Kapitel 28
Jade
So schnell es auch nur möglich ist, fahren ich und Rick in meinem Audi zur Birchwood Street 334. Ich ignoriere die Ampeln, die auf rot schalten und schalte das eingebaute Blaulicht ein, damit mich die anderen Verkehrsteilnehmer durch lassen. Ich sehe auf mein Navi, noch drei Mal abbiegen, dann bin ich da!
Rick klammert sich am Sitz fest, ich fahre wirklich sehr rasant, da kann man es ihm nicht verübeln.
Doch plötzlich - Eine Straßensperre aufgrund einer Baustelle! So ein verdammter Mist! Ich wende meinen Wagen und fahre eine Alternativroute, doch die dauert länger und ich möchte so wenig Zeit wie möglich verschwenden.
Endlich biege ich auf die Birchwood Street ab und fahre an den grauen, kargen Häusern vorbei, die alle die gleichen Blumen auf dem Balkon haben. Ich suche nach der Hausnummer 334. Noch ist sie nicht zu sehen, aber ich bin auch erst bei 392.
Endlich, endlich kommt das Haus in Sicht. Ich parke mit quietschenden Reifen, springe aus dem Wagen und stürme zur Tür. Ich höre Stimmen, eine kommt mir bekannt vor. Doch woher? Es ist nicht Thompson oder James.
Egal, ich setze dazu an, die Tür einzutreten, als Rick zu mir stößt. Er ist im Moment meine einzigste Verstärkung, Steele und Collins befragen die Nachbarschaft um die Arztpraxis.
„Auf drei“, flüstert Rick und ich nicke. Er richtet seine Waffe auf die Tür und zählt leise bis drei. Als er die letzte Zahl sagt, trete ich die Tür auf, ziehe meine Waffe und rufe: „FSA, Waffen fallen lassen und Hände hoch!“
Wir stürmen ins Innere und kommen in ein Wohnzimmer, in dem drei Sofas stehen. Auf den Sofas sitzen drei Personen, ich kenne die Männer nicht, bis auf - Nein! Das kann doch nicht wahr sein! Ich muss mich vergucken. Dort sitzt Marcus!
Für eine Sekunde starre ich ihn mit aufgerissenem Augen an, dann fasse ich mich wieder.
„Jade?“, ruft er plötzlich überrascht aus. „Was machst du denn hier?“
„Marcus. Das würde ich auch gern wissen. Schließlich haben wir dich für tot geglaubt“, sage ich mit emotionsloser Stimme. Es macht rein gar nichts mit mir, ihn wieder zu sehen. Er ist ein Idiot, Verbrecher und ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben.
„Wo ist Callum? Wo haltet ihr ihn gefangen?“, frage ich.
Keiner antwortet, also schieße ich in die Decke. Die drei zucken zusammen und ich grinse fies.
„Letzte Tür r-rechts“, bringt einer der Männer, eine dünