| 16 | the way
Three witches you shall meet, on the path to your fate. One will deceive you, one will relieve you and one will show you the way.
- Unknown
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- Nicolas -
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Als die letzten Sonnenstrahlen des Tages verschluckt wurden, bedeutete ich dem Pferd, langsam anzuhalten. Seine Ausdauer schien etwas nachzulassen und es war wichtig, ein voll ausgeruhtes Pferd zu reiten, falls wir schnell fliehen mussten. "Wir sollten das Pferd einige Stunden ruhen lassen", sprach ich zu Victorine. Das waren die ersten Worte, die wir seit Stunden miteinander wechselten.
"Das stimmt", pflichtete sie mir bei und stieg als erste vom Reittier. Wir suchten einen halbwegs geeigneten Schlafplatz, dann befestigte ich unser Schattenpferd an einem der Bäume. Dieses schien perfekt mit der sich anbahnenden Dunkelheit zu verschmelzen und wurde immer weniger sichtbar. Wenn Victorine und ich auch noch komplett schwarz gekleidet wären, dann hätten wir die perfekte Tarnung in der Nacht zu unserem Vorteil zählen können.
Wir setzten uns nebeneinander und schwiegen, bis uns die vollständige Dunkelheit eingehüllt hatte. Das Mondlicht war heute so schwach, dass man kaum die eigene Hand vor Augen sehen konnte. Es dauerte einige Zeit, bis sich meine Sicht an die Lichtverhältnisse gewöhnte und ich Victorines Silhouette wieder ausmachen konnte.
Sie saß auf dem Waldboden und hatte die Knie so weit an die Brust gezogen, wie ihre Rüstung es erlaubte. Den Helm hatte sie, genauso wie ich, noch immer nicht abgezogen.
Eine Weile lang betrachtete ich sie. Ich kannte das Gefühl, seine Eltern verloren zu haben, nur allzu gut. Aber noch nie hatte ich einen Freund verloren. Ich hatte noch nie so etwas wie eine Freundschaft gehabt.
"Leg dich ruhig schlafen, Victorine", sagte ich mit ruhiger Stimme.
Die Königstochter bewegte ihren Kopf und blickte mich an. "Nein, ist schon gut. Ruh dich aus, Nicolas. Ich halte Wache."
"Ich bin nicht müde, Victorine. Es wäre schlau, wenn du also die Möglichkeit nutzen würdest, wieder zu Kräften zu kommen", widersprach ich.
Sie hatte mich sicher den ganzen Morgen lang gesucht. War in ein Hexennest geschlichen und hatte mir das Leben gerettet. Hatte vor wenigen Stunden erst ihren Drachen verloren und hatte sich zudem am Kopf verletzt. Victorine brauchte den Schlaf mehr als ich.
Einige Sekunden lang sah sie mich schweigend an, dann seufzte sie. "Weck mich zur Hälfte, damit du auch noch schlafen kannst." Mit diesen Worten legte sie sich auf den Boden und drehte sich fort von mir.
Ich betrachtete das angebundene Schattenpferd und fragte mich, bei welcher Entfernung es auf bedrohliche Waldwesen nervös oder auffällig werden würde. Hoffentlich auf eine weite, damit ich rechtzeitig vorgewarnt werden würde. Noch mehr hoffte ich jedoch darauf, dass sich heute Nacht keine hungrigen Wesen in unserer Nähe befinden würden.
Wir hatten eine noch lange Reise bis nach Tenebris. Und Cephas und seine Truppen waren uns wieder mal einen Schritt voraus. Er durfte nur nicht das Herz der Urhexe benutzen, bevor wir es verhindern konnten. Dann wären wir verloren.
Wie sich also heraus gestellt hatte, ging es bei dieser Mission nicht nur darum, sich an Cephas zu rächen, sondern ihn davon abzuhalten, die ganze Welt in seinen Untergang zu stürzen. Es ging darum, uns alle zu retten.
Und was war mit Victorine? Inwiefern war sie dazu bereit, Cephas aufzuhalten? Wenn es zu einer Entscheidung käme, würde sie sich dann für unsere Freiheit oder ihre Schwester entscheiden? Für diese Welt oder für sich selbst?
Ich hatte keine Antworten darauf und musste zugeben, sie kaum durchschauen zu können. Sie kam mir vor wie der egoistischste, aber auch selbstloseste Mensch gleichzeitig auf Erden. Und warum war sie eigentlich das Risiko eingegangen, mich aus dem Hexennest zu befreien?
