| 29 | some days are war

Some days are war but just know you've won plenty before and you can do it again.
- a. Fellow

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- Nicolas -

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"Ihr habt es gehört. Auch unter den Betten, Männer. Seht überall nach!", vernahmen wir eine unbekannte Stimme im Wohnzimmer des Hauses.

Als jemand nach dem Türknauf griff und die Tür aufdrückte, ließ ich die Bewegung für den Bruchteil einer Sekunde geschehen und stieß dann mit meinem vollen Gewicht dagegen. Dem Mann, der nur einen Spaltbreit in den Raum sehen konnte, entfuhr ein lautes Schreckgeräusch, bevor er von Tryphosas Klinge zum Schweigen gebracht wurde.

"Sie sind hier!", schrie ein anderer dann, woraufhin jemand die Tür aufzustemmen versuchte. Kräftig drückte ich mich dagegen, damit sie unseren kleinen Raum nicht stürmen konnten. Durch den Spalt konnte Tryphosa angreifen, ohne dass die Soldaten zu nahe an sie herankommen konnten.

"Da ist noch einer! Hinter euch!", brüllte jemand aus dem Raum vor uns, woraufhin ich schloss, dass sich Orestes herausgeschlichen und die Soldaten von hinten angegriffen hatte.

Nun schienen sich auch noch zwei Männer gleichzeitig gegen die Tür zu drücken. Meine Kraft schwand, sodass ich sie kaum noch halten konnte. Der Fuß, den ich gegen das untere Ende der Tür hielt, rutschte weiter und weiter. Der Spalt wurde immer breiter. Einer der Soldaten hielt ein Schild vor sich und quetschte sich durch die Lücke hindurch, über die Leiche seines Kameraden auf dem Boden trampelnd.

Als die Tür aufbrach, passierte alles viel zu rasch, um es schnell genug realisieren zu können. Die zwei Männer stürmten in den Raum hinein, schubsten jedoch nur Tryphosa nach hinten und blockierten ihre Angriffe. Eine Person trat ein, griff mich am Arm und zog mich mit unglaublicher Kraft aus dem Raum heraus.

Meine Füße blieben an einer Leiche auf dem Boden im Türrahmen hängen und ich strauchelte. Als ich mein Gleichgewicht wieder gefangen hatte riss ich mein Schwert zum Angriff hoch, doch der Gegenschlag kam schon so heftig, dass mir der Schwertgriff aus den Händen gerissen wurde. Meine Waffe landete einige Schritte weiter scheppernd auf dem Boden und rutschte bis zur Hauswand.

Ich machte einen Schritt zurück und zog einen langen Dolch aus meiner Seitenhalterung, bevor ich wieder nach vorne sah. Der Anführer von Cephas Armee war in dieser Nähe noch größer, als ich ihn eingeschätzt hatte. Seine Rüstung ließ nirgendwo einen freien Fleck an ungeschützter Haut, außer einem Spalt für seine Augen.

Mit stärker klopfendem Herzen spürte ich die Gedanken durch meinen Kopf jagen. Würde mein Feuer seiner dicken Rüstung etwas anhaben können, bevor er mich überwältigen konnte? Könnte ich mit meinem mickrigen Dolch irgendetwas ausrichten?

"Ergibst du dich jetzt?", fragte der Mann nun.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Orestes am Ende des Raumes schwer mit einem anderen Soldat zu kämpfen hatte und langsam von ihm in eine Ecke gedrängt wurde. Im Hinterzimmer vernahm ich Kampfgeräusche von Tryphosa und den zwei anderen Männern.

Verdammt! Mit rasender Wut biss ich die Zähne aufeinander und könnte mich an Ort und Stelle aufgrund meiner Erbärmlichkeit erbrechen.

"Ja", stieß ich hervor, um ein bisschen Zeit zu gewinnen und meine Möglichkeiten durchzugehen. Den Boden vor ihm in Flammen setzen und fliehen? Wahrscheinlich würde er einfach durch das Feuer auf mich zurennen. Doch bevor ich diese Möglichkeit zu Ende bedenken konnte, sprang jemand von hinten auf den Anführer drauf.

Ich konnte meinen Augen kaum trauen, als die Person sich mit einem Arm um den Kopf festklammerte. Während der Anführer sein Schwert hochriss, ohne jemanden treffen zu können, stach die Person dem Mann durch den Schlitz des Helmes wiederholt in die Augen.

Der Anführer brüllte ohrenbetäubend laut, während er herumwirbelte, um den Angreifer von sich zu werfen. Der Dolch stach noch einmal kräftig mit einem schmatzenden Geräusch durch die Überreste der Augen und traf dann schließlich das Gehirn. Die Schreie erstummten abrupt. Der Angreifer sprang vom Mann herunter, noch bevor dieser auf dem Boden aufschlug. Mit einer Rolle war die Person an der Hauswand angekommen, hob mein Schwert auf und warf es mir zu.

