12. - Amerika? Amerika.
Es war gegen 15 Uhr, als meine letzte Klasse für heute, Hufflepuff und Slytherin der Ersten Klassen, das Quidditchfeld betrat. Mittlerweile war auch Nala wieder an meiner Seite. Das kleine Wesen hatte sich irgendwann in meiner ersten Stunde davongeschlichen und war erst um die Mittagszeit wieder zurückgekehrt.
Gerade als die Kinder näherkamen, drehte der Wind und trieb den kaum wahrnehmbaren Geruch von Rosenblätter in meine Richtung. Ein Kribbeln breitete sich unter meine Haut aus, denn ich kannte diesen Duft, auch wenn er definitiv nicht hierher gehörte...
Inzwischen hatten sich die Schüler einige Meter vor mir versammelt und schauten mich erwartungsvoll an. Meinen Blick glitt über die Jugendlichen, die nicht älter als zwölf waren, und blieb unwillkürlich an einem Jungen etwas hinten weiter hängen. Irgendetwas an ihm kam mir bekannt vor.
„Hi, ich bin euer neuer Lehrer für dieses Jahr, Percy Jackson. In diesem Schuljahr werden wir uns auf viele verschiedene Kampftechniken konzentrieren, wobei ihr aber zuerst physisch etwas dynamischer werden müsst. Was bedeutet, dass ihr viel laufen werdet. Ums Feld, los!", die meisten Kinder wollten schon loslaufen, als der Junge von hinten die Hand hob. Mit einem Nicken bedeutete ich ihm zu sprechen:
„Sie wollen uns nicht wirklich die ganze Stunde rennen lassen." Seine Worte klangen wie ein Befehl und die Macht in seiner Stimme ließ die Schüler eifrig nicken.
Daher kam der Rosenduft also...
Auch wenn die Worte des Jungen eigentlich an mich gerichtet waren, prallte seine Magie nur wirkungslos an mir ab. Kein Wunder, denn schließlich hatte auch seine Mutter keine Macht über mich.
„Interessant... Wie heißt du?"
„Milo, Sir", als das Kind, Milo, vortrat konnte ich ihn näher betrachten. Seine intensiven Augen hatten große Ähnlichkeit mit denen seiner Halbgeschwister und der grün gestreifte Schal um seinen Hals, identifizierte ihn als einen Slytherin Schüler.
„Nun Milo, es scheint als würdet ihr heute tatsächlich nicht laufen", begann ich und wandte mich dann zum Rest der Klasse, „Der Unterricht entfällt, ihr könnt gehen."
Niemand widersprach und die Schüler begannen sich eilig davon zu machen.
„Milo, du bleibst hier."
„Sir?"
„Nenn mich Percy, komm mit", wies ich den etwas verängstigten Jungen an und begann Richtung Schloss zu gehen.
„Wohin gehen wir?"
„In mein Klassenzimmer."
„Sie werden mich zu den anderen gehen lassen", versuchte er etwas verzweifelt.
„Nein, wir haben viel zu besprechen, du kommst mit mir. Außerdem kannst du dir deine Mühe sparen, dein Trick funktioniert bei mir nicht."
„Mein... Trick?"
„Menschen neigen dazu, zu tun was du sagst. Ich nicht."
Milo schien zu schockiert zu sein um etwas zu sagen und eine Weile gingen wir in Schweigen. Inzwischen hatten wir das Schloss betreten und schon bald erreichten wir das Klassenzimmer. Ich öffnete die Tür und bedeutete Milo einzutreten, was er auch etwas zögerlich tat. Bevor ich die Tür schloss, legte ich eine Barriere über den Raum, sodass uns niemand belauschen konnte, der Junge bekam davon jedoch nichts mit.
Dann wandte ich mich wieder an meinen Schüler, der mich fragend anschaute. Mit einer simplen Geste ließ ich einen Stuhl mitten im Klassenzimmer erscheinen.
„Setz, dich, das hier könnte etwas dauern." Er tat wie ihm gesagt, während ich mich gegen die Tafel lehnte.
"Was machen wir hier, S- Percy?" Statt zu antworten begann ich meine Fragen zu stellen.
„Erzähl mir von deiner Familie."
„Meine... Familie?"
