25.- Ein Ausflug in den Wald

„Erinnere mich noch einmal warum ich nicht noch im Bett liege?", Nico rieb sich mit dem Handrücken über das Gesicht und warf mir einen verschlafenen Blick zu. Es würde noch etwas dauern bis die Sonne aufgehen würde und die langen Korridore des Schlosses waren in ein warmes Kerzenlicht gehüllt. Seit wir den Gryffindorturm verlassen hatten, war uns keine Menschenseele begegnet, was kein Wunder war, wenn man die Uhrzeit und die Tatsache, dass es Samstag war, beachtete.

„Wir haben heute viel vor", erklärte ich und streckte die Arme, „Und außerdem bin ich hungrig."

„Gibt es denn nicht erst ab halb acht etwas zu essen? Das ist erst in..."

„Eineinhalb Stunden", lächelnd strich ich Nala, die sich auf meiner Schulter eingerollt hatte, über das seidige Fell. Das kleine Wesen war mindestens genauso müde wie mein Cousin und hatte daher kurzerhand beschlossen auf meiner Schulter weiterzuschlafen.

„Womit habe ich das verdient?", stöhnte der Sohn des Hades und legte den Kopf in den Nacken, folgte mir aber trotzdem weiter durch die Schule.

„Woher willst du um diese Zeit etwas zu essen bekommen?", wollte er nach einigen Minuten des Schweigens wissen.

„Wir gehen direkt zur Quelle."

„Zur... Quelle?"

„Die Küche, Neeks!", gab ich triumphierend bekannt. Mittlerweile hatten wir einen langen Gang erreicht, der sich im unterirdischen Bereich des Schlosses befand und ich steuerte zielstrebig eines der etlichen Gemälde an. Seit ich an der Schule war, war ich bereits etliche Male hier unten gewesen und ich hatte keine Probleme die richtige Abbildung zu finden. Es handelte sich dabei um das Bild eines Obstkorbes, hinter dem sich der Eingang zum Paradies verbarg.

„...Was machst du da?" Nicos Blick wanderte zwischen mir und dem Gemälde hin und her und er blinzelte einige Male verwirrt.

„Ich kitzle die Birne, was sonst?" Der Sohn des Hades sah mich an als hätte ich jetzt völlig den Verstand verloren und ich konnte es ihm auch nicht wirklich übelnehmen. Als George und Fred mir zum ersten Mal erklärt hatten, wo sich die Küche verbarg und wie man dort hinkam, war meine Reaktion nicht viel anders gewesen.

Nico sah aus als wollte er etwas sagen, aber in diesem Moment war ein leises Kichern zu hören und wenige Augenblicke später war die Birne, die ich gerade noch gekitzelt hatte, verschwunden. An ihrer Stelle befand sich nun eine einfache Türklinke.

„Nach dir", grinsend öffnete ich die Tür und bedeutete den Jungen einzutreten.

Dahinter erwartete uns reges Treiben. Dutzende kleine Wesen, Hauselfen genannt, waren dabei das Frühstück für die etlichen Schüler zuzubereiten und hasteten in einer Geschwindigkeit durch den Raum, die man ihnen mit den kurzen Beinchen gar nicht zugetraut hätte. Die vier langen Tische, die denen der großen Halle aufs Haar glichen, waren teilweise bereits mit dampfenden Speisen gefüllt und der angenehme Geruch von frischem Essen erfüllte den riesigen Raum.

„Was sind das für Leute?", wollte Nico mit gedämpfter Stimme wissen. Noch niemand hatte unsere Ankunft bemerkt, was kein Wunder war, die Elfen hatten schließlich alle Hände voll zu tun.

„Hauselfen", erklärte ich, „Sie erledigen alles wofür die Zauberer keine Zeit haben oder sich zu gut sind. In Hogwarts kümmern sie sich um den Haushalt und das Essen." Nico nickte und sah den kleinen Wesen fasziniert bei der Arbeit zu. Auch wenn etliche von ihnen sich im Raum tummelten war keiner dem anderen im Weg und in unglaublicher Geschwindigkeit bereiteten sie eine Speise nach der anderen zu.

„Percy!", eine piepsige Stimme drang durch die Küche und Sekunden später drängte sich eine recht kleine Elfe aus dem Getümmel auf uns zu. „Hallo Percy!"

Die Kleine winkte begeistert und kam auf mich zu gerannt, wobei ihre großen himmelblauen Augen mit Begeisterung strahlten. Ohne zu zögern erwiderte ich den Gruß und ging in die Hocke, damit wir mehr oder weniger gleich groß waren.

