| 10 | duty calls

We fight, we fall,
duty calls, it calls,
say we choose, but it's no choice at all,
duty calls, it calls
- T. Profitt & L. Strahm

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- Victorine -

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Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden und das letzte Licht des Tages gänzlich erloschen, als Land in Sicht kam.

In der Ferne entdeckte ich schon die fliegenden Wächter dieser Flussseite an ihren leuchtenden Schwertern. Je näher wir kamen, umso eingehender betrachtete ich ihre ledernen Flügel und ihre schuppige Echsenhaut. Die reptilienartigen Augen fixierten uns eingehend. Noch nie hatte ich einen Ejchew aus solch einer Nähe gesehen.

Sie beobachteten unsere Drachen genau, ließen sie dann aber passieren. Als wir am Hafen anlegten, begannen die Schiffsleute, einige Kisten von Deck auf das Land zu tragen. Die Augen der Ejchews folgten uns mit jedem Schritt und Tritt.

Das war ja auch ihre Aufgabe. Zu überwachen, dass keine Menschen die heiligen Lande betraten.

Ich sah zu Nicolas, welcher wachsam, aber auch entspannt das Geschehen beobachtete. Er schien sich keinerlei Sorgen zu machen, was mich beruhigte. Was mich dann aber doch aus der Ruhe brachte, war die Tatsache, dass wir als vollzählige Soldatentruppe unter Deck gingen.

Vane und einige andere stellten gerade die letzte von acht Kisten auf. Da dämmerte es mir. Jeder von uns sollte in eine hineinklettern.

"Ihr seid Menschenschmuggler?", entfuhr es mir verstört und Panik überfiel mich. Wie sollte das funktionieren? Die Ejchews würden uns aufschlitzen.

Grinsend sah der Kapitän mich an. "Habt Ihr mich etwa für einen anständigen Mann gehalten?"

Mir war nicht zum Lachen zumute. Tot würde ich meine Schwester nicht aus Tenebris retten können. Wenn ich tot war, dann war sie für immer verloren.

"Keine Sorge", beruhigte Nicolas mich. "Wir haben alles geplant."

Seine Stimme klang ruhig und fest. Sorglos. Sicher. Ich sah ihm in die Augen und erkannte keine Zweifel. Fast hätte es mich beruhigt, fast.

Irgendein Soldat räusperte sich. Ein ganz schlechtes Gefühl braute sich in meinem Magen zusammen. Doch Vane trat hervor und nahm eine meiner Hände. "Habt keine Angst. Es ist noch nie etwas passiert. Das ist nicht das erste Mal, dass wir das hier machen." Meine Hand war schweißnass, doch das war mir egal.

Alles, woran ich dachte, war das Gesicht von Crescentia. Aber welche Wahl blieb mir? Entweder ich würde das hier riskieren oder ich käme nie mit dem Hauch einer Chance nach Tenebris.

Vane hob meine Hand an und setzte einen federleichten Kuss darauf. "Ich wünsche Euch viel Glück, Victorine. Und uns in ferner Zukunft ein freudiges Wiedersehen."

Es war mir gleichgültig, was er sich wünschte. Ich sah ihm tief in die Augen und konzentrierte mich knapp darauf, wie sicher er sich gegenüber diesem Vorhaben fühlte. Er hatte nicht gelogen. Es war noch nie etwas passiert und das hier war nicht das erste Mal. Es war das dritte Mal. Ich atmete ganz tief durch. Das Leben meiner Schwester hing hiervon ab.

"Egal was passiert, ihr müsst alle ganz still bleiben", warnte Vane uns alle noch. Schließlich stieg ich in die Kiste. Dann wurde der Deckel über mir geschlossen und ich saß in völliger Dunkelheit. Es dauerte länger als gedacht, bis ich endlich angehoben wurde. Aber vielleicht kam mir eine einzelne Sekunde auch nur wie eine Ewigkeit voller Ungewissheit vor.

Ich traute mich kaum zu atmen. Und doch musste ich meinen Sauerstoff langsam ein und wieder hinauslassen, um gleich weder eine laut röchelnde, noch eine schnapphafte Atmung zu erleiden.

Man trug mich weiter und weiter. Bis ich irgendwann abgesetzt wurde.

Ich hörte, spürte, dass sich irgendetwas oder irgendwer der Kiste näherte. Wahrscheinlich war es jemand aus der Truppe, um mich herauszulassen.

Der Deckel wurde angehoben.

Und beinahe hätte ich einen Schrei ausgestoßen, der uns alle das Leben gekostet hätte. Zwei leuchtende Reptilienaugen guckten mir entgegen, sahen mir genau in meine eigenen Augen.

Meine Hand presste sich auf meinen Mund. Er würde mich töten, aber vielleicht hatten die anderen noch eine Chance. Vielleicht würde es Nicolas trotzdem irgendwie nach Tenebris schaffen. Nach meiner Schwester suchen, nachdem Cephas tot war. Vielleicht würde er sie zurück nach Spero bringen. Nach Hause.

Ich presste die Augen aufeinander, während sich mein Gehirn in der einen Sekunde, die verstrichen war, an diese Hoffnung klammerte.

Dann hörte ich ein Klappern. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich nur noch Dunkelheit. Ich lebte. Ich atmete.

Meine Kiste wurde wieder angehoben und ich konnte kaum glauben, was gerade passiert war. Man trug mich inmer und immer weiter hinfort, sodass ich doch wieder Sorge bekam.

Dann wurde ich abgesetzt und hörte an den plumpen Geräuschen, wie neben mir weitere Kisten abgelegt wurden. Ich vernahm einige Fußschritte, die langsam immer leiser wurden und verstummten. Dann war nichts mehr zu hören, bis auf meinen flachen Atem, den ich zu beruhigen versuchte.

Mein Körper zitterte. Ich traute mich kaum, irgendein Körperteil zu bewegen, sodass mein Bein einschlief und schrecklich kribbelte.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich wieder etwas anderes als meine Atmung und mein schlagendes Herz hörte. Das Klappern war so leise und ich befürchte, dass jemand neben uns seinen Kistendeckel geöffnet hatte. Trotz weiteren Geräuschen blieb ich still sitzen.

Dann wurde meine Klappe geöffnet und Tryphosa sah auf mich herab. "Ihr könnt herauskommen", wisperte sie. Dann verschwand ihr Gesicht und gab mir die Sicht auf den teilweise von hohen Baumkronen verdeckten, sternenübersähten Nachthimmel frei.

Vorsichtig stieg ich aus der Kiste und schüttelte mein kribbelndes Bein aus. Wir standen im dunklen Wald. Ich sah keinen Fluss, kein Schiff und auch keine Ejchews. Nur Bäume und die Silhouetten von Menschen unserer Soldatentruppe.

Es war kalt und windig, trotz der uns schützenden Bäume. Ich sah nach oben, aber entdeckte nirgendwo Drachen.

Ohne weitere Worte schulterten wir unser Gepäck und unsere Waffen. Dann gingen wir Nicolas nach, der eine Landkarte in der linken Hand hielt und sie mit Flammen aus seiner rechten Hand beleuchtete.

Mit wenigen zügigen Schritten war ich bei ihm. "Was sollte das?", wisperte ich verärgert. "Was, wenn ich geschrien hätte? Oder ihn angegriffen hätte?"

"Ich hoffe nicht, dass Ihr dumm genug wärt, einen Ejchew anzugreifen", flüsterte er zurück. Er wandte sich wieder der Karte zu und kniff die Augen zusammen, das kleine Loch betrachtend, was ich als Markierung des nächsten Wegpunktes an Deck hineingestochen hatte.

Wir waren schon so nah dran.

"Wie verflucht erpresst man überhaupt einen Ejchew?", erkundigte ich mich leise.

"Nicht erpressen. Geht Ihr bei mir immer direkt vom Bösen aus? Oder bei anderen Kreaturen vom Guten? Wir haben ihn bestochen."

Bestochen? Einen Wächter des heiligen Landes hinter Fluxus Profundum?

"Womit zum Teufel besticht man einen Ejchew?"

"Was zum Teufel habt Ihr in den Augen der Sirenen gesehen?", fragte Nicolas rhetorisch zurück und gab somit zu verstehen, dass die Diskussion beendet war.

Ich erinnerte mich an das kalte, grausame Gefühl, als ich in diese traurigen Augen geblickt hatte. Augenblicklich bekam ich Gänsehaut am ganzen Körper. Ich spürte kaltes Metall an meinen Handgelenken, das Rasseln von Eisenketten. Hörte Schreie. Verspürte rasendes Adrenalin bei der Erinnerung.

Schnell schüttelte ich die Gedanken mit dem Schütteln meines Kopfes hinfort. Dann begann ich, unserer Umgebung ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Im heiligen Land herrschten zwar ohne Königreiche keine Kriege, das hieß aber nicht, dass es hier nicht ungefährlich war.

Langsam zog ich mein Schwert aus seiner Scheide, weil ich einen Nahangriff hier für wahrscheinlicher hielt als einen Fernangriff.

Man spürte die Anspannung der Anderen, als wir weitergingen. Stundenlang durchschritten wir den Wald, ohne das etwas passierte. Hin und wieder hörten wir Schreie in der Ferne, weit von menschlichen Tönen entfernt.

Ich fühlte mich erleichtert, als sich endlich die ersten Sonnenstrahlen durch die Bäume gekämpft hatten. Noch mehr Erleichterung verspürte ich, als wir den Waldrand erreichten.

Es war wunderschön. Wir standen am Anfang einer riesigen, grünen, hügeligen Fläche. Überall flogen Blüten und Pollen magischer Pflanzen. Kleine fuchsartige Wesen betrachteten uns neugierig und flüchteten in ihre Löcher im Boden, als wir näher traten.

Das Feuer in Nicolas' Händen war erloschen, doch das Feuer in seinen Augen nicht. Aus irgendeinem Grund spürte er, dass wir nicht mehr weit entfernt waren. Trotz stundenlangem Wandern und wunderschöner Aussicht trieb er uns weiter voran.

Die Sonne schien warm auf uns herab. Trotzdem nahm ich meinen Helm nicht ab. Wir durften uns von der Schönheit nicht täuschen lassen. Es gab Wesen, die sich durch die Erde buddeln und uns in unser Grab reißen könnten.

Ich fragte mich, wo unsere Drachen blieben. Aber ich wusste auch, dass sie uns ohne Mühe wiederfinden konnten. Also sollte ich mir darüber die wenigsten Sorgen machen.

Wir wanderten weiter und erlaubten uns nur wenige Pausen. Ich schnitzte einen weiteren Punkt in die Landkarte ein und begriff, dass es der vorletzte war.

Beim nächsten Punkt würden wir an unserem Ziel angekommen sein. Nicolas spürte das. Wahrscheinlich an meiner Nervosität. Wenn wir am Ziel angekommen waren musste ich irgendwie sicherstellen, dass er mich weiterhin mitnehmen würde.

Ich war unendlich erleichtert, als unsere Drachen zurückkehrten und uns auf ihrem Rücken mitfliegen ließen. Meine Füße konnten sich ausruhen, aber meinem Kopf konnte ich keine Ruhe mehr erlauben.

Was ich in den Augen des Spions gesehen hatte, hatte ich für eine Legende gehalten. Aber es gab so viele Anzeichen dafür, dass Cephas es nicht nur für ein Mysterium hielt, sondern für seine letzte Möglichkeit. Um zu vollenden, was er begonnen hatte.

Dann entdeckten wir am Horizont die Berge. Spitz und steinig ragten sie empor. Die heiligen Berge des heiligen Landes.

Die Schönheit war atemberaubend, aber ich konnte sie kein bisschen genießen. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken, dass Cephas uns zuvor gekommen sein könnte.

Und wir alles leer vorfinden würden.

Als wir den Anfang der Berge und die vorletzte meiner Markierungen erreichten, dämmerte es bereits wieder. Nicolas beschloss, irgendwo nach einer geschützten Stelle für die Nacht zu suchen.

