16. - Prinz der Sterne
„Ist das jetzt geklärt?", erkundigte ich mich, als ich aufstand. Mit mehreren kräftigen Flügelschlägen befreite ich meine Schwingen von Staub des Arena Bodens und sah Clarisse dann mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Kommt darauf an, hast du vor demnächst wieder ohne ein Wort zu verschwinden?"
„Äh...", etwas verlegen fuhr ich mir durch die Haare. Clarisses Blick wurde ernst.
„Du hast nicht vor zu bleiben."
„Nein... doch, es ist nur... ich habe einen Job", stammelte ich und vergrub die Hände in meinen Hosentaschen.
„Einen Job? Welchen Job?"
„Ja, ähm... ich bin Lehrer - ", bevor ich fortfahren konnte, begann die Tochter des Ares laut zu lachen.
„Lehrer? Der war gut, Perce", grinste sie und wischte sich falsche Tränen aus den Augen.
„Das war ernst gemeint."
Clarisse Mundwinkel zuckten, als sie versuchte sich das Lachen zu verkneifen, aber sie scheiterte kläglich, denn im nächsten Augenblick lag sie sich den Bauch haltend lachend am Boden. Seufzend ließ ich meinen Kopf in meine Hände fallen. Ihr Lachen schallte durch die Arena und zwischen meinen Fingern hindurch konnte ich sehen, wie die anderen Camper uns komisch anstarrten. Wir gaben wohl auch ein eigenartiges Bild ab, besonders wenn man bedachte, dass Clarisse praktisch nie wirklich lachte.
„Bist du fertig?", stöhnte ich.
„Einen Moment noch", Clarisse setzte sich auf, die Beine ausgestreckt, sodass sie sich nach hinten auf ihren Armen abstützte und sah mich grinsend an.
„Wer, der auch nur halbwegs bei Verstand ist, würde dich als Lehrer einstellen?", glucksend schüttelte sie den Kopf.
„Ich würde nicht behaupten, dass ‚Bei Verstand' eine gute Beschreibung für diese Menschen ist", murmelte ich worauf hin Clarisse erneut zu lachen begann.
„Wie um alles in der Welt, bist du da denn hineingeraten?"
„Das ist eine Frage, die ich mir auch seit geraumer Zeit stelle. Ich vermute, dass die Moiren mich einfach hassen..."
„Und da kommst du erst jetzt drauf?", Clarisse rappelte sich auf und klopfte mir gespielt mitleidig auf die Schulter. Dann fiel ihr Blick auf die anderen Camper.
„Habt ihr denn nicht etwas zu tun?!" Die Jugendlichen wussten besser, als zu widersprechen und machten sich schleunigst aus dem Staub.
„Weißt du, du könntest nett zu ihnen sein", schlug ich vor.
„Übertreib's nicht, Prissy."
„Würde mir nie einfallen..." Clarisse legte den Kopf schief und sah mich prüfend an.
„Woher hast du eigentlich die Federn? Und wenn wir gerade dabei sind, warum trägst du ein Diadem?"
„Das ist eine Krone, kein Diadem. Kronen sind männlicher", seufzte ich und richtete die Krone auf meinem Kopf.
„Rede dir das nur weiter ein, Prinzesschen." Gerade als ich etwas erwidern wollte, sah ich Milo aus dem Augenwinkel vorbeilaufen, was mich daran erinnerte, dass ich noch mit ihm sprechen musste.
„Sorry, Clarisse, ich habe etwas zu erledigen, man sieht sich", bevor sie antworten konnte, drehte ich mich weg, machte zwei Schritte nach vorne und schwang mich in die Luft.
Wenige Flügelschläge später hatte ich den Jungen erreicht und landete lautlos neben ihm, wobei Clarisses Protestschreie immer noch deutlich zu hören waren. Ja, sie mochte es nicht besonders, wenn man sie einfach stehen ließ.
„Und, wie gefällt es dir bis jetzt?", Milo fuhr erschrocken zusammen und hätte laut aufgeschrien, hätte ich ihm nicht den Mund zugehalten.
„Psst, sonst weiß sie wo wir sind."
„Mmpf?" Eilig nahm ich meine Hand von seinem Mund, sodass er sprechen konnte.
„Wer?", wisperte Milo und sah sich nervös um.
„Clarisse."
„Clarisse La Rue? Carina sagt, die ist verrückt."