Grübelnd war mein Blick zu ihrem schlafenden Körper gewandert. Auf den zweiten Blick vermochte ich zu erkennen, dass sie zitterte.
Ich bedauerte den Umstand, dass wir kein Feuer machen konnten, dessen Rauch und Licht einige unliebsame Kreaturen der tiefen Wälder vielleicht anlocken könnte. Also rutschte ich vorsichtig zu ihr hin und legte meinen Arm auf der Seite ihres Körpers ab. Mein inneres Feuer, meine Wärme, drang anscheinend durch ihre Rüstung hindurch und wärmte sie, sodass ihr Zittern abnahm und sie um einiges ruhiger schlafen konnte.
Irgendwann begann mein Arm unangenehm zu kribbeln, aber ich wollte Victorine nicht versehentlich wecken. Also ließ ich ihn einfach weiter auf ihr liegen und ignorierte das taube Gefühl. So lagen wir dort mindestens ein paar Stunden, in denen ich versuchte, mich auszuruhen, ohne einzuschlafen.
Plötzlich fuhr mir ein so heftiger, ziehender Schmerz durch den Kopf, dass ich aufschreckte und mir auf die Zähne biss, um nicht lautstarke, schmerzerfüllte Geräusche von mir zu geben. Ich riss den Helm hinfort, legte mir die Hände an die Schläfen und konnte nichts anderes tun, als zu beten, dass es endlich aufhören würde.
"Nicolas", hörte ich Victorines Stimme durch meinen Schmerz hindurch. Sie hockte vor mir und nahm meine beiden Hände in ihre, zog sie sanft von meinen Schläfen weg. Der Schmerz fühlte sich an, als würde er sich in meinen Kopf hinein bohren wollen.
"Du musst es zulassen", forderte die Königstochter nun bestimmt und drückte meine Hände fest. "Es ist nur Vindicta. Sie will uns etwas sagen."
Natürlich vertraute ich Victorine, also versuchte ich, dem Schmerz Einlass in meinen Kopf zu gewähren. Genauso, wie ich der Königstochter und ihren Fähigkeiten im Kerker der Hexen Zugang zu meiner Seele gegeben hatte.
Dann hörte der Schmerz tatsächlich auf. Was ich daraufhin hörte, war aber keine klare Stimme der Anführerhexe. Sondern ein krächtziges Gemurmle, aus dem kaum Worte verständlich waren. Ich sah ein verschwommenes Bild einer Holzhütte mitten in irgendeinem Waldgebiet. Und das wars. Dann fühlte ich mich wieder wie der alleinige Herr meiner Sinne.
Ich blickte zu Victorine, die eine Karte vor sich auf dem Boden ausbreitete. Mit ihrem Schwert schnitt sie sich in die Hand.
Währenddessen sah ich mich auf dem Waldboden um, verstehend, was sie vorhatte. "Hier", sagte ich und hielt ihr einen kleinen Stock entgegen.
"Danke", stieß sie knapp hervor, nahm das Holzstück an sich, tauchte es in das Blut ihrer Hand und begann dann, Wege und Richtungen auf der Karte einzuzeichnen. Sie zögerte, wischte einen kleinen Teil mit ihrem Speichel weg und malte wieder weiter, bis sie schließlich das Ziel mit einem kleinen 'x' markierte.
Ich konnte praktisch das erleichterte Gefühl in Victorines Gesicht sehen, als die Stimme von Vindicta augenscheinlich verstummte und sie wieder alleine in ihrem Kopf war.
Sie studierte die Karte einige Momente lang und wandte sich mir dann zu. "Was soll das? Wo führt sie uns hin?"
Ich versuchte mich genauer an das zu erinnern, was mir mitgeteilt worden war. Vielleicht hatte ich einiges verpasst, weil ich ihre Nachricht anfangs weggedrängt hatte, statt sie anzunehmen. Ich hoffte bei Gott, dass es nichts Wichtiges gewesen war.
Aber einen Hinweis hatte ich dennoch. "Sie hat mir das Ziel gezeigt", verriet ich schließlich. "Eine alte Holzhütte im Wald. Und ein Gemurmel, wie das von einer alten Frau. Ich frage mich, ob sie uns zu einer anderen Hexe schickt."
