21.- Moros I
„Perseus Jackson", die Stimme schien wie das Rascheln des Windes, die Worte nicht mehr als ein kalter Hauch.
Der bloße Klang sandte Schauer über meinen Rücken.
Ich schlug die Augen auf und blickte in völlige Dunkelheit. Zum ersten Mal seit langer Zeit war die Welt für mich gänzlich schwarz: Der Mond, der sonst sanft das Zimmer erleuchtete, war verschwunden und mit ihm alles Licht der Erde.
Meine Hand schloss sich um Springflut und ich konnte fühlen wie das Schwert unter meinen Fingern wuchs, aber selbst der zarte Schein der Klinge, der mir schon so oft den Weg geleuchtet hatte, schien nicht fähig durch die Schwärze zu dringen.
„Ich bevorzuge Percy. So langsam sollte sich das doch herumsprechen." Ein Geräusch, das ein Kichern hätte sein können, hallte durch die Dunkelheit. Es kam aus allen Richtungen und gab nichts über den Standpunkt des Eindringlings frei.
„Percy... Wirklich, ich wäre mit einem Namen wie Perseus auch nicht zufrieden. Er sollte Glück bringen, nicht? Wobei das dir wohl auch nicht half."
„Da du ja so viel über mich und meinen Namen wissen zu scheinst, könntest du mir wenigstens deinen eigenen verraten", schlug ich vor. (Ich meine man sollte doch wenigstens den Namen der Person oder in diesem Fall wohl des Gottes kennen, der einen gerade umzubringen versuchte.)
„Natürlich, wo sind meine Manieren?", vor mir lichtete sich die Finsternis und auch wenn ich meine Umgebung immer noch nicht erkennen konnte, war ich nun in der Lage meinem Gegenüber in die Augen zu sehen, „Man nennt mich Moros."
Moros bestand weder aus schwarzen Rauch, noch war er ein widerliches Monster. Ganz im Gegenteil: Vor mir stand ein Junge, nicht älter als 18, der nicht hätte normaler aussehen können. Jemand den man kein zweites Mal ansah, jemand dessen Gesicht man schnell vergaß.
Und vielleicht war es das, dass mir die Nackenhaare aufstellte.
„Moros", wiederholte er und sah mich nachdenklich an, „Ich bezweifle, dass du je von mir gehört hast, wo sie doch alles getan haben um mich vom Anblick der Erde verschwinden zu lassen."
„Und was genau machst du mitten in der Nacht in meinem Schlafzimmer?" Ich hob meine Klinge etwas höher, aber Moros streckte nur einen Finger aus und schob sie sanft zur Seite. Das Schwert schien unfähig ihn zu verletzen.
„Es wird Zeit, dass wir uns unterhalten."
„Worüber?", fragte ich skeptisch. Meine Flügel zuckten unruhig und erst jetzt bemerkte ich wie kalt es geworden war.
„Einen gemeinsamen Feind", Moros hatte offensichtlich einen Sinn für Drama, denn es folgte eine zugegeben recht dramatische Stille, bevor er weitersprach, „Du und deinesgleichen kennt sie als Moiren, während ich sie meine Schwestern nenne."
„Die Schicksalsdamen?", wiederholte ich, verwundert darüber, dass die drei Gruselhexen einen Bruder hatten. „Warum in Zeus Namen sollten die zu meinen Feinden gehören?"
„Hast du denn nicht ihre alten Grimassen zu hassen gelernt? Verabscheust du denn nicht wie sie jeden zu ihrer Puppe machen und die ganze Welt nach ihren Fäden tanzen lassen?", ein bitteres Grinsen verunstaltete die Züge des Gottes und zum ersten Mal konnte ich den Wahnsinn hinter seinen Augen glitzern sehen, „Nach all den Dingen die sie dir angetan haben, denkst du nicht, dass sie es verdient haben als deine Rivalen bezeichnet zu werden?"
Als ich nichts erwiderte, fuhr er fort: „Nach allem was sie Annabeth angetan haben?"
Annabeth.
Ihren Namen zu hören löste etwas in mir und bevor ich wusste was ich tat, umschloss meine Hand seine Kehle. Aber Moros wurde in meinen Griff zu Rauch und Schatten.
„Wusstest du, dass sie nicht hätte sterben müssen?", klang seine Stimme hinter mir. Suchend wandte ich mich um, doch einmal mehr war ich in Dunkelheit gehüllt.
„Meine Schwestern mögen mir zwar alle Macht über die Schicksalsfäden genommen haben, aber ich sehe immer noch was war und was hätte seine können."
Blind schlug ich mit Springflut wahllos um mich, aber mein Schwert traf nichts als Finsternis. Bilder von Blut und Tod überfluteten mein Gedächtnis, begleitet von Moros Gelächter.
„Sie hätte leben können, nein, sie hätte Leben sollen. Aber das Blatt wendete sich und deine Schicksalsdamen taten nichts um es zu ändern!"
