26.- Wir werden angegriffen
„Nicht anfassen", zischte Nico und zog den Zauberer weiter von der Felswand weg.
„Was-" bevor er weitersprechen konnte, brachte ich ihn mit einer scharfen Handbewegung zum Schweigen, gleichzeitig erlisch auch mein Licht und bis auf das Schimmern der Schwerter wurde es dunkel.
Ich hatte etwas gehört. Ein Geräusch das verdächtig nach dem Knacken eines Zweiges geklungen hatte. Lauschend drehte ich den Kopf in Richtung des Höhleneingangs. Nichts.
Vorsichtig schlich ich mich nach draußen, während Nico mir mit einigen Schritten Abstand leise folgte. Der Wald sah unverändert aus, friedlich beinahe, aber meine Instinkte überzeugten mich vom Gegenteil. Mit einem Kopfschütteln bedeutete ich meinem Bruder zurück zu bleiben, bevor ich nach draußen trat.
Mein Blick schweifte über die Bäume, für einen Atemzug war nichts zu hören. Und dann Gebrüll.
Ohrenbetäubend laut hallte es durch den Wald, wild und monströs, ein Geräusch das ich noch nie zuvor in meinen Leben gehört hatte, das von allen Seiten zu kommen schien.
Es dauerte einen Moment bis ich sie sah. Auf den ersten Blick sahen sie beinahe wie Menschen aus, aber diese Kreaturen waren groß wie Bären, ihre Augen glitzerten in einem dunklen Rot und das Gebrüll, das sie von sich gaben, war alles andere als menschlich.
Nala sprang schreiend von meiner Schulter und flog hoch hinauf in das Dickicht der Blätter und um ehrlich zu sein war mir das auch lieber so. Anders als ich war die Kleine alles andere als unsterblich und es würde mir den Kampf erleichtern, wenn ich wusste, dass sie sicher war.
Mein Körper reagierte wie von selbst. Ohne zu zögern streckte ich meine Schwingen und warf mich in den Kampf. Ich registrierte kaum, wie Remus und Nico es mir gleich taten, mein gesamter Fokus lag auf meinen Gegnern.
Es mussten hunderte von ihnen sein, die auf uns zu gerannt kamen, bewaffnet mit Keulen und Äxten oder nur mit bloßen Fäusten.
Springflut schien zu glühen als ich damit die Keule des vordersten Angreifers zu Kleinholz machte. Der Riese schrie laut auf und stürzte sich auf mich, griff mit seinen enormen Pranken nach mir. Mit einer Bewegung die mir über die Jahre in Fleisch und Blut über gegangen war wollte ich mich vor seinem Griff retten, aber mein Schwert glitt durch sein Fleisch, ohne auch nur einen Kratzer zu hinterlassen.
„Was zum Hades?", ein Hieb des Monsters zwang mich zurück zu weichen. Erneut versuchte ich ihn mit meinem Schwert zu verletzten, stieß meine Klinge so fest ich konnte in den Bauch meines Gegners, aber das Ergebnis blieb das selbe.
Was auch immer diese Kreaturen waren, sie waren sterblich. Meine Waffe war machtlos gegen sie.
Erneut schlug die Kreatur nach mir und dieses Mal konnte ich nur um Haaresbreite ausweichen. Meine Gedanken rasten, als ich Springflut in meiner Hosentasche verschwinden ließ und mich unbewaffnet meinen Opponenten stellte.
Mit voller Wucht traf meine Faust auf seinen Oberkörper, das Monster stolperte zurück, aber ich selbst konnte nicht schnell genug zurückweichen und etwas das aussah wie ein riesiger Knochen traf mich an der Seite. Ein neuer Wilder war an die Seite meines Gegners getreten, begleitet von etlichen seiner Begleiter. Für einen Augenblick konnte ich erkennen, wie der, den ich geschlagen hatte, sich bereits erholt hatte, bevor ich einer Axt ausweichen musste.
