| 32 | raise hell
If I cannot bend heaven, I will raise hell. -Unknown
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- Cephas -
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Es war gewisslich eine amüsante Angelegenheit aus dem Turmfenster nach draußen zu sehen. Es erfüllte mich mit der höchlichsten Befriedigung zu beobachten, wie sich gleich zwei Königreiche bei dem Versuch, Tenebris zu stürzen, selbst vernichteten.
Ihre paar magischen Freunde würden ihnen kaum Abhilfe tun. Sie waren ganz und gar nutzlos gegenüber meiner unaufhaltsamen Armee, die immer weiter anwuchs, während die Anzahl der Feinde stetig geringer wurde.
Für einen kleinen Moment wandte ich meinen Blick von der Aussicht ab und sah auf das Glas Wein in meiner rechten Hand. Mit kleinen Bewegungen ließ ich den Rest des blutroten Getränkes im Glas kreisen. Wenn die Armeen von Spero und Sanguis sich selbst vernichtet hatten, würde ich meine restlichen Soldaten zu den Königreichen schicken, um sie einzunehmen. Dann würde ich sie mit meinen Beratern besetzen, unter der Flagge von Tenebris. Die Bevölkerung würde im Gegenzug zu meinem Schutz über sie hart für mich arbeiten.
Und irgendwann, wenn die Zeit gekommen war, würde ich diese Berater durch meine eigenen Kinder ersetzen. Die Linie der Vitruvius würde das gesamte Land regieren, bis in die Ewigkeit. In Geschichtsbüchern würde man von einem mächtigen Mann schreiben, der endlich die magischen Wesen unterworfen und die Menschen überlegen gemacht hatte. Jeder einzelne von ihnen würde bis auf ewig meinen Namen kennen. Cephas Devereux Pharoah von Vitruvius.
„Heiliger König Cephas", unterbrach mich eine krächzige, schwache Stimme bei meinen Gedanken.
Für einen Augenblick starrte ich noch in das Glas mit Wein. Dann wandte ich den Blick ab und drehte meinen Kopf langsam nach links.
Die Hexe kniete auf dem Boden und hatte die Hände auf den Untergrund gepresst. In ihrem Gesicht glänzte nasser Schweiß. Sie war noch blasser als sonst, fast schon grau. Um Xerxas Brust war noch immer blutgetränkter Verband gewickelt. Ob die Wunde wieder aufgegangen war? Ob das Herz noch immer kämpfte?
Aber das war bedeutungslos. Solange Xerxa weiter kämpfte und fähig genug war, ein mickriges, stinkendes Organ in sich zu behalten. Hoffentlich hatte ich nicht die falsche Hexe ausgesucht. Andererseits war sie auch die einzige gewesen, die sich gegen ihre Schwestern stellen wollte. Andere ihrer Art hatten auch nach brutalster Folter nicht nachgegeben.
„Was ist?", hakte ich schließlich nach.
„Mein Rabe", stieß die Hexe unter schwerem Atmen hervor.
Ich sah zum geöffneten Fenster, vor dem Xerxa kniete. Auf dem Fensterrahmen saß ein pechschwarzer Vogel und starrte die Hexe umgehend an.
Die Hexe richtete sich ein wenig auf. „Er sah Nicolas mit einer Frau in den Armen. Sie näherten sich anschließend mit einem kleinen Trupp dem Hintereingang."
„Dort sind unzählige Wachen positioniert", entgegnete ich ruhig.
Xerxa blickte mich nun an und ekelte mich mit dem Anblick ihrer schwarzen Augen. „Sie haben unseren Drachen dabei", sprach sie.
Sie haben unseren Drachen dabei? Und zwar nicht in dem Sinne, dass er sie verfolgte, um sie in Brand zu setzen? Wie war das möglich? Wir hatten ein ganzes Jahrzehnt damit verbracht, das Vieh zu zähmen. Und jetzt wechselte es einfach so die Seite?
