Die Verlobung


April 1977

Regulus gähnte demonstrativ und griff nach einem Krug Kürbissaft. Er lächelte Gwen beschämt an, als er bemerkte, dass sie ihn beobachtet hatte. Sie konnte sich nun selbst ein Gähnen nicht mehr verkneifen. Gestern war es aber auch wieder spät geworden. Sie hatte zusammen mit Jeffrey, Malcom, Elizabeth und Severus noch Verteidigung gegen die dunklen Künste gelernt. Wie üblich, wenn die drei Jungs zusammensaßen, waren sie etwas vom Thema abgekommen und sie hatten erst mit ihren Experimenten aufgehört, als Gwendolyn sie gerüffelt hatte. Sie hasste es einfach! Sie hasste es, ihre Zeit zu verschwenden; jede Minute war kostbar. Jede Minute würde vielleicht einmal über Triumph und Niederlage entscheiden. Nein, nicht vielleicht, in diesen Zeiten war dies so sicher wie der Sprung eines Schokofrosches.

Gwen griff nach einer Schüssel, tat sich eine Portion Flakes hinein und übergoss sie mit Milch. Severus war noch nicht da. Sie sah den Slytherin-Tisch hinab und stellte fest, dass Evan, Malcom und Jeffrey ebenfalls fehlten. Ob sie wieder etwas ausheckten?

»Hast du heute Morgen schon Sev gesehen, Reg?«, fragte sie und sah den jungen Black an, doch er schüttelte den Kopf.

Gwen hatte gedacht, sie sei müde, aber Regulus sah aus, als wäre er bereits seit einer Woche auf den Beinen. Sie runzelte die Stirn und senkte die Stimme. »Alles in Ordnung bei dir?«

»Klar«, antwortete er und nippte an seinem Glas.

Gwen wollte nachhaken, als der Tumult am Eingang der Großen Halle ihre Aufmerksamkeit erregte.

Sie hörte laute Stimmen rufen und einige schaulustige Schüler waren am Johlen. Gwen erhob sich misstrauisch, immerhin war sie Vertrauensschülerin, und sah wie Severus mit Gefolge, die Halle betrat. Er schien furchtbar schlechte Laune zu haben, doch Evan grinste selbstgefällig. Der kleinen Gruppe Slytherins folgten Black und Potter die zur allgemeinen Belustigung Grimassen schnitten, die wohl auf ihre vorangegangenen Rivalen bezogen waren. Gwendolyn konnte sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen, als sie sah, dass Professor Vektor die beiden Schnösel zurechtwies.

Severus ließ sich wortlos neben sie auf die Bank fallen, also nahm auch Gwen wieder Platz.

»Was war denn da los?«, fragte sie ihren Freund.

»Nichts«, antwortete Severus knapp und nahm sich eine Tasse Tee.

»Potter hat gemeint, er müsse den großen Aufschneider spielen.« Evan grinste nun noch breiter. »Der Fluch ging leider daneben und traf die Evans.«

Jeffrey kicherte und sagte: »Sieht hässlich aus, passt aber doch gut zu einem Schlammblut, was Malcom?«

Dieser grunzte nur zur Antwort.

Gwendolyn verkniff sich ein Seufzen, schielte stattdessen zu ihrem Freund hinüber und fragte sich insgeheim, wann Severus Lily endlich loslassen würde. Noch immer hing er dieser Sandkastenliebe nach, obwohl die Gryffindor ihre eingerostete Freundschaft erst vor wenigen Wochen endgültig beendet hatte und mehr als Freunde waren sie nie gewesen.

Gwen seufzte missmutig,weil sie wusste, dass Severus nicht darüber sprechen wollte und stochertedeswegen lustlos in ihrer Müslischale. Gerade als sie sich wieder Reguluszuwenden wollte, kamen die Posteulen hineingeflogen und verursachten denüblichen Lärm. Ein kleiner Kauz brachte Severus den Tagespropheten und als erihn nicht beachtete, steckte Gwen dem lästigen Vogel ein paar Münzen in seinenLederbeutel, damit er davonflog. Dann nahm sie sich die Zeitung selbst vor, umdie Schlagzeilen zu überfliegen, als sich ihr Bartemius gegenüber setzte undseinem Freund Regulus auf die Schulter klopfte.