Ich bekam es am Griff zu fassen und blickte erstmals in das Gesicht der Person. Victorines freie Haut des aufgeklappten Helmes war mit Blutspritzern übersäht. Die blitzenden Augen hielten nur kurzen Blickkontakt mit mir, bis sie sich umdrehte, einige Schritte lief, mit dem Schwert ausholte und kräftig gegen das Bein des Soldaten schlug, mit dem Orestes kämpfte. Ich sah, wie der Soldat das Gleichgewicht verlor und schien dann endlich aus meiner Erstarrung aufzuwachen.

Mit dem Schwert fest in der Hand drehte ich mich um und rannte in das Nebenzimmer herein, nicht noch einmal über die Leichen stolpernd. Einer der Männer lag tot auf dem Bett, während sich Tryphosa und der andere Soldat noch immer duellierten.

Ich hob mein Schwert und ließ es von hinten auf seinen Arm niederrasen. Dieser war zwar durch eine Rüstung geschützt, jedoch wurde er nach unten geschlagen. Tryphosa nutzte den Moment, in welchem der Soldat kaum Kraft im Arm hatte, und schlug kräftig gegen sein Schwert, sodass es ihm aus der Hand rutsche.

Sofort hob der Soldat beide unbewaffnete Hände nach oben, um sich zu ergeben. Tryphosa hielt ihr Schwert bedrohlich nah vor das Gesicht des Soldaten. "Auf die Knie."

Für einige Sekunden herrschte Stille, dann folgte der Mann ihrem Befehl. Tryphosa verzog keine Miene, als sie dem Mann den Helm vom Kopf riss, ihn mit links an den Haaren packte und ihm mit rechts das Schwert durch die Kehle stieß. Mit einem röchelnden Geräusch im Hintergrund drehte ich mich um und blickte schließlich in Victorines blutbespritztes, ernstes Gesicht.

"Er hatte sich ergeben", stieß sie tonlos hervor. Ich wusste nicht, ob sie uns einen Vorwurf machte oder gerade bloß begriff, dass so etwas im Krieg nun einmal passierte.

Orestes stand einige Schritte hinter Victorine und blickte auf die Leiche des Anführers herunter. "Jetzt könnt Ihr nicht mehr in seine Augen sehen", bemerkte er, seine Worte offensichtlich an Victorine gerichtet.

"Das habe ich bereits", antwortete die Königstochter ihm, wandte ihren Blick dabei jedoch nicht von mir ab. "Daher habe ich eine Vermutung, wo sich Cephas im Schloss aufhalten könnte."

Aus irgendeinem Grund waren meine Beine wie mit dem Boden verwachsen. Ich konnte den Blick nicht von ihren dunklen Augen ablassen. Somit hatte sie mir schon das zweite Mal das Leben gerettet. Und was tat ich? Ich brachte ihres willentlich in Gefahr, immer und immer wieder. Wenn ihr irgendetwas geschah, dann war das meine alleinige Schuld und Verantwortung.

Ich wusste, dass sie anders dachte. Dass dies nicht nur mein Kampf war, sondern auch ihrer. Dass sie ihre eigenen Entscheidungen traf und diese stets an ihren Moralvorstellungen orientierte. Und trotzdem konnte ich es nicht. Ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass ich sie am liebsten in Sicherheit wissen würde und dass ich einmal ihr zur Abwechslung das Leben retten würde.

Dieses Gefühl war schon länger da gewesen, jedoch beinahe immer tief versteckt in mir. Es war mir wohl das erste Mal deutlich bewusst geworden, als Victorine nackt in meinem Bett neben mir eingeschlafen war und ich ihr leise Ich liebe dich ins Ohr geflüstert hatte.

Ich wurde erst aus meinen Gedanken gerissen, als Victorine vor mir die Augen weitete, sich ihre Lippen einen schmalen Spalt voneinander trennten und sie mich sichtlich atemlos anstarrte.

Weder wurde ich wütend auf sie, noch sperrte ich sie aus meinem Geist aus. Mit einem Male wollte ich sie sogar darin willkommen heißen. Ich wollte noch mehr Erinnerungen von ihr in ihm aufnehmen. Mein Geist würde bis ewig stockdunkel bleiben, wenn ich nicht einmal Licht hineinlassen würde.

Unser Blickkontakt wurde unterbrochen, als der Boden unter meinen Füßen zu wackeln begann. Ich versuchte, das Gleichgewicht zu halten, während der hölzerne, morsche Untergrund unter mir erzitterte. Langsam blickten wir alle Richtung Fenster, wo man jedoch überhaupt nichts sehen konnte. Dann, während noch immer die Erde bebte, hörten wir ein wahrhaftig grauenvolles, unmenschliches, tiefes Gebrüll.

"Was war das?", flüsterte Orestes, nachdem das Geräusch abgeklungen war und wir einige weitere Sekunden in Stille angespannt gelauscht hatten.