Nunja. Letzendlich war es gleichgültig. Es war lächerlich, dass sie tatsächlich glaubten, auch nur irgendetwas gegen mich ausrichten zu können.
"Ich habe soeben Verstärkung angeordnet. Ihr solltet euch trotzdem vielleicht besser in einen Schutzraum begeben", schlug die Hexe vor.
"Einen Schutzraum", stieß ich halb lachend in verächtlichem Tonfall aus. Sicher nicht. Aber ich würde mir eventuell mal anschauen, was da so in meinem Schloss passierte. Also stellte ich das Weinglas ab, stand auf und öffnete die massive Tür am Ende des Turmzimmers. Die Wachen, die dort standen, versammelten sich um mich und folgten mir. Wir liefen für einige Zeit durch die Flure und über die Treppen des Schlosses. Es war so still wie es sonst auch war.
Dann bog ich noch einmal ab, ließ die Hälfte der Wachen dort stehen, um die Flure zu bewachen, und benutzte einen der unzähligen Geheimgänge des Schlosses, der sich hinter mir und den restlichen Wachen wieder schloss. Das war zwar nicht so sicher wie der Schutzraum, aber finden würden mich die Eindringlinge trotzdem sicher nicht.
Im ersten Raum drückte ich einer Wache meine Fackel in die Hand und kletterte die eiserne Leiter hoch, die an der Wand befestigt war. Als ich fast oben an der Decke angekommen war hielt ich an und öffnete langsam eine kleine Metallklappe. Dann sah ich mit einem Auge durch ein Loch in der Steinwand. Doch der Raum, in den ich blickte, war leer.
Also stieg ich wieder herunter und versuchte es in den nächsten Räumen. Im dritten hatte ich schließlich Glück. Durch die Wände hörte man bereits gedämpfte Kampfgeräusche. Als ich durch das Loch in der Wand sah, erblickte ich eine der hinteren Eingangshallen.
Ein paar feindliche Soldaten von Sanguis kämpften mit meinen eigenen Wachen. Ihr Drache hielt ihnen wahrscheinlich gerade draußen den Rücken frei.
Ich beobachtete die Situation genauer. Die feindlichen Soldaten waren verflucht gute. Auf dem Boden stapelten sich schon einige meiner eigenen Männer.
Wer davon war Nicolas? Und wer war seine Geliebte?
Eine der Personen stach nach kurzer Weile deutlich heraus. Nicht nur, weil sie sehr gut im Schwertkampf war. Sondern weil ich die königliche Haltung des Kopfes erkannte. Fast nie senkte er seinen Kopf, außer wenn keine andere Wahl mehr blieb. So, als säße eine Krone darauf, die bei herunter gebeugtem oder schief gelegtem Kopf herunter rutschen konnte.
Nicolas hatte eine andere Person, die er kaum aus den Augen ließ. Er schützte ihre rechte Seite und wandte ihr manchmal auch seinen Rücken zu. Er vertraute ihr, beschützte sie jedoch auch. In den Kämpfen begab er sich nicht selten in für ihn gefährlichere Positionen, um sie ein wenig abzuschirmen.
Das war sie. Die Person, die an der Schulter das Wappen von Spero trug.
Es musste ihre Schwester sein. Das musste Crescentias ältere Schwester Victorine sein. Die, die zusammen mit ihrem Bruder Darius meinen Einmarsch in das Königreich Spero überlebt hatte.
Ich fragte mich, für welchen Tod sie hergekommen war. Meinen? Den ihrer Schwester?
Ganz gleich, Crescentia würde sicher äußerst erfreut sein.
„Bringt mir die Soldatin von Spero in den Kerker", befahl ich den Wachen, die augenblicklich umkehrten, um meinem Befehl Folge zu leisten.
