| 1 | mama bore a girl
Mama bore a girl with a gun for a mouth, teeth dripping lead, and lips bleeding red, lashes curled for war, onyx armour for my eyes, tongue waxing lyrical of both beauty and battle cries.
-i.g.p.
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- Victorine -
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Meine Klinge fuhr schnell und scharf schneidend durch die Luft, als ich abwechselnd die Angriffe meines Gegners parierte und selbst zu tödlich verletzenden Zügen ausholte. Als das glänzende Eisen nur wenige Zentimeter von seiner pochenden Halsschlagader und der dünnen Haut darüber entfernt war stoppte ich abrupt und sah meinem Gegenüber in die weit aufgerissenen Augen.
Ein paar Sekunden verharrten wir in dieser Position, dann ließ mein Gegner die Schultern sinken. "Wirklich nicht schlecht, Victorine." Eric blickte mir in die Augen, dann schielte er hinunter auf die bedrohlich nahe Klinge in der Nähe seines Halses, die ich dann langsam sinken ließ und in der Schwertscheide verstaute. "Und du hast auch wirklich nicht deine Fähigkeiten eingesetzt?", fragte mein Kampfausbilder mit durchdringendem Blick, während er seine eigene Waffe wegsteckte.
"Natürlich nicht. Hältst du mich für einen Betrüger?", wollte ich mit bitterem Unterton wissen.
"Nein. Dein Kampftalent erstaunt mich nur wieder. Wahrscheinlich will ich auch nicht einsehen, dass du mittlerweile besser bist als ich", meinte er, den letzten Satz etwas leiser murmelnd.
Amüsiert betrachtete ich den hoch gewachsenen, kräftigen Mann und fragte mich, ob er insgeheim auch ein wenig stolz war. Immerhin trainierte er mich seit vielen Jahren, somit war diese Leistung auch zu einem großen Teil ihm zu verdanken.
"Königliche Hoheit Victorine", hörte ich plötzlich jemanden wie aus dem Nichts hinter mir sagen. Ich drehte mich um und erblickte einen sich verbeugenden Königshausangestellten. "Eure Anwesenheit wird in Kürze im Speisesaal erwartet."
So früh schon? Die Abenddämmerung stand wohl auch in nächster Zeit noch nicht bevor und ich hatte gehofft, mich vor dem Abendessen noch etwas auslaufen zu können und einen kurzen Halt bei Deidamia in den Bergen zu machen. Ein Seufzen unterdrückend blickte ich den Angestellten an. "Vielen Dank, ich werde mich sogleich auf den Weg machen."
Der junge Mann in Uniform nickte, verbeugte sich ein weiteres Mal und verschwand anschließend so schnell, wie er gekommen war.
"Also dann, Victorine, morgen wieder um dieselbe Zeit?", erkundigte sich mein Ausbilder, während er seine Waffen und Utensilien säuberte und in lederne Taschen packte.
"Eine Stunde früher wäre wohl besser", überlegte ich laut. Falls man mich morgen wieder so früh holen würde, hätte ich vorher noch etwas Zeit, um einen Ausflug in die Berge zu machen.
"Abgemacht", lächelte Eric und warf sich sein Gepäck um. "Dann bis morgen."
Gedankenverloren sah ich ihm hinterher, dann drehte ich mich um und verließ das Kampftrainingsfeld. Frischer Wind zog auf und kühlte den Schweiß auf meiner Stirn. Mich durchfuhr ein Frösteln und Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen. Ich ließ mir Zeit auf dem Rückweg und beim anschließenden Baden, jedoch nicht dabei, mir mein verhasstes Abendkleid anzuziehen.
Auf dem Weg zum Speisesaal betrachtete ich die riesigen Porträts der bisherigen Thronpaare und fühlte mich beinahe ganz klein beim Heraufschauen auf die großen Gemälde. Meine Schritte hallten durch den Raum und durchbrachen die eisige Stille. Es war ein schrecklich langer Gang.
Als ich die schwere Tür zum Speisesaal aufdrückte bemerkte ich wenig überrascht, dass ich mal wieder die letzte war.