Gwen grüßte ihn nur mit einem knappen Kopfnicken undkonzentrierte sich wieder auf die Zeitung... Frischer Wind im Ministerium, Amos Carrow aus Askaban entlassen, Neue Anwendung für Wachteleidotter entdeckt ...

»Hab' erfahren, dass deine Cousine heiratet, Reg.«

... Muggelstämmiger spurlos in London verschwunden ...

»Du hast doch deine Nase überall«, antwortete Regulus amüsiert, woraufhin Bartemius lachte.

... Dumbledore wettert gegen Dementoren?...

»Ach, Dad hat Malfoy Senior im Ministerium getroffen. Er hat wohl alles Bürokratische dort geklärt.«

Der Klang des Namens ließ Gwen innehalten und aufhorchen. Nur für einen Herzschlag lang erstarrte sie, dann legte sie den Tagespropheten, der ihr Gesicht verdeckt hatte, auf dem Tisch ab.

»Malfoy?«, wiederholte sieund ihr Magen zog sich unheilvoll zusammen.

Bartemius nickte und bestätigte ihre Befürchtung,indem er sagte: »Lucius wird Narzissa Black heiraten.«

Gwendolyn wurde schlagartig speiübel und sie hoffte, sich nicht in die leere Müslischale zu ergeben. »Aha«, brachte sie nur hervor. Dann griff sie nach ihrer Tasche, erhob sich mit zittrigen Beinen vom Tisch und rief Severus im Vorbeigehen nur »Wir sehen uns in Tränke!« zu. Sie bemerkte keinen der verwunderten Blicke, als sie aus der Großen Halle rauschte.

Mit rasendem Herzen stürmte Gwendolyn durch die Korridore, dass sich ihr Umhang hinter ihr aufbauschte. Verwirrt schüttelte sie den Kopf.

Lucius heiratete? So plötzlich? Wieso hatte Gwen das nicht kommen sehen? Hatte sie sich in all ihrer Vernarrtheit gar etwas vorgemacht? Und warum hatte er ihr das nicht selbst gesagt, wo sie einander doch regelmäßig schrieben?

Als Gwen die Eulerei erreichte, waren der erste Schock und die Übelkeit verschwunden und hatte Platz gemacht für die Wut. Er war ein freier Mann und er konnte tun und lassen, was er wollte! Ja, jetzt war sie verdammt nochmal sehr sauer und ihre knappe Nachricht verbarg ihren Frust nicht.

Sie hatte ein Stück Pergament aus ihrer Tasche gezogen und schrieb nur die beiden Worte: Herzlichen Glückwunsch G.D. darauf.

Als eine stattliche Schleiereule Gwen am folgenden Morgen Post brachte, war sie schon drauf und dran den Brief einfach ins nächste Feuer zu werfen, an dem sie vorbeikommen würde. Doch der kleine gekränkte Teil in ihr wollte eine Antwort und so öffnete sie den Umschlag und holte einen Bogen silbergrauen Pergaments mit smaragdgrüner Tinte hervor. Severus sah ihr nur flüchtig über die Schulter und wandte sich dann mit verstehendem Blick ab und gab der Schleiereule einen Eulenkeks.


Verehrte Gwen,

es war nicht in meinem Sinne, dass du diese Nachricht auf diese Weise erfährst – daran brauchst du nicht zu zweifeln.

Ich selbst war zugegebenermaßen erstaunt über deine Eule, da ich dieselbe Botschaft nur wenige Stunden zuvor erhalten habe. Du hast richtig gehört, ich habe mich weder für diese Heirat entschieden, noch wurde ich von der Planung unterrichtet.