„Vater, Geschwister... Mutter."
„Ich... mein Vater ist ein Mensch... äh Muggle..."
„Deine Mutter?"
„Keine Ahnung, ich habe sie nie kennen gelernt. Wahrscheinlich war sie eine Hexe", meinte er und starrte dabei auf seine Füße.
Beinahe hätte ich gelacht. Aphrodite würde es wahrscheinlich nicht so nett finden, wenn man sie eine Hexe nannte.
„Glaub mir, deine Mutter ist keine Hexe. Und ich würde das ihr gegenüber auch besser nicht erwähnen", schmunzelte ich.
„Sie... Sie kennen meinen Mutter?"
„Ja."
Ist er nicht niiiiiiedlich?
Aphrodite...
Hi, Percy!
... Willst du mir erklären wie dein Sohn in einer Schule für Zauberer gelandet ist?
Also... sein Vater ist ein Musiker, er ist britisch, und...
So genau will ich es gar nicht wissen, komm zum Punkt, unterbrach ich sie.
Offensichtlich liegt eine Verwechslung vor. Ein Satyr hätte ihn ins Camp bringen sollen, aber es gab einen Zwischenfall in der Öffentlichkeit und die Zauberer waren schneller.... Oh Percy, könntest du ihn ins Camp bringen?
Das hatte ich vor, ja. Aber du schuldest mir etwas, seufzte ich in Gedanken.
Alles was du willst! Die Präsenz der Liebesgöttin verschwand und ich wandte mich wieder Milo zu. Der Junge war zu geschockt um etwas von meiner geistlichen Abwesenheit mitbekommen zu haben, wofür ich eigentlich recht dankbar war.
„Milo, was weißt du über griechische Mythologie?"
„Mythologie? Wie Götter und so? Was hat das mit meiner Mutter zu tun?"
„Mehr als du dir vorstellen kannst", und dann begann ich zu erzählen.
Ich würde gerne behaupten, dass Milo die Sache gut aufgenommen hatte, aber dem war nicht so. *Seufz*
„Sie sind verrückt", verkündete der Junge, worauf ich den Kopf in meinen Händen vergrub. Das hier könnte sich schwerer gestalten als anfangs vermutet.
„Es gibt Zauberer, das weißt du ja. Warum soll es denn nicht auch Götter geben?"
„Weil... das ist etwas ganz Anderes! Zauberer sind Zauberer und Götter sind Götter!". No Shit Sherlock...
Ich hob fragend eine Augenbraue, worauf Milo verzweifelt den Kopf schüttelte.
„Sie wollen mir weiß machen, dass meine Mutter, MEINE Mutter, eine Göttin ist."
„Genau."
„Das ist völlig irrsinnig."
„Eben nicht. Du bist nicht gut mit Magie, oder?"
„Ich bin doch noch nicht einmal einen Tag hier..."
„Und du fühlst dich als würdest du nicht ganz hierhergehören."
„Ja aber - "
„Und du kannst Leute dazu bringen zu tun, was du ihnen sagst."
„Das ist nur irgendein Zaubererding."
„Hast du hier irgendjemanden getroffen, der das auch kann?"
„Nein, aber - "
„Weil es etwas ist, das Demigötter können!", versuchte ich es ihm noch einmal zu erklären und Nala pfauchte zustimmend. Wenigstens eine die mir glaubte.
„Und deshalb wollen sie mich in dieses Camp bringen."
„Ja!"
„Ich gehe mit Ihnen nirgends hin. Sie sind verrückt", verkündete er.
„Nein... Milo, deine Mutter will auch, dass du dorthin gehst."
„Woher wollen Sie das wissen?", verlangt Milo misstrauisch zu erfahren.
„Sie hat es mir gesagt."
„Wann?"
„Gerade eben. In meinen Gedanken", ...
Oh. Oh.
Zuerst denken, dann sprechen, Percy! Götter, jetzt denkt er, dass du komplett einen an der Klatsche hast! Und jetzt führe ich Selbstgespräche, ...vielleicht werde ich wirklich verrückt. Wundervoll.
Inzwischen war Milo aufgestanden und begann langsam auf die Tür zuzugehen, ohne den Blick von mir abzuwenden.
„Und wenn ich es beweisen könnte?"