Heute war Sonntag und sonntags aßen wir traditionell in engstem Kreis, also meine Eltern, meine jüngere Schwester, mein älterer Bruder und ich. Dementsprechend war die riesige Tafel ziemlich leer. Normalerweise saß ich gerne neben Eric, meinem Kampfausbilder und Cousin meines Vaters, und redete mit ihm über Waffen, Kampftechniken und die Abenteuer, die in der Ferne unseres Landes Lavralha warteten.
Nun setzte ich mich neben meine jüngere, achtzehnjährige Schwester Crescentia, die mir ein liebliches Lächeln schenke.
"Habt ihr lange gewartet?", flüsterte ich und rückte meinen Stuhl möglichst leise zurecht.
"Nein, keine Sorge", erwiderte sie beruhigend und rückte ihr Besteck in gleichmäßigen Abstand zu ihrem Teller hin. Wie immer saß sie fast schon stocksteif mit durchgestrecktem Rücken auf ihrem Stuhl und wartete geduldig.
Sobald die gesamte Familie mit meinem Erscheinen anwesend war betraten Angestellte den Raum und verteilten uns goldene Schüsseln mit einer Gemüsesuppe, welche mich nach dem harten Training nur so freudig anlachte.
"Also, Victorine, wie lief das Kampftraining?", erkundigte sich mein Vater schließlich. Wie immer, wenn er die Stimme hob, meinte ich in der auftretenden Stille im Raum eine einzige Stecknadel fallen hören zu können.
"Ganz gut", antwortete ich und wischte mir Suppe aus dem Mundwinkel. Wenn er wüsste, dass ich besser als sein Cousin wurde, dann würde er mir sicherlich einen anderen Ausbilder suchen, was ich aber auf keinen Fall wollte. Ich vermied vehement den Blickkontakt zu meiner Mutter, wie immer, wenn ich etwas zu verbergen hatte.
Ich war die einzige in der Familie, die so viel Zeit mit der Kampfausbildung verbrachte. Die Fähigkeiten der anderen war ziemlich nützlich für Schutz und Kampf, meine allerdings... Ich unterdrückte ein Seufzen.
"Vater, was ist der Grund für das heutige frühe Abendessen?", forschte mein älterer Bruder schließlich nach, während wir weitestgehend wortkarg die Vorspeise aßen.
"Eine kurzfristige Besprechung wurde einberufen. Es gibt Neuigkeiten Außer- und Innerlandes...", setzte er an, wurde aber mit einer liebevollen Geste meiner Mutter unterbrochen. "Aber nicht beim Essen, Alveric."
Ich betrachtete das zarte Gesicht meiner Mutter, mit den freundlich wirkenden, geschwungenen Augenbrauen, den großen, blauen Augen und dachte daran, dass ihre Schönheit eindeutig meine Schwester Crescentia vererbt bekommen hatte.
Mein Vater nickte und wandte sich wieder dem Essen zu. Meine Mutter schätzte die Familienzeit immer sehr und versuchte, Geschäftliches währenddessen immer ein wenig auf Abstand zu halten.
Also aßen wir unseren Hauptgang weiter, während ich in völliger Neugier auf die Neuigkeiten gelassen wurde. Je länger ich aß, umso mehr bahnte sich ein schlechtes Gefühl in meiner Magengegend an. Ich hinderte mich selbst daran, zu meinem Vater zu blicken, um garnicht erst in die Versuchung zu gelangen, ihn auszuspionieren.
"Weißt du, was passiert sein könnte?", flüsterte ich in einem günstigen Moment und lehnte mich zu meiner Schwester herüber.
"Nein." Crescentia zuckte mit den Schultern, wandte sich mir zu und legte ihre warme, weiche Hand auf meine. "Sei unbesorgt. Vater bekommt alles geregelt. Er ist der diplomatischste Mensch, den ich je kennengelernt habe."
Ich drückte ihre Hand kurz und bedankte mich still mit einem Lächeln für ihre Worte.
Wir plauderten wir noch ein wenig über dies und das und aßen den Nachtisch, der uns gereicht wurde.
