Crescentias Stimme versteifte sich mein Körper.
„Unmöglich", kam die Antwort von Cephas. „Sie war versessen darauf, dass ich im Gegenzug für ihre Arbeit den Schutz der Hexen offiziell ankündige."
Lautlos schlichen wir weiter voran und linsten über eine der Bänke hinweg. Crescentia und Cephas standen vor den Treppenstufen, die man hochgehen musste, um zu dem höher gesetzten Thron zu gelangen. Cephas stand mit dem Rücken zu uns. Crescentia jedoch war zu uns gerichtet.
Für den Bruchteil einer Sekunde schnellte ihr Blick zu meinem. Überrascht sah sie jedoch nicht aus. Dann sah sie wieder Cephas an, ohne eine Reaktion zu zeigen. Sie hatte die ganze Zeit gewusst, dass wir im Raum waren? Was war ihr Plan?
Cephas trug nur eine halbe Rüstung. Beinschützer und Armschützer. Die Brustrüstung und den Helm musste er wohl ausgezogen haben. Es juckte mich in den Fingern, meine Armbrust zu zücken. Doch ein Schuss daneben und Cephas könnte den Moment nutzen, um aus dem Raum zu fliehen.
Plötzlich schoss ein stechender Schmerz durch meinen Kopf. Ich unterdrückte ein Zischen und presste die Hände gegen meine Schläfen. Nicolas griff nach meinem Arm und sah mich besorgt an, durfte jedoch nicht sprechen, weil Cephas uns hören könnte.
Der Schmerz erinnerte mich an etwas. Es war wie damals. Ruhig atmend versuchte ich, mich zu entspannen. Ich hörte Vindictas Stimme in meinem Kopf. Genau wie vor einigen Tagen, als sie uns den Standort von Hekates Hexenhaus im Wald gezeigt hatte, um durch das Portal nach Tenebris zu kommen. Die Hexenanführerin sprach zu mir.
Die Schmerzen stoppten, während ich ihr zuhörte. Sie wiederholte ein einziges Wort, immer und immer wieder.
Wie fremdgesteuert stand ich auf. Mein Mund öffnete sich, und doch war es nicht meine Stimme, die daraus kam.
„Imprecate", sprach ich den Fluch aus.
Cephas drehte sich zu mir herum und starrte mich ungläubig an, als sei ich ein Trugbild, dessen echter Körper noch im Kerker gefesselt sein müsste.
Während er mich anstarrte veränderte sich der Raum um uns herum. Die Steine der Wände wuchsen Stück für Stück über sämtliche Türen des großen Thronsaales und verschluckten das massive Holz, sodass es keinerlei Ausgang mehr gab.
Der Fluch war ein Todesurteil. Aber es kam auf unsere Handlungen an, wessen Todesurteil es war. Ob Cephas in diesem Raum sterben würde oder ob wir das waren.
Cephas machte einen Schritt beiseite, wahrscheinlich, um nach einer Waffe zu greifen. Aber ich war schneller.
„Nicht bewegen", drohte ich. Der Bolzen war bereits in meiner Armbrust gespannt und auf Cephas Brust gerichtet.
Der feindliche König blieb tatsächlich stehen und hob beschwichtigend die Hände. Mit wutverzerrtem Blick sah er mir entgegen und bereute höchstwahrscheinlich, mich nicht schon längst getötet zu haben.
Kurz sah ich nach links zu Nicolas herüber und stockte dann. Der König bewegte sich nicht. Stocksteif stand er neben mir und war mitten in der Bewegung erstarrt. Nicolas hatte zu seinem Bogen greifen wollen.
Verdutzt blickte ich nach vorne zu Crescentia. Was sollte das?
„Crescentia?", hörte ich Cephas leise fragen, der noch immer die Hände gehoben hatte und zu seiner Geliebten herüber sah.
Crescentia hatte Nicolas paralysiert. Nicht mich, die Person, die bereits eine tödliche Waffe auf Cephas gerichtet hatte. Sondern Nicolas, der später erst nach seinem Bogen gegriffen hatte.
Das war ein offenkundiger Verrat an Cephas, aber warum?
Natürlich. Nicolas würde sie beide töten. Cephas und Crescentia.
Ich im Gegensatz würde nur Cephas töten. Meine kleine Schwester wusste das. Deshalb hatte sie Nicolas ausgeschaltet und nutzte mich für ihre Zwecke.
„Was machst du da?", fragte Cephas. Seine Stimme klang jedoch nicht mehr verwirrt, sondern wütend. Er hatte nun ebenso begriffen, was Crescentias Plan war.
Doch Crescentia antwortete nicht. Sie sah mich mit festem Blickkontakt an, aber ich nahm meinen Blick ab und wandte mich wieder Cephas zu.
„Also schön. Ihr habt mich besiegt", sagte Cephas nun und wackelte leicht mit den hoch gehobenen Händen, um seine Unterlegenheit zu unterstreichen. „Was wollt ihr? Wir können Abmachungen treffen."
Der König war verzweifelt. Nach außen hin zeigte er das natürlich nicht. Aber er wusste, dass er sich in einer verzwickten und tödlichen Position befand.
Abwartend sah Cephas mich mit eisigen Augen an. Denen, mit welchen er mich gefoltert hatte. Cephas hatte meine Eltern ermordet. Cephas hatte alle ermordet, die sich gegen ihn gestellt hatte. Cephas hatte unzähligen Unschuldigen unerträgliches Leid zugefügt.
Der König wartete auf eine Antwort, aber die war ich ihm nicht schuldig. Ich war Cephas überhaupt nichts schuldig.
Meine rechte Hand zog den Bolzen noch weiter nach hinten. Konzentriert atmete ich ein, während ich noch genauer auf sein Herz zielte.
Einige Sekunden vergingen, in denen die Stille und Anspannung in meinen Ohren dröhnte. Während ich wieder ausatmete, schoss ich den Bolzen ab. Die eiserne Spitze traf sein Ziel perfekt und traf durch die Haut leicht in die linke Seite des Brustkorbes.
Genau ins Herz.
Der Pfeil steckte gerade in dem Körper. Um die Einschlagstelle breitete sich langsam eine dunkelrote Flüssigkeit aus und verdunkelte den samtigen Stoff des roten Kleides.
Ich sah an dem Körper entlang nach oben. Dunkelbraune, schöne, weit aufgerissene Augen starrten in die meinen.
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