Die Gründe für das Handeln meines Vaters liegen auf der Hand und ich möchte sie hier nicht erläutern. Ich bin äußerst betrüb, falls ich dich gekränkt oder verärgert haben sollte und dafür entschuldige ich mich schon einmal.

Wenn du mir mitteilst, wann euer nächstes freies Wochenende ist, bin ich gerne bereit nach Hogsmeade zu kommen. Dann können wir alle Dinge persönlich bereden.

Ab imo pectore*

Lucius M.


Gwen faltete den Brief mit schwitzigen Fingern zusammen, ohne zu wissen, ob sie aus Wut oder Angst zitterte. Als sie das Pergament sorgfältig in ihrer Tasche verstaute, gab sie sich Mühe, mit ihrer Frage möglichst beiläufig zu klingen. »Wann ist das nächste Hogsmeade-Wochenende?«

»In drei Wochen.« Ein Drittklässler, der ihr schräg gegenüber saß, hatte geantwortet.

Sie bedankte sich knapp, vergewisserte sich, dass der Brief sicher verstaut war, und nahm sich vor, Lucius noch heute Abend zurückzuschreiben.

In den nächsten Tagen drifteten Gwendolyns Gedanken immer wieder zu Lucius' Brief ab. Als der Samstagmorgen, an dem die Hogwartsschüler für ein paar Stunden in das benachbarte Zaubererdorf durften, kam, musste sie sich eingestehen, dass sie aufgeregt und beinahe kindisch nervös war.

An jenem Morgen saß sie mit der üblichen Clique am Frühstückstisch und lauschte den Diskussionen ihrer Hausgenossen, die bereits ihre Besuche im Honigtopf, Drei Besen und den übrigen Läden dort planten. Gwendolyn folgte diesem lebhaften Gespräch kaum. Sie wusste nicht einmal, ob sie genügend Zeit finden würde, einem der Geschäfte noch einen Besuch abzustatten.

Gemeinsam verließen sie Hogwarts und gingen die Straße nach Hogsmeade entlang. Die Sonne wärmte ihre Gesichter und der Gesang der Vögel erfüllte die Luft. Es war der erste warme Frühlingstag und das machte sich auch bei den Schülern bemerkbar. Es schienen außergewöhnlich viele Paare unterwegs zu sein; oder bildete sie sich das nur ein?

»Meinst du, du hast noch Zeit für ein Butterbier?« Severus' Stimme unterbrach ihre Gedanken.

Gwen zog eine kleine silberne Uhr aus ihrer Tasche, warf einen Blick darauf und schüttelte dann den Kopf. »Aber ich kann nach meiner Verabredung dort auf euch warten«, schlug sie vor.

»Verabredung? Du hast ein Date, Gwen?« Irrte sie sich oder hörte sie Neid in Evans Stimme? »Wer ist es, hm?«, hakte er nach.

»Glaubst du wirklich, das würde ich dir erzählen?«, höhnte Gwendolyn.

Sie drückte Severus' Arm, trennte sich von der Gruppe und nahm die linke Straße.

Als ihre Freunde außer Sichtweite waren, strich Gwen sich ihre Kleidung glatt, fuhr sich durchs Haar und sah sich neugierig um. Das Zaubererdorf war wie immer an diesen Wochenenden total überfüllt. Wo sollten sie hier nur einen ungestörten Ort zum Reden finden? Als sie sich umwandte, wäre sie fast mit ihm zusammengeprallt.

»Lucius!«

Er lächelte und bevor Gwen etwas sagen konnte, hatte er sie auch schon in eine Umarmung gezogen. Ihr Herz begann erneut heftig zu klopfen und sie genoss den kurzen Augenblick und sog seinen angenehm herben Duft ein. Dann griff Lucius sie an den Oberarmen und schob sie um seine Armlänge zurück, um sie von oben bis unten zu mustern.

»Du siehst phantastisch aus, Gwendolyn!«

Sie riss sich von seinen fabelhaften blau-grauen Augen los, schlug die eigenen nieder und hoffte inständig, dass er den leichten Rosaton auf ihren Wangen nicht bemerken würde. Erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, wie sehr ihr seine Anwesenheit in den letzten drei Jahren, gefehlt hatte.

