22.Kapitel
Lucy taumelte den Korridor entlang. Sie hatte Nancy und Colix gesagt, dass sie zurück zum Gemeinschaftsraum ging um für Zaubertränke zu lernen, wusste aber das es keinen Sinn hatte. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Was sie stattdessen tun würde war in ihr Bett kriechen, die Decke über den Kopf ziehen und ins Leere starren.
Mühsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. Ihr Kopf tat weh und sie wusste nicht weshalb. Obwohl... wann hatte sie zuletzt etwas gegessen? Das Frühstück hatte sie verschlafen und beim Mittagessen hatte sie keinen Appetit gehabt. Aber gestern Abend hatte sie doch ein Brot gegessen, oder? Vielleicht war das auch vorgestern gewesen.
Mühsam blinzelnd blieb Lucy stehen. Sie sah schwarze Punkte vor sich und die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer. Warum musste Hogwarts auch so verdammt groß sein und so viele Treppen haben? Der Korridor verschwamm vor ihren Augen. Sie wankte und wäre wohl hingefallen, hätte sie nicht jemand in letzter Sekunde festgehalten.
,,Amore?!" Seine Stimme war ebenso vertraut wie alarmiert. Lucy stöhnte. Nein, bitte doch nicht er!
Sie versuchte weiterzugehen, kam aber ins taumeln. Nott fing sie auf. Ohne das sie es wollte lehnte sie an seiner Brust und schloss die Augen. Sein Geruch war vertraut. Theodore Nott rüttelte leicht an ihren Schultern, seine Stimme klang panisch. ,,Hey! Lucy! Verdammt, was ist los?"
,,Weiß nicht." Presste sie hervor. Sie hielt die Augen geschlossen und atmete flach. Ihr war schlecht.
Er hob sie hoch. ,,Wir gehen jetzt sofort in den Krankenflügel!"
,,Nein. Lass. Das ist doch albern." Murrte sie schwach. ,,Lass mich runter, Theo."
,,Vergiss es!" Sagte er entschieden. ,,Ich lass dich erst runter wenn wir im Krankenflügel sind! Halt einfach bis dahin durch, okay?"
,,Musst auch jedes Mal deinen Willen durchsetzen, was?" Sie bemerkte das schwache Flüstern was aus ihrem Mund kam kaum. In seinen Armen fühlte sie sich schwerelos, es war wie fliegen. Wie damals, als er sie mit auf seinen Besen genommen hatte und sie bei Sonnenuntergang gemeinsam über die Ländereien geflogen waren.
Durch gesenkte Lider erhaschte Lucy einen Blick auf Notts Gesicht. Dichte dunkle Augenbrauen, die sich leicht über der Nasenwurzel herabsenkten, der Schatten eines Bartes am Kiefer und die berühmten graublauen Augen, die sie einst als ganz schön kalt empfunden hatte. Inzwischen wusste sie aber genau wie warm und liebevoll diese Augen sein konnten.
Ein leichtes Grinsen unterbrach seine, ansonsten eisern besorgte, Miene. ,,Du kennst mich einfach zu gut, Amore."
,,Nein." Wisperte sie. ,,Ich dachte das würde ich... aber Nein. Ich habe keine Ahnung wer du bist, Nott."
Sie schloss die Augen und ließ sich von seinem Herzschlag an ihrem Ohr zurück in die Dunkelheit locken. In die Dunkelheit und die Stille, wo es keinen Platz mehr für ihren Schmerz gab.
Das Nächste was Lucy wusste war, dass sie in einem bequemen Bett lag und ein Zauberstab auf sie gerichtet war.
,,Ah sehr gut, du bist wach! Der Erquickungs - Zauber war erfolgreich!"
Madame Pomfrey wuselte geschäftig um ihr Bett herum. ,,Du bist ohnmächtig geworden, meine Liebe. Ein Schwächeanfall. Kann es sein, dass du in letzter Zeit viel zu wenig gegessen und getrunken hast?"
Lucy runzelte mühsam die Stirn. ,,Ich- Ich weiß nicht genau."