„Hallo Nilly", meinte ich freundlich als sie uns erreicht hatte und wies Nico mit einem vielsagenden Blick an auch etwas zu sagen.

„Hi", etwas unbehaglich blieb er neben mir stehen. Nilly warf ihm einen kurzen Blick zu und schenkte dem Sohn des Hades ein breites Lächeln bevor sie sich wieder zu mir wandte.

„Hat Percy Hunger?", wollte sie wissen, lies mir aber keine Zeit zum Antworten, „Nilly besorgt Percy und seinem Freund etwas zu essen. Ja, ja!"

Stürmisch nahm sie mich an der Hand und zog mich in Richtung der Tische, wo sie mich dann zum Platz nehmen zwang. Als Nico keine Anstalten machte sich ebenfalls zu setzen, runzelte sie kurz die Stirn, bevor sie auch ihn an der Hand nahm und etwas ungeschickt auf die Bank zog. Kaum war das erledigt rauschte sie davon, nur um gleich darauf mit Tellern voll Speisen zurück zu kehren, begleitet von einigen ihrer Freunde, die noch mehr Essen brachten.

Nun war auch Nala auf meiner Schulter ganz wach und sobald sie realisierte wo wir waren, war das Wesen auf und davon, in der Hoffnung den Hauselfen etwas zu essen abzubetteln. Da die Elfen allgemein begeistert von Nala waren und es liebten sie zu füttern, würde ich sie wohl so bald nicht mehr wiedersehen.

Unterdessen wandte ich mich meinem eigenen Essen zu. Welches, sehr zu meiner Begeisterung, einheitlich blau war. Ich war schon so oft hier gewesen, dass die Hauselfen mittlerweile wussten, wie sehr ich es liebte, wenn mein Essen blau war. Die kleinen Leute hatten große Freude daran mir alles Essbare blau einzufärben und überhaupt war ich hier ein gern gesehener Gast.

„Danke Nilly", meinte ich mit vollem Mund, woraufhin sie weit grinste und dann davonlief um weiter bei den Vorbereitungen zu helfen.

„Du scheinst hier ja sehr beliebt zu sein", stellte Nico fest, während er sich über seinen Pfannkuchen hermachte.

„Weil ich so oft hier bin." Das Essen schmeckte himmlisch. Erstens da es in Hogwarts immer ausgezeichnet war und zweitens da Blau prinzipiell alles viel besser machte.

„Das kann ich mir vorstellen. Wirklich, die Menge an Nahrungsmittel die du täglich verschlingst, reicht um das ganze Camp eine Woche lang zu versorgen." Anstatt zu antworten, warf ich eine Traube nach ihm, der er aber sehr zu meinem Leidwesen auswich.

„Also was haben wir heute großes vor? Willst du wieder irgendwelche Politiker einschüchtern wie gestern und hast beschlossen mich dieses Mal mitzunehmen?", wollte Nico gespielt beleidigt wissen und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er und Thalia fanden meine Aktion vom Vortag unglaublich witzig und bereuten es zutiefst die Reaktion vom Minister nicht gesehen zu haben.

„Nein, heute nicht", satt lehnte ich mich etwas zurück und schloss für einen Moment die Augen, „Wir treffen uns mit Remus."

„Dem Werwolf?"

„Er ist ganz okay. Und er kennt sich in der Umgebung aus." Nico schwieg. Es war klar was er dachte: Wenn Hekate irgendwo in der Nähe sein sollte, hätten wir sie schon längst finden sollen.

Seufzend stand ich auf. Mit einem leisen Pfiff rief ich Nala zu uns, die gerade sehr zur Begeisterung der Elfen einen Looping nach dem anderen flog und dafür immer wieder einen Keks zugeworfen bekam. Etwas widerwillig löste sie sich von ihrem Publikum und landete wieder auf meiner Schulter. Wobei ihre Backen wie die eines Hamsters prall gefüllt waren. Was nicht wirklich verwunderlich war, schließlich war ich es, der sie erschaffen hatte und wenn sie etwas von mir hatte, dann die Liebe zu allem Essbaren.

Beim Hinausgehen winkte ich noch einmal Nilly zu, dann machten wir uns auf den Weg zum Wald.

Gerade als wir im Begriff waren das Schloss zu verlassen, begegneten wir Umbridge.