„Wie?", erkundigte er sich vorsichtig.
Mit etwas Konzentration sammelte ich das Wasser in der Luft zu einigen Tropfen und formte damit Figuren, ohne auch nur einen Finger zu rühren. (Beeindruckend oder? Ich weiß, ich bin genial.)
„Das ist Zauberei. Wie Zauberer sie ausüben", erklärte Milo, obwohl er etwas verunsichert schien.
„Ohne Zauberstab?"
Der Junge erwiderte nichts. Die Nummer mit den Flügeln könnte ihn überzeugen... Gesagt, getan.
Gerade als Milo einen weiteren Schritt in Richtung Tür machen wollte, entfaltete ich ohne jegliche Warnung meine riesigen Schwingen. Auch meine Aura breitete sich im Raum aus, was definitiv seine Wirkung zeigte.
Milo, sichtlich überrascht, verlor das Gleichgewicht und stolperte nach hinten, wobei er mich aber nicht aus den Augen ließ.
„Götter sind real. Du bist ein Halbgott, ich ein Gott, ganz einfach. Und jetzt werde ich dich ins Camp zu deinen Geschwistern bringen, wenn's recht ist."
Der junge Demigott nickte sprachlos, während ich die Hand austreckte um ihn aufzuhelfen. Er nahm sie zögernd entgegen, aber sobald er mich berührte, verschwanden wir aus dem Schloss.
Wenige Sekunden später setzten meine Füße auf weichen Waldboden auf und der Geruch von Holz und Tannennadeln stieg mir in die Nase. Ach, wie sehr ich Teleportation liebte.
Augenblicklich sprang Nala, die die ganze Zeit über mehr oder weniger ruhig auf meiner Schulter gesessen hatte, auf und flog davon. So wie ich sie kannte, würde sie den Wald erkundigen, aber in der Nähe bleiben.
Milo sah mich überrascht an, Laub raschelte unter seinen Schuhen, als er sich einmal um die eigene Achse drehte.
„Wo sind wir?"
„In den Wäldern um Long Island, nicht weit von Camp Halbblut. Amerika."
„Amerika."
„Genau", bestätigte ich in mich hineinlachend, „Komm, zum Camp geht's da lang."
Wir gingen eine Weile in Schweigen Richtung Osten, allein die Geräusche des Waldes und Milos Schritte waren zu vernehmen, da ich mich wie immer lautlos bewegte.
Der Junge schien mit der Existenz von Göttern und der Tatsache, dass er sich in den Vereinigten Staaten befand beschäftigt zu sein und blieb still.
Meine eigenen Gedanken kreisten um das Camp. In den letzten zwei Jahren war ich nur ein einziges Mal dort gewesen. Damals, als etliche Leichentücher verbrennt worden waren. Wie ein Feigling hatte ich mich ganz hinten versteckt und war von niemanden bemerkt worden. Seitdem beobachtete ich das Camp nur aus der Ferne, brachte ab und an neue Demigötter hin, überquerte selbst aber nie die Grenze.
Einzig Thalia, Nico und Grover wussten von meiner neuen .... Stellung, den anderen hatte Chiron auf meinen Wunsch hin erzählt, dass ich unterwegs war um die letzten Anhänger Gaeas zu zerschlagen.
Und eigentlich wollte ich das auch so belassen, aber jetzt schien die Wahrheit unvermeidlich.
Auf keinen Fall konnte ich Milo einfach an der Campgrenze absetzten, alleinschon da ich Chiron über die Umstände seiner ...Anreise informieren und dafür sorgen musste, dass der Junge nichts ausplapperte.
Camp... jede Faser meines Körpers spürte, dass es in der Nähe war. Die Energie, die die vielen Halbgötter dort umgab war sogar hier in den Wäldern zu verspüren und wie sooft fragte ich mich, wie ich als Demigott nichts davon mitbekommen hatte.
Plötzlich breitete sich ein Gefühl von Unbehagen in meiner Brust aus. Meine Sinne stellten sich auf Alarmbereitschaft und aus Reflex zog ich Springflut aus meiner Tasche.
Monster. Klar, ich könnte sie mit einen Fingerschnippen verschwinden lassen, aber wo blieb da der Spaß? Solange Milo nicht auf dumme Ideen kam...