Wir blickten uns für einen Moment lang an. Als verstünden wir uns wortlos wusste ich, dass sie den gleichen Zweifel und das gleiche Misstrauen wie ich hegte. Eigentlich dürften wir niemandem vertrauen. In dieser Welt sollten wir ja nicht einmal einander vertrauen.
Aber Vindicta wollte Cephas Tod genauso sehr wie wir. Sie würde uns nur zu jemandem schicken, wenn dies uns einen großen Vorteil verschaffen würde. Und trotzdem haftete Verunsicherung an mir. Möglicherweise konnten wir Vindicta vertrauen. Aber auch einer anderen Hexe?
Trotz unserer Unsicherheit mussten wir es versuchen. Wir benötigten jeden Vorteil, den wir erringen konnten, um Cephas Pläne zu durchkreuzen. Somit hatten wir kaum eine Wahl. Es ging nun um Alles oder Nichts.
"Brechen wir auf", beschloss ich. "Aber wir müssen sehr vorsichtig sein."
Die Königstochter schien noch darüber nachzudenken. Sie warf einen ausgiebigen Blick auf die Karte und seufzte dann. "Also gut", akzeptierte sie meinen Beschluss schließlich.
Somit machten wir uns zum erneuten Aufbruch bereit. Nachdem wir los geritten waren, verstand ich erst gänzlich, warum unser Reittier ein Schattenpferd genannt wurde. Es verschmolz beinahe vollkommen wie dafür geschaffen mit der Dunkelheit des Waldes. Wie ein Schatten bewegte es sich lautlos trotz seiner schnellen Geschwindigkeit, obwohl sich mir kaum erschloss, wie dies eigentlich möglich war. Das einzige, was man hörte, war Victorines gelegentliches Flüstern, wenn wir die Richtung anpassen mussten.
Schneller als gedacht näherten wir uns dem roten, blutigen Kreuz auf unserer Karte. Umso mehr wir uns näherten stieg auch meine Anspannung. Schließlich bedeutete ich dem Pferd, langsamer zu werden, damit wir unsere Umgebung besser beobachten konnten.
Und dann, mitten im Nichts des tiefen Waldes, entdeckte ich die Hütte, die Vindicta mir gezeigt hatte. Ein kleines, hölzernes Gebäude, welches so morsch und alt aussah, als könnte es jeden Moment in sich zusammen stürzen. Ich erkannte Fenster, aber kein Licht darin. Nur völlige Dunkelheit im Inneren der unheimlichen Hütte.
Wir hielten einige Meter vor dem Gebäude an und stiegen vom Pferd ab. Mit einer Hand hielt ich seinen Strick fest, damit es uns nicht davon laufen konnte. Mit meiner anderen Hand zog ich mein Schwert aus der Schwertscheide.
Auch Victorine hielt ihre scharfe Schwertklinge bereit. Wortlos nickten wir uns zu und näherten uns der Hütte so langsam, dass trotz des laubigen Waldbodens kein Schritt von uns zu hören war.
Ich befestigte den Strick an einem in die Erde gerammten Holzbalken, der wohl das Überbleibsel eines alten Zaunes gewesen war. Er wirkte nicht stabil, musste aber herhalten, wenn ich mit beiden Händen kämpfen wollte. Zumindest sah es stabiler aus als die dürren und morschen Bäume ringsherum.
Victorine wartete in geduckter Haltung an der Tür auf mich. Plötzliche Panik durchfuhr mich. Ich wollte sie nicht sterben sehen. Ihren Körper nicht in Flammen aufgehen sehen. Oder miterleben, wie sich eine knochige Hand den Weg durch ihren Brustkorb bahnte und ihr pochendes Herz heraus riss. Am liebsten hätte ich geflüstert, dass ich vorgehen wollte. Doch ihre Hand lag bereits auf der Türklinke, drückte sie herunter und schubste die Tür langsam nach innen.
Das quietschende, knarrige Geräusch schnitt bedrohlich durch die sonstige Stille. Mein Atem stockte, während mein Herz zu rasen begann und wir reglos abwarteten. Dann richtete Victorine sich langsam auf, hielt ihr Schwert vor sich und bewegte sich langsam in die Hütte hinein.
Ich folgte ihr so dicht, dass meine Brust beinahe ihren Hinterkopf berührte. Ich versuchte, irgendwas in der Dunkelheit des Raumes zu erkennen. Draußen war wenigstens noch Mondlicht gewesen. Hier schien nur ein mickriger Bruchteil davon durch die kleinen Fenster hinein.
