35 - Lesenacht 2

Wir schafften es, irgendwann früh am morgen einzuschlafen und wachten auf, als wir Geräusche aus dem Wohnzimmer wahr nahmen. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es kurz nach neun Uhr war. Nicole war anscheinend Zuhause. Ich blickte kurz hinter mir und sah, dass Damien noch schlief. So schön!
Ich befreite mich aus seiner Umarmung und stand leise auf. Aus meinem Schrank nahm ich mir eine Leggins und ein Top, zog mich an und ging dann ins Wohnzimmer. Ich schaute mich um und hörte Nicole in der Küche. Sie war wieder voll beschäftigt mit ihren Töpfen und mit kochen.

"Guten Morgen, Nicole."
"Celeste, guten Morgen. Gut geschlafen?", fragte sie lächelnd und wackelte mit den Augenbrauen. Ich lächelte schüchtern und versteckte mein Gesicht zwischen den Händen.

"Oh nein, Süße, nicht schüchtern sein. Ich freue mich sehr für euch. Damien ist ein toller Kerl. Schwer von Begriff manchmal, aber toll."
"Danke, Nicole. Ich freue mich auch."
"Das glaube ich sofort.", lächelte sie weiter.
"Ach Nicole, hör jetzt auf. Aber woher....?"
"Du strahlst, Celeste. Ach, wie toll die Liebe doch ist.", sie machte mich wahnsinnig.

"Nicole....Sag mir besser, was das Chaos hier soll? "
"Sonntag, Mittagessen. Hast du vergessen? Cole kommt nachher und...."
"Was ist mit ihm eigentlich? Wie geht es ihm, ist er krank?"
"Ähm...Nein, nein, alles gut. Er war nur etwas durcheinander und gestresst. Ahh..und...Marie kommt auch.", sagte sie, ohne mich anzusehen.
"Ok. Ich gehe kurz ins Bad und dann komme dir helfen.", sagte ich und war schon weg. Ich erledigte meine Geschäfte und dann war ich schon wieder zurück.

Ich griff Nicole unter die Arme und wir bereiteten das Essen für später vor. Es war angenehm mit ihr. Die Musik lief aus dem Radio und wir machten unsere Arbeit, als ich plötzlich zwei Arme auf meinem Bauch spürte und ich mich erschreckte.
"Guten Morgen, meine Hübsche!", sagte Damien und drückte mir seine Lippen auf meinen Hals.
"Awww....ihr seid sooo süß!", hörte ich Nicole neben uns sagen und sah, wie sich ans Herz fasste. Meine Wangen brannten schon wieder wie verrückt. Damien drückte mich noch fester an seine Brust und fing an, laut zu lachen.

"Ihr seid gemein!", meckerte ich in meine Hände und die zwei lachten sich einfach kaputt.
"Ich bin dann mal weg. Ich muss kurz heim, aber ich komme dann zum Mittagessen wieder."
"Kommst du wirklich?", fragte ich aufgeregt und drehte mich um, um ihn anzusehen. Weil ich jetzt wusste, dass Tante Marie auch kam, freute ich mich sehr und war erleichtert, dass Damien hier sein würde. Ihn an meiner Seite zu haben, gab mir Kraft und ich wusste, er würde mich beschützen.
"Natürlich werde ich da sein. Stimmt was nicht?", fragte er besorgt.
"Alles gut, nur, dass Tante Marie auch da sein wird. "
"Ich werde an deiner Seite sein, ok? Komm, begleite mich bis zur Tür."

Damien nahm meine Hand und zusammen gingen wir zur Tür. Sobald wir da waren drückte er mich gegen die Tür und legte die Lippen auf meine. Voller Leidenschaft küsste er mich und schob die Hände unter mein Top. Er streichelte meinen Rücken entlang und suchte mit seiner nach meiner Zunge. Gerne kam ich ihm entgegen und genoss seinen Geschmack.
Kurze Zeit später legte er seine Stirn an meine und schaute mir tief in die Augen.
"Guten Morgen, meine Hübsche!"

Ich lächelte ihn an und wünschte mir, dass das hier nicht aufhörte.
"Ich muss jetzt los. Wir sehen uns später.
"Ok. Ich warte auf dich."
Er lächelte, küsste meine Stirn und ging dann.