Langsam wandte ich mich wieder dem Geschehen in der Eingangshalle zu und beobachtete die Königstochter. Durch sie würde ich Nicolas noch viel mehr Schmerzen zufügen. So viele, dass er bereuen würde, an jenem Tag der Ermordung seiner Eltern nicht mit ihnen gestorben zu sein. Dass er bereuen würde, zu meinen Füßen nicht seinen letzten Atemzug getan zu haben.
Ich würde die Königstochter töten und die Linie der Arphaxads von ihrem schlechten Blut befreien. Wenn dann auch Darius, derzeitiger König von Spero, durch meine Hand gestorben war, dann war Crescentia die letzte der Familie. Und dann würde sie frei von ihrer Vergangenheit sein.
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- Victorine -
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Meine Arme begannen, zu brennen. Es war anstrengend und erforderte viel Kraft, ständig Schwerthiebe zu blocken oder welche auszuteilen. Dank des Drachens und der Hilfe von Vindicta hatten wir es geschafft, durch einen Hintereingang in das Schloss zu gelangen. Die beiden hielten uns hinter den geschlossenen Türen den Rücken frei. Wir mussten uns beeilen. Ich wusste nicht, wie lange die beiden es gegen Cephas Soldaten und Monster aushalten würden.
Aber es musste so sein. Da Cephas niemals zu uns herauskommen würde, kamen wir eben zu ihm herein.
Ich bemerkte, wie Nicolas versuchte, mich in seinem Rücken zu behalten. Aber es nützte nichts. Ich musste nah an die Soldaten ran, um mehr Informationen zu sammeln.
Ich wusste vom Blick in die Augen des Obersoldaten, dem ich mit meinem Dolch in die Augen gestochen hatte, dass sich Cephas wahrscheinlich in irgendeinem Turmzimmer mit viel Aussicht befand. Aber war er dort immer noch? Hatte er sich irgendwo in einen schützenden Bereich begeben? Was war seine Strategie? Und wo befand sich Crescentia? Ich brauchte mehr Antworten.
Ein gegnerischer Soldat näherte sich mir und holte mit dem Schwert aus, doch bevor ich mich ihm ebenfalls nähern konnte und überhaupt die Möglichkeit hatte, einen gezielten Blick in seine Augen zu werfen, blockte Nicolas von links den Angriff. Mit einigen schnellen Schwertabfolgen bewirkte er, dass sich der Soldat wieder zurückzog.
"Nicolas, du musst mich naher an sie heranlassen", sprach ich so eindinglich wie nur möglich.
"Nein", widersprach der König, ohne sich zu mir umzudrehen.
Verwirrt, fast schon verstört, stand ich dort mit gerunzelter Stirn und starrte ihn an. Was war nur in ihn gefahren?
„Ich hatte heute schon genug Angst davor, dich nie mehr wieder zu sehen", beantwortete er mir meine unausgesprochene Frage.
„Und diese Angst wird sich bewahrheiten, wenn wir Cephas nicht so schnell wie möglich aufhalten", entgegnete ich.
Nicolas antwortete nicht mehr. Mit zusammengebissenen Zähnen hob ich mein Schwert und versuchte, ihn wenigstens seitlich ein wenig zu unterstützen.
Mein Blick schweifte über die Halle und fiel auf den größten Gang, dessen Türen offen standen.
Eine feindliche Truppe mit etwas mehr als einem halben Dutzend Mann stürmte in den Raum. Ich beobachtete ihre Körperhaltungen - und die Bewegungen, die ihre Köpfe machen. Sie hatten Nicolas vor mir ins Auge gefasst.
Sie wollten Nicolas. Cephas wollte König Nicolas.
Mit gehobenen Schilden, gezückten Schwertern und in perfekter Formation näherten sich die offensichtlich gut ausgebildeten Soldaten.
Tryphosa, Orestes und der Rest der Soldaten von Sanguis waren noch immer mit den alten Feinden beschäftigt und somit kaum in der Lage, die Neuen aufzuhalten.