»Nun«, sagte er und ließ sie los, wobei er wie durch Zufall ihre Hand streifte, »wo sollen wir hingehen?«

Gwen sah noch einmal die überfüllte Straße hinab. Sie wusste, es gab einen Ort, an dem sie ungestört sprechen konnten, doch ihr Auftauchen könnte unangenehme Fragen nach sich ziehen. Aber es gab keine andere Möglichkeit.

Entschlossen sah sie erneut zu ihm auf, lächelte und sagte: »In den Eberkopf.«

Lucius erwiderte dieses Lächeln und reichte ihr den Arm, damit sie sich unterhaken konnte.

Sie folgten den immer schmaler werdenden Gassen und als sie an dem schmuddelig wirkenden Pub angekommen waren, trat Lucius vor und öffnete Gwen die Tür. Sie schritt hindurch, versuchte sich von der Aufregung, die sie wie ein wildes Tier angefallen hatte, loszueisen und ging vorsichtig voran. Gwendolyn mied tunlichst den Blick zur Theke und wählte einen kleinen Tisch in der hintersten Ecke des Pubs, von dem man auf die Gasse sehen konnte, aus der sie gekommen waren. Lucius half ihr aus dem Umhang und schob ihr den Stuhl heran. Sie liebte seine wohlerzogene und aufmerksame Art, was sie umso nervöser machte.

Er hatte sich kaum dazugesetzt, als der Wirt sie von hinten ansprach. Gwen zuckte zusammen, denn auf dem, mit Sägemehl ausgestreuten Boden hatte man ihn nicht kommen hören. Doch als sie sich umwandte, hatte sie ein Lächeln für ihren Onkel übrig.

»Na sieh mal einer an«, sagte dieser überrascht, »das Übliche, Mäuschen?«

»Ja, bitte!«, antwortete Gwen knapp.

»Und Sie bekommen, Mister?« Es war mehr als die Frage nach einem Getränk gewesen, doch Lucius ging nicht darauf ein.

»Einen Tee.«

Aberforth musterte Gwens Begleitung noch ein paar Sekunden neugierig und als würde er versuchen, sich sein Gesicht einzuprägen, dann kehrte er zum Tresen zurück, um ihre Getränke zu holen.

Sie warteten ab, bis Aberforth sie bedient hatte und schließlich war er nach einem kurzen Zögern wieder hinter der Theke verschwunden. Die Slytherin riss den Blick von ihrem Onkel los und entspannte sich ein wenig, als sie feststellte, dass drei düstere Gestalten am Tresen ihn in ein Gespräch verwickelten. Außer ihnen waren keine weiteren Gäste anwesend.

Erwartungsvoll wandte Gwen sich wieder Lucius zu, der sie, wie ihr auffiel, die ganze Zeit über beobachtet hatte.

»Gibt's interessante Neuigkeiten aus Hogwarts?«, fragte er freundlich.

Gwen presste die Kiefer aufeinander, nippte an ihrem Getränk und schluckte die Wut herunter, die gerade versuchte, sie zu überfallen und zu überwältigen. Gwendolyn hatte keine Lust auf Smalltalk; dafür waren sie nicht hierhergekommen.

»Alles beim Alten«, wimmelte sie das Thema ab. »Mich würden vielmehr die Neuigkeiten interessieren, die es bei dir gibt.«

Sie sah ihn ernst an. Ihr Magen krampfte sich zusammen, doch dass er nun grinste, während er seinen Tee umrührte, verwirrte sie.

»Wie immer willst du gleich zur Sache kommen, um den heißen Brei herumreden war nie dein Ding, hm?«

»Nein«, antwortete sie kühl und zog verärgert die Brauen zusammen.

Lucius schwieg kurz und ließ sich Zeit von seinem Tee zu kosten. Doch als er aufsah und Gwendolyns brennenden Blick auf sich spürte, seufzte er nur.

