53. Gale
Ich stehe da, mitten auf dem großen Grundstück und starre in die Luft. Ich muss die Tränen stark zurück halten, die sich in meinen Augen bilden. Sie kann mich nicht einfach hier zurück lassen, ohne jegliche Information was überhaupt hier los ist! Meine Beine fühlen sich Taub an, die Panik hat inzwischen ein ganz neues Level erreicht. Die Dämmerung setzt langsam ein und taucht die Umgebung in ein zart rosa licht. Die Ungewissheit brennt wie ein Feuer in mir, ich weiß das Kate nicht zurück kommen würde, und trotzdem will ich die Hoffnung nicht aufgeben. So in Panik habe ich sie noch nie gesehen, und das machte mir Angst. Es musste etwas schlimmes, sehr schlimmes passiert sein. Was ist wenn Stefanius sie alle hat? Wenn sie alle tot sind? Wieso hat Kate mich nicht mitgenommen? Denkt sie etwa ich könnte nicht helfen? Ich bin doch jetzt auch eine von ihnen. Ich soll doch das gefährlichste Wesen der Welt sein, wieso fühle ich mich dann so schwach und nutzlos? Wieso kann ich dann absolut nichts tun?
Wieso kann ich nicht einer dieser perfekten Bücherhelden sein, die ihr Leben für die riskieren die sie lieben? Ich stehe irgendwo im nirgendwo, auf einem alten Grundstück umringt von Wäldern und tue nichts. Obwohl ich weiß das sie alle in Gefahr sind. Sonst hätte Kate doch nicht so reagiert... Die Angst schnürt meine Lunge zu. Ich fühle mich als könnte ich absolut nichts tun, doch das kann ich!
Ich richte mich auf, versuche es zumindest. Blinzel die Tränen weg, soweit es möglich ist und sehe mich um. Ich werde hier nicht warten und nichts tun. Ich werde sie alle retten. Egal was es mich kostet. Wenn auch noch Kate etwas passiert, könnte ich mir nie verzeihen ihr nicht gefolgt zu sein. Ich muss sie finden, bevor es zu spät ist.
Ich drehe mich um und gehe auf die immernoch offene Tür der großen Villa zu. Drinnen angekommen schaue ich mich nach einer Tasche um, sobald ich eine mit einer guten Größe gefunden habe, fange ich an zu packen. Ich werfe Blutbeutel, Kleidung, Das Handy mit dem Zettel und noch ein paar Sachen hinein und hänge sie mir über die Schulter. Ich schalte das Licht im ganzen Haus aus, gehe raus und schließe die Tür hinter mir. Ich laufe einfach ins ungewisse, mit dem Gedanken das Richtige zu tun. Ich nehme den Autoschlüssel in die Hand und öffne das kleine Auto das mir bis jetzt noch gar nicht aufgefallen war. Ich umklammere den Türgriff und halte kurz inne. Ich schließe die Augen und atme kurz durch, sortiere meine Gedanken, auch wenn ein klarer Kopf zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war. Ich setze mich ans Steuer und starte den Motor.
Sobald ich aus der Ausfahrt gefahren bin und auf einer festen Straße fahre, weiß ich das ich ab jetzt auf mich gestellt bin. Von hier aus kann mir niemand mehr helfen, das erste mal seit einer gefühlten Ewigkeit bin ich wirklich auf mich gestellt.