Ich überblickte die Gebirgsketten und sah zum Horizont hinüber. Trotz der unbeschreiblich schönen Aussicht hatte ich keine Kraft dazu, den Ausblick zu genießen. Mein Magen verkrampfte sich. Niemand wusste, wie nah wir unserem Ziel eigentlich waren. Aber es war schlauer, sich noch eine Nacht lang auszuruhen, trotz unseres Zeitdrucks. Wenn wir Cephas bald wirklich gegenüber stehen sollten, dann mussten wir vorbereitet sein.

Irgendjemand entdeckte eine kleine Höhle. Wir flogen darauf zu, während sich das ungute Gefühl in mir noch verstärkte. Ich klammerte mich an Deidamia, fühlte ihre warme Haut und die starken, sicheren Bewegungen ihres Körpers. Viel zu schnell waren wir angekommen. Die Drachen setzten uns ab und flogen wieder los, um sich selbst Nahrung oder eine Schlafstelle zu suchen. Mit flachem Atem sah ich ihnen nach.

Ich ließ die anderen vorangehen, um die Höhle auf ihre Sicherheit zu überprüfen. Mein Kopf schmerzte, weil ich keine Lösung für meine Situation finden konnte. Nicolas war so kalt mir gegenüber. Es war offensichtlich, dass ich für ihn nur ein Ärgernis und eine Behinderung darstellte, dass er mich als einen Feind betrachtete.

Und er würde die Möglichkeit verhindern wollen, mit einem Feind im Rücken in das mächtigste Königreich des Landes einzudringen. Sobald er erfahren würde, wonach wir suchten und was Cephas geplant hatte, würde er mich zurücklassen.

Vorsichtig betrachtete ich seinen Rücken und die durch seine Rüstung noch breiteren Schultern, während er mit den Flammen aus seinen Händen die Höhle für uns erleuchtete.

Es fiel mir schwer, diesen Mann einzuschätzen. Jeder Einblick in seine Seele war eiskalt gewesen. Das einzige, was feuerhaft in ihm wallte, waren Rachegefühle gegenüber Cephas. Das Blut, welches er forderte.

Als ich daran dachte, fühlte ich auch meine Wut wieder in mir aufleben. Cephas' Königreich hatte meine Eltern ermordet und unzählige andere Opfer gefordert. Cephas hatte mir den größten Schmerz bereitet, den ich je in meinem Leben gespürt hatte. Sobald sich die erste Möglichkeit ergab, würde ich seinen Kopf abtrennen und seine Schreckensherrschaft beenden.

Aber meine blinden Rachegefühle wurden durch meine Sorge um Crescentia abgebremst. Als ich nun über Cephas' Plan nachdachte, fragte ich mich, ob es für meine Schwester nicht schon längst zu spät war.

Mein Fuß blieb an einem Stein hängen. Ich strauchelte und stolperte trotz des Versuchs, mein Gleichgewicht zu halten. Mit den Knien schlug ich auf dem Boden auf und fing mich mit meinen Händen ab. Die Rüstung fing den meisten Schaden ab, aber dennoch schoss mir der Sturz durch Mark und Bein.

Das Gerappel von Metall hallte durch die gesamte Höhle hindurch. Die eine Hälfte der Truppe starrte mich an, die andere alarmiert zum Eingang hin. Ich biss die Zähne zusammen und rappelte mich wieder auf. Einige Sekunden lang verharrten wir regungslos in Stille. Dann gingen wir vorsichtig weiter.

Meine Knie und Handflächen schmerzten. Aber das war der Preis für meine Unachtsamkeit. Meine Gedanken würden die Situation nicht verbessern. Ich musste mich konzentrieren, zielstrebig bleiben und meine Trauer wieder in meinen Hinterkopf schieben.

Als wir am Ende der kleinen Höhle ankamen ließen wir uns erschöpft nieder. Der Boden war feucht und eiskalt. Sehnsüchtig dachte ich an Deidamias schützenden, warmen Körper und ihre großen, meinen Körper bedeckenden Flügel.

