23. Kapitel - Hoffnung

"Vergiss es!"

Zaarahs Stimme hallte laut in dem kleinen, schmutzigen Innenhof wieder, in den Mark sie gezerrt hatte.

"Du verstehst nicht-" setzt Mark an, doch Zaarah schnitt ihm mit einer harschen Geste das Wort ab und schnaubte durch die Nase.

"Du bist es, der nicht versteht. Das ist einfach kindisch. Dein Plan, sofern man das überhaupt so nennen kann ...
Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? "

Mark öffnete den Mund, um zu einer Erklärung anzusetzen, doch Zaarahs giftiger Blick brachte ihn sofort zum Schweigen.

"Nein, du musst es mir nicht nochmal erklären!
Ich habe sehr wohl verstanden. Ich wüsste auch nicht, was es da nicht zu begreifen gibt:
Punkt eins,
- wir dringen in den Palast der Rabenkinder ein," zitierte sie in ätzendem Tonfall,
"Punkt zwei,
- wir finden Mia.
Punkt drei,
- wir sehen zu, dass wir unbeschadet wieder hinauskommen.
Das... also ehrlich, ich hätte mehr von dir erwartet als dieses...," sie machte eine lange Pause und suchte nach einem treffenden Wort, "...diese Liste. Wie stellst du dir das überhaupt vor? Glaubst du man kann einfach so in den Palast der Adeligen spazieren? Und selbst wenn es uns gelingen sollte Mia zu befreien, was dann? Du kennst die Rabenkinder, Mark. Sie würden das niemals auf sich sitzen lassen. Ich möchte lieber nicht wissen, was sie tun würden, sollten sie uns erwischen. Und nur damit du es weißt, ich habe definitiv nicht vor es herauszufinden. Wir wären tote Leute, alle drei!"

"Der Teil des Plans war auch noch nicht so richtig ausgereift," gab Mark widerwillig zu,
"Aber das kann ja noch werden. Wenn du mir hilfst! Komm schon."

"Ich habe zwar keine Ahnung, wie du es geschafft hast aus dem Gefängnis zu entkommen, aber an deiner Stelle würde ich mein Glück nicht auf die Probe stellen. Und die Geschichten, die man sich über deinen Ausbruch erzählt glaube ich auch nicht. Die Wachen hätten dich sonst schon längst wieder eingefangen. Was auch immer du getan hast, es wird kein zweites Mal gelingen, oder?"

Lag da so etwas wie Hoffnung in ihrer Stimme?
Wiederwillig dachte Mark daran wie der Gefängniswärter ihm die Türe zur Freiheit aufgeschlossen hatte und schüttelte betreten den Kopf. Zaarah schnaubte erneut und wandte sich zum Gehen.

"Warte!" rief Mark ihr verzweifelt hinterher, "Ich dachte, du magst sie auch! Du bist meine letzte Hoffnung."

Mit einem Mal drehte sich Zaarah auf dem Absetzt um und packte ihn an der Schulter.
"Glaubst du etwa für mich ist das einfach? Glaubst du etwa, mir ist es gleichgültig, was mit meiner besten Freundin passiert?" fauchte sie und starrte ihn aus funkelnden Augen an.
Nach einer Weile fügte sie leise hinzu: "Wir sind seit unserem ersten Schultag befreundet. Aber manchmal ist es besser loszulassen."

"Heißt das etwa du willst meine Schwester auch aufgeben?" Mark ballte in hilfloser Wut die Fäuste. "Willst du dich einfach nur feige fügen?"

"Nein, das nicht. Aber ich für meinen Teil, habe nicht vor, mein Leben leichtfertig aufs Spiel zu setzen."

"Was willst du dann tun? Ich werde dir helfen!"

"Das geht nicht, Mark," sagte Zaarah trocken.

"Warum?"

"Kann ich dir nicht sagen."

"Ach ja?" Marks Stimme klang nun unendlich verletzt. "Wetten, du gaukelst mir das nur vor damit ich mich da raushalte?"

"Nein, ich-"

"Kannst du mir dann nicht einmal die Wahrheit sagen?"

"Mark, ... ich... du...," sie zuckte ratlos mit den Schultern, "...so einfach ist das nicht."

"Bitte, ich-"

In diesem Moment ergoss sich ein Schwall kaltes Schmutzwasser in Marks Nacken und rann ihm bis zu den Beinen hinab. Als er nach oben blickte entdeckte er eine runzlige Alte, die sich mit einem Eimer in der Hand aus dem Fenster lehnte.

"Dämliches Pack!", keifte sie, "Könnt ihr eure Liebesstreitigkeiten nicht anderswo klären? Das ist mein Hof!"

Mark machte Anstalten sich zu entschuldigen, doch Zaarah nahm seine Hand und zog ihn mit aller Kraft zurück auf die Straße. Er ließ es geschehen. Wenn sie nicht mitwollte, dann würde er eben alleine gehen! Er würde seine Schwester nicht verraten!
Wütend schüttelte er sie ab stapfte los.

"Warte!"

Marks Herz machte einen kleinen Satz. Hatte sie endlich eingesehen, dass sein Plan Potential hatte? Hoffnungsvoll drehte er sich um.
Doch Zaarah krustelte nur mit ernster Miene in ihrer Schultasche. Plötzlich ertönte das Geräusch von reißendem Papier und sie zog einen winzigen Zettel hervor, auf den sie sogleich eifrig etwas kritzelte. Neugierig reckte er den Hals und versuchte das Gekrakel zu entziffern.

"Aus dem Weg!" brüllte plötzlich eine Stimme zu seiner Linken und ein schwer beladener Wassertransporter schoss aus einer Seitenstraße. Mit einem gewaltigen Satz zurück in den kleinen Hof brachte Mark sich in Sicherheit. Einige Meter entfern von ihm kämpfte auch Zaarah um ihr Gleichgewicht, den Zettel noch immer in der Hand.
Mark atmete erleichtert auf. In diesem Moment schloss sich eine dürre, knochige Hand erstaunlich fest um seinen Arm. Als er den Kopf wandte blickte er geradewegs in die Augen der alten Frau.

"Verschwindet aus meinem Hof!"

Noch ehe er sich versah warf sich Zaarah ihre Schultasche um und beeilte sich davon zu kommen. Allerdings nicht, ohne ihn vorher grob anzurempeln und "Pass gut auf!" zu schreien. Seltsam, so kannte er sie gar nicht.

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