Wir erhoben uns gerade, da eilte ein Königshausangestellter herbei und verbeugte sich tief vor meinem Vater. "Geehrter König Alveric Mortimer Ulric von Arphaxad, bitte entschuldigt die Störung, aber Euch erwartet ein äußerst aufgelöster Dienstbote im Besprechungszimmer. Es scheint wohl sehr dringend zu sein."
Mit einer Miene, die nichts deuten ließ, sah mein Vater ihn an, dann drehte er sich zu uns um. "Ich werde Angestellte zu euch schicken, sobald ich fertig bin", erklärte er dann. Ich fragte mich, was er uns so unbedingt erzählen wollte.
Wir nickten und sahen zu, wie er mit einigen Angestellten den Raum verließ. Dann wandte sich meine Mutter mir zu und legte mir sanft eine Hand auf die Schulter. "Victorine, würdest du bitte kurz mitkommen?"
"Natürlich, Mutter", antwortete ich, mich im gleichen Moment bereits fragend, was sie wohl mit mir zu besprechen hatte. Hatte sie bemerkt, wie ich den Blickkontakt zu ihr vermieden hatte? Ich verabschiedete mich von meinen Geschwistern. Schweigend folgte ich ihr durchs Schloss und über drei Treppengänge, bis wir das Schlafzimmer meiner Eltern betraten und meine Mutter die schwere Tür hinter ihr schloss.
Dann schritt sie elegant den großen Raum entlang, bis sie am Fenster angelangt war und sah einige Sekunden lang schweigend hinaus in die Abenddämmerung. Von hier aus konnte man bis über die Schlossmauern auf das umliegende Dorf hinab schauen.
"Victorine", sprach sie dann plötzlich langsam und sanft meinen Namen aus, jedoch ohne sich mir zuzuwenden. "Es gibt etwas, was ich dich fragen muss."
"Das wäre?", fragte ich mit stärker klopfendem Herzen.
"Dein Bruder wird wahrscheinlich irgendwann unseren Thron hier besteigen. Wie stehst du dazu?" Nun drehte sie sich zu mir um und analysierte meine Gesichtszüge. Ich hatte eine ihrer Fähigkeiten geerbt, deshalb wusste ich, dass Lügen sinnlos waren.
Ich sah sie eine lange Zeit an,. Dann trat ich näher und blickte aus dem Fenster, neben dem sie stand. "Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich nicht die Älteste bin. Ich möchte kein Königreich regieren. Wahrscheinlich auch in der Zukunft nicht."
"Königin sein ist viel mehr als pünktlich zu sein, angemessen auszusehen und sich den Normen entsprechend zu verhalten", sagte meine Mutter, während sie langsam die Krone von ihrem Kopf nahm und sie mir auf mein Haupt setzte. Das Metall fühlte sich warm, aber dennoch befremdlich und unangenehm auf mir an.
"Ich wäre wohl lieber eine Kriegerin statt eine Königin", gab ich zu.
"Das weiß ich, mein Schatz. So warst du schon immer. Mit dem Kopf durch die Wand, seit du klein warst. Kamst ständig mit blutigen Knien zum Abendessen. Konntest nie still sitzen. Kannst es auch heute kaum", erzählte sie schmunzelnd. "Du bist sehr mutig und loyal, Victorine."
"Aber nicht besonders verantwortungsbewusst", lachte ich dann. "Dafür ist Darius zuständig."
"Das stimmt. Dein Bruder wird ein wirklich guter König werden", stimmte sie mir lächelnd zu. Dann sah sie kurz wieder zum Dorf hinaus.
"Manchmal sollten diejenigen regieren, die es eigentlich gar nicht möchten", murmelte sie dann, die Krone wieder an sich nehmend.
"Wie meinst du das?", fragte ich stirnrunzelnd.
Sie sah mich an, doch plötzlich ertönte ein schrecklich lauter Knall aus einer Richtung, die ich kaum zuordnen konnte.
"Was war das?", entfuhr es mir erschrocken, blickte aus dem Fenster und versuchte irgendetwas zu erkennen. Dann rannte ich zum anderen Fenster und erblickte das Tor der Schlossmauer, welches sich aus den Angeln gerissen auf dem Boden befand. Einzelne Stellen des Vorderhofes brannten.