Einen Plan fassend sammelte ich alles Wasser der Umgebung um mich und begann verzweifelt den Gegenangriff. Das Wasser formte sich auf meinen Willen hin zu dutzenden Eiszapfen und durchbohrte den Riesen, der mir am nächsten stand. Heißes Blut spritzte auf meinen Arm, aber zu meiner Erleichterung stellte ich fest, dass die Kreatur tatsächlich tot zu Boden sank.
Mit neuen Mut kämpfte ich mir meinen Weg durch die Angreifer, zog immer mehr Flüssigkeit aus den Pflanzen, das Gras verdorrte unter meinen Füßen und der Wald ächzte, aber ich nahm es kaum wahr. Das Eis folgte meinen Bewegungen, als ich wild um mich schlug, nahm allerlei Formen an und tötete einen nach dem anderen. Ein riesiger, glänzender Wolf aus Eis formte sich auf meinen Befehl hin und stürzte sich auf ein Monster, das gerade im Begriff war mir den Kopf abzuhacken. Das Monster starb, aber Augenblicke später fiel mein Wolf der Schlagkraft eines Morgensterns zum Opfer und nichts als Eissplitter blieben von ihm übrig.
Egal wie viele Gegner ich auch nieder schlug, zwei neue schienen an die Stelle jedes Toten zu treten. Aus Angst die Felswand hinter mir könnte nachgeben und Nico oder Remus mit sich in den Tod reißen, wagte ich es nicht ein Erdbeben zu rufen und im Moment war ich alles andere als am Gewinnen.
Meine Möglichkeiten waren begrenzt. Überhaupt solange ich nicht wusste wo mein Cousin war. Einen neuen Entschluss fassend erhob ich mich in die Luft, und wich den rauen Händen, die sich nach mir ausstreckten mehr oder weniger geschickt aus. Überall auf dem Waldboden wimmelte es nur so von den fremdartigen Kreaturen und Panik breitete sich in mir aus, als mir bewusst wurde, dass ich weder Nico noch Lupin irgendwo sehen konnte.
Doch dann erregte ein helles Aufleuchten, das nur aus einem Zauberstab stammen konnte, meine Aufmerksamkeit. Dort, mit den Rücken an die Felswand gedrängt, standen meine zwei Gefährten. Remus hetzte einen Zauber nach dem anderen auf die etlichen Angreifer, aber die Attacken schienen sie nur kaum oder gar nicht zu beeinflussen. Währenddessen hatte Nico wohl auch realisiert, dass sein Schwert nutzlos war, und stattdessen eine Armee von Toten beschworen, die ihren Meister vor den Monstern zu schützen versuchten. Aber die Toten schienen wie Glas unter den Fäusten und Waffen der Riesen.
Eis um mich wirbelnd landete ich vor den Zweien und schloss mich ihrem Kampf an. Zwei neue Wölfe formten sich, ein weiterer aus Eis und ein anderer aus dem Fels hinter uns. Sie hatten keinen eigenen Verstand und es kostete mich viel Konzentration die Biester zu lenken, aber für den Moment reichte es um unsere Gegner zurück zu drängen. Ein Blick in Nicos Richtung verriet mir, dass er seine Kämpfer nicht mehr lange aufrechterhalten konnte, der Junge war noch blasser als sonst und tiefe Schatten hatten sich unter seine Augen gelegt. Auch Remus sah nicht besser aus, Schweiß stand ihm auf der Stirn und der Zauberstab, den er fest umschlossen hielt, zitterte in seinem Griff.
Ich brauchte einen Plan und zwar sofort. Wie Chaos es mir beigebracht hatte und wie ich es sonst oft mit Monstern tat, wollte ich alle Gegner auf einmal auszulöschen, aber meine Versuche blieben zwecklos. Irgendein Zauber schützte sie gegen solche Angriffe.
„Irgendwelche Vorschläge?", schrie Nico über den Lärm hinweg. Einer seiner Handlanger, ein Skelett das mit einer Harpune bewaffnet war, fiel unter einer gewaltigen Keule und Nico stolperte zurück.
„Erstmal keine weitere Totenbeschwörung für dich", brüllte ich zurück. Meine Eiszapfen erstachen eines der Monster, das zu nah an meinen Cousin getreten war. Unglücklicherweise ging mir langsam das Wasser aus.