Zurück in der Küche, machte ich mit Nicole weiter alles, was noch zu tun war. Danach ging ich in mein Zimmer, räumte auf und dann ging ich duschen.
Bald würde Tante Marie da sein. Es machte mich nervös, denn ich wusste, sie würde wieder mit demselben Thema anfangen. Aber zu wissen, dass Damien auch da sein würde, beruhigte mich. Ich würde es schaffen, das wusste ich. Weglaufen brachte nichts, das hatte ich schon einmal getan und dachte, ich könnte alles vergessen. Aber es war nicht so. Meine Vergangenheit holte mich wieder ein und ich musste gegen sie kämpfen und auch gewinnen. Sonst würde ich verloren gehen.

Im Wohnzimmer war alles vorbereitet. Wir waren nicht mal fertig mit allem da stand Damien schon vor der Tür. Er nahm mein Gesicht in seine Händen, küsste mich innig und ich drückte mich so nah wie möglich an seine Brust, bis wir auf einmal ein Räuspern hörten.
"Tante Marie !", sagte ich überrascht.
"Hallo Celeste! Entschuldige....Ich gehe schon mal vor.", lächelte sie uns an.

Es ging langsam wieder los. Ich hoffte, sie würde nichts erwähnen und einfach nur das Essen geniessen. Ich hatte keine Lust, mir wieder das Gleiche anhören zu müssen, auch wenn alle sehr überrascht sein werden über das, was ich entschieden hatte. Ich musste endlich einen Schlussstrich ziehen und mich befreien. Abschliessen, das wollte ich.

"Komm, meine Hübsche, gehen wir rein.", sagte Damien und nahm meine Hand.

Im Wohnzimmer angekommen, sass Tante Marie schon am Tisch und Nicole auch auf ihrem Platz. Auf dem Tisch stand schon alles, was Nicole und ich vorbereitet hatten. Die gefüllten Paprika und der Salat, die Getränke, Nicole hatte alles fertig gemacht.
Ich setzte mich hin und Damien gleich neben mich. Cole fehlte noch und wir warteten auf ihm, um mit dem Essen anfangen zu können. Nicole schaute immer wieder auf die Uhr und war etwas angespannt. Es lag ganz klar an Cole und ich wusste genau, dass mehr dahinter steckte, als sie mir erzählte.
Die Stimmung war geladen und keiner traute sich, etwas zu sagen. Ich sowieso nicht.

Tante Marie fing irgendwann an, zu reden. Sie unterhielt sich mit Nicole, ich aber achtete nicht auf ihre Wörter und konzentrierte mich nur auf Damiens Hand, die meine fest hielt.
"Nicole, ist sicher alles gut mit Cole? Sollte er nicht schon da sein?"
"Alles gut, Damien. Er hat schon gesagt, das...das er vielleicht später kommen wird. Lass uns einfach anfangen. So, Marie, ich hoffe es schmeckt dir. "
"Mach dir keinen Stress, Nicole. Es sieht alles gut aus. Celeste, wie geht es dir?"

Mein Kopf schoss in die Höhe und ich schaute sie an.
"Es..es geht mir gut!", bekam ich raus.
"Und du...",sagte sie weiter und zeigte auf Damien." Du musst Damien sein wenn ich mich richtig erinnere."
"Ja das stimmt. Ich bin Damien. "
Es folgte eine Pause. Wir aßen in ruhiger und bedrückter Stille. Es war mir aber egal. Ab und zu wechselte Nicole mit Tante Marie ein paar Wörter,aber mehr nicht. Bis sie irgendwann anfing, mit mir zu reden.
"Wie ich sehe, hast du tolle Personen hier gefunden, Celeste."
"Ja, das habe ich und ich will endlich sie und mein Leben genießen. Darf ich das, Tante Marie?", sagte ich plötzlich genervt. Es nervte mich, dass sie so tat, als wäre alles in Ordnung. Denn das war es nicht und sie wollte das nicht einsehen.
"Das wünsche ich dir, Celeste."
"Dann lass mich endlich in Ruhe.", sagte ich lauter. "Ich will nichts mehr wissen, nichts mehr von früher. Es ist genug, bitte."

Sie sagte nichts und schaute mich nur an, als plötzlich laute Geräusche zu hören waren, getrampel und fluchen gleichzeitig. Nicole stand auf, blieb aber geschockt stehen, als Cole rein kam. Er sah furchtbar aus! Müde, die Haare in alle Richtungen abstehen und betrunken.