„Professor Jackson?", wie immer war die Kröte in pink gehüllt, aber der überlegene Ausdruck auf ihrem Gesicht war verschwunden. Stattdessen konnte ich Furcht hinter ihren Zügen erkennen und auch wenn ihre Hände zu Fäusten geballt waren, entging mir nicht wie sie zitterten. Was auch immer der Zauberminister ihr erzählt hatte, musste die Frau schwer getroffen haben.

Die Hexe kam auf uns zu und tat ihr Bestes um selbstbewusst zu wirken, blieb aber in sicheren Abstand von uns entfernt stehen. Nala auf meiner Schulter begann unruhig mit ihrem Schweif hin und her zu schlagen und aus dem Augenwinkel sah ich, wie Nico die Professorin argwöhnisch musterte.

„Ja?", die Arme verschränkend sah ich sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Ich... ähm... wurde auf ein Fehlverhalten meinerseits hingewiesen", begann sie, während ihr blick unruhig hin und her huschte, „Ich möchte mich für mein Verhalten und alle Unannehmlichkeiten die es Ihnen womöglich bereitet hat entschuldigen."

Die Worte schienen ihr physische Schmerzen zuzubereiten und auch wenn ich das große Bedürfnis hatte laut aufzulachen, blieb ich ernst und wartete bis sie fortfuhr.

„Das hat hoffentlich keine weiteren Folgen für unsere Zusammenarbeit an dieser Schule", Umbridge sah mich erwartungsvoll an und mir wurde bewusst, dass unter ihrer Angst tiefer Hass brodelte.

„Das liegt ganz bei Ihnen", meinte ich ruhig. Umbridge zuckte sichtlich zusammen als ich ohne ein weiteres Wort an ihr vorbeiging, Nico dich hinter mir. Nala kuschelte sich an meinen Hals, scheinbar zufrieden mit meiner Reaktion und auch Nico warf mir einen amüsierten Blick zu.

„Das war genial", grinste Nico, sobald wir außer Hörweite waren und ich konnte nicht anders als ihm zuzustimmen, „Aber weißt du was noch besser wäre? Zu wissen was dieser Minister ihr erzählt hat."

„Nur die schrecklichsten Dinge, nehme ich an", murmelte ich und genoss den sanften Wind, der an meinen Kleidern zog. Die Sonne ging gerade auf und tauchte das Schloss und seine Umgebung in ein sanft rot-oranges Licht.

„So macht sie wenigstens keine Probleme mehr."

„Da wäre ich mir nicht so sicher", als Neeks mir einen verwirrten Blick zuwarf, fuhr ich fort, „Die Frau hegt starken Hass gegen mich. Im Moment ist sie eingeschüchtert, ängstlich sogar, ja, aber wie lange hält das an? Außerdem lässt Angst einen die irrsinnigsten Dinge machen. Wir sollten vorsichtig sein."

„Wow. Du weißt wirklich wie man jemanden den Spaß verdirbt, nicht?", mauzte Nico, aber ich merkte, dass er sich meine Worte zu Herzen nahm.

„Wie auch immer. Das ist ein Problem für einen anderen Tag, wir haben eine Göttin zu finden."

Vor uns ragte der Wald wie eine enorme, lebendige Mauer in die Höhe. Schnellen Schrittes betraten wir ihn. Selbst bei helllichten Tag kreierten die hohen Bäume ein Geflecht aus Schatten und desto tiefer ich in den Wald eindrang, umso mehr hatte ich das Gefühl eine ganz neue Welt zu betreten. Eine Welt in der die Sonne nur ein ferner Traum war, von dem die Pflanzen hier schon lange nicht mehr zu träumen wagten. Hoch oben raschelte der Wind in den Blättern der Baumkronen, wisperte Geheimnisse und Legenden von alter Zeit, die schon längst vergessen waren. Und der Wald lauschte in ehrfürchtiger Stille.

„Warum ist Thalia eigentlich nicht hier?", murmelte Nico und ließ seinen Blick über die Bäume gleiten.

„Die Jägerinnen weigern sich Remus mitzunehmen, also suchen wir getrennt."

„Ist wohl besser so. Ich habe es langsam satt, dass immer mal wieder ‚ausversehen' ein Pfeil in meine Richtung abgeschossen wird."

„Ich dachte es gab eine Abstimmung?"

„Ja, Thals hält nicht viel von Demokratie. Sie ist mehr so der Diktator-Typ." Es war nicht schwer sich die Umstände besagter Abstimmung vorzustellen. Eine solche Aktion klang doch stark nach meiner Cousine.