Die Formation machte sich Platz, indem sie alle umliegenden Menschen beiseite schob und sich von allen Seiten mit ihren Schilden schützte. So rückten sie vor und kamen uns immer näher.
Der Arm von Nicolas schnellte hervor. Aus seiner Hand und seinen Fingerspitzen schnellte loderndes Feuer, welches jedoch wirkungslos an den Schilden abprallte.
Nicolas zog die Hand wieder zurück und zückte stattdessen sein Schwert. Tryphosa bahnte sich einen Weg zu ihm, war jedoch noch zu viele Schritte entfernt.
Damit Nicolas mich nicht einfach wieder nach hinten drängen konnte wartete ich ab, bis zur letzten Sekunde. Bis die Männer uns beinahe erreicht hatten.
Ich schob mich blitzschnell an Nicolas vorbei, stellte mich breitbeinig mit festem Stand vor ihn und hielt meine scharfe Schwertklinge warnend vor mich. Hoffentlich vermittelten meine Augen, wie ich mich fühlte. Ihn würdet ihr nicht holen. Nur über meine Leiche.
Ich war bereit, nicht zur Seite geschubst zu werden. Aber plötzlich wurde ich nach vorne gerissen - und das traf mich völlig unerwartet.
Meine Füße stolperten nach vorn. Plötzlich fand ich mich umringt von großen Menschen in Metallrüstungen wieder. Nicolas schrie nur wenige Schritte entfernt meinen Namen.
Ich war eingekesselt, doch die großen Schilde der Soldaten waren außen. Ich riss mein Schwert hoch, hörte aber nur, wie es an den Rüstungen abprallte. Von irgendwo knallte es gegen mein Schwert, dank meinem festen Handgriff wurde es mir jedoch glücklicherweise nicht fort gerissen.
Dann spürte ich einen Schlag auf meinem Kopf. Mein Helm hatte den größten Teil des Schlages geblockt. Trotzdem war es, als gäbe es ein Erdbeben in meinem Kopf und als läuteten tausend Glocken direkt neben mir. Ich machte mich größer und schlug noch einmal um mich, woraufhin ich hörte, wie einem der Soldaten sein Schild herunter fiel.
Schnell verwarf ich den Plan mit meinem Schwert. Ich ließ es zu Boden fallen, sammelte meine Kräfte und rammte den erstbesten Soldaten mit meiner Schulter, sodass er nach vorne strauchelte. Kurz sah ich Nicolas zwischen den Metallrüstungen aufblitzen und wie er versuchte, sich meine Handlung zunutze zu machen.
Aber die Lücke in der Formation hielt nicht lange. Noch während ich weiterhin um mich herum rempelte, wurde die Lücke wieder geschlossen.
Es traf mich nochmal, diesmal am Hinterkopf. Gleichzeitig griff nun jemand nach meinen Armen, um sie hinter meinem Rücken festzuhalten. Ich versuchte mich freizumachen, schaffte es aber nicht. Dann wurde ich nach hinten gerissen und stolperte zwangsweise mit. Die Formation um mich bewegte sich ebenfalls nach hinten.
„Nein!" hörte ich Nicolas rufen. „Nehmt mich stattdessen! Ich bin Nicolas, König von Sanguis!" An der abnehmenden Lautstärke seiner Rufe realisiere ich erst richtig, wie weit wir uns entfernten.
Die Soldaten stoppten nicht. Ich versuchte, mein Gewicht nach vorne zu legen und die Füße in den Boden zu stemmen, wurde mit einem Ruck jedoch wieder mitgerissen.
„Victorine!", hörte ich Nicolas vom Ende der Halle schreien. Seine verzweifelte, hilflose Stimme trieb mir ein schmerzendes Ziehen in die Brust.
Schon wieder wurden wir getrennt.
Nur war ich mir dieses Mal sicher, dass wir nicht mehr zueinander finden würden.
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