„Milo, wie gut kannst du klettern?", meine Stimme war leise, mein Blick durchsuchte die Umgebung nach der Gefahr, von der ich wusste, dass sie da war.
„Wie gut... Was?"
„Siehst du den Baum dort?", ich deutete auf eine Fichte rechts von uns, „Denkst du, du kannst ihn hochklettern?"
„Ja schon, aber..."
„Keine Zeit für Fragen, schnell", der Junge tat wie ihn gesagt und begann den Baum hochzukraxeln.
Gerade rechtzeitig, denn vor mir war nun ein tiefes Knurren zu vernehmen. Aus dem Gebüsch traten fünf Höllenhunde, die allesamt eher unfreundlich aussahen. Milo stieß einen leisen Schrei aus, als er die Biesten, die die Schatten um sich herum anzuziehen zu schienen erblickte. Die langen, scharfen Reißzähne und die blutroten Augen waren auch ein recht unangenehmer Anblick.
Hastig begann der Junge weiter zu klettern. Mittlerweile war er einige Meter über dem Boden und hoffentlich außer Reichweite der Monster. Ein Grund weniger zu Sorge.
In meiner Hand wuchs Springflut zu seiner ausgewachsenen Schwertgröße, ich begann es in einem Kreis zu schwingen und auf meinem Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.
„Kommt her, Hündchen! Lasst uns spielen!", sang ich, worauf hin die Monster erneut knurrten und auf mich zusprangen.
Dumm wie eh und je. Schön, dass sich manche Dinge nie ändern.
Immer noch grinsend duckte ich mich, sodass das erste Monster über mich hinweg flog und in einen naheliegenden Baum krachte. Mein Schwert schimmerte im trüben Waldlicht, als ich mich damit auf meine Gegner stürzte.
Ein tödlicher Tanz begann, in dem ich definitiv die Führung hatte. Mit präzisen Hieben attackierte ich die Höllenhunde, meine Bewegungen waren fließend und auch meine Flügel, mit den sonst so weichen Federn, entwickelten sich zu messerscharfen Klingen. (Hatte ich schon erwähnt wie sehr ich meine Flügel liebte? Ich meine, was konnten sie nicht sein? Ein Schild, eine Waffe, eine Decke.... Und Fliegen konnte ich mit ihnen auch!)
Im Laufe der Zeit hatte ich mir einen ganz eigenen Kampfstil angeeignet, die eine Mischung aus verschiedenen Kampftechniken beinhaltete und den ich in den letzten zwei Jahren perfektioniert hatte. Kurz gesagt - die Monster hatten keine Chance.
Ein Biest nach dem anderen löste sich unter meinen Einfluss in Goldstaub auf, bis nur noch ein einziger Höllenhund übrig war.
„Tartarus ist ganz nett um diese Jahreszeit, schick mir doch eine Postkarte", mit einem letzten Hieb tötete ich auch das letzte Wesen, wischte dann mein Schwert etwas ab und klopfte mir den Staub von der Kleidung.
Das war amüsant gewesen.
Als ich mich umdrehte, musste ich meinen Kopf in den Nacken legen um Milo hoch oben im Baum zu erkennen. Der Junge hatte sich weit oben im Baum festgekrallt und sah skeptisch auf mich herunter.
„W - was war das?", stotterte er.
„Höllenhunde."
„Was?"
„Könnte sein, dass ich vergessen habe zu erwähnen, dass Monster genauso real wie Götter sind", gab ich zu.
„Was wollten die hier?"
„Demigötter jagen. Und wahrscheinlich auch essen. Viele Monster essen gerne Demigötter." Milo erbleichte und klammerte sich fester an seinen Baum.
Selbst von hier unten konnte ich die Angst in seinen Augen und die Panik, die seine Köperhaltung förmlich zu schreien schien, erkennen.
Kein Wunder, denn der Junge war erst elf oder zwölf und hatte mit den Monstern unter seinem Bett wahrscheinlich schon längst seinen Frieden geschlossen. Die Erkenntnis, dass solche Kreaturen wirklich existierten, war ziemlich schockierend.
„Alles O.K. Die Monster sind weg und im Camp wirst du sicher vor ihnen sein."
„Sicherer als Hogwarts?", vergewisserte er sich.
