1. Kapitel
Ich schlüpfte beinahe lautlos aus meinem Bett und schlich zu meinem Schrank, um mich anzuziehen. Das Mondlicht ergoss sich sanft durch die großen Fenster in den Mädchenschlafsaal. Ich machte mir keine Mühe, Kissen unter die Decke zu stopfen – die Anderen aus meinem Jahrgang würde, wenn sie bemerken würden, dass ich nicht mehr da war, sich eher Hoffnungen als Sorgen machen – wenn sie es überhaupt bemerken würden... Ich hatte nur eine Freundin; eine Ravenclaw namens Jean Scamander. Ihre Eltern waren die bekannte Widerstandskämpferin Luna Scamander, geborene Lovegood, und Rolf Scamander. Wie ihre Mutter hatte sie aschblonde Haare bis zur Hüfte, allerdings waren ihre Augen dunkel, wie die ihres Vaters. Im Großen und Ganzen war sie sehr hübsch. Ich versank in einer Erinnerung.
„Dann schwingen sie das rechte Bein über den Besen. Halten sie sich am Stiel fest, wie ich es ihnen letzte Stunde gezeigt habe! Sie werden eine Runde um das Feld fliegen und bitte versuchen sie weder abzustürzen, noch sich zu verletzen! Auf meinem Pfiff geht's los! Drei, zwei, eins." Ein schriller Pfiff ertönte. Augenblicklich schaltete ich auf Autopilot um, schwang mein rechtes Bein über den Besen, hielt mich gut am Besen fest und stieß mich mit aller Kraft vom Boden am.
Das Fliegen war ein berauschendes Gefühl. Der Wind zerzauste meine rückenlangen, schwarzen Haare und ein unglaubliches Gefühl der Freiheit erfasste mich. Innerlich jubelte ich vor Glück. Ich beugte mich leicht vor und flog los. Erst langsam, dann immer schneller. Als ich die Runde geschafft hatte, neigte ich den Besenstiel leicht zum Boden. Sanft landete ich im noch taunassen Gras und stieg von meinem Besen. Ich sah zum Himmel und merkte, dass außer mir nur ein Mädchen mit aschblonden Haaren und Angeber-Wood am Boden waren. Angeber-Wood war anscheinend gleich nach mir gelandet und das andere Mädchen wehrte sich standhaft auf den Besen zu steigen. Ihre Augen glänzten panisch und sie schüttelte wild den Kopf, während unsere Fluglehrerin Prof. Hanon beruhigend auf sie einredete. Aber die Ravenclaw, wie ich an ihrer Uniform erkannte, hatte wirklich große Angst, wie ich unschwer erkennen konnte, weshalb ich zu ihr lief. „Hast du Höhenangst?", fragte ich sie mit ehrlichem Interesse und ohne die kleinste Spur von Spott in der Stimme. Sie nickte zitternd. Ich blickte ihr fest in die weit aufgerissenen Augen. „Wenn du willst, können wir zusammen eine Runde um das Feld fliegen. Ich vorne und du hältst dich an mir fest – würde das gehen?" Sie überlegte kurz, dann nickte sie. Prof. Hanon gab uns ihre Zustimmung – sie schien sehr erleichtert, dass endlich jemand die Ravenclaw auf einen Besen kriegte. Also stieg ich erneut auf, das Mädchen hinter mir. Sie krallte sich fest in meinen Umhang und ich konnte die Wellen von Panik, die sie verströmte, förmlich spüren. Ich stieß mich sanft vom Boden ab und flog langsam in paar Meter in die Höhe. Das Mädchen schrie leise auf und presste ihr Gesicht in meinen Rücken. Ich verharrte kurz in der Luft, bis sie sich ein bisschen beruhigt hatte. Dann flog ich im eher gemächlichen Tempo und ruhig übers Feld – wir überholten sogar noch fünf Mitschüler. Nachdem wir wieder gelandet waren, stieg das Mädchen mit wackligen Beinen vom Besen, was ich ihr – allerdings ohne wackelige Beine – nachmachte. „Wie heißt du?", fragte sie mich mit leiser Stimme. „Jane und du?" „Jean." Wir mussten beide loskichern.
Ich lächelte noch einmal versonnen, dann kehrte ich in die Wirklichkeit zurück. Ich holte leise meinen Besen unter dem Bett hervor und schlich aus dem Schlafsaal. Das machte ich seit vier Jahren Nacht für Nacht. Quidditch war meine heimliche Leidenschaft, von der außer Jean niemand wusste – nach meinem plötzlichen Erfolg hatte ich mich etwas zurückgehalten, um Jean zu helfen und nicht so aufzufallen – ich wurde eh schon genug verachtet, da alle - besonders die anderen Viertklässler aus meinem Jahrgang - mich „dezent" für eingebildet und arrogant aufgrund meiner Herkunft hielten. Fröhlich machte ich mich auf den Weg zu meinem nächtlichen Training allein.
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