28.- Philemon und Baucis (und Apfelkuchen)

Drei Worte hallten immer und immer wieder in meinen Gedanken wider.

Ich liebe dich.

Sie noch ein einziges Mal halten zu können, das war alles gewesen, was ich mir in den letzten zwei Jahren gewünscht hatte und jetzt wo ich immer noch den Geist ihrer Arme spüren konnte legte sich so etwas wie eine tiefe Ruhe über mein Dasein. Natürlich, der Schmerz, der sich in meine Brust gebohrt hatte war immer noch da, aber zumindest für den Moment wurde er vom warmen Klang ihrer Stimme übertönt. Es war der Abschied gewesen, den uns damals niemand vergönnt hatte und ich fühlte mich als könnte ich seit langer Zeit wieder frei atmen.

Dann prallten die Erinnerungen auf mich ein. An den Kampf, das Labyrinth...

Wo war ich?

Als ich langsam wieder zu mir kam, war das erste, das ich registrierte der feine Geruch von Apfelkuchen. Das Zweite war ein dumpfes Pochen in meinem Hinterkopf.

Die Augen öffnet versuchte ich herauszufinden wo ich mich befand, aber helles Licht blendete mich, sodass ich mehrmals blinzeln musste, bevor ich etwas erkennen konnte. Der Raum in dem ich mich befand, erinnerte mich an das Strandhaus, in dem ich früher oft die Ferien mit Mum verbracht hatte. Der Boden war aus hellem Holz und soweit ich sagen konnte lag ich in einem niedrigen Bett. Auf einem kleinen Tischchen neben mir stand eine Vase mit frischen Blumen, einige Meter entfernt von mir konnte ich einen Esstisch sowie Stühle ausmachen und als ich den Blick hob fiel mir auch die beschauliche Kochecke am anderen Ende der Stube auf. Ein kleines Feuer knisterte im Ofen und verbreitete eine angenehme Wärme.

„Du wachst gerade rechtzeitig auf", die fremde Stimme ließ mich zusammenfahren. Schneller als menschenmöglich sprang ich auf, Springflut schützend vor mich gestreckt. Aber kaum hatten meine nackten Füße den Boden berührt verwandelte sich das Pochen in meinen Kopf in einen dröhnenden Schmerz, der mich zurücktaumeln ließ. Springflut fiel klirrend zu Boden und ich stolperte zurück aufs Bett. Die Augen zusammendrückend presste ich meine Handballen gegen die Schläfen, in der Hoffnung der Schmerz würde vergehen.

„Vorsichtig Junge, du solltest es langsam angehen." Als ich die Augen wieder öffnete stand vor mir die Frau aus dem Labyrinth. Ihre Haare waren zu einem lockeren Knoten gebunden und sie trug eine bunte Schürze, auf der Mehlflecken zu erkennen waren. Wahrscheinlich vom Apfelkuchen packen.

Die Damen hatte die Hände in die Hüfte gestemmt und warf mir einen besorgten Blick zu.

„Was-", ich wollte erneut aufstehen aber sie drückte mich sanft aber bestimmt zurück aufs Bett.

„Langsam habe ich gesagt. Du hast dich da draußen ziemlich verausgabt."

„Wer sind Sie?" Stirnrunzelnd sah ich sie an. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie kein Monster war oder mich umbringen wollte und falls doch war es auch schon egal. Zumindest würde sie mich dann von den schrecklichen Kopfschmerzen erlösen.

„Oh entschuldige, natürlich. Mein Name ist Baucis." Ich hatte das Gefühl, dass ich den Namen kennen sollte, oder ihn zumindest schon einmal gehört hatte, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern wann.

„Percy", meinte ich schlicht, woraufhin Baucis lächelte.

„Ich weiß", sie zwinkerte mir zu, „Chaos redet in letzter Zeit kaum von etwas anderen als dir. Aber das weißt du nicht von mir."

„Sie kennen Chaos?"

„Kennen ist gut", Baucis lachte leise in sich hinein, „Er kommt jeden Sonntag zum Essen. Behauptet es liegt daran, dass er meinen Braten mag, aber ich denke wir sind ihm ans Herz gewachsen."

Etwas verwirrt nickte ich, was Baucis wohl Antwort genug war. Ehrlich gesagt machte ihre Worte umso weniger Sinn für mich, desto länger sie redete.

„Du bist sicher hungrig, nicht? Der Kuchen muss noch etwas abkühlen, das Mittagessen hast du leider verschlafen."

„Wie lange habe ich geschlafen?" Es war Tag, zumindest so viel konnte ich über die Uhrzeit ausmachen, jetzt stellte sich nur noch die Frage ob es noch derselbe Tag war.

„Gut sechs Stunden", meinte Baucis und wandte sich wieder zur Küche. Sechs Stunden. Wir hatten das Schloss am Morgen um etwa sieben verlassen und es hatte sicherlich eine Stunde gedauert bis wir die Höhle entdeckt haben, aber wie lange der Kampf gedauert hatte... keine Ahnung.