„Um einiges. Nichts kommt durch die Barriere, versprochen", bestätigte ich, worauf Milo sich etwas beruhigte.
„Du kannst jetzt runterkommen", ergänzte ich. Augenblicklich wurde der Junge wieder panisch, sein Blick auf den Waldboden tief unter ihm gerichtet.
... Er hatte Höhenangst.
Fantastisch Percy, du hast ein Kind mit Höhenangst auf einen enormen Baum klettern lassen...
„Weißt du was, ich komm dich einfach holen." Mit mehreren starken Flügelschlägen erhob ich mich in die Luft. Der Wald war dicht, was das Fliegen hier erschwerte.
Es dauerte nicht lange, bis ich auf der Höhe des Jungen angekommen war und mich behutsam auf seinem Ast sinken ließ. Milo starrte mich mit großen Augen an, machte aber keine Anstalten auf mich zuzukommen.
„Ist in Ordnung, ich bin ein ausgezeichneter Flieger", ermutigte ich den Jungen, der aber nicht reagierte. Milo saß relativ gefährdet auf seinem Ast, weshalb ich ihn dazu bringen wollte vorsichtig auf mich zuzukommen. Da der Wald so dicht war, war ich mir auch nicht sicher, ob ich ihn rechtzeitig auffangen konnte, sollte er fallen.
„Weißt du, als ich noch ein Demigott war, hatte ich auch so etwas wie Höhenangst", das erregte die Aufmerksamkeit des Jungen.
„Aber du hast Flügel und kannst fliegen."
„Damals hatte ich keine. Ehrlich gesagt hatte ich immer große Angst, dass Zeus mich bei der erstbesten Gelegenheit mit seinen Blitzen vom Himmel fegen würde. Und auch zurecht."
„Warum würde er so etwas machen?"
„Er und mein Vater... mögen sich nicht wirklich", versuchte ich zu erklären, ließ aber dabei absichtlich den Teil aus, in dem ich ein verbotenes Kind war.
„Aber jetzt fliegst du."
„Yup."
„Warum?", wollte er wissen, die Angst für kurze Zeit vergessen.
„Ich wurde... befördert und Zeus würde jetzt Ärger bekommen, wenn er mich mit seinem Herrscherblitz attackieren würde", erklärte ich lächelnd, während ein lautes Donnern zu hören war.
„Dramaqueen"; murmelte ich, legte meinen Kopf in den Nacken und zeigte dem Himmel den Mittelfinger.
Vernünftig und erwachsen? Kann ich.
„Im Camp kann ich dir mehr erzählen, du musst nur herkommen", meinte ich an Milo gewandt, der daraufhin eifrig nickte und begann auf mich zuzukommen. Sobald er in Reichweite war, packte ich ihn bei der Hand, zog den Jungen an mich und glitt in die Luft.
„Ist gut, ich lass dich nicht fallen", beruhigte ich Milo, der sich wie ein Irrer an meinen Arm klammerte und seine Augen fest zugedrückt hatte.
Auf halben Weg zum Camp tauchte plötzlich auch Nala wieder neben mir auf. Sie wurde langsam wirklich gut darin genau dann wiederaufzutauchen, wenn jegliche Gefahr oder Aufregung vorüber war...
Bald konnte ich Camp Halbblut sehen, aber als ich zur Landung am Fuß des Halbbluthügels ansetzte, verschwand es wieder. Sobald ich wieder auf festem Boden stand, ließ ich Milo los, der erleichtert aufatmete.
„Gar nicht so schlimm, oder?", der Junge antwortete nicht.
„Den Hügel hinauf, dahinter liegt das Camp."
„O.K." Nala ließ sich auf meiner Schulter nieder und kuschelte sich an meinen Hals, während ich mit Milo die Wiese hinaufging.
„Kein Wort über Zauberer zu irgendwem, hörst du?", erklärte ich, worauf Milo nickte.
Schon bald erhob sich Thalias Fichte vor uns, das Fließ schimmerte in seinem Geäst und Peleus hatte sich wie immer um den Stamm des Baumes gewickelt.
„Ist das ein Drache?", erkundigte sich Milo vorsichtig.