„Nur ein wenig, aber was im Moment wichtiger ist, ist, dass sie wütend ist, komm mit", erklärte ich, immer noch mit gedämpfter Stimme und zerrte Milo Richtung Wald. Als der Junge bemerkte, wohin wir gingen, weiteten sich seine Augen.
„Carina sagt auch, dass der Wald gefährlich ist."
„Nicht wenn du mit mir unterwegs bist. Außerdem müssen wir uns unterhalten und dorthin folgt uns keiner, der uns belauschen könnte... Carina ist eine Demetercamperin, oder?"
Der Junge murrte nur zustimmend. Mittlerweile hatten wir die Waldgrenze erreicht und drangen immer weiter in das zunehmende Zwielicht der Bäume ein. Ich manövrierte uns geschickt durch den Wald und folgte unsichtbaren Wegen, während Milo neben mir verzweifelt versuchte nicht zu stolpern, was es erschwerte ein Gespräch in Gang zu bringen, da der Junge die ganze Zeit konzentriert auf den unebenen Boden starrte und meine Fragen größtenteils ignorierte oder gar nicht erst hörte.
Schließlich öffnete sich der Wald vor uns und gab den Blick auf eine Lichtung frei, in deren Mitte ein hoher Haufen Steine lag. Zeus' Faust.
„Also, lass uns gleich zum Punkt kommen: Wenn ich heute Nacht nach Hogwarts zurückkehre, wirst du hierbleiben und keiner Menschenseele etwas von den Zauberern erzählen, einverstanden?"
„Ja, schon aber werden die sich nicht fragen wo ich bin?", Milo sah mich skeptisch an und wippte dabei auf seinen Füßen hin und her, „Und was ist mit Dad?"
„Sobald ich wieder dort bin, werde ich den Nebel, hat dir jemand erklärt was der Nebel ist?", Milo nickte, „Ausgezeichnet, also ich werde den Nebel so beeinflussen, dass sich niemand daran erinnern wird, dass du jemals an der Schule warst."
„Oh. Okay..."
„Hör mal, Milo. Es tut mir leid, dass du niemand von den Zauberern wiedersehen kannst, aber es ist so einfacher und vor allem auch sicher für dich. Du bist nicht wie deine Freunde in Hogwarts, du bist ein Halbgott und dein Platz ist hier in diesem Camp. Außerdem wird es nicht lange dauern bis du hier neue Freunde findest, ich meine sogar ich habe es geschafft", grinsend klopfte ich ihm auf die Schulter und der Junge sah mich mitgroßen Augen an.
„Du? Alle mögen dich, verehren dich sogar! Jeder kennt eine Geschichte über dich und ich denke Carina hat insgeheim ein Poster von dir in ihrer Hütte hängen!"
„Aber angefangen habe ich mit dem Kopf in einer Kloschüssel" lachte ich und schüttelte den Kopf, „Zugegeben, ich habe die Toiletten dabei in die Luft gesprengt, aber viel beliebter hat mich das nicht gemacht..." Der Junge schien die Richtigkeit meiner Aussage zu bezweifeln, sagte aber nichts.
„Also, wo waren wir? ... Dein Dad. Aphrodite wird mit ihm sprechen und ihm alles erklären. Wenn du dich hier halbwegs eingelebt hast und dich mehr oder weniger verteidigen kannst, kannst zurück nach England gehen und dort eine gewöhnliche Schule in der Umgebung besuchen oder einfach in ein Internat hier gehen, wie du willst, rede einfach mit Chiron. In den Sommerferien kommst du dann einfach wieder ins Camp."
„Klingt cool", erwiderte Milo und gerade als ich ihn nach Carina, dem Mädchen, von dem er andauernd sprach, fragen wollte, durchbrach ein Geräusch die Stille des Waldes. Furcht legte sich über Milos Gesicht als er auf etwas hinter mir starrte.
„Was ist - ", mich umdrehend, konnte ich gerade noch das blitzen roter Augen und einen riesigen schwarzen Fellball sehen, bevor mich etwas mit großer Wucht traf und zu Boden rammte.
Dann nahm ich mehrere Dinge gleichzeitig wahr: Milos markerschütternder Schrei, der jeden Vogel im gesamten Wald verscheucht habe musste, zwei riesige Pfoten auf meinem Oberkörper und eine enorme Zunge, die mir übers Gesicht leckte.
„Mrs. O'Leary!", lachend versuchte ich den Höllenhund zur Seite zu schieben, während er begeistert bellte und mich erneut ableckte.