„Sind meine Freunde auch hier?"

„Du meinst Nico und Remus? Ja, keine Sorge, sind draußen mit Phil, ich glaube er hat sie zum Holzhacken eingeteilt", in diesem Moment ging die Tür auf. Ein kühler Wind fegte in den Raum und Nico trat herein.

„Baucis? Philemon will wissen wo die Leiter ist... Morgen, Perce." Der Junge hatte wieder eine gesunde Gesichtsfarbe, so gesund es für Neeks eben ging und man merkten ihm nicht an, dass er vor wenigen Stunden noch mehr oder weniger wie ein Toter ausgesehen hatte. Auf seiner Schulter saß Nala, die sofort aufsprang als sie mich entdeckte und auf mich zugeflogen kam. Ihr Fell glänzte einmal mehr in sauberen Silber als sie sich neben mir auf dem Bett niederließ und den Kopf auf meinem Oberschenkel legte. Mit einem Lächeln auf den Lippen kraulte ich sie am Kinn.

„Hinter dem Schuppen, wo sie immer ist", Baucis sah Nico stirnrunzelnd an, „Wofür braucht er eine Leiter?"

„Irgendetwas von einem Vogelnest...", Nico wurde vom energischen Kopfschütteln der Frau unterbrochen.

„Wie oft habe ich ihm schon gesagt, dass er das Vogelnest lassen soll? Er holt sich noch den Tot", Baucis rauschte an meinem Cousin vorbei nach draußen. Der Sohn des Hades sah ihr kurz nach, bevor er mit den Schultern zuckte und sich zu mir wandte.

„Gut geschlafen?" Anstatt zu antworten richtete ich mich langsam auf. Der Boden unter meinen Füßen war warm (Wo waren eigentlich meine Schuhe, wenn wir gerade dabei sind?), für einen Moment sah es gut aus, dann meldeten meine Kopfschmerzen sich wieder zu Wort und der Raum begann sich zu drehen. Aber dann war Nico an meiner Seite und stütze mich, sodass ich nicht erneut fiel.

„Danke", murmelte ich und stolperte zu einem der Stühle. Jeder Schritt sandte Nadeln durch meinen Schädel, aber ich biss die Zähne zusammen. Erleichtert ließ ich mich auf einem der Holzstühle nieder und fuhr mir mit den Händen übers Gesicht. Nala landete wieder auf meinem Schoß, während ich den Kopf in den Nacken legte.

„Wo sind wir?", wollte ich schließlich wissen.

„Bei Philemon und Baucis", meinet Nico trocken und reichte mir ein Glas Wasser, das ich dankend annahm und in einem Zug lehrte.

Philemon und Baucis. Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das alte Ehepaar, bei dem Zeus und Hermes einst eingekehrt waren, nachdem niemand sonst ihnen Unterkunft gewähren wollte. Die in ärmlichen Verhältnissen lebenden Leute hatten mit den getarnten Göttern alles geteilt, auch wenn sie selbst kaum etwas besessen hatten. Zum Dank hatte Zeus ihre spärliche Hütte in einen goldenen Tempel verwandelt und ganz neben bei auch all den unfreundlichen Leuten im Tal mit einer riesigen Flut den Gar ausgemacht. Zeus, eben. Dann hatte er den Eheleuten einen Wunsch geschenkt. Die zwei verlangten nach nichts anderen als ein Leben lang im Tempel den Göttern zu dienen und dann zusammen zu sterben, sodass nie einer ohne den anderen weiterleben musste. So war es geschehen und als ihre Zeit um war, waren Philemon und Baucis zu Bäumen geworden, mit Ästen die sich immer gegenseitig berührten, sodass sie auf ewig zusammen sein mögen.

Obwohl das offensichtlich nicht ganz stimmte, denn Baucis sah nicht wirklich wie die Linde aus, in die sie sich verwandelt haben sollte und dass, was ich über Philemon gehört hatte, klang ziemlich Baum untypisch.

„Philemon und Baucis", wiederholte ich, „Sollten die nicht Bäume sein?"

„Genau mein Gedanke, aber scheinbar ist das Leben als Baum nicht sonderlich spannend..."

„Man bekommt einen ganz steifen Rücken", verkündete Baucis, die gerade durch die offene Tür trat und diese hinter sich schloss, „morgens nach dem Aufstehen kann ich es immer noch spüren."

Um ihre Aussage zu unterstreichen rieb sich die Frau das Kreuz: „Chaos war so nett und hat uns vor gut zweitausend Jahren zurück verwandelt. Natürlich, die Götter haben es nur gut gemeint und die ersten paar hundert Jahre war es auch ganz schön, so friedlich, aber Baum sein ist doch ziemlich eintönig."