"Hast du Waffen hier?", rief ich und drehte mich zu meiner Mutter um, die mich allerdings einfach nur unbeteiligt im Raum stehend anstarrte.
Ihre blauen Augen leuchteten strahlend hell, ihre langen Haare wehten ein wenig in der Luft, obwohl kein bisschen Wind in diesem Zimmer zirkulierte. "Nein, nein, das ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für eine Vision!", rief ich und schüttelte sie an den Schultern, aber es hatte absolut keinen Zweck.
Fieberhaft überlegte ich, was ich tun sollte, aber die Zeit lief mir davon. Also rannte ich zur Tür um den Riegel vorzuschieben, als sie plötzlich von außen aufgestoßen wurde. Ich stemmte mich mit ganzer Kraft dagegen, doch dann verlor ich das Gleichgewicht und drei Soldaten unseres Königshauses stürzten in den Raum. Mir blieb keine Zeit für die Erleichterung davor, dass es keine Angreifer, sondern Beschützer waren.
"Ihr müsst fliehen, sofort! Was ist mit der Königin?", rief einer der Männer, während sie sich vor der Tür im Zimmer aufstellten und diese sicherten.
"Sie hat-", setzte ich zur Erklärung an, doch dann wurde ich schon von hinten gepackt. Mit halbem Herzinfarkt drehte ich mich zu meiner Mutter um, welche mich am Arm durch den Raum zog, so fest und bestimmt, dass ich einfach nur hinterher stolperte.
"Ich liebe dich, Victorine", sagte sie und blickte mich an. Tränen standen ihr in den Augen, als ein Schock durch mich fuhr und ich die Paralyse meinen Körper Besitz ergreifen fühlte.
Harte Schläge trommelten an der Tür, dann vernahm ich das Geräusch einer Axt, welche immer wieder auf Holz geschlagen wurde.
Meine Mutter betätigte einen Schalter neben sich und ein dunkler Raum tat sich hinter mir auf. Ich war unfähig, mich zu bewegen, als sie mich in den Raum hinein schubste. Ebenso fühlte ich kaum, wie ich heftig aufschlug und viele Meter einen steinigen, tunnelartigen Gang weiter rollte.
"Das ist ein Befehl!", hörte ich meine Mutter rufen, dann vernahm ich noch ein gedämpftes Geräusch und augenblicklich war alles Licht verschwunden. Ich kam zum Stehen und blieb auf dem Rücken in vollkommener Dunkelheit liegen.
Was passierte mit meiner Mutter? Warum hatte sie das getan? Warum und von wem wurden wir angegriffen? Wie ging es meinem Vater und meinen Geschwistern?
Ich hörte nichts, absolut nichts, bis auf meinen rasenden Herzschlag und das Blut, welches durch meine Adern schoss und in meinen Ohren rauschte. Mein Atem wurde langsamer, dann auch mein Herzschlag. Die Paralyse nahm Besitz von meinem ganzen Körper.
Ich kämpfte mit aller Macht dagegen an, denn ich musste mich aufrappeln und einen Weg hier herausfinden, ich musste meine Familie mit meinem Leben beschützen, und doch lag ich hier und konnte nicht einmal einen Finger rühren.
Meine Gedanken wurden langsamer und zäh wie Leder, bis sich meine Augen irgendwann schlossen. Es war nicht ansatzweise abzuschätzen, nach welcher Zeitspanne ich sie wieder öffnete. Waren sie überhaupt geöffnet? In dieser Dunkelheit machte es keinen Unterschied. Panik überfiel mich aus der Ungewissheit, ob meine Augen geöffnet oder geschlossen waren. Noch immer konnte ich keines meiner Körperteile bewegen. Dann sollten meine Augen doch geschlossen sein?
Es sei denn, ich lag mit geöffneten Augen dort, weil ich im Sterben lag. Hatte ich mir den Kopf angeschlagen? Blutete ich irgendwo? Mein Herz schlug immer langsamer, kaum bemerkbar, meine Brust hob sich nicht, meine Lungen fühlten sich kaum mit Sauerstoff gefüllt an.
Ich fragte mich, wie viel Zeit vergangen war, in der ich um mein Leben und das von meiner Familie bangte.
Und dann zuckte mein rechter Zeigefinger.
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