,,Also ja." Die Krankenschwester seufzte. ,,Diese Lehrer setzen euch Siebtklässler unter zu viel Druck! Beim Lernen für eure Abschlussprüfungen vergesst ihr ganz auf eure Gesundheit achtzugeben! Ich werde mit dem Schuldirektor reden."
Vor sich hingrummelnd verschwand Madame Pomfrey hinter dem Vorhang der Lucys Bett von dem Nachbarbett trennte. ,,Ach ja, du hast übrigens einen Besucher!" Rief sie noch. ,,Dein Freund, nehme ich an. Der junge Mann ließ sich einfach nicht verscheuchen. Ich schick ihn zu dir rein, ja?"
Lucy verstand zu spät wen sie meinte. ,,Nein-" Rief sie hektisch, da schob Theodore Nott schon den Vorhang beiseite. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. In dem engen Raum wirkte er riesig. Seine dunklen Haare bildeten einen starken Kontrast zu dem klinisch weißen Stoff.
Lucy zog sich die Decke übers Gesicht.
,,Amore, geht es dir gut?" Schon kniete er an ihrem Bett und wollte ihre Stirn fühlen. ,,Du bist einfach ohnmächtig geworden. Ich war krank vor Sorge!"
,,Mir geht's gut." Murmelte sie. ,,War nur ein kurzer Schwächeanfall."
,,Wirklich? Aber wieso denn? Ich versteh's nicht, du warst doch sonst immer kerngesund." Er versuchte Lucys Hand zu nehmen. Sie zog sie weg.
,,Danke das du mich in den Krankenflügel gebracht hast." Ihre Stimme war kühl. ,,Ich glaube du solltest jetzt gehen."
,,Was redest du da?!" Regte er sich auf. ,,Ich gehe nirgendwo hin bevor du nicht entlassen bist! Lucy, ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht! Das Gefühl als du in meinen Armen einfach bewusstlos geworden bist... Ich- ich dachte für einen Moment ich würde dich für immer verlieren!" Notts Stimme zitterte.
Lucy seufzte. Seine Worte ließen sie nicht kalt, vorallem weil sie wusste wie selten er über seine Gefühle sprach, aber sie musste standhaft bleiben. Er hatte ihr Vertrauen auf eine ekelhafte Art und Weise missbraucht und deswegen konnte sie nie wieder zulassen, dass ihr dieser Junge etwas bedeutete.
,,Du hast mich für immer verloren, Theodore. In dem Moment in dem es dir wichtiger war deinen Quidditch Erzfeind zu übertrumpfen als mich zu respektieren."
,,Lucy," seine Hand strich über den Stoff der ihr Gesicht verhüllte. ,,Nimm die verdammte Bettdecke ab und lass uns reden. Bitte!"
Sie schlug widerwillig die Decke zurück. Seine Augen wurden erst groß und dann schmerzerfüllt. ,,Lucy... Du siehst so dünn aus. Hast du aufgehört zu essen!?"
,,Natürlich nicht." Knurrte sie. ,,Ich esse wie immer."
,,Das glaub ich dir nicht. Du bist viel leichter geworden... und deine Wangen sind ganz eingesunken! Was ist passiert? Vor ein paar Wochen sahst du noch gesund aus!"
Vor ein paar Wochen war mein Herz auch noch heile! ,,Da wusste ich ja auch noch nicht was für ein Arschloch du sein kannst." Lucy wandte den Blick ab. ,,Wie geht's Eleonora? Hast dir ja ziemlich schnell ne Neue angelacht."
Notts vertrauter Geruch erfüllte den Raum. Verdammt, sie vermisste ihn! Sie vermisste ihn so sehr, dass es körperlich weh tat. In dem Moment in dem Lucy von seiner neuen Freundin erfahren hatte war sie innerlich gestorben. War es wirklich so einfach gewesen sie zu ersetzen? Wie hatte er ihr das antun können?
Er sah sie verwirrt an. ,,Wer?"
,,Eleonora. Aus Ravenclaw." Sie schluckte. ,,Du weißt schon, deine Neue."