Ich zog nur einen kleinen Teil meiner Rüstung aus und rollte mich in einer Ecke zu einer Kugel zusammen, damit ich so gut wie möglich von meiner Körperwärme profitierte. Meine Augen fielen zu, obwohl ich versuchte, sie offen zu halten. Doch in nicht weniger als ein paar Sekunden hatte die Dunkelheit mich eingeholt.

Als ich geweckt wurde, war es stockdunkel und noch kälter in der Höhle. Die eisige Feuchte des Bodens war in meine Muskeln gezogen. Meine Augen brauchten etwas, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.

Ich zog den Rest meiner Rüstung an und trank meinen letzten Schluck an Wasser. Meine trockene Kehle dankte es mir. Dann bewaffnete ich mich vollständig und ging ganz vorsichtig an den schlafenden Soldaten und Soldatinnen vorbei, um nicht wieder zu fallen.

Am Eingang der Höhle saß Nicolas im sanften Licht des Halbmondes. Leise schliff und schärfte er seine Schwertklinge an einem Dolch. Er sah nicht einmal auf, als ich an ihm vorbeiging.

Der Nachthimmel war wolkenlos und sternenüberdeckt. Ich stand auf dem unbedachten Felsvorsprung und sah über die endlos scheinende, hügelige Landschaft hinab. Langsam füllte ich meine Lunge mit dem kalten, aber frischen Sauerstoff und ließ ihn noch langsamer wieder hinaus.

"Ihr wisst es", sagte ich dann leise nach einer Weile des Schweigens und drehte mich zu dem König um. Er wusste, dass wir unserem Ziel schon sehr nahe waren.

Nicolas unterbrach das Schleifen nur für wenige Sekunden und fuhr dann weiter mit seiner Arbeit fort. "Ja, ich weiß es", bestätigte er knapp.

Ich spürte es. An seiner Energie des letzten Tages und seiner Unermüdlichkeit. Daran, wie wach er hier saß und seine Klinge vorbereitete. An dem lodernden Wutgefühl, welches er ununterbrochen ausstrahlte.

Mit vor Kälte zitterndem Körper drehte ich ihm wieder den Rücken zu. "Was stand in der Schriftrolle, Nicolas?" Es fühlte sich nicht wie eine Niederlage an, ihn das zu fragen. Ich wollte einfach nur wissen, wie es meinem Bruder ging. Und Spero. Meinem Zuhause.

Tatsächlich stoppte Nicolas gänzlich, denn ich hörte, wie er seine Waffen behutsam beiseite legte. Dann stand er auf, stellte sich mit Abstand von drei Schritten neben mich und sah in den dunklen Himmel hinauf. "Ich habe sie mitgenommen", berichtete er dann.

Überrascht blickte ich ihn an. Den ganzen langen Weg lang hatte er sie mitgenommen? Warum hatte er sie nicht verbrannt oder weggeworfen?

Ich richtete meinen Blick wieder nach vorne. Langsam atmete ich ein und aus. Mein Atem verließ meinen Mund in Form von sanften Nebelschwaden. "Was hat er geschrieben?", fragte ich. Ich ahnte, dass es mich nur noch mehr aufwühlen würde, wenn ich die Schriftrolle jetzt selbst lesen würde.

"Er hat geschrieben, wie er sich fühlt, als letztes Familienmitglied allein seine Eltern begraben zu müssen", sagte er. Ich erkannte keine Behutsamkeit in Nicolas' Stimme, obwohl er offensichtlich schmerzhafte Teile ausließ. Die Trauer und den Schmerz und die Vorwürfe. "Dass sie einen Suchtrupp organisieren und Ihr zurückkommen sollt."

Kurz ließ ich seine Worte auf mich einwirken. Aber sie veränderten nichts. "Ich wäre auch damals nicht umgekehrt", sprach ich meine Gedanken aus.

"Ich weiß", erwiderte er.

Den Rest unserer Wachzeit schwiegen wir, bis wir die nächsten zwei Soldaten zur letzten Wacheinheit aufweckten.

Ich sah noch, wie Nicolas sich wieder zum Schlafen legte, bevor mein Körper wieder von tiefer Schläfrigkeit eingehüllt wurde.

Und als ich wieder aufwachte, da war Nicolas verschwunden.

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