„Hey! Hör auf, du weißt, dass die Flecken nicht herausgehen!" Das Tier ignorierte meine Proteste und erst wenige Minuten später hatte ich es nur mit Mühe geschaffte mich zu befreien und aufzurichten.
„Percy?", Der Sohn der Aphrodite starrte verwirrte von mir zu Mrs. O'Leary, die ich jetzt hinter dem Ohr kraulte, „Was ...?"
„Hm? Du meinst Mrs. O'Leary? Sie ist ungefährlich... Du bist ein braves Mädchen, oder?", die Hündin bellte zustimmend, „Ja, das bist du!"
„Du... hast einen riesigen Höllenhund, der Mrs. O'Leary heißt?"
„Cool, oder?"
„Äh...", Milo rieb sich den Hinterkopf und sah mich an als hätte ich en Verstand verloren, „Ich dachte, Höllenhunde sind gefährliche Monster, die uns essen wollen?"
„Sind sie ja auch, zumindest meistens, aber Mrs. O'Leary ist eben etwas Besonderes", der Höllenhund legte den Kopf schief und ging einige Schritte auf Milo zu, der unsicher zurücktrat.
„Keine Sorge, die tut nichts. Du kannst sie streicheln", beruhigte ich ihn und als Mrs. O'Leary erneut näher kam blieb er stehen, auch wenn er etwas nervös aussah. Die Hündin schnüffelte an Milo und stupste ihn mit ihrer feuchten Schnauze an, woraufhin der Junge sie zögerlich am Hals streichelte.
„Wie bekommt man einen freundlichen Höllenhund zum Haustier?"
„Sie gehörte einen Freund, als er... starb, bat er mich auf sie aufzupassen", unwillkürlich wanderte mein Blick zu Zeus Faust und den dort versteckten Eingang zu Labyrinth. Hazel hatte einmal behauptet, dass es sich von selbst wiederaufbaute und im letztem Jahr hatte ich herausgefunden, dass sie recht gehabt hatte. Mittlerweile war Dädalus Werk schon fast ganz intakt, was bedeutete, dass es wieder einen neuen Eingang zum Camp gab. Eine weitere Sache, die ich Chiron mitteilen sollte...
In der Ferne war das Horn, das zum Abendessen rief, zuhören und ich bedeutete Milo mir aus dem Wald zu folgen.
„Du solltest übrigens nicht allein in den Wald gehen. Oder nachts deine Hütte verlassen, die Putz-Harpyien mögen es nicht, wenn Camper spät aus ihren Betten sind und glaub mir, denen willst du nicht begegnen...", Milo nickte, sein Blick folgte Mrs. O'Leary, die neben uns hersprang und einem Schmetterling nachjagte. Furchterregende Kreaturen, diese Höllenhunde...
„Und wie verstehst, du dich mit deinen Geschwistern?"
„Unsere Hütte ist pink", stellte der Junge trocken fest und ich musste mir ein Lachen verkneifen.
„Das ist... nett." Milo schlug mir mit dem Ellbogen in die Rippen und aus dem guten Willen heraus, tat ich so, als hätte es wehgetan.
„Eigentlich ist es ganz okay. Mitchell, unser Hüttenältester, meint, dass sich viel verändert hat... Und Percy? Weißt du, wer Piper ist?" Die Frage traf mich unerwartet, auch wenn mir hätte klar sein solle, dass er früher oder später von ihr hören würde.
„Piper... war deine Schwester. Sie hat die Aphrodite Hütte ziemlich aufgemischt."
„Die Anderen sagen, dass Piper eine Heldin war."
Vor meinem inneren Auge sah ich Piper lachen, Federn in ihre Haare geflochten, ein unbeschwerter Ausdruck auf ihrem Gesicht. Das Bild änderte und ich konnte den gebrochenen Körper eines Mädchens ausmachen, leere Augen, die in den endlosen Himmel starrten und Jason, der neben ihr kniete und immerzu verzweifelt ihren Namen rief.
„Das war sie, Milo." Der Junge erwiderte nichts, er schein zu bemerken, dass es sich hierbei um ein heikles Thema handelte. Von Zeus Faust aus war es nicht weit bis zum Pavillon und so gingen wir den Rest des Weges in Schweigen.
Der Geruch von warmen Essen stieg mir in die Nase und das aufgeregte Geschnatter der Camper war schon vom weitem zu hören. Es waren schon fast alle Tische voll, nur die Jägerinnen und die Apollo Hütte fehlte noch. Nico saß allein am Apollo Tisch, da Will und die anderen noch nicht da waren, also steuerte ich auf ihn zu. Manche Camper sahen mich etwas komisch an, was auch daran liegen konnte, dass ein riesiger Höllenhund hinter mir herlief, aber ich ignorierte sie.