»Mein Vater hat diese Heirat arrangiert. Ich wusste weder davon, noch hat er mich um meine Meinung gefragt.« Er sah Gwen eindringlich an. »Er hat mich selbst erst einige Stunden, bevor deine Eule ankam davon in Kenntnis gesetzt.« Er machte eine theatralische Pause und stellte die Tasse ab. »Woher hattest du diese Info?«

»Bartemius Junior.«

»Aaaah, verstehe.« Lucius wusste, ebenso wie Gwen, dass Bartemius Crouch Senior ein hohes Tier im Ministerium war und sein Sohn ein Slytherin in Regulus' Jahrgang.

Gwen fühlte sich, als säße jemand hinter ihr, der ihr nach und nach den Hals zuhielt. Da einige Sekunden keiner von ihnen etwas sagte, ergriff sie das Wort.

»Dann wirst du sie also tatsächlich heiraten?«

Er antwortete nicht direkt und Gwen hatte plötzlich das dringende Bedürfnis aufzustehen und Lucius alleine zurückzulassen. Sie hatte diese Frage gestellt, doch eigentlich wollte sie die ehrliche Antwort nicht hören.

»Ich kann mich dem Willen meines Vaters nicht widersetzten.« Die Worte kamen ihm nicht leicht über die Lippen und er sah Gwendolyn dabei nicht in die Augen. »Das konnte ich nie.«

Es war wie ein Dolchstoß mitten in ihr Herz. Für einige Atemzüge schien die Welt stillzustehen. Für die paar Sekunden, in der die Worte an ihren Geist sickerten. Doch Gwendolyn schob die Gedanken rasch zur Seite. Sie wollte sich nichts anmerken lassen: Sie würde keine Schwäche zeigen.

»Sie wird bestimmt eine gute Frau«, plapperte Gwen darauf los und versuchte dabei gleichgültig zu wirken. Zur Untermauerung zuckte sie mit den Schultern und sah aus dem Fenster, während sie sich an Narzissa Black erinnerte und vor ihrem inneren Auge erschien das Antlitz der hübschen, blonden Frau mit dem spitzen Gesicht. »Ruhig, gehorsam, aufopfernd ... eine Vorzeigefrau.« Gwens Stimme riss ab, als sie begriff.

Das würde sie sein, eineVorzeigefrau, reinen Blutes und mit Tugenden, die man von einer guten Ehefrauund Mutter erwartete.

»Du weißt doch«, unterbrach Lucius ihre Gedanken, »dass ich andere Qualitäten schätze und das muss nicht bedeuten, dass-« Er griff nach Gwens Händen, die auf dem Tisch ruhten und sie reagierte so flink, wie man es bei einem Duell von ihr erwartet hätte und zog sie weg.

Dann warf sie einen flüchtigen Blick zur Theke, hinter der ihr Onkel stand und mit einem schmutzigen Tuch Gläser trocknete. Er hatte scheinbar nichts bemerkt.

»Doch, genau das bedeutetet es ...«, sagte sie leise. Als sie zurück zu Lucius sah, hatte sich dieser bereits in seinen Stuhl zurückgelehnt und wirkte auf eine seltsame Weise betrübt. Gwen mied für ein paar Sekunden seinen Blick und eine peinliche Stille entstand zwischen ihnen.

Stille.

Das würde alles sein, das noch zwischen ihnen war.

Es war bitter, doch es war, wie es war.

Entschlossen schluckte Gwendolyn den Klos in ihrem Hals herunter. Es hatte keinen Sinn dieses Thema zu vertiefen und sie wollte erst recht nicht in seiner Anwesenheit weiter darüber nachdenken.

»Was tust du sonst so?«, fragte sie bedacht darauf, ihrer Stimme Selbstsicherheit zu verleihen. »Bist du ihm schon begegnet?«

Lucius sah einen Moment verwirrt drein, denn er war offenbar mit seinen Gedanken noch beim vorherigen Thema gewesen. Doch dann nickte er und brachte damit Gwendolyns Augen zum Leuchten. Erpicht richtete sie sich in ihrem Stuhl auf und lehnte sich leicht über den Tisch.

