Kapitel 5



Mitten in der Nacht wurde Kelvryn von Sternchens Weinen geweckt. Es war ein durchdringendes, klagendes Geräusch, das den Dunkelelfen in seinem Bett aufschrecken ließ. Er blinzelte müde in die Dunkelheit des Raumes, sein Blick wanderte sofort zur Wiege, die am Ende des Zimmers unter dem gutversiegelten Fenster stand. Der Mondschein fiel durch die kleinen Öffnungen im Vorhang und warf silberne Streifen über den Boden.

„Schon wieder?" murmelte Kelvryn und setzte sich schwerfällig auf. Seine spitzen schwarzen Ohren zuckten leicht zurück, wie sie es immer taten, wenn er müde war. Das war nun das fünfte Mal in dieser Woche, dass Sternchen genau um Mitternacht zu schreien begann.

„Sternchen? Was hast du? Immer um Punkt Mitternacht. Wirst du von Albträumen geplagt oder willst du einfach nicht, dass ich schlafe?" Er schüttelte den Kopf, während er langsam zur Wiege schlurfte.

Als er das weinende Baby aufhob, bemerkte er etwas Ungewöhnliches. Sternchens Zahnfleisch war leicht geschwollen, und ein feiner Blutstropfen war an den rosafarbenen Rändern zu sehen. Kelvryn runzelte die Stirn und erinnerte sich an das, was Sorathryn ihm vor Wochen gesagt hatte.

„Wenn Sternchen anfängt zu zahnen, wird es anstrengend. Das kann ich dir jetzt schon versprechen", hatte sein Vater mit einem fast spöttischen Grinsen gesagt.

„Ah, du zahnst", murmelte Kelvryn jetzt leise. „Das erklärt einiges."

Mit einer schnellen Bewegung hob er eine Hand und murmelte einige Worte in der alten Sprache der Dunklen Magie. Ein kühler, dunkel schimmernder Beißring materialisierte sich vor ihm. Er hielt ihn vor Sternchens Gesicht, und das Baby griff mit seinen kleinen Händen gierig danach.

„Na, ist das besser?" fragte Kelvryn und lächelte müde. Sternchen begann sofort, auf dem Beißring zu knabbern und zu saugen. Die Kühlung schien das Zahnfleisch zu beruhigen, und nach ein paar Minuten schlief das Baby wieder ein.

Kelvryn betrachtete das kleine Gesicht, das nun friedlich wirkte, und seine Brust zog sich bei dem Anblick zusammen. Er küsste sanft die schwarze Stelle auf Sternchens Stirn – eine der drei Farben, die das Gesicht des Kindes zierten – und murmelte auf Elfisch:

„Ruhe und Frieden sollen dich begleiten, Sternchen. Mögen die Träume der Sterne dich sanft umarmen."

Dann legte er das Baby vorsichtig zurück in die Wiege. Er selbst war so müde, dass er fast schwankte, als er zurück zu seinem Bett stapfte. Kaum hatte er sich hingelegt, fielen seine Augenlider schwer zu, und er schlief sofort ein.

Am nächsten Morgen wachte Kelvryn mit einem Gefühl der Erschöpfung auf. Die Ereignisse der Nacht hingen ihm noch nach, aber er hatte keine Zeit, sich darüber zu beschweren. Sternchen würde bald wach sein, und das bedeutete, dass er etwas zu essen brauchte.

Mit einem leisen Seufzen schlich Kelvryn aus seinem Zimmer und machte sich auf den Weg zu einer anderen Höhle, die am Rande des Stammeslagers lag. Es war die Höhle seiner Mutter. Sie war eine eigenwillige Frau, die wenig mit den anderen Stammesmitgliedern, einschließlich Kelvryns Vätern, zu tun hatte.

„Sie hat nie viel von ihnen gehalten", dachte Kelvryn, als er sich lautlos durch die Schatten bewegte. „Aber sie hat die beste Milch."