„Hey Neeks", Milo blieb unsicher hinter mir stehen als ich mich neben den Sohn des Hades fallen ließ. Mrs. O'Leary legte sich am Rand des Tisches hin, den Kopf auf ihren Pfoten.
„Nenn mich nicht so", erwiderte Nico ohne von seinem Essen aufzusehen.
„Was immer du sagst, Neeks", dann wandte ich mich an Milo, der gerade weggehen wollte, „Du kannst zu uns sitzen, Milo, Nico beißt nicht, ich versprech's."
Nico murmelte etwas unverständliches und der Sohn der Aphrodite sah mich unsicher an, setzte sich dann aber neben mich zum Tisch. Mein Bruder drehte sich zu Milo, stützte seinen Kopf auf seiner Hand ab und sah ihn prüfend an.
„Hallo...", versuchte der Junge, dem Nicos Blick unangenehm zu sein schien. Der Sohn des Hades nickte nur und wandte sich dann wieder seinem Essen zu.
„Sollte ich nicht bei meinen Geschwistern sitzen?"
„Nein, das geht klar, keine Sorge", versicherte ich und nahm mir ein Pommes von Nico.
„Aber die Regeln - "
„Sind da um gebrochen zu werden", verkündete ich grinsend und griff erneut zu Nicos Teller, der meine Hand dieses Mal aber wegschlug.
„Such dir selbst etwas zu essen."
Gerade kam eine Wald Nymphe vorbei, die mir und Milo jeweils ein Teller mit dampfenden Essen hinstellte, ich bedankte mich lächelnd, nahm mir dann aber trotzdem noch etwas von Nico, der nur seufzte.
„Percy!", mich umdrehend sah ich wie Elaine auf mich zu gerannt kam, gefolgt von ihren Geschwistern.
„Hey El!", die Kleine strahlte mich an und kletterte auf meinen Schoß, dann blieb ihr Blick auf dem Höllenhund hängen.
„Das ist Mrs. O'Leary", erklärte ich, „Sag Hallo, Mrs. O'Leary!" Der Hunde bellte einmal und Elaine hob kichernd die Hand.
„Will? Warum darf Percy Mrs. O'Leary mitbringen, aber North muss draußen warten?", Will, der sich jetzt gegenüber von Nico setzte, sah mich genervt an. Ungefähr die Hälfte der Apollo Hütte hatte sich von ihren Geschwistern getrennt und steuerte auf die Tische der unterschiedlichen Kohorten zu, der Rest setzte sich zu uns. Wenigstens hatten wir hier so alle Platz, es wäre sonst nämlich eng geworden.
„Percy darf seinen Höllenhund auch nicht mitbringen, er macht es nur einfach", anstatt zu antworten streckte ich ihm nur die Zunge raus. Dann nahm ich ein Stück Fleisch von Nico und warf es Mrs. O'Leary zu, die es begeistert auffing und verputzte.
„Ja, klar, will sonst noch jemand etwas von meinem Essen? Bedient euch ruhig, Leute!" Elaine, die zu jung war um Sarkasmus zu verstehen, nahm sich Nicos Rat zu Herzen und holte sich eine Handvoll Pommes von seinem Teller, woraufhin der Sohn des Hades sich geschlagen gab und den Kopf in seinen Händen vergrub. Ich schaffte es nur mit Mühe mir ein Lachen zu verkneifen, was mir einen komischen Blick von Elaine einbrachte, die nicht verstand was so lustig war.
Will seufzte und schob Nico wortlos die Hälfte seines Essens auf seinen Teller und bevor der Sohn des Hades protestieren konnte, brachte Will ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
„Du musst viel essen, ärztliche Anordnung", erklärte er, woraufhin mein Bruder den Kopf schüttelte und sich wortlos wieder seinem Essen zuwandte.
„Warum seid ihr eigentlich hier?", wollte eine von Wills Schwestern, die ich nicht kannte, wissen. Sie sah aus wie 14, ihre kurzen dunkel braunen Haare vielen ihr ins Gesicht und am Rücken trug sie einen Köcher mit glänzenden Bronzepfeilen genauso wie einen Bogen.