»Wie ist er? Ist er so, wie alle behaupten?« Die Gier nach Informationen war deutlich aus ihrer Stimme zu hören.

Lucius sah sich im Pub um und als er sprach, tat er dies bedacht und leise. »Er ist noch viel beeindruckender, als in all den Gerüchten.«

Er machte eine kurze Pause und sah Gwen in die Augen. Einen Moment lang dachte sie, er hätte vergessen, was er zu erzählen hatte, doch dann fuhr er fort.

»Noch nie bin ich einem so mächtigen Zauberer begegnet ... außer vielleicht Dumbledore.« Gwendolyn zog die Brauen hoch, aber Lucius sprach unbeirrt weiter. »Seine magische Aura ist so stark, Gwen, dass seine bloße Anwesenheit einem das Blut in Wallung bringt. Niemand, der ihm je traf, wird das leugnen können.«

Gwendolyn hatte ihn genau beobachtet, bei jeder Silbe, die er aussprach auf seine Mimik geachtet. Lucius war beeindruckt und seine Augen funkelten, als wäre der Zauberer, von dem sie gerade sprachen, sein eigener wertvollster Besitz. Fasziniert erwiderte Gwen das Starren von Lucius' blau-grauen Augen.

Wer war der Mann, der sich Lord Voldemort nannte und wie schaffte er es, die Menschen auf diese eigenartige Art zu faszinieren und von sich zu überzeugen?

Vielleicht musste sie wirklich erst persönlich auf ihn treffen, um dies zu verstehen.

»Hat er dich aufgenommen?«, fragte Gwen leise.

»Selbstverständlich!« In Lucius' Stimme schwang ein Stolz mit, den er nicht verbergen konnte.

»Dann trägst du ... das Mal?« Sie sah neugierig auf seine Arme, als würde ihr Gegenüber direkt aufspringen und die Ärmel hochkrempeln, doch er schüttelte nur den Kopf und Gwen sah ihn beinahe enttäuscht wieder ins Gesicht.

»Ich muss mir das Dunkle Mal erst verdienen ...« Seine Stimme war nur ein Flüstern.

Gwen lehnte sich zurück in den Stuhl und ließ die Worte und Lucius' Ausstrahlung auf sich wirken, bevor sie sagte: »Die Gerüchte sagen auch, dass er noch immer Anhänger um sich schart.«

»Es stimmt, für fähige Leute hat er immer einen Platz.«

»Was hat er vor, Lucius?«

»Er hat große Visionen, sehr große sogar ... Doch er gibt keine Details preis. Wir erfüllen Aufträge für ihn, aber ich glaube nicht, dass er uns die wirklichen Dinge verrät, um die es dabei geht. Zumindest noch nicht in meiner momentanen Position.«

»Denkst du, ich bin fähig genug für seine Ansprüche?«

Lucius sah Gwendolyn eindringlich an. Das Lachen eines der Gäste wurde zu ihnen herangetragen, doch es kam nicht zu Gwen hindurch.

»Du spielst noch immer mit dem Gedanken?«, fragte Lucius ernst.

»Nein«, antwortete Gwen, ohne zu zögern und war selbst über ihre Entschlossenheit überrascht. »Eigentlich habe ich mich bereits entschieden ...«

Lucius erlaubte sich ein Schnauben und das Schmunzeln auf seinen Lippen machte sie zornig.

»Überleg dir das genau, Gwen«, sprach er mit Nachdruck. »Er gestattet es niemanden, es sich anders zu überlegen.«

Sie erwiderte seinen Blick mit mahlenden Zähnen. Was glaubte Lucius, wer sie war? Ein dummes Kind?

Die Entschlossenheit in ihren Augen ließ ihn frösteln, doch schließlich nickte Gwendolyn, aber in dem Lächeln auf ihren Lippen lag ein Hauch von Hochmut. Glaubte Lucius tatsächlich, sie wüsste nicht, worauf sie sich einließe?