Vor uns lichtete sich der Wald und gab den Blick auf eine kleine Lichtung frei. Wenn man es Lichtung nennen konnte. Das Blätterdach war hier etwas weniger dicht, sodass das beschauliche Fleckchen mit Tageslicht beleuchtet war. Hier hatte ich mich mit Remus verabredet. Der Zauberer wartete bereits. Er hatte sich gegen einen der Bäume gelehnt, seine Augen halb geschlossen. Scheinbar war er genauso wenig ein Morgenmensch wie Nico.

Als er unsere, oder besser gesagt Nicos, Schritte hörte, schaute er abrupt auf. Noch bevor er seine Augen ganz geöffnet hatte, hatte er seinen Zauberstab in der Hand, den er aber wieder sinken ließ, sobald er sah, dass nur wir es waren.

„Wird aber auch Zeit", stellte er trocken fest und kam auf uns zu.

„Nico, das ist Remus Lupin, Remus, mein Cousin Nico", stellte ich vor.

„Sehr erfreut." Neeks nickte dem Werwolf zu, sagte aber nichts. Remus Blick fiel unterdes auf das dunkle Schwert, das an der Hüfte des Demigottes baumelte und er hielt einen sicheren Abstand.

„Irgendwelche Spuren?", ich dachte nicht wirklich das der Zauberer etwas gefunden hatte, weshalb mich seine Antwort umso mehr überraschte.

„Eine Höhle", erklärte er und schüttelte den Kopf, „Es ist wahrscheinlich nichts, aber immerhin mehr als wir bis jetzt gefunden haben."

„Stimmt. Welche Richtung?"

Remus führte uns tief in den Wald, einen Teil den ich bis jetzt noch nie betreten hatte und schon nach wenigen Minuten nahm ich Springflut aus der Tasche und ließ es auf seine volle Größe anwachsen. Auch Nico nahm seine Waffe in die Hand.

„Gute Entscheidung", meinte der Zauberer leise, „Dieser Wald ist gefährlich. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass hier unter anderem Riesenspinnen ihr Unwesen treiben."

Ich verdrängte die Erinnerungen, die bei der Erwähnung der Spinnen wiederzukommen drohten und konzentrierte mich stattdessen auf unsere Umgebung. Auch der Wind in den Blättern war nun verstummt und außer der Schritte meiner Begleiter war nichts zu hören. Stille – selten ein gutes Zeichen.

Auch Nico schien die Veränderung bemerkt zu haben, da er den Griff um seine Klinge festigte und sich stetig umsah.

Nach einigen Metern stieg vor uns eine dunkle Felswand in die Höhe. Die Bäume wuchsen bis ganz zum Rand des Steines, der Fels selbst war aber kahl. Den Kopf in den Nacken legend versuchte ich herauszufinden wie hoch sie war, aber das dichte Blätterdach versperrte mir die Sicht, klar war nur, dass sie weit über die Baumwipfel reichte.

Remus deutete auf einen Felsvorsprung rechts von uns und als wir uns näherten, entpuppte dieser sich tatsächlich als ein Eingang zu einer Höhle. Das Innere war dunkel, aber ich hatte keine Probleme zu erkennen, dass es sich um einen großen Hohlraum handelte.

Nala zuckte unruhig als ich vorsichtig die Höhle betrat. Ich streckte meine Hand etwas aus und augenblicklich erschien auf meiner Handfläche ein sanftes Leuchten, das den Raum in ein dämmriges Licht hüllte. So würden Nico und Remus zumindest auch etwas sehen.

Ein Schauer lief mir über den Rücken. Nicht ein Lebewesen schien diese Höhle zu bewohnen, nicht einmal eine Fledermaus hing an der hohen Decke. Etwas stimmte hier nicht.

„Bleibt zusammen", wies ich die andern gedämpft an. Nach etwa zwanzig Metern endete die Vertiefung, aber ein drückendes Gefühl sagte mir, dass wir hier richtig waren.

„Sucht die Wände ab." Der Fels war feucht und das stetige Tropfen echote von den Wänden wieder, aber ansonsten war es still.

„Was ist das?", der Zauberer streckte seine Finger nach etwas im Fels aus aber Nico riss in gewaltsam zurück. Einen Augenblick später erfuhr ich auch den Grund für die Reaktion meines Cousins.

Im Stein vor ihm eingraviert war ein Delta. Das Zeichen des Dädalus.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top