„Ich sitze immer hier", murmelte Nico, „Und Percy, ehrlich gesagt, denke ich nicht, dass Percy wirklich einen Tisch hat bei dem er sitzen muss..." Das Mädchen sah mich fragend an, aber ich hob nur die Augenbrauen und grinste.
„Und er?", sie deutete auf Milo, woraufhin der Junge unsicher zu mir schaute.
„Gehört zu mir", ergänzte ich, „Und du bist?"
„Nina." Ich spürte einen Luftzug und dann kleine Pfoten, die auf meiner Schulter landeten, genauso wie ein weicher Schweif, der sich um meinen Hals schwang. Nala, die den ganzen Tag mit Thalia verbracht hatte, war wieder da, was bedeutete, dass meine Schwester auch nicht weit sein konnte.
Und tatsächlich, als ich mich umdrehte, stand dort die Tochter des Zeus, die anderen Jägerinne waren bereits am Tisch der Artemis.
„Mach Platz, Fischjunge", ich tat wie mir gesagt und Thalia zwängte sich zwischen mich und Nico, wobei sie mir dabei beinahe den Flügel brach. Elaine streckte unterdessen vorsichtig die Hand aus streichelte Nala, die schnurrend auf den Schoß der Kleinen sprang.
„Es ist auch schön dich zu sehen Thalia", zur Antwort streckte Thalia mir den Mittelfinger entgegen.
Elaine schnappte nach Luft und zeigte auf die Jägerin: „Sie hat den Stinkefinger gezeigt!" Thalia sah das kleine Mädchen verwirrt an, als würde sie erst jetzt bemerken, dass sie hier war.
„Ja, und das war nicht nett von ihr, deshalb wird sie sich jetzt entschuldigen", meinte Will und wandte sich erwartungsvoll zur Tochter des Zeus.
„Bitte, was?"
„Du musst dich entschuldigen!", mischte Elaine sich wieder ein und verschränkte die Arme, „Du hast Percy den Stinkefinger gezeigt, das ist schlimm und ganz ganz GANZ verboten!"
Thalia blinzelte mehrmals, gab sich dann aber geschlagen, da sie sich ja schlecht mit einer sechs Jährigen streiten konnte...
„Entschuldige, kommt nicht wieder vor", Elaine nickte entschlossen und fuhr fort Nala zu streicheln, während sie sich über mein Essen hermachte. Die Jägerin zuckte nur mit den Schultern und begann abwechselnd bei mir und Nico mitzuessen. Wir wussten beide besser als zu protestieren.
Der Rest des Abendessens verlief mehr oder weniger ruhig. Sogar Milo beteiligte sich irgendwann an den Gesprächen, auch wenn Thalia ihn einzuschüchtern schien. Erst als wir uns auf den Weg zum Lagerfeuer machten, ein verabschiedete er sich um zu seinen Geschwistern zu gehen.
Inzwischen hatte Elaine sich wie ein Äffchen auf meinen Rücken gekrallt und kuschelte sich dort zwischen meinen Flügeln ein, Thalia, Will und Nico gingen neben uns, der Rest der Apollohütte dicht hinter uns. Mrs. O'Leary hatte sich nach dem Essen aus dem Staub gemacht und Nala saß wieder auf ihren Platz auf meiner Schulter.
Nacht hatte sich über das Camp gelegt und über uns funkelten bereits Abermillionen von Sternen. Schon vom Weiten konnte man das Lagerfeuer sehen, die bunten Flammen, die hoch in den Nachthimmel loderten.
Das Amphitheater war voll mit Campern, die sangen und sich unterhielten. Unwillkürlich lächelte ich und ein behagliches Gefühl breitete sich in meiner Brust aus. Das hier, das war zuhause. Der Geruch von Lagerfeuer, das Knistern der Flammen, gemischt mit dem Gesang und Lachen von Camper. Die Wärme des Feuers schlug mir entgegen, als ich auf einige Plätze weiter hinten zusteuerte, während die Söhne und Töchter Apollos an uns vorbei in die ersten paar Reihen strömten, wo sie beinahe sofort in den Gesang miteinstimmten.
Mein Blick glitt über die in warmes Licht getauchte Menge: ich machte bekannte Gesichter aus, aber auch neue, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Auch Milo konnte ich sehen, wie er mit seinen Geschwistern über irgendetwas lachte, sowie Mr. D der bei Chiron stand und das Geschehen beobachtete, eine Dose Cola in der Hand. Es waren recht viele Jugendliche im Camp, besonders wenn man bedacht, dass das Schuljahr bereits begonnen hatte.
„Wo sind eigentlich die Stolls?"
