imagine 2
Es kann doch wohl nicht so schwer sein. Du starrst immernoch auf das anonyme Kompliment, dass dir gemacht wurde. Du liest den Text nochmal durch. Es geht eindeutig um dich. Niemand außer dir hat blaue Strähnen. Dort steht es, schwarz auf weiß.
"Wie süß ist die mit den blauen Strähnen bitte"
Dein Blick wandert von dem Handy deiner Freundin nach oben. Du siehst in die abwartenden Gesichter deiner Freunde. "Das war bestimmt nur ein Witz", sagst du zu den beiden und streichst dir eine blaue Strähne hinters Ohr. So gerne würdest du dem Kompliment Glauben schenken, aber du kannst einfach nicht. Wieso solltest du auch? Niemand hat dir jemals ein ernstgemeintes Kompliment gemacht. Deine Freunde lächeln besorgt an. Sie merken dir an, dass irgendwas in dir vorgeht, aber sie haben genug Anstand, um dich nicht darauf anzusprechen. Du hörst Gelächter am Tisch neben dir. Wahrscheinlich haben sie den Post auch gerade gesehen und machen sich nun darüber lustig. "Lasst uns schonmal hoch gehen, dann können wir uns einen guten Platz aussuchen", sagst du zu deinen Freunden und stehst auf. Da ihr eh in 10 Minuten die nächste Vorlesung habt wirkt es nichtmal wie eine Ausrede. Deine Freunde stimmen zu und gemeinsam geht ihr in euren Vorlesungsraum.
Du kannst dich nicht auf die Vorlesung konzentrieren, hängst in Gedanken immernoch an dem anonymen Post fest. Du überlegst, wer den Post verfasst haben könnte. Aber eigentlich hast du außer zu deinen beiden Freundinnen kaum Kontakt zu jemandem.
Du denkst wieder an den Moment zurück, als sich die anderen darüber lustig gemacht haben. Er war auch dabei. Was er jetzt wohl von dir denkt? Du hast dir sowieso schon keine Chancen bei ihm ausgemalt, aber nach dem heutigen Tag sind deine Chancen nochmal mehr gesunken. Du spürst wie dir Tränen in die Augen steigen und blinzelst sie weg. Du wirst wegen sowas jetzt nicht weinen, das wäre erbärmlich.
Du zwingst dich, der Vorlesung zu folgen. Sogar ziemlich erfolgreich. Du hast das Gefühl, du hast heute mehr verstanden als sonst.
Nach der Vorlesung verabschiedest du dich von deinen Freunden. Sie müssen beide in eine andere Richtung. Alleine gehst du nun also zurück zum Wohnheim. Du drückst auf den Knopf für den Aufzug und steigst ein, sobald dieser da ist. Kurz bevor die Tür sich schließt, schiebt sich eine Hand dazwischen. Die Tür öffnet sich nochmal und er steigt ein. Er lächelt dich an und drückt dann den Knopf für sein Stockwerk.
"Es war kein Witz. Ich hab das ernst gemeint", hörst du ihn sagen, bevor er aussteit. Du hast gar nicht bemerkt, dass der Aufzug angehalten hat. "Was?", fragst du. War der Post wirklich von ihm? Ein Funken Hoffnung macht sich in dir breit. "Wir sehen uns morgen", lächelt er dir zu und lässt dich alleine im Aufzug zurück. Dein Herz klopft plötzlich ganz schnell.
Er findet dich süß.
Du kannst es kaum glauben. Etwas in dir sträubt sich immernoch dagegen, zu akzeptieren, dass es kein Witz war. Du verlässt grübelnd den Aufzug und schließt dann deine Zimmertür auf. Er hat anonym der ganzen Hochschule erzählt, dass er dich süß findet. Er findet dich wirklich süß. Ihr habt nicht sonderlich viel Kontakt, ihr habt lediglich zwei Vorlesungen zusammen und seht euch ab und zu mal in den Gängen. Du hast nicht gedacht, dass du ihm überhaupt groß aufgefallen bist.
Dein Handy zeigt dir eine Benachrichtigung an. Ein Snap von ihm. Du sperrst dein Handy, entscheidest noch ein paar Minuten zu warten, bevor du den Snap öffnest. Es wäre zu auffällig, würdest du den Snap direkt öffnen.
Nach etwa fünf Minuten kannst du es nicht mehr abwarten. Du drückst auf öffnen.
"Du darfst ruhig mal glauben, wenn dir jemand ein Kompliment macht :))"
Du starrst auf den Snap. Hat er dir angesehen, dass du ihm nicht glaubst. Du überlegst, ob du etwas antworten willst. Du beginnst zu schreiben, löscht die Nachricht aber wieder. Da er jetzt aber eh benachrichtigt wirst, dass du geschrieben hast, musst du dir nun etwas einfallen lassen. Du überlegst angestrengt. Bevor du dir etwas ausdenken kannst, erhälst du einen weiteren Snap von ihm.
"Ich mag dich wirklich"
Steht dort geschrieben. Diesmal siehst du sogar sein Gesicht auf dem Foto. Alles in dir sträubt sich dagegen, ihm zu glauben. Aber es wirkt nicht so, als würde er sich über dich lustig machen. Du starrst nun schon seit zwei Minuten auf den Snap. Erst das Klopfen an deiner Tür reißt dich aus deinen Gedanken. Verwirrt gehst du zur Tür und öffnest diese.
"Was muss ich noch tun, dass du mir glaubst?", fragt er. Du zweifelst immernoch, aber eine leise Stimme in dir schreit, dass du ihm glauben sollst.
Ein leichtes Lächeln stiehlt sich auf deine Lippen.
Es war kein Witz, er hat es ernst gemeint.
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