"W...ie schööön! Die ganze Familie ist da, na hallooo!"
"Cole!", sagte Nicole und Damien stand auch gleich auf.
"Ach, setzt euch. Ich kann laufen und tut mal nicht so, als hättet ihr noch nie einen betrunkenen Mann gesehen.", sagte er und setzte sich zu uns an den Tisch.
"Marieeee...na...Was macht dein Mistkerl von Bruder?"

Ich hielt die Luft an, als ich das hörte und schaute mit großen Augen zu Tante Marie.
"Cole!", sagte sie streng."Übertreib es nicht
Und das reichte aus, um Cole richtig ausflippen zu lassen. Er ließ die Faust fest auf den Tisch knallen und brüllte laut.
"REICHEN? Du meinst, das reicht? Oh nein. Das wird nie reichen, egal wie lange er da drinnen bleibt. Er soll da verrecken, denn das ist kein Mann, kein Mensch."
Tante Marie machte grosse Augen, genau wie wir alle. Ich hatte Cole noch nie so gesehen. Warum reagierte er so? Was ist passiert, dass es ihm so nah ging, was mir passiert ist?

"Cole, er zahlt schon für das, was er getan hat."
"Es ist nicht genug,Marie. Es reicht nicht. Es wird nie genug sein. Nie...niemals.", sagte er quälend langsam und immer leiser. Er litt! Cole litt genauso, wie ich all die Jahre gelitten habe.
"Cole.", sagte ich leise und schaute ihn mit Tränen in den Augen an. Damiens Hand drückte ich fest und ließ sie nicht los. Ich wollte ihn bei mir haben. Ich brauchte ihn und er blieb auch bei mir.

Cole hob seinen Kopf und mit roten Augen und schmerzlich zusammen gezogenen Gesicht, schaute er mich traurig an.
"Alles ist gut, Cole. Jetzt ist alles gut."
Er aber schaute mich weiterhin mit traurigen Augen an.
"Genau. Jetzt ist alles gut.", sagte dann Tante Marie und war der größte Fehler, den sie machen konnte. Cole stand wie verbrannt auf und schmiss das Glas, das er in der Hand hatte. Das Glas knallte gegen die nächste Wand und zerbrach in tausende von Scherben.

Wir zuckten alle zusammen und eine Gänsehaut breitete sich auf meinen kalten Körper aus. Damien stand auf,blieb aber neben mir.
"NEIN, MARIE! ES. IST. NICHT. NICHTS IST GUT. Ihr habt mir meine Tochter weggenommen. Ihr habt sie kaputt gemacht, zerstört. IHR. Und ich konnte nichts machen. NICHTS. Ich konnte sie nicht retten, nicht trösten, nicht umarmen und ihr den Schmerz abnehmen."

Ich hörte auf zu existieren. Ich sah und hörte gar nichts mehr. Alles war dunkel. Alles war laut, aber trotzdem still. Ich konnte mich nicht bewegen. Konnte einfach nicht. Ich wollte aber weg gehen. Abhauen. Mich in Luft auflösen. Verschwinden. Für immer!

Warum? Warum spielte das Leben so mit mir? Warum zerstörte es mich nicht einfach. Für immer. Warum so eine Qual? Würde es irgendwann aufhören?

Wie gelähmt stand ich da. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinen Körper aus und die Kälte umgab mich komplett. Damien stand neben mir, das wusste ich, doch ich konnte ihn nicht richtig wahrnehmen. Nicht spüren.
Mit grossen Augen schaute ich Cole an. Ich sah den Schmerz in seinen Augen, auf seinem Gesicht und in den Tränen,die über seine Wangen glitten.

Mit langsamen Schritten bewegte er sich und kam auf mich zu. Vor mir, fiel er auf die Knie und legte seine Hände auf meine, die ich auf meinem Schoß fest drückte.
Er blickte in mein Gesicht, versuchte etwas zu sagen, bekam aber kein Wort heraus.
Sekunden später hörte ich dann seine Stimme. Leise. Zitternd.
"Es tut mir so leid, Celeste! So, so leid! Ich habe nichts machen können. Ich konnte nichts tun."

Mein Herz schrie laut und schmerzlich. Meine Seele zerbrach gerade in tausende von Scherben und jede Einzelne davon hinterließ tiefe Narben in meinem Inneren.

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