Ratlos runzelte er die Stirn. Lucy verdrehte die Augen. ,,Dunkle Haare? Brille? Grüne Augen? Verdammt heiß? Große Brüste?"
,,Ach, jetzt weiß ich wen du meinst!" Ein Zeichen der Wiedererkennung zuckte über Notts Gesicht. ,,Sie ist nicht meine Neue, das ist Quatsch. Das war nichts Ernstes, Amore. Nur ein bisschen Ablenkung."
,,Ablenkung? Ernsthaft?" Lucy schnaubte.
Theodore biss die Zähne zusammen so dass seine Kiefermuskeln hervortraten. ,,Ja, Ablenkung. Oder denkst du allen Ernstes irgendjemand könnte dich ersetzen?"
Er stieß ein trockenes Lachen aus. ,,Die Wahrheit ist, dass ich seit zwei Wochen kein einziges Mal gelächelt habe. Ich bleibe die ganze Nacht wach und rauche und verfluche mich und versuche irgendwas zu tun um die Leere zu füllen, aber die Wahrheit ist, dass ich dich einfach brauche. Du bist alles für mich, verstehst du das nicht? Ich brauch dich! Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr."
,,Mir geht es genauso mit dir." Flüsterte Lucy leise. Es war die Wahrheit.
,,Warum hast du dann mit mir Schluss gemacht?" Nott lehnte sich vor, seine Stimme war drängend. ,,Warum gehst du mir aus dem Weg? Du tust praktisch so als würdest du mich nicht mehr kennen."
,,Weil ich solche Angst habe, dass du mir wieder weh tust, Nott." Sie drehte sich auf die Seite, von ihm weg.
,,Aber das werd ich nicht tun, amore. Nie wieder."
,,Warum sollte ich dir das glauben?"
,,Weil ich nicht mehr dieselbe Person von damals bin. Ich hab mich geändert. Ich habe erkannt, dass ich Leute nicht einfach benutzen kann."
Lucy biss die Zähne zusammen. ,,Erwartest du jetzt eine Medaille?"
Er lächelte leicht. ,,Tu doch nicht so als wäre das hier einfach für dich. So bist du nicht. Du bist nicht so kalt. Du hast grade gesagt, dass du mich noch liebst. Ich weiß, dass du es tust. Warum können wir nicht einfach wieder zusammen sein?"
Sie verschränkte die Arme. ,,Ich muss auf mich aufpassen. Ich muss mich selbst respektieren. Ich muss-"
,,Was du tun musst ist essen." Sagte Nott nachdrücklich und griff eine Packung Schockofrösche von dem Nachttisch des Nachbarbettes. ,,Über alles andere können wir reden, wenn du nicht in einem verdammten Krankenbett liegst!"
Lucy fiel die Kinnlade herunter. ,,Du kannst dem ohnmächtigen Erstklässler doch nicht einfach seine Süßigkeiten klauen!"
Nott machte eine wegwerfende Handbewegung. ,,Ach was, die ersetz ich ihm. Ich glaube Mattheo hat unten noch welche, die kauf ich ihm ab. Jetzt iss!" Er riss die Packung auf und seufzte. ,,Ich weiß, dass du meine Ex bist, aber soll ich dich trotzdem füttern?"
,,Meinentwegen." Sagte Lucy. Die Schockofrösche sahen wirklich gut aus und sie hatte es früher geliebt von Nott gefüttert zu werden.
Sie ließ sich die Schockolade auf der Zunge zergehen. In ihrem Bauch rumpelte es. Erst jetzt merkte sie, wie ausgehungert sie war.
,,Iss, Amore." Nott hielt Lucy auffordend den nächsten Schockofrosch vor den Mund.
Zaghaft lächelte sie und beugte sich vor. Nott saß schweigend auf ihrer Bettkante und fütterte ihr einen Schockofrosch nach dem nächsten. Lucy merkte, wie sie sich endlich, nach vielen Wochen wieder gut fühlte.
Vielleicht war ihre gemeinsame Zeit ja doch noch nicht ganz zu Ende.
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