»Ich muss mir nur noch etwas ausdenken«, sprach sie und sah durch den Pub, »wie ich mein Handicap ausgleichen kann.«

Lucius verstand sofort und sagte: »Ja. Er wird wissen, dass du seine Tochter bist.«

Gwendolyn seufzte entnervt. Sie war zu bekannt, um es zu wagen sich unter einen anderen Namen vorzustellen.

Dumbledores Tochter - sie hasste es so bezeichnet zu werden. Sie würde womöglich mehr leisten müssen als alle anderen, um sich seine Anerkennung zu verdienen, aber Gwendolyn war bereit es zu wagen.

»Gib mir Bescheid, sobalddu dir sicher bist«, unterbrach Lucius ihre Gedanken, »und ich werde sehen, obich bis dahin ein gutes Wort für dich einlegen kann.«

»Aber ich bin mir sicher, Lucius«, beharrte Gwendolynmit auflohendem Zorn.

Er nickte nur und antwortete: »Du solltest dir trotzdem die Zeit lassen, um wirklich sicher zu sein. Du hast ja auch noch eineinhalb Jahre in Hogwarts.«

„Du solltest dir trotzdem noch die Zeit lassen, nur um sicher zu sein. Du hast ja noch eineinhalb Jahre in Hogwarts."

Gwendolyn widersprach dieses Mal nicht, doch sie war sich einer Sache nie so sicher gewesen wie dieser. Die Möglichkeiten, die sich ihr eröffneten, wenn sie sich ihm anschloss, waren schließlich fast grenzenlos.


Als Gwendolyn und Lucius den Eberkopf verließen, mussten sie ihre Augen vor der Sonne abschirmen. Durch die angelaufenen schmutzigen Scheiben war kaum ein Strahl Licht in den Pub gefallen und Gwen hatte sogar schon vergessen, was für ein herrlicher Tag auf sie wartete. Stumm ging sie neben Lucius die Straße hinab, von der sie gekommen waren und mit jedem Schritt, den sie tat wurden die dunklen Wolken um ihr Gemüt dichter.

Es verdarb ihr sogar die Laune und sie verwarf das Versprechen, noch im Drei Besen vorbeizuschauen, auch wenn sie wusste, dass Severus enttäuscht sein würde. Doch das anstehende Gewitter würde in ihr Toben und damit wollte Gwendolyn lieber alleine sein.

Lucius begleitete sie noch bis zum Ende des Dorfes, wo er schließlich stehen blieb. Er küsste Gwen zum Abschied auf die Wange, was sie mechanisch über sich ergehen ließ. Dann hielt er sie einen Augenblick lang fest.

»Wann sehen wir uns wieder?«, fragte er hoffnungsvoll.

Gwendolyn zwang sich, zu ihm aufzusehen, auch wenn ihr bewusst war, dass sie diesen Abschied nicht wollte. Der Gedanke daran schmerzte, aber nach ihrem Gespräch hatte sie ihren Entschluss gefasst. Zwar würde es schwer zu akzeptieren sein, dass es für sie keine gemeinsame Zukunft geben würde, doch Lucius' Worte und sein Verhalten hatten es ihr leichter gemacht.

Was sollte sie auch mit einem Feigling an ihrer Seite?

Sie löste sich von ihm, wich einen Schritt zurück, sah jedoch weiterhin in diese fabelhaft blau-grauen Augen. »Dann Lucius, wenn du Rückgrat gezeigt hast – auch deinem Vater gegenüber.« Sie schenkte seinen entgleisenden Gesichtsauszügen keine Beachtung. Es war ihr Inneres, das nun Beachtung brauchte. »Leb wohl!«

Und mit diesen Worten verabschiedete sich Gwendolyn nicht nur von ihm. Sie verabschiedete sich auch von ihrer Sehnsucht und dem Wunsch, dass er mehr war, als nur ein alter Schulkamerad.


*Aus den Tiefen meiner Brust/ Aus tiefstem Herzen

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