„Peleus, ja. Er beschützt das Fließ und Camp." Bei der Erwähnung seines Namens schaute der Drache auf, kleine Qualm Wolken stiegen aus seinen Nüstern, aber als er mich erkannte, beruhigte sich der Drache und stieß ein Geräusch aus, das irgendwie wie das Schnurren einer Katze klang. Lächelnd kraulte ich ihn unter dem Kinn, wobei Milo bereits auf das Camp unter uns starrte.
Mein Camp - Mein Zuhause, trotz allem.
Mein Blick schweifte über das große Haus, blau wie der wolkenlose Himmel über uns, während mir der Geruch von Erdbeeren in die Nase stieg. In der Ferne war das Wiehern von Pegasi zu vernehmen und von dem was ich verstand, schienen die edlen Tiere meine Ankunft bereits bemerkt zu haben.
Von hier oben funkelte der See wie einer von Hazels Edelsteinen. Etliche neue Hütten umringten die ursprünglichen zwölf, jede einzigartig, teilweise waren sie jetzt sogar römisch.
Der Stand der Sonne verriet mir, dass es hier Dank Zeitverschiebung erst elf Uhr vormittags war, was mir ganz gelegen kam, denn das bedeutete, dass es hier bald etwas zu essen gab. Ausgezeichnet!
Mittlerweile wurden wir auch schon gesichtet, denn die ersten Camper kamen bereits den Hügel heraufgerannt. Unter ihnen auch Will Solace.
Ich wandte mich ganz von Peleus ab und drehte mich zu den herannahenden Demigöttern. Mit einigen Schritten nach vorne, stellte ich mich neben Milo, wobei ich bemerkte, dass ich weder meine Flügel, noch meine Krone versteckt hatte. Verdammt.
Als die Halbgötter, sechs waren es insgesamt, einige Meter vor uns stehen bliebe, hatten sie allesamt ihre Waffen gezogen und auf uns oder besser gesagt auf mich gerichtet. Was ich ihnen aber nicht wirklich verübeln konnte, da ich genauso gut ein Feind wie ein Freund sein könnte.
„Wer seid ihr?", verlangte ein gewisser Apollocamper zu wissen. Jetzt konnte ich die Jugendlichen besser erkennen. Die fünf Camper, die Will begleiteten, kannte ich nicht, aber Sunnyboy selbst sah aus wie immer. Die Sonne ließ seine Haare wie Gold glänzen und die braungebrannte Haut, die blauen Augen sowie sein ganzes Auftreten erinnerten stark an Apollo. Er müsste jetzt um die 17 sein, einer der ältesten Camper hier.
„Hi Will", grinste ich und hob die Hand zum Gruß.
„Ich wiederhole: Wer bist du?", verlangte er erneut zu wissen, und zog dabei die Sehne seines Bogens, der auf mich gerichtet war, weiter zurück.
„Ach komm schon! Du kennst mich. Das tut weh, Will, genau hier", mit der Hand über meinen Herzen schaute ich ihn grinsend an.
„...Percy?", Erkennen breitete sich in seinen Augen aus, als er etwas unsicher meinen Namen sagte.
„Der einzig Wahre."
„Was zu Hades... Wo warst du?!"
„Ach du weißt schon, hier und dort...", murmelte ich, als ich bemerkte, wie wütend er war.
„Nein, Percy, weiß ich nicht. Wir haben uns verdammt noch mal Sorgen gemacht! Keiner wollte uns sagen wo du bist und jetzt tauchst du auf, als wäre nichts gewesen!"
„Ich brauchte Zeit zum Nachdenken..."
„Bei Zeus! Zwei Jahre, ohne dich ein einziges Mal zu melden?!", Will hatte seinen Bogen immer noch nicht gesenkt, was ich ehrlich gesagt ziemlich beunruhigte, wenn man bedachte wie sauer er im Moment auf mich war.
„Ich - "
„Komm mir nicht mit irgendeinen Entschuldigungen!", bevor er fortfahren konnte, wurde Will von Chiron unterbrochen der den Hügel heraufgaloppiert kam.
„Will, beruhig dich und leg die Waffe weg", befahl der alte Zentaur streng. Der Camper sah seinen Bogen an, als würde er erst jetzt bemerken, dass er ihn immer noch auf mich gerichtete hielt, senkte dann die Waffe und gab den Pfeil, den er gespannt hatte, zurück in den Köcher, der über seine Schulter geschwungen war. Dann wandte sich mein alter Lehrer mit einem warmen Lächeln an mich.