„In einem Internat, in Washington, ich gebe ihnen eine Woche bis sie wieder hier sind", murmelte Thalia.
„Und Reyna?"
„Die Prätorin ist unterwegs, ihre Schwester besuchen", mischte Will sich ein. In der Mitte des Amphitheaters trat nun Chiron vor und stampfte mehrere Male auf den Boden um auf sich aufmerksam zu machen. Ruhe kehrte ein und auch die Flammen des Lagerfeuers wurden etwas niedriger.
„Halbgötter!", begann der Zentaur, er hatte die Hände hinter den Rücken gefaltet und sein weißes Fell schimmerte im Licht der Flammen, „Wie ihr bereits wisst, ist Perseus Jackson wieder bei uns. Da der Grund seiner Abwesenheit den meisten von euch aber noch unbekannt ist, hat Percy sich bereit erklärt die Ereignisse der letzten zwei Jahre und die Entwicklungen am Olymp zu schildern."
Wenn es zuvor ruhig gewesen war, dann war es jetzt totenstill. Mehrere Camper reckten die Köpfe um mich unter der Menge ausfindig zu machen, was eigentlich nicht schwer war, da meine enormen Schwingen nicht wirklich unauffällig waren.
Während ich aufstand, nahm ich Elaine von meinem Rücken, die Kleine war auf den Weg hierher eingeschlafen, den Kopf auf meiner Schulter liegend. Ich reichte das Mädchen an Will weiter, wo sie sich in seine Arme schmiegte und sofort weiterschlief.
Blicke folgten mir, als ich die Stufen zum Lagerfeuer hinunter schritt, die Hände in den Hosentaschen und meine Flügel schön ordentlich hinter mir gefaltet. Neben Chiron angekommen, blieb ich stehen und rieb mir den Nacken.
„Danke Chiron... Nun... Wo soll ich anfangen? Nach dem ich fort ging, geschah vieles, aber das wichtigste Ereignis war wohl das Auftauchen von Chaos." Ein Räuspern ging durch die Menge.
Danke, Prinz, es ehrt mich sehr, dass du mir eine so große Rolle zuschreibst, die Stimme des Erschaffers echote durch meinen Kopf und nur mit Mühe konnte ich ein Stöhnen unterdrücken.
Hast du denn nichts Besseres zu tun? Ich versuche hier eine Rede zu halten.
Fahr fort, lass dich von mir nicht stören...
Mhm.
„Viele von euch werden sich jetzt wohl fragen, wer oder was Chaos ist. Die Frage ist leicht beantwortet: Lange vor den Göttern, vor den Titanen und vor Uranus und Gaia, damals, als unsere Welt und das Universum noch nicht waren, gab es Chaos, der Anfang alles Lebens, denn Chaos war die Schaffung. Er formte Sterne und Welten und schließlich auch die ersten Geschöpfe, unter ihnen Nyx, Gaia, Uranus, Eros, Tartarus und Erebus.", meine Flügel zuckten unruhig und ich streckte sie, bevor ich fortfuhr, „Von da an lebte Chaos bei den Sternen, als König des Alls, beobachtet das Geschehen, neutral und wachsam. Millionen von Jahren vergingen und Chaos stellte fest, dass er einen Erben brauchte, jemanden der seinen Titel als König übernahm, sollte er schwinden."
Mein Blick glitt über die Menge, die ersten wenigen schienen zu begreifen, denn so manche Augen wanderte zur silbernen Krone auf meinem Haupt.
Weißt du, du machst das recht gut.
Überrascht?
Überhaupt nicht.
„Nun, das, meine Freunde, ist wo ich ins Spiel komme", fuhr ich fort, „Denn Chaos hatte seinen Erben gefunden. Nach dem Krieg kam er in die Halle der Götter, das erste Mal seit Ewigkeiten, dass er sich ihnen zeigte, um ihn geltend und damit zum unsterblichen Prinzen des Universums zu machen."
Mit meinen letzten Worten waren die Flammen des Lagerfeuers beinahe ganz erloschen, aber dafür strahlten die Sterne über uns umso heller. Ein sanfter silberner Schein über mir, sagte mir, dass das Zeichen des Chaos über meinem Kopf thronte. Ein achtzackiger Stern, umgeben von kleinen Lichter, die sich in Ringen um ihn schlossen.
„Sei willkommen" begann Chiron, „Perseus Jackson, Prinz der Sterne und des Erbe Chaos, des Erschaffers und König von Allem!"
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