Nicos warf wir einen vielsagenden Blick zu und ich wusste, dass er und ich den selben Gedanken teilten: Thalia dürfte niemals, nie, unter keinen Umständen, Bekanntschaft mit diesen Menschen machen.

„Aber jetzt haben wir es schön. Chaos hat gut für uns gesorgt und er kommt auch regelmäßig zu Besuch. Vor ein paar Jahren waren wir sogar auf einer Kreuzfahrt. Die Welt da draußen ist ein faszinierender Ort. So viele Menschen, aber zu laut für uns alte Leute, wir bleiben lieber hier bei unserem beschaulichen Häuschen", Baucis nahm den Apfelkuchen von der Anrichte und stellte ihn in die Mitte des Esstisches, „So, genug erzählt. Nico, sei so lieb und hol Remus und Phil, es gibt Kuchen."

„Ein netter Junge", meinte die Frau zu mir, als Nico nach draußen gegangen war, „Aber viel zu blass. Und zu dürr, er muss mehr essen." Dann machte sie sich daran den Tisch zu decken und ich nutzte den kurzen Moment um den Erschaffer des Universums zu kontaktieren.

Percy, wie geht es dir?, zu meiner Überraschung löste seine Stimme in meinen Gedanken keine weiteren Kopfschmerzen aus, sondern schien sie viel mehr zu dämpfen.

Ich habe schlimmeres erlebt... Chaos, was ich gesehen habe, im Traum, geistig zeigte ich ihm kurze Eindrücke von meiner Begegnung mit Annabeth, Es war echt, oder? Keine Spielerein von Moros?

Ich bezweifelte stark, dass Moros in der Lage gewesen wäre eine solche Illusion zu erschaffen, überhaupt da es nur wenige Dinge auf diese Welt gab die ich besser kannte als Annabeth und das war eindeutig meine Annie gewesen. Trotzdem, ich musste sicher sein.

Nein, keine von Moros Spielerein, versicherte Chaos und ich hätte schören können ihn seufzen zu hören, es war Annabeth und niemand sonst.

Wie?

Das ist nicht weiter wichtig... Hat Baucis einen Apfelkuchen gebacken?

Ja, warum?

Weil deine Gedanken die ganze Zeit zu Apfelkuchen abdriften... Und weil Baucis einen ausgezeichneten Apfelkuchen macht. Und damit war seine Präsenz aus meinen Gedanken verschwunden und mir blieb nichts anderes übrig, als mich zu fragen, was er damit erreichen wollte.

Bevor ich mich aber weiter damit beschäftigen konnte, ging die Tür auf und Remus trat ein, gefolgt von einem Mann, von dem ich annahm, dass es sich um Philemon handelte. Er war groß gewachsen, wahrscheinlich fast so groß wie ich, schneeweißes Haar viel ich in die Stirn und an seinem Kinn war ein leichter Bartansatz zu sehen. Seine Nase war krumm und sah aus als wäre sie schon einmal gebrochen worden, aber irgendwie passte sie perfekt in sein faltiges Gesicht.

„Und das alles kann dieser kleine Stock?", die Stimme des Mannes erinnerte mich an die eines Geschichtenerzählers, der es liebte von früheren Abenteuern zu erzählen.

„Nun, es ist nicht der Stock, äh Zauberstab, allein, man braucht viel Übung, den richtigen Spruch und natürlich ein angeborenes Talent für Magie", erkläre Remus, als die zwei auf den Tisch zu kamen.

„Verstehe", Philemon wollte nach dem Kuchen auf dem Tisch greifen, aber seine Frau schlug ihn mit einer schnellen Bewegung die Finger weg.

„Nichts da. Wir haben Gäste." Der Mann grummelte etwas, dann fiel sein Blick auf mich. „Ah, Percy, schön dich endlich kennen zu lernen", Philemon lächelte breit und schüttelte meine Hand, „Gut, dass du endlich wach bist. Hast deinen Freunden einen ordentlichen Schrecken eingejagt, einfach so umzukippen. Aber egal, passiert den Besten von uns."

„Äh, ja", ich erwiderte den Händedruck, während Baucis Nico und Remus an den Tisch scheuchte.

„Setz dich und quatsch den armen Jungen nicht voll", Philemon warf mir einen Blick zu, den ich nur als ‚Sie ist der Boss' deuten konnte, bevor er sich in den Stuhl gegenüber von mit fallen ließ. Nico hatte sich unterdes neben mich gesetzt, während Lupin neben Philemon Platz nahm.

„Fühlst du dich besser?", wollte der Zauberer von mir wissen und ich nickte, bevor Phil ihn wieder in ein Gespräch über Zauberei einwickelte. Baucis schnitt derweil den Kuchen an und sowie Nico als auch ich reichten ihr ein Teller nach dem anderen, bis jeder ein Stück des zugegeben himmlisch riechenden Kuchens vor sich stehen hatte.

Gerade als Baucis sich setzen wollte, klopfte es draußen.

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