12.Kapitel
Dafür wurde jedes Paar mit Federkielen und Pergament in einen Raum gesperrt. Sie hatten eine Stunde Zeit um jeweils ein Gedicht zu schreiben, was sie anschließend vor der Jury und der gesamten Schülerschaft präsentieren würden.
Nancy wusste, dass "vor vielen Leuten reden" nicht zu ihren Stärken gehörte. Um so mehr Mühe gab sie sich mit dem Gedicht.
Kritisch las sie es wieder und wieder durch. Sie hatte sich über jedes Wort den Kopf zerbrochen, aber würde es gut genug sein?
,,Colix, bist du fertig?" Nancys Augen huschten nervös zu der Uhr, deren Zeiger bedrohlich nah an die drei gerückt war. ,,Wir haben nur noch zwölf Minuten!"
Wortlos reichte Colix ihr das Stück Pergament über dem er fast eine ganze Stunde gebrütet hatte. Nancy hätte weinen können, es waren vier Zeilen.
Sie räusperte sich und las vor.
,,Es ist Frühling, alles blüht.
Vom Himmel her die Sonne glüht.
Wind weht, weiße Wolken treiben
So kann es gern für immer bleiben."
Verzweifelt ließ Nancy das Pergament sinken und sah ihn an. ,,Colix! Ist das Allen Ernstes alles was du hast?"
Er zuckte mit den Schultern und wich ihrem Blick aus. ,,Na ja, so ein, zwei Zeilen mehr krieg ich schon noch hin bevor wir präsentieren müssen. Mir fällt halt leider kein Reim für Bienen ein-"
,,Es geht nicht um die Länge, Murfin!" Nancy verschränkte die Arme hinter dem Rücken und wanderte gestresst auf und ab. ,,Es ist ganz einfach kein gutes Gedicht. Nicht gut genug für diesen Wettbewerb jedenfalls."
,,Ach so?!" Er verschränkte feindselig die Arme. ,,Was ist denn falsch damit? Es ist schön, frühlingshaft und es reimt sich. Weißt du was, wenn du alles so viel besser kannst, dann ließ doch mal vor was du geschrieben hast!"
Nancy warf ihm einen finsteren Blick zu. ,,Das hat doch nichts damit zu tun!"
,,Oh doch." Colix hob herausfordernd das Kinn, seine Stimme so scharf, dass der britische Akzent klarer denn je hervorklang. ,,Go on. Go on then, Luv. Lies dein Gedicht vor."
,,Das kann ich nicht, es ist persönlich!" Fauchte Nancy und lief weiterhin fieberhaft auf und ab. ,,Du hörst es noch früh genug! Zusammen mit dem Rest der kompletten Schülerschaft." Nancy wimmerte bei dem Gedanken. Ihre Nerven waren zum zerbersten gespannt. ,,Oh Merlin, Wer hat nochmal gedacht dieser Wettbewerb wäre eine gute Idee?"
,,Hey." Colix' Blick wurde etwas weicher. ,,Wenn das Gedicht so persönlich ist, dass du es nicht vorlesen willst... Warum hast du es dann so geschrieben? Streich doch einfach alles Persönliche raus."
,,Das kann ich nicht!" Nancy vergrub das Gesicht in den Händen. Sie wusste selber, dass sie sich dramatisch benahm, aber sie konnte einfach nicht anders. Sie wollte, musste, gewinnen!
,,Warum nicht?"
,,Weil Gedichte schreiben so nicht funktioniert. Man kann nicht einfach irgendwas schreiben was nichts mit einem selber zu tun hat! Man muss sich verwundbar machen. Man muss etwas schreiben was echt ist, was von Herzen kommt. Was emotional ist."
Nancy trottete erschlagen zu ihrem Platz zurück. ,,Dein Gedicht ist das nicht. Es ist nicht schlecht weil es kurz ist. Es ist überhaupt nicht schlecht. Es ist sogar sehr gut, es ist perfekt - Zu perfekt! Es ist nicht echt, das ist das Problem!"
Als er daraufhin zu lange still blieb packte sie das schlechte Gewissen. ,,Sorry, Colix, ich wollte nicht-"
,,Oh doch das wolltest du." Er starrte auf die Tischkante. Sein Unterkiefer war angespannt.
,,Ich hab's nicht so gemeint."
,,Du hast es so gemeint." Einen Moment lang brütete er schweigend vor sich hin, das Kinn auf die Hand gestützt, dann stand er auf und warf den Federkiel auf die Tischplatte.
,,Ich geb's auf." Sagte er. ,,Ich pack's nicht!"
,,Natürlich packst du's, du Idiot! Ich dachte du wolltest das Ding gewinnen!" Nancy konnte nicht verhindern, dass sie laut wurde.
,,Will ich auch!" Rief er. ,,Aber ich habe noch neun verdammte Minuten um etwas Echtes zu schreiben und ich habe kein Thema! Nichtmal den klitzekleinsten Hauch einer Idee hab ich!"
Nancy stellte sich hinter ihn und legte eine Hand auf seine Schulter. ,,Du brauchst auch keine Idee." Sagte sie beschwörend. ,,Schreib einfach auf was in deinem Kopf ist. Lass es ganz von selber kommen."
Colix nahm den Federkiel auf und wog ihn nachdenklich in der Hand. Nancy sah atemlos zu, wie er ihn in die Tinte tauchte und in seiner sauberen, verschlungenen Schrift anfing zu schreiben. Das war ihr sofort aufgefallen, seine Schrift. So wenig Jungs, die sie kannte, hatten eine lesbare Handschrift. Seine war nicht nur lesbar sondern auch noch schön.
Meine Freunde haben
Colix hielt inne. ,,Nancy?"
,,Ja?"
,,Kannst du dich bitte verdammt nochmal umdrehen? Ich kann nicht schreiben während du mir über die Schulter guckst und die ganze Zeit gegen meinen Nacken atmest!"
,,Okay, Okay. Sorry!" Nancy wirbelte herum und verbrachte die nächsten Neun Minuten damit angespannt aus dem Fenster zu starren und sich zu fragen was ihr Wettbewerb Partner wohl dichtete. Es war hoffentlich was Gutes!
Colix schrieb wie ein Besessener. Er schrieb und schrieb die ganze Pergamentrolle voll und legte die Feder erst in dem Moment beiseite, in dem Professor Juneicorn den Raum betrat.
Ernst und feierlich nickte er den zwei Schülern zu. ,,Colix, Nancy, Es ist Zeit."
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