4. Monster

"...Ich habe keine Ahnung. Nachdem du weg warst, ist irgendwie alles auseinander gebrochen. Ich habe die anderen aus den Augen verloren und versucht dich zu finden, doch du warst verschwunden. Als ich mich wieder umgedreht habe waren sie weg... Sie alle... Ich habe seit dem nichts mehr von ihnen gehört, deswegen glaube ich..." Er sah auf den Boden und atmete tief durch, während ich still betete. "Ich glaube... Sie haben es nicht geschafft. Wären sie noch am Leben hätten ich sie gefunden.." Er stoppte und warf einen prüfenden und vorsichtigen Blick zu mir. Ich hatte mich in das Polster gekrallt, schwang nervös nach vorne und nach hinten, atmete sehr laut und beherrschte mich stark. Wie gern ich nun einfach zusammen gebrochen wäre, doch das konnte ich nicht, nicht jetzt, nicht hier, nicht vor ihm.
Auch wenn ich mich so dagegen wehrte liefen die ein oder anderen Tränen, die ich schnell versuchte weg zu wischen, doch es brachte nichts, es kamen immer wieder neue, bis ich letztendlich leise schluchzend in seinen Armen lag und mich doch ausheulte. Irgendwie brauchte Ich seine Nähe, seine Stärke, den Halt den er mir gab. Vielleicht waren sie tod, aber ich hätte wenigstens noch ihn, Matthis, meinen Bruder, den ich mal über alles andere gehasst hatte, den ich tot sehen wollte und jetzt lag ich in seinen Armen. Ständig sagte er beruhigend  "Schh.. Alles wird gut", doch wir beide wussten das es nicht so war. Klar bestand eine 1% Chance das sie noch lebten, doch wir beide hatten mit diesem Gespräch eigentlich alle aufgegeben. Zumindest er. Ich war noch nicht wirklich bereit sie gehen zu lassen. Es musste doch etwas geben, das mir Sicherheit über alles gab. Was vor einem Jahr passiert war, hatte alles verändert. Hatte mich verändert. Vor einem Jahr wäre ich wahrscheinlich panisch aufgesprungen und hätte sie gesucht, doch jetzt saß ich einfach nur da und versuchte irgendwie mit den Informationen ins reine zu kommen, die Matthis mir gerade gegeben hatte. Vielleicht hatte ich ja auch schon aufgegeben, ja vielleicht musste ich sie gehen lassen. Selbst wenn sie noch am Leben waren, so hätte ich sie nicht aufsuchen können, da ich sie damit eh nur in Gefahr gebracht hätte, denn Stefanius war im Gegenteil zu allem anderen in diesem einen Jahr noch stärker geworden. Er hatte sich auf einen Krieg vorbereitet, während ich versucht hatte zu vergessen.

Ja, das hatte er mir erzählt. Stefanius hatte eine Armee aufgebaut, wurde immer mächtiger, und Matthis hat in der ganzen Zeit nur irgendwie versucht zu überleben und mich zu finden. Er erzählte mir, das er dieses Haus durch Zufall entdeckt hatte, und es ein gutes Versteck war, denn es war durch einen Zauber verschleiert worden, sodass man das Haus nur sehen konnte wenn man innerhalb des Walls stand. Stefanius hatte ihn gejagt und mich auch, doch anscheinend war meine Psychiatrie doch der sicherste Ort gewesen. Dort hatte mich keiner gefunden.
"Du hast Glück das ich dich zuerst gefunden habe und nicht er." Redete Er zuende und ich nickte Gedankenversunken. "Ich hol uns mal was zu essen." Sagte er und erhob sich, kurz verschwand er in der Küche und kam dann mit zwei Blutgefüllten Gläsern in den Händen zurück. Eins drückte er mir in die Hand und an das andere setzte er seine Lippen an. Ja, das mit dem Blut war auch so eine Sache. Ich hatte nun schon seit über einem Jahr keines mehr getrunken, ich hätte mich von menschlichem Essen ernährt, es schwächte mich zwar kein Blut zu mir zu nehmen, doch es trocknete mich nicht aus so wie einen normalen Vampir. Wie genau das funktionierte wusste ich selbst nicht, aber ich war einfach froh gewesen das es funktioniert hatte.