Seine Mutter war eine Sammlerin und hielt sich eigene Tiere, deren Milch sie für verschiedene magische Tränke und Getränke nutzte. Kelvryn wusste, dass sie ihn erwischen und eine Szene machen würde, wenn sie sah, wie er Milch stahl, also musste er vorsichtig sein.

In der kühlen, dunklen Höhle öffnete Kelvryn einen der großen Behälter, die in der Ecke standen, und begann, die warme Milch in zehn kleine Flaschen zu füllen. Seine Hände zitterten vor Nervosität – und vor Müdigkeit.

„Beeil dich, Kelvryn", flüsterte er sich selbst zu. „Du willst nicht, dass sie dich hier erwischt."

Kaum hatte er die Flaschen gefüllt, murmelte er einen Schattenzauber und verschwand aus der Höhle. Der Zauber trug ihn zurück in sein Zimmer, wo Sternchen bereits wach war und ungeduldig schrie.

„Ich bin da, ich bin da", sagte Kelvryn und hob das Baby in seine Arme. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er das verzweifelte Weinen hörte. Schnell nahm er eine der Flaschen, setzte sich mit Sternchen auf das Bett und hielt ihm die Milch hin.

Sternchen wurde sofort still, als es begann, gierig an der Flasche zu saugen. Seine kleinen Hände schlugen leicht gegen Kelvryns Brust, wie Babys es oft taten, wenn sie gefüttert wurden.

Kelvryn lächelte erschöpft, aber glücklich. „So ist es besser, nicht wahr?"

Während Sternchen trank, betrachtete Kelvryn das Baby genauer. Die grünen Augen, die ihn jetzt ansahen, hatten sich vor kurzem verändert. Ursprünglich waren sie blau gewesen – wie bei allen Babys in den ersten Wochen ihres Lebens –, aber jetzt schimmerten sie in einem tiefen, intensiven Grün, das wie Edelsteine funkelte.

„Grüne Augen", murmelte Kelvryn. „Wie die Lichtelfischen(Auch Hohen Elfen genannt)
Wälder, die ich nie zu Gesicht bekomme. Du wirst noch viel mehr Geheimnisse in dir tragen, Sternchen."

Er wiegte das Baby sanft in seinen Armen und begann leise ein weiteres Elfisches Lied zu singen. Es war ein Lied, das seine Mutter ihm oft vorgesungen hatte, als er noch klein war.

„Varun sílae, nyornin aele,
Lathael mora, tiral nefre.
Farollin shaé, ilora tharn,
Lunatha elor, venya faran."

Die Melodie war weich, und die Worte rollten wie flüsternde Wellen von Kelvryns Zunge. Es war ein Lied der Hoffnung und der Stärke, ein Lied, das ihn immer getröstet hatte, wenn er Angst oder Zweifel gespürt hatte.

(Übersetzung des Liedes:

„Licht der Sterne, Wächter der Nacht,
Schütze das Leben, bewahre die Macht.
Die Welt mag dunkel, die Wege schwer sein,
Doch die Hoffnung wird leuchten, im Herzen allein.")

Sternchen lauschte der Melodie, während es langsam die Augen schloss. Der Rhythmus des Liedes schien das Baby zu beruhigen, und bald war es wieder eingeschlafen.

Kelvryn saß noch lange da, das Baby in seinen Armen, und dachte über die Ereignisse der letzten Monate nach. Es war ein ständiger Kampf, Sternchen vor den anderen Stammesmitgliedern zu verstecken, aber er wusste, dass er keine andere Wahl hatte.

„Was auch passiert, ich werde dich beschützen, Sternchen", dachte er, während er das Baby zärtlich ansah. „Du bist mein Leben, mein Schicksal, und ich werde alles tun, um dich zu bewahren."

Die Sonne begann, über den Horizont zu steigen, und das erste Licht des Tages fiel durch das Fenster. Kelvryn wusste, dass der neue Tag neue Herausforderungen mit sich bringen würde, aber in diesem Moment fühlte er sich bereit, ihnen entgegenzutreten – für Sternchen, seinen Sohn.

(Na, habt ihr erraten, wer das Baby ist?)

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