„Prinz Perseus, es ist schön dich wieder hier zu haben", Trauer schimmerte in den Augen des Zentauren als er sich verbeugte, wie etliche andere es in letzter Zeit immer wieder taten.
„Chiron, bitte, keine Förmlichkeiten, nenn mich Percy."
„Prinz Perseus?", stotterte Will, als er seine Stimme wiedergefunden hatte, während die Demigötter, die ihn begleiteten zu tuscheln begannen.
„Es ist viel geschehen, seit wir uns zuletzt gesehen hatten", erklärte ich mit einem sanften Lächeln. Das letzte Mal, dass ich ihn wirklich gesehen hatte, war am Schlachtfeld gewesen, im Sturm des Gefechts hatte er immer wieder Verletzte in Sicherheit gebracht, nebenbei seine Pfeile abgeschossen und damit etliche Leben gerettet. Wie der Held, der er war.
„Ich vermute es hat etwas mit den Flügeln zu tun?", erkundigte Will sich.
„Beeindruckend, oder?", grinste ich und streckte meine Schwingen. Das Silber meiner Federn schien im Sonnenlicht zu strahlen und sich umso mehr von den Schwarzen Flügeln abzuheben.
„Nur du, Percy, nur du... Was ist das auf deiner Schulter?"
„Nala?", ich deutet auf das kleine Wesen, das sofort die Ohren spitze und mich ansah, „Das ist meine kleine Begleiterin."
Nala legte den Kopf schief und sah zu den Campern und wieder zu mir, dann streckte sie den Kopf etwas vor und... leckte mir mit ihrer rauen Zunge über die Wange?
Manchmal würde ich wirklich gerne wissen was im Kopf des kleinen Wesens vorging...
„Da das nun geklärt wäre", mischte sich Chiron wieder ein, während ich mir mit der Hand über meine Wange wischte, „Warum stellst du uns nicht den jungen Mann hier vor."
„Natürlich. Das ist Milo... wie heißt du eigentlich mit Nachnamen?", fragte ich den jungen Demigott, der bis jetzt still gewesen war und Chiron mit großen Augen anstarrte.
Ja, der Zentaur hatte diese Wirkung auf Neulinge.
„Sanders."
„Milo Sanders, ein Halbgott, habe ihn in Großbritannien gefunden."
„Warum... weißt du was, ich will es gar nicht wissen", seufzte Will, während Chiron uns bedeutete ihm zu folgen.
Mittlerweile hatten die anderen fünf Halbgötter ihre Waffen gesenkt und starrten mich allesamt mit großen Augen an.
„Carina, bitte begleite Milo hier zur Hermes Hütte", ein braunhaariges Mädchen, sie sah aus wie eine Tochter der Demeter, nickte eifrig auf Chirons bitte hin.
„Nicht nötig. Milos Mutter ist Aphrodite", erklärte ich.
„A - Aphrodite?", stotterte Milo während seine Wangen sich rot färbten.
„Genau. Du kannst Charmsprech, deine Mutter ist definitiv die Liebesgöttin. Außerdem habe ich mich vorhin mit ihr unterhalten", erklärte ich dem Jungen und wandte mich dann an Cerina, „Könntest du ihn bitte die Aphrodite Hütte zeigen?"
„Natürlich Mister...?"
„Percy."
„Percy.... Jackson?", wollte das Mädchen wissen.
„Yup", erwiderte ich mit einem Lächeln, worauf Cerina rot wurde. Bevor Milo protestieren konnte, packte sie ihn am Arm und zog ihn hinter ihr den Hügel hinunter. Die anderen Demigötter, bis auf Will folgten den Zwei eifrig, indes drehte Milo seinen Kopf hilfesuchend zu mir woraufhin ich ihm aufmunternd zunickte.
Irgendwie erinnerten sie etwas an Annabeth und mich, als ich noch neu im Camp war. Damals, als alles noch weniger kompliziert war. Unwillkürlich musste ich lächeln, auch wenn die Erinnerung Schmerz mit sich brachte.