Ich starrte missmutig in die Dunkelrote Flüssigkeit und rümpfte die Nase. Es roch ungewollt gut, auch wenn sich alles in mir sträubte bei dem Gedanken auch nur am Glas zu nippen, so wollte ein doch ein Teil von mir dieses Glas einfach nur verschlingen. Diese Seite an Mir, das Monster in mir, hatte ich so gut unterdrücken können, ich hatte es aus meinem Geist verbannt. Doch nun war es wieder da und zerrte unfassbar an meiner Selbstbeherrschung.
Verdammt wieso hatte nur ein Glas Blut eine so große Wirkung auf mich? Wieso existierte diese Seite eigentlich an mir? Ich hatte sie noch nie wirklich gewollt. "Was ist los? Keinen Hunger?" Riss mich nun Matthis zurück in die Realität, da ich nun schon seit Minuten wie eine Verrückte auf das Glas starrte, zugegebenermaßen war ich ja auch eine Verrückte, aber darum gings ja jetzt nicht... "Ähm doch schon aber... Ich... Ich kann nicht." Flüsterte ich und stellte das Glas auf dem Tisch vor mir ab, naja zumindest wollte ich das, doch diese Dunkle Seite in mir war stärker als gedacht. Sie fing an sich langsam an die Oberfläche zu bohren und jeden Funken Menschlichkeit auf dem Weg auszubrennen. Nun stand das Glas zwar auf dem Tisch, doch ich hatte es fest umklammert. Mein Griff wurde von Minute zu Minute fester, meine Atmung ging schneller, es war einfach anstrengend gegen diese Seite anzukämpfen. "Hey ist alles okay? Was ist los Amala?" Matthis kam näher und wollte eine Hand auf meine Schulter legen, doch in einer unmenschlichen Geschwindigkeit sprang ich auf und schleuderte das Glas in eine andere Ecke des Raumes. Mit einem unschönen Geräusch zersprang es an einer Kommode und färbte alles in seiner Umgebung dunkelrot. Ich ging einige Schritt rückwärts und klammerte mich an die Wand. Meine Atmung ging nun noch schneller, und ich fühlte einen brennenden, stechenden Schmerz überall in mir. Es war als wäre ein anderer Mensch in mir, der versuchen würde mich zu kontrollieren. Matthis saß erschrocken nur da und starrte mich an. Erst als ich vor Schmerz Aufschrie reagierte er und kam zu mir geeilt. "Es ist okay, lass es zu" versuchte er mir irgendwie zu helfen, doch man merkte deutlich das auch er mit der Situation überfordert war. Ein weiterer Schrei verließ meine Lungen und ich sank zu Boden. Nein, es war nicht okay, das Monster durfte nicht siegen, ich war stärker. Doch mit jeder Minute voller Schmerz zweifelte ich mehr daran. Mein Körper wollte sich verwandeln, dem Monster die überhand lassen, die Dunkelheit gewinnen lassen, doch mein Verstand wehrte sich so stark das ich mich nur noch hilflos fühlte. Wird es jetzt immer so sein? Ein Tropfen Blut und ich verliere die Kontrolle? Ein Tropfen und ich bin in einem Kampf mit mir selbst verwickelt? Matthis nahm meine Hand und drückte sie. "Verdammt was passiert hier.." fragte er leise und schaute sich nach irgendwas um, doch ich war so abgelenkt von dem Schmerz das nicht mitbekam was. Er stand auf und kurz darauf warf er mir einen entschuldigenden Blick zu. "Sei mir bitte nicht böse.." Waren seine letzten Worte, dann wurde alles schwarz.

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