2. Kapitel


Meine Haare tanzten im leichten Wind. Der Nachhimmel war klar, keine Wolke weit und breit. Die Sterne funkelten kalt, wunderschön, unnahbar. Es war die perfekte Nacht zum Fliegen. Ich schwang ein Bein über den Besenstiel, stieß mich kraftvoll vom Boden ab und stieg elegant in die Lüfte. Meine Haare flatterten im Flugwind. Ich stieß einen leisen Jubelschrei aus. Fliegen war einfach nur befreiend. Meine Freiheit. Beim Fliegen konnte ich alle Sorgen und Probleme vergessen. Sie loslassen. Ich betrat die Besenkammer und holte aus einer der Ballkisten einen Quaffel. Ja, ich spielte als Jägerin, der – neben dem Sucher – wohl beliebteste und am schnellsten besetzte Position in Quidditchmannschaften. Aber mir ging es nicht darum, mit welcher Position ich die meisten Chancen hatte, in eine Mannschaft aufgenommen werden zu können. Mir ging es um den Spaß. Darum, dass ich, wenn ich auf die Torringe zuflog und den Quaffel durch sie warf, meine Gefühle rauslassen konnte. Ich trainierte eine Weile. Jean, die mir manchmal zusah, meinte immer, dass ich ziemlich gut sei und mich für die Hausmannschaft bewerben sollte, aber ich hatte da so meine Zweifel. Ich glaubte nicht daran, dass eine so unglaublich tolle Jägerin war und außerdem befürchtete ich, dass mich die anderen aus meinem Jahrgang, die auch in Hufflepuff waren, auslachen könnten. Ich hatte mich ja auch immer im Flugunterricht zurückgehalten. Immerhin hatte bei den Prüfungen niemand zugeschaut, sodass ich wenigstens da alles zeigen konnte, was ich draufhatte, ohne dass ich noch mehr Abneigung, als mir eh schon entgegengebracht wurde, abbekam. Nach zwei Stunden beschloss ich schließlich aufzuhören, weil ich total müde war...

Am nächsten Morgen war ich müde. Ziemlich müde. Ich hätte nach meinem Training vielleicht doch nicht mehr zehn Kapitel meines Lieblingsbuches lesen sollen... Auf einmal hörte ich hinter mir Stimmen und lautes Lachen. Ich sah über die Schulter. Um die Ecke bogen gerade einige Gryffindors aus meinem Jahrgang. Sofort erkannte ich sie. Ich flüchtete mich in eine Nische, machte mich klein, kniff die Augen zu, hoffte, betete, dass sie einfach vorbeigehen und mich nicht bemerkten würden. Doch ich hatte keine Chance, dass dies erfüllt wurde. Sie bemerkten, sahen, fanden mich immer. Wie auch dieses Mal. „Na, seh an! Wen haben wir denn da? Die kleine, dumme, ängstliche, wehrlose, schlampige Hufflepuff-Dumbledore. Hat es dir gefallen, was wir vor zwei Tagen mit dir gemacht haben? Hat es dir? Sag es uns, wie sehr es dir gefallen hat, du kleine Schlampe!" Ich riss entsetzt die Augen auf und presste meine Lippen fest aufeinander. Ich rutschte so gut es ging noch mehr in die Nische. Soweit es ging von meinen Peinigern seit der ersten Klasse weg. Sie kamen mir immer näher. Mein Herz zog sich vor Angst zusammen. Sie würden es wieder machen. Das, was sie vor zwei Tagen gemacht hatten. Sie würden mir ins Gesicht spucken, mich schlagen, mir dorthin greifen, wo ich nicht wollte, dass sie dorthin griffen. Sie würden mir wieder die ganze Zeit Spott ins Ohr flüstern, mich auslachen, wenn ich zusammenzuckte oder vor Schmerzen keuchte. Ich wimmerte leise, als sie immer näher kamen. Ihr Anführer war lange Zeit Tobias Wood, Sohn vom berühmten Hüter der englischen Nationalmannschaft Oliver Wood, gewesen, doch seitdem er den anderen klar gemacht hatte, dass er nicht mehr so viel Spaß daran hatte, mich zu quälen. Dennoch war er immer noch in der Gruppe, hielt sich aber immer so gut es ging zurück. Nun war Gordan McLaggen, der große Treiber der Gryffindors mein Hauptpeiniger. Er war wie sein Vater. Eingebildet, gut aussehend, Frauenheld, dumm. Sie kamen mir immer näher. Ich sah mich verzweifelt nach einem Fluchtweg um, aber ich wusste, dass ich keine Chance hatte. Sie waren alle groß, trainierten regelmäßig durch Quidditch und leider schon zu schlau, als dass der Schaut-mal-ein-Vogel-Trick wirken würde. Außerdem waren sie fünf, Wood zählte nicht wirklich, da er mich kaum noch peinigte, und ich allein. Ich war mir mehr als sicher, erneut im Krankenflügel zu landen. Wahrscheinlich war ich heute „die Treppe hinunter gefallen". Ich durfte nicht die Wahrheit erzählen. Sonst würde es mit Sicherheit nur noch schlimmer für mich werden. Und noch mehr konnte ich nicht ertragen. Ich kniff meine Augen zu, machte mich so klein wie irgend möglich und hoffte auf irgendeine Rettung, die mit Sicherheit nicht kommen würde.

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