Derweilen ging ich bereits an Will und Chirons Seite Richtung Großes Haus.
„Fünf Minuten, dann weiß das ganze Camp, dass du wieder da bist", versicherte Will. Mir wurde mulmig zumute, als ich an all die Demigötter denken musste, die wahrscheinlich genauso sauer auf mich waren wie Will zu beginn. Allein der Gedanke an Clarisse bereitete mir Gänsehaut. *Urgh*
„Wundervoll", murmelte ich, woraufhin Will lachte.
„Soooo... Ist Nico im Camp?", erkundigte ich mich um vom Thema abzulenken.
„Nein, aber er sollte am Nachmittag wieder da sein, aber die Jägerinnen der Artemis sind im Camp."
„Die Jägerinnen der Artemis...warum?" fragte ich an Chiron gewandt, der bis jetzt nur still unser Gespräch verfolgt hatte.
„Lady Artemis musste zu einem dringenden Treffen am Olymp, was uns mit der Anwesenheit ihrer Jägerinnen beehrt", erklärte der Zentaur und ich hätte einen blauen Kuchen darauf verwettet, dass in seiner Stimme ein sarkastischer Unterton lag.
„...Ein Treffen? Und ich wurde nicht eingeladen?"
„Warum sollten dich denn die Götter zu einem ihrer Treffen einladen?", fragte Will etwas irritiert, worauf ich ihm einen Ich-erklär's-dir-später-Blick zuwarf.
„Sie hat nicht zufällig erwähnt worum es ging?", wollte ich von Chiron wissen.
„Nein, aber ihr Leutnant freut sich sicherlich über deine unerwartete Rückkehr."
Meine Gedanken wendeten sich schlagartig Thalia zu, deren Wiedersehensfreude meist mit Blitzen in Verbindung stand... Mein Tag wurde ja immer besser...
Inzwischen hatte sich das babyblaue Gebäude vor uns erhoben und mein Blick glitt auf die Veranda und wie sooft formten sich Bilder von früher in meinem Kopf. In Gedanken sah ich Dionysus dort mit Chiron Karten spielen, während Grover seine Coladose verputzte und eine 12-jährige Annabeth lächelnd die wenigen Stufen hinaufging. Blinzelnd vertrieb ich die Erinnerungsfetzen und wandte mich an Chiron, der uns bedeutete ihm nach drinnen zu folgen. Wir betraten das mir allzu bekannte Haus und versuchte möglichst auf einen Punkt zu konzentrieren um weitere Erinnerungen am Hochkommen zu hindern.
Hinter Chiron betraten wir das Wohnzimmer/Arbeitszimmer, wobei ich die ganze Zeit über meine Flügel nah am Rücken hielt und einen angemessenen Sicherheitsabstand zwischen mich und dem Zentaurenhintern, den ich immer noch nicht vertraute, brachte. Als wir den Raum betraten, grüßte der Jaguarkopf Seymour uns freundlich. Ich materialisierte ein Stück rohes Fleisch in meiner Hand und warf es dem Raubtier zu, was mir einen fragenden Blick von Will einbrachte, den ich gekonnt ignorierte.
„Was führt dich nach so langer Zeit wieder zu uns, Percy?", wollte Chiron wissen.
„Eigentlich ist es Milo, den ich in einer Zauberschule gefunden habe."
„Wie bitte?!", es war Will der sprach während Chiron nur nickte. Der alte Zentaur wusste also über die Welt der Zauberer Bescheid.
„Eine Gesellschaft von Magiern, die größtenteils in England lebt, auch wenn es sie in Amerika gibt."
„Das hast du also in Großbritannien gemacht."
„Mhm...ob du es glaubst oder nicht, ich unterrichte dort seit kürzester Zeit."
„Huh?", mischte sich mein alter Lehrer nun wieder ein.
„Yup. Befehl von ganz oben."
„Die Götter wollten, dass du Zaubereiunterricht gibst?", vergewisserte Will sich mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Nein, erstens unterrichte ich Schwertkampf, bei den Göttern du kannst dir gar nicht vorstellen wie nervenaufreibend das ist, und zweitens sagte ich von ganz oben."
Der Halbgott starrte mich verwirrt an, also begann ich die Ereignisse von damals zu schildern...
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