„Avada Kedavra!" grünes Licht schoss aus Lupins Stock auf eine der Kreaturen zu und traf es mitten auf die nackte Brust, aber das Wesen taumelte nur etwas zurück, bevor es erneut angriff. Der Zauberer starrte es mit weiten Augen an und wäre unter seiner Faust zu Matsch geworden, hätte mein Steinwolf sich nicht im rechten Moment auf das Monster geworfen.
„Was sind das für Dinger?", wollte er verzweifelt wissen während er einen Zauber nach dem anderen auf sie feuerte.
Zu beschäftigt damit nicht zu sterben, hatte ich keine Zeit etwas zu erwidern, aber in diesem Fall war wohl keine Antwort, Antwort genug. Ein stechender Schmerz breitete sich ich meinen Kopf aus, als ich mit Hilfe der Wölfe an drei Fronten gleichzeitig angriff. Sehr lange konnte ich das nicht mehr aufrechterhalten.
„Wir müssen in die Höhle", verkündete ich. Mittlerweile hatte ich es irgendwie geschafft einen Sturm zu verursachen, aber ich konnte es nicht riskieren mit Blitzen anzugreifen, da ich Probleme hatte die geballten Energieladungen zu kontrollieren und nicht aus versehen meine Freunde grillen wollte.
Verzweifelt schuf ich drei weitere Wölfe aus der Felsmauer, die sich kaum ausgebildet auf unsere Gegner stürzten. Mit Mühe schaffte ich es uns einen Weg bis zum Höhleneingang durchzuschlagen. Ich merkte kaum, dass ich aus mehreren Wunden blutete, als ich Nico zur Höhle zerrte und gleichzeitig unsere kleine Truppe verteidigte.
„Du willst ins Labyrinth", keuchte Nico und versuchte sich auf den Beinen zu halten, aber der Kampf hatte ihn zu sehr verausgabt.
„Unsere Möglichkeiten sind begrenzt", gab ich zu. Mir fehlte die Kraft uns alle zu teleportieren, wir hatte keine andere Wahl. Schnell übergab ich den taumelnden Jungen an Remus, der mich etwas verzweifelt ansah, aber ich beachtete ihn nicht weiter und konzentrierte mich stattdessen darauf uns am Leben zu erhalten. Zwei meiner Wölfe waren bereits zu Schutt geworden und von meinem Freund aus Eis hatte ich mich schon lange verabschieden müssen. Wenn ich jetzt nicht handelte, würde es zu spät sein.
„Leute, ich würde etwas zurück treten", warnte ich und streckte meine Arme nach vorne. Der Höhlenboden bebte und Sand bröselte von der Decke. Mit einem Satz sprangen meine Wölfe zurück, als riesige Steinbrocken auf den Felsboden knallten und den Eingang zu versperren begannen.
Einer der Riesenmenschen schaffte es durch die sich aufbauende Verschließung zu stolpern. Sein Brüllen echote durch die Höhle, als er auf mich zukam, aber in diesem Moment war ein hohes Kreischen zu hören und etwas Silbriges stürzte sich auf die Gestalt. Nalas Krallen bohrten sich tief in die Augen des Monsters, bevor sie von ihm abließ und die Wölfe den Rest erledigten. Der Angreifer fiel zu Boden und mit ihm der letzte Stein, der uns von der Außenwelt abriegelte.
Schlagartig wurde es dunkel, selbst ich konnte nur wage Umrisse erkennen.
„Lumos", Remus' Wispern war kaum wahrnehmbar, zeigte aber trotzdem seinen Effekt. Die Spitze seines Zauberstabs leuchtete weiß-blau auf und erhellte den Raum.
Nico war an seine Schulter gestützt, die Augen halbgeschlossen, und Remus selbst sah auch nicht viel besser aus. Nala landete sanft an meiner Seite, Ihre Pfoten waren voll vom dunklen Blut ihres Opfers, aber ansonsten sah das Wesen unverletzt aus. Sie stupste mich sanft mit der Nase an und ich bemerkte, wie diese nun goldig schimmerte. Vorsichtig tastete ich mein Gesicht ab und bemerkte dabei einen langen Schnitt der sich über meine Stirn zog und aus dem Ichor drang.