Dann knallte die Tür hinter uns zu.
Mein Herz machte einen Satz, während ich Victorines und meinen Körper zusammenzuckten spürte. Ich versuchte meinen Kopf herum zu drehen. Doch ich konnte nicht. Alles an mir war so unbeweglich wie Stein geworden.
Nach und nach gingen Kerzen an Halterungen der Wände an, ohne dass sie jemand anzuzünden schien. Langsam wurde so der Raum ausgeleuchtet und gab ein kleines, vollkommen leeres Zimmer frei.
Mein Atem beschleunigte sich. Ich hatte nicht vor vielen Wesen dieser Welt Angst. Nicht einmal vor Cephas. Doch es war töricht, wenn man sich nicht vor Hexen fürchten würde.
Ich hörte Schritte hinter mir und spürte, wie sich mir ein Körper näherte. Ich war froh, Victorine den Rücken zu decken.
Die Person ging um mich herum und erschien in meinem Sichtfeld.
Es war eine wunderschöne Frau. Sie trug ein weißes, langes Kleid über ihrer dunklen Haut und ihrem wohlgeformten Körper. Ihr Gesicht war makellos. Jede Gesichtspartie war symmetrisch und im perfekten Maße. Die Augenbrauen hatten einen eleganten Schwung. Die Lippen waren voll und glänzten verführerisch. Selbst die vollkommen pechschwarzen Augen wirkten so tief und geheimnisvoll, als würde man in ihnen versinken. So eine Schönheit hatte ich noch nie erblickt.
Manche Männer würde das sicherlich betören oder beruhigen. Aber mir trieb es eine riesige Angst in meinen Leib.
Ich wusste, dass dies nicht ihre wahre Gestalt war. Und ich wollte auf keinen Fall erfahren, was sie unter diesem Trugbild vor uns versteckte.
Die Frau kam auf mich zu und streifte mir den Helm vom Kopf. Als ihre Fingerspitzen mich streiften und das Metall über meine Haut gezogen wurde, bekam ich Gänsehaut, die ich am liebsten wegschütteln wollte. Mit den Fingern zupfte sie mir ein Haar vom Kopf, ohne dass ich mich wehren könnte. Dann setzte sie mir den Helm wieder an den richtigen Platz.
Die Hexe ging langsam weiter und blieb dann vor Victorine stehen. Mit den Fingern ihrer fraulichen Hände nahq sie ihr den Helm ab und strich ihr dann eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Anscheinend sammelte sie unsere Haare wie Vindicta, um später mit uns kommunizieren zu können.
Mit aller Kraft versuchte ich, den Arm mit der Hand um mein Schwert zu bewegen. Aber alle Anstrengung nützte nichts. Ich konnte mich kein Stück rühren.
"Wer seid ihr?", fragte die Frau nun mit melodischer Stimme.
Ich hörte Victorine einen Laut ausstoßen, wie um zu testen, ob sie überhaupt konnte. Ihr war das Sprechen anscheinend gestattet worden. "Ich bin Victorine Zuleika von Arphaxad, Königstocher aus Spero. Das hier ist König Nicolas Talesin Artemas von Cadwallader aus Sanguis. Die Hexenanführerin Vindicta hat uns zu dir geschickt."
Ein Lächeln breitete sich auf den Lippen der Hexe aus. "Euer Erscheinen ist früher als erwartet. Steckt eure Waffen weg. Es ist ja lächerlich genug, dass ihr sie überhaupt gezückt habt." Als ihr letztes Wort gesprochen war, spürte ich einen Ruck durch meinen Körper fahren. Das deutliche Gefühl von Erleichterung folgte, welches daher rührte, dass ich mich endlich wieder frei bewegen konnte.
Victorine, die sich während der Verzauberung anscheinend mitten im Schritt vorwärts befunden hatte, stolperte nach vorne. Ich griff sie an der Schulter und hielt sie fest. Sie drehte sich zu mir um und zeigte mir ihren Gesichtsausdruck, der Bände sprach. Ihr gefiel diese Situation hier ganz und gar nicht. Genauso wenig wie mir.
Plötzlich spürte und sah ich aus dem Augenwinkel, wie die schöne Hexe mich anstarrte. Aber ich vermied den direkten Blick in ihre Augen vehement. Stattdessen nutzte ich die wiedergewonnene Bewegungskraft über meinen Körper und sah mich in der leeren Holzhütte um.