Aber ich muss Ihnen helfen, auch wenn ich keine Ahnung habe wie ich Ihnen helfen kann, oder wo sie überhaupt sind. Irgendwas wird mir einfallen. Es muss mir was einfallen. Ich krame kurz noch den Zettel heraus. Ich mache mir keine wirklichen Gedanken in was für eine scheiße ich mich reinreiten könnte. Ich denke nur daran das ich nicht nur da sitzen kann, sondern etwas tun muss. Schließlich bin ich daran Schuld das Stefanius hinter ihnen her ist. Wenn es sein muss werde ich ihn töten. Egal mit welchen Folgen. Ich werde ihm sein Herz heraus reißen, und allen die ihm geholfen haben. Ich sehe sie nicht als meine Familie, für mich sind sie nur Monster, die ich tot sehen will. Nur weil sie meine biologischen Eltern sind, sind sie noch lange nicht meine Familie, von meinen Brüdern mal abgesehen. Sie verdienen alle den tot. Sie haben zugesehen wie ihre Schwester ermordet wurde, haben sogar noch gejubelt.Vermutlich ist das auch die einzige Möglichkeit alle anderen zu retten. Ich fahre gerade um eine Kurve, da
schwindet plötzlich meine Sicht und ich Falle in eine schwarze Tiefe. Mitten auf der Straße, in einem fahrenden Auto verliere ich das Bewusstsein.
Er lächelt mich an und gibt mir einen Kuss auf mein Haar. "Ich liebe dich, Amala." Haucht er gegen mein Ohr und ich muss kichern. Wir sitzen in mitten von all den kaputten Gläsern und halten uns einfach nur fest. Es fühlt sich an wie einer dieser perfekt unperfekten Liebesfilm-Momente. "Ich liebe dich auch" flüstere ich und drücke mich noch mehr in seine Arme. "Ich bleibe für immer bei dir." Sagt er und schiebt die Scherben weiter weg. Diese ganze Unordnung scheint weit weg, ich sehe und spüre nur ihn. "Für immer ist eine lange Zeit." Sage ich und bekomme sofort ein schlechtes Gewissen, weil ich es ihm immer noch nicht gesagt habe. "Und die ist nicht lang genug." Ich spüre sein warmes lächeln in meinem Nacken. Ich weiß das es dumm ist zu glauben, er bleibt auch noch wenn er es weiß, aber die Hoffnung bleibt. Für immer ist ein Versprechen das ich ihm nicht geben kann, und doch kommen die Worte aus meinem Mund. "Für immer wird nicht reichen, Gale." Er küsst meinen Nacken und hält mich noch fester. "Auf das es nie endet."
Ich öffne erschrocken die Augen, versuche es, doch ich spüre einen so starken Schmerz das ich es zuerst nicht kann. Sobald ich es geschafft habe, muss ich mich erst zurecht finden, panisch sehe ich mich um. Das durfte nicht wahr sein! Nein, nein, Nein! Wieso jetzt? Wieso musste es mir ausgerechnet jetzt passieren?! Ich hänge Kopfüber in dem Wagen, es riecht nach Benzin und Rauch, und ich höre schmerzerfülltes stöhnen. Ich versuche mich aus dem Sitz zu lösen, in dem ich kopfüber hänge, da fällt mir die große Eisenstange auf die in meinem Bauch steckt. Das schwarze Blut ist überall, der Rauch erfüllt meine Lungen. Ich muss husten, immer mehr Blut verlässt meinen Körper, immer mehr Rauch fängt an meine Lungen zu verseuchen. Der Schmerz frisst mich von innen heraus auf. Ich sehe mich panisch um und versuche zu verstehen was passiert ist, wie lange war ich weg? Ich haue gegen den Wagen, so fest und oft bis ich einfach nicht mehr kann.
Ich versuche nicht mehr mich zu lösen, ich werde es eh nicht schaffen, und drücke meine Hände an die Decke des Wagens. Ich bin verzweifelt, ich kann keinen klaren Gedanken daran fassen, demjenigen im anderen Auto zu helfen, mit dem ich ganz offensichtlich einen Unfall gehabt hatte. Geschweige denn wie ich das alles wieder hinkriegen soll. Wie soll ich sie retten, wenn ich hier sterbe? Kann ich überhaupt sterben? Wie lange wird es wohl dauern bis uns jemand findet? 2 Tage? 3 Wochen? Egal wie schnell uns jemand findet, ich wäre zu spät. Ich könnte sie nicht mehr retten.
Mein Kopf ist wie benebelt, mein Körper taub. Alles andere rückt in den Hintergrund.
Ich denke nur daran das ich es wieder weiß, das ich ihn wieder gesehen habe, das er real war, Gale.
ENDE
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