Victorine klappte den Schutz ihres Helmes herunter, spannte einen Bolzen in ihre Armbrust und drehte sich um. Ich folgte ihr langsam, während Tryphosa und Orestes mich von hinten schützten. Im Gehen spannte auch ich einen Pfeil in meinen Bogen und wartete, bis Victorine sich vorsichtig umgesehen hatte.

Als wir die Türschwelle übertraten und nach draußen gingen, fing die Erde abermals zu beben an. Um uns herum war es gespenstisch leer. Der Kampf hatte sich offensichtlich etwas weiter vorwärts zum Schloss bewegt.

Als ich in die Ferne sah entdeckte ich einen riesigen schwarzen Drachen mit spitzen Zacken auf dem Rücken. Er saß auf einem Hausdach der wohlhabeneren Häuser, von dem nach und nach Ziegel abbrachen und welches unter seinem Gewicht bald gänzlich einstürzen würde. Noch spie er aber Feuer nach unten, jedoch konnte ich von hier aus nicht sehen, was sich unterhalb des Wesens befand.

Der Grund für das Erzittern der Erde war mir bisher jedoch noch unbekannt.

"Wir müssen an ihm vorbei ins Schloss, am besten auf der rechten Seite entlang", bemerkte Tryphosa hinter mir.

"Wir müssen den Soldaten helfen", widersprach Victorine, die bereits einige Schritte vor gelaufen war und sich nun zu uns umdrehte. "Wir könnten auf umliegende Dächer klettern und mit unseren Fernwaffen auf die Augen des Drachen zielen."

Kurz wandte ich Victorine den Rücken zu und suchte Blickkontakt mit Tryphosa, die mich mit wissendem Blick ansah. Dafür hatten wir keine Zeit. Das, was dort passierte, stellte für uns eigentlich die perfekte Ablenkung dar.

"Was hast du in den Augen des Soldaten gesehen, Victorine?", fragte ich, während ich mich wieder zu ihr umdrehte. "Wo im Schloss befindet-?"

Der Rest meiner Worte blieb mir im Halse stecken, als die Erde erneut zu beben begann, diesmal jedoch mit einer solchen Heftigkeit, dass ich beinahe zu Boden gefallen wäre. In meinem ruckelnden Sichtfeld erkannte ich, wie Victorine etwas zurücktrat und sich an der Ecke eines kleinen Hauses festhielt.

Unter meinen Füßen gab es nun einen solchen Ruck, dass ich strauchelte und fast zu Boden fiel. Als ich das Gleichgewicht wieder erlangt hatte, entdeckte ich ein paar Schritte geradeaus von mir, wie sich ein feiner Strich durch den erdigen Boden zog.

Als der Boden wieder bebte und sich der Strich zu einem Spalt erweiterte, begriff ich, dass die Erde vor uns aufriss. Mein Instinkt war es, nach vorne zu rennen und auf Victorines Seite zu springen. Doch Tryphosa hatte schon einen Schritt auf mich zugemacht und hielt mich am Arm fest.

Den Sprung hatte ich sowieso nicht geschafft. Der Spalt wurde immer breiter, während Victorine vorsichtig zurücktrat, um nicht hinein zu fallen.

Hektisch sah ich mich nach links und rechts um, der Spalt schien aber kein Ende zu finden. Links, ganz am Ende meines Sichtfeldes, stürzte gerade eine Holzhütte in den tiefen Abgrund hinein, der sich zwischen uns aufgetan hatte.

Vorsichtig ging ich zwei Schritte vor und linste in den Abgrund hinein, dessen Ende nicht zu erkennen war und sich in völliger Finsternis verlor. Wer oder was hatte das verursacht?

Mit wild klopfendem Herz sah ich zu Victorine zurück und ballte meine rechte Hand zur Faust. Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt!

„König Nicolas", vernahm ich Tryphosas harte Stimme hinter mir. „Wir müssen weiter."

Sie hatte Recht. Nun waren wir auf passende Weise etwas vom kämpferischen Geschehen abgeschnitten und unsere Chancen standen noch besser, unbemerkt zum Schloss vor zu dringen.

Es war perfekt. Wüsste ich nur nicht, dass die Königstochter auf der anderen Seite nun alleine versuchen würde, die machtlosen Soldaten vor dem Drachen in der Ferne zu retten.

Es war unwahrscheinlich, dass ich Cephas besiegen und den gesamten Krieg beenden konnte, bevor sie sich mit dem Drachen duellierte. Besonders, weil ich keinen Anhaltspunkt darüber hatte, wo sich Cephas im Schloss aufhielt, was mich erwarten würde und welche Strategie ich wählen sollte.

Die Informationen, die sie über den Anführer erhalten hatte, würde sie mir nun auch nicht mehr verraten können. Es sei denn, sie würde mir diese laut zurufen, aber das würde viel zu viel Aufmerksamkeit erregen.

Victorine schien das zu wissen. Sie sah mich einige Sekunden lang an, in denen ich das Gefühl nicht abschütteln konnte, sie vielleicht nie wieder zu sehen.

Dann wandte sich die Königstochter ab und verschwand zwischen den Häusergassen.

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