„Mir geht's gut", murmelte ich ihr zu, aber die Kleine sah nicht überzeugt aus.
„Was jetzt?", wollte Remus wissen und ließ seinen Blick zweifelnd über die Höhle gleiten.
„Wir müssen durch das Labyrinth", seufzte ich und stellte mich vor die Felswand, wo wir zuvor das Delta entdeckt haben. Das Zeichen glühte in einem sanften Blauton. Es war unmissverständlich ein Eingang. Kein Wunder hatten wir Hekate nicht finden können.
„Welches Labyrinth?"
„Dädalus' Labyrinth", erklärte Nico erschöpft, „Es erstreckt sich über den ganzen Globus."
Behutsam berührte ich das Delta, während Remus und Nico hinter mich traten. Lautlos schob sich die Wand zur Seite und gab den Blick auf einen langen Gang frei. Der Weg unterschied sich drastisch von der harten Felswand, der Boden war fein säuberlich gepflastert und die Wände geziegelt, an denen alle paar Meter eine Fackel hing.
„Bleib dicht hinter mir", wies ich Remus an, bevor ich das Labyrinth betrat, die Steinwölfe an meiner Seite. Kaum waren auch Remus und Nico in den Gang getreten, schloss sich der Fels erneut.
Chaos?, innerlich kreuzte ich die Finger in der Hoffnung, dass der Erschaffer mich hörte.
Geh einfach gerade aus, wies er mich an, bevor ich ihm überhaupt erklärt hatte was geschehen war, Ich führe euch zu einem sicheren Ort.
Danke. Erleichterung, aber auch Erschöpfung machte sich in mir breit. Ich spürte wie sich die zwei Wölfe meiner Macht entzogen, so als würde mir jemand sanft die Fäden aus der Hand nehmen. Aber statt direkt zurück zu leblosen Stein zu werden, behielten beide ihre Form. Durch Chaos Willen wuchs einer der zwei um noch gut einen Meter an, bevor er zu Nico trottete und sich vor ihm auf den Bauch legte. Remus half den Demigott auf das steinerne Tier und sobald er saß, atmete Nico erschöpft auf und lehnte sich gegen den kräftigen Hals des Wesens. Der Junge hatte mehr an seinen Kräften gezerrt als ich befürchtet hatte.
So setzten wir unseren Weg fort, der zweite Wolf ging voran und gab an wohin. Der Gang veränderte sich um uns, mal war es ein Wald, mal ein riesiges Rohr und dann wieder ein einfacher Korridor. Irgendwo in der Ferne waren Geräusche zu hören, aber ich war zu müde um mir darüber Gedanken zu machen.
Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, obwohl es wahrscheinlich nur Minuten waren, bis wir endlich unser Ziel erreicht hatten. Oder zumindest nahm ich an, dass es sich um unser Ziel handelte. Unser Wegführer blieb vor einer freundlich aussehenden Holztür stehen und sah mich erwartungsvoll an.
Ich hatte keine Ahnung was sich dahinter befand, aber wenigstens die Tür sah aus, als würde sich dahinter etwas Nettes verbergen. Also klopfte ich an.
Im Raum dahinter war ein leises Poltern zu hören und ich trat unsicher einen Schritt zurück. Augenblicke später schwang die Tür auf, warmes Sonnenlicht drang ins Labyrinth, und das sanfte Knistern eines Ofenfeuers war zu vernehmen.
Eine ältere Frau hatte die Tür geöffnet. Sie war vielleicht siebzig und mehr als einen Kopf kleiner als ich, langes graues Haare fiel ihr über die Schultern, ihr Gesicht war von Falten geprägt, aber sie lächelte mich freundlich an.
„Hallo Percy", meinte sie sanft und bevor ich mich wundern konnte, woher diese nette alte Dame meinen Namen wusste, verlor ich das Bewusstsein.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top