Die Wörter des Gottes verhallten, gingen unter in den Schreien, die durch meinen Kopf hallten. Springflut fiel klirrend aus meiner Hand und ich sank zu Boden, nicht fähig dem Albtraum länger Stand zu halten.
Die Welt verschwamm und die Finsternis verschluckte mich völlig.
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Am Morgen wachte ich mit Nicos Fuß im Gesicht auf. Eine Erfahrung auf die ich getrost hätte verzichten könne.
Genervt schob ich den Fuß zur Seite und richtete mich gähnend auf. Nala schlummerte friedlich auf meinem Kissen und ein Blick in Nicos Richtung verriet, dass auch er sich noch in einem Zustand des Tiefschlafes befand.
Während ich mir verschlafen die Augen rieb, kamen die Erinnerungen von letzter Nacht zurück. Gänsehaut zog sich über meine Arm, als ich an die unnatürliche Dunkelheit, die den Gott begleitet hatte dachte.
Moros. Es war mir ein Rätsel wie er sich ein meinen Traum hatte schleichen können, aber mir war klar, dass es das war was passiert war: Dieser Verrückte hatte es geschafft in meine Gedanken vorzudringen.
Und was er gesagt hatte...
Unruhig schlug ich mit den Flügeln um den Gedanken zu vertreiben. Moros hatte gelogen um mich aus der Fassung zu bringen, um mich von sich zu überzeugen.
Trotzdem...
„Percy?", Nicos verschlafene Stimme brachte mich zurück in die Realität, „Könntest du bitte aufhören mir deine Flügel ins Gesicht zu drücken? Ich glaube ich habe Federn im Mund."
Anstatt ihm den Gefallen zu tun, schlug ich ihm mit meinen Schwingen über den Kopf, woraufhin prompt ein Kissen in meine Richtung geflogen kam.
„Hey!", einen solchen Angriff konnte ich nicht auf mir ruhen lassen, also erwiderte ich die Attacke mit voller Wucht. Vielleicht mit etwas zu viel Wucht. Weiße Federn flogen in alle Richtungen und ein dumpfer Knall war zu hören, als Nico rückwärts vom Bett viel.
„Das wirst du bereuen Jackson", lachend und den finsteren Traum für einen Moment vergessen, sprang ich auf und wich gerade noch rechtzeitig einer Socke aus, die stattdessen Nala traf. Schreiend fuhr das Wesen auf, nur um auch noch die zweite Socke abzubekommen. Nicos Gesicht tauchte am Bettrand auf und verschwand wieder, als ich ihn mit einem Polster abschoss.
Nala hatte wohl beschlossen, dass Nico der Übeltäter war, der ihren Schlaf so gewaltsam beendet hatte und stürzte sich kreischend auf den Demigott. Neeks flüchtete ins Wohnzimmer, aber nicht ohne mir zuerst noch ein Kissen ins Gesicht zu hauen.
Seit wann besaß ich so viele Kissen?
Die nächsten Minuten waren ein Wirbel aus Federn, Stoff und Nalas empörten Schreien, begleitet von lautem Lachen. Erst als ein Klopfen an der Tür zu hören war, fand unsere Schlacht ein jähes Ende.
Erschrocken wanderte mein Blick zu Nico. Er hatte Federn zwischen den Haaren und irgendwie kein T- Shirt mehr an. (Ihm waren die Geschossen ausgegangen und er hatte improvisieren müssen.)
Gerade hatte ich beschlossen, nicht zu antworten, als es erneut klopfte, dieses Mal energischer.
„Verdammt, verdammt, verdammt", fluchend sah ich mich um, der Raum sah aus als wäre eine Bombe hochgegangen und ich hatte den Verdacht, dass ich selbst nicht besser aussah. Nico hingegen schein sich sein Lachen kaum verkneifen zu können.
„Das ist nicht witzig", zischte ich und sah mich nach einem Oberteil für ihn um, „Diese Leute halten mich für vernünftig und nicht für jemanden der morgens eine Kissenschlacht veranstaltet."
Erneut war das Klopfen zu hören.
„Mr. Jackson?", McGonagallStimme drang durch das Holz. Sie hatte uns bereits gehört, also war nicht auf machen wohl keine Option mehr. Seufzend richte ich mich auf und versteckte meine Flügel, die recht zerfledert aussahen, im Nebel.
Nico schüttelte sich die Federn aus den Haaren und folgte mir zur Tür. Als ich die Tür öffnete, stand ich einer besorgt aussehenden Minerva gegenüber, hinter der sich eine kleine Horde Gryffindor Schüler versammelt hatte. Fantastisch.
Mein Bruder zog die Tür weiter auf und stellte sich neben mich, immer noch ohne Oberteil, aber wenigstens hatte er keine Federn mehr am Kopf.