Dann veränderte sich der Raum, in dem wir uns befanden. Die Wände dehnten sich aus und machten den Wohnraum größer. Nach und nach erschienen ausgestopfte Tierköpfe und Dekorationen aus Knochen, die den Raum schmückten. Ein runder Teppich erschien unter meinen Füßen. Ein brennender Kamin, ein hölzerner Tisch, Stühle und Regale wurden ebenfalls herauf beschwört.
Oder war all das schon da gewesen? Hatten wir die morsche, kleine Holzhütte nur in einer Illusion erlebt? Wenn ja, dann könnte dies hier ebenfalls eine Illusion sein. In der Realität könnte der Raum mit ganz anderen Dingen gefüllt sein.
Dinge, die eher zu einem Hexendasein passten. Das Fehlen von Organen, Kräutern, Tränken, Hexenbüchern und Weiterem ließ mich Verdacht schöpfen und misstrauisch werden.
"Vindicta hat mir davon berichtet, dass ihr bei unserem Kampf gegen Cephas nützlich sein könntet", erklärte die Hexe nun. Sie hatte sich von uns abgewandt, ging auf das andere Ende des Raumes zu und kniete sich auf den Boden. Dann streckte sie eine Hand zu uns aus, deren Zauberkraft Victorine und mich dazu zwang, rückwärts zu gehen, bis wir mit unseren Rücken an der Wand anstießen.
Sie griff an den Rand des Teppichs, von dem wir soeben herunter gedrängt wurden und zog ihn beiseite. Darunter kam eine hölzerne Luke zum Vorschein.
Ich beugte mich vor, als die Hexe sie öffnete. Das erscheinende Loch war so klein, dass nur eine Person gleichzeitig hinein passen konnte. Außerdem war es stockdunkel, sodass ich nichts erkennen konnte. Auch nicht, wie tief es war. Nur eine Leiter war zu sehen, die ins Innere der Dunkelheit führte.
Die Hexe blickte zu uns hoch. "Das Portal wird euch direkt nach Tenebris bringen. Alles weitere werdet ihr dann dort erfahren." Mit todernstem Blick sah sie langsam zwischen uns hin und her. "Vermasselt es nicht. Tötet Cephas und bringt das Herz wieder in Sicherheit."
Nach dieser Warnung murmelte sie einige Worte, die ich nicht verstehen konnte. Dann verwandelte sich die Dunkelheit in dem Loch in etwas, was wie ein Holzboden aussah. Das Bild war allerdings verschwommen, als wäre das Loch mit Wasser gefüllt. Ich vermutete, dass diese wässrige Erscheinung die Trennung zwischen den beiden Orten war.
"Worauf wartet ihr? Lange werde ich es nicht aufhalten können", stieß die Hexe mit flachem Atem hervor.
Zögernd legte ich Victorine eine Hand auf den Rücken und drängte sie sanft vorwärts. Sie musste vor mir gehen. Ich wollte nicht, dass sie alleine mit der Hexe zurückblieb. "Du zuerst."
"Nein", widersprach die Hexe und starrte mich mit ihren leeren, dunklen Augen an. "Du gehst zuerst."
"Auf keinen Fall", widersprach ich. "Ich vertraue dir nicht."
"Und ich vertraue dir nicht", zischte sie nun. Das war das erste Mal, dass ihre Stimme nicht betörend oder melodisch klang. "Entweder du gehst zuerst oder du gehst gar nicht."
"Nicolas, es ist okay. Sie will, dass wir Cephas töten. Sie ist Vindictas Verbündete", mischte sich Victorine nun ein.
"Ich kann es wirklich nicht so lange halten", brachte die Hexe nun hervor, die trotz ihrer dunklen Haut tatsächlich bleich und blass zu werden schien.
Also überwand ich mich und schob mein wohl übertriebendes Misstrauen beiseite. Langsam ging ich auf das Loch zu. Ich sah Victorine noch einmal in die Augen, dann kletterte ich die Leiter herunter. Als ich die Grenze durchstieß, die wie Wasser ausgesehen hatte, umgriffen meine Finger keine Leiter mehr.
Ich fiel, während sich mir der Magen umdrehte. Dann landete ich schmerzhaft auf einem Holzboden, augenscheinlich von dem eines einfachen Lagerraumes.
Stöhnend schleppte ich meinen Körper beiseite, um der Königstochter Platz zu machen.
Doch egal wie lange ich wartete, Victorine folgte mir nicht.
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