„Mr. Jacks-", bevor sie fortfahren konnte, flog Nala über unsere Köpfe hinweg aus dem Zimmer, aber nicht ohne vorher noch einmal genervt zu kreischen.
Die Professorin blinzelte mehrmals, bevor sie den Kopf schüttelte und uns fragend ansah. Ihr Blick wanderte über Nico und mich und blieb schließlich an meinen Haaren hängen. Für einen Moment befürchtete ich, auf meine Krone vergessen zu haben, aber als ich mir mit der Hand über den Kopf fuhr, fand ich nichts. Neeks sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, streckte die Hand aus und zog eine schneeweiße Feder aus meinen Haaren, die er mir vor die Nase hielt.
Ich nahm ihm die Feder ab und wandte mich wieder an die Hexen und Zauberer vor uns. Die Schüler sahen uns mit großen Augen an, wobei der Blick einiger Mädchen an Nicos nackten Oberkörper hing.
„Was...", begann McGonagall und deute auf uns und das verwüstete Zimmer hinter uns.
„Die Kissen sind explodiert", erklärte Nico mit toternster Stimme, „Ein häufig vorkommendes Phänomen, müssen Sie wissen."
Mit aller Mühe unterdrückte ich das Bedürfnis meinen Kopf in den Händen zu vergraben und rieb mir stattdessen den Nacken.
„Wie können wir ihnen helfen, Professor?"
„Wie...", die Hexe räusperte sich, bevor sie fortfuhr, „Die Schüler haben Geschrei gehört und sind um Ihre Sicherheit besorgt zu mir gekommen, aber wie es scheint ist alles in Ordnung."
Unfähig eine vernünftige Antwort zu liefern, nickte ich nur. McGonagall warf mir einen letzten Blick zu, bevor sie sich abwandte. Schulterzuckend schloss ich die Tür und lehnte mich gegen das kühle Holz. Nico war nicht fähig länger ernst zu bleiben und brach in lautes Gelächter aus.
„Die Kissen sind explodiert?", fragte ich zu Boden sinkend. Jetzt entdeckte ich auch sein T-Shirt, das neben der Tür lag. Kopf schüttelnd warf ich es ihm zu, woraufhin Nico nur noch mehr lachte.
„Das sind Zauberer, die sind mit dem Problem sicher vertraut", brachte er heraus und hielt sich den Bauch.
„Die Frau wird mich nie wieder ernst nehmen", murmelte ich und sah ihn vorwurfsvoll an.
„Das", begann er und grinste, „Ist dein Problem." Anstatt zu antworten, griff ich nach einem naheliegenden Kissen und warf es ihm über den Kopf.
Dank meiner genialen Fähigkeiten dauerte es keine fünf Minuten um das Chaos, das wir angerichtet hatten zu beseitigen. Vollständig gekleidet und ohne jegliche Feder im Haar, machten wir uns schließlich auf den Weg in die große Halle, um etwas zu essen zu finden.
Als wir den großen Raum betraten, hatte sich der Vorfall des heutigen Morgens wohl bereits herumgesprochen, denn nicht nur die Gryffindor Schüler sahen uns neugierig an. Die Blicke und Nicos Grinsen ignorierend steuerte ich auf den Lehrertisch zu, wo Thalia bereits auf uns wartete, Nala auf ihrer Schulter.
„Was habt ihr Dummköpfe jetzt wieder angestellt?", die Jägerin sah uns vorwurfsvoll an.
„Nichts", murmelte Nico und wollte sich etwas zu Essen nehmen, aber Thalia schlug ihm auf die Hand.
„Es war Neeks Schuld", erklärte ich.
„Du warst derjenige, der mir seine Flügel ins Gesicht strecken musste!"
„Und ich bin mit deinem Fuß im Gesicht aufgewacht", warf ich ein, „und außerdem hast du das erste Kissen geworfen!"
„Du hättest es ja nicht zurückwerfen müssen!" Bevor wir unsere Diskussion fortfahren konnten, schlug Thalia uns beiden auf den Hinterkopf.
„Wie alt seid ihr, fünf?"
„Warum schlägst du mich immer?", regte Nico sich auf und rieb sich den Kopf, „Ich bin älter als du!"
„Bist du nicht und jetzt sei still und iss", das ließ er sich nicht zweimal sagen. Ich tat es ihm gleich und für eine Weile sagte keiner ein Wort, da wir alle zu beschäftigt damit waren Essen in uns hinein zu stopfen.
„Wann brecht ihr heute auf?", wollte ich schließlich von Thals wissen.
„In... fünf Minuten, bis später", die Demigöttin stand auf und nahm sich einen Apfel, bevor sie aus der Halle eilte, Nala an ihrer Seite.
„So viel dazu", schulterzuckend wandte ich mich wieder meinem Essen zu.
„Und was haben wir vor?", erkundigte Nico sich und lehnte sich zurück.
„Wir", begann ich grinsend, „werden meinen Schülern zeigen, wie ein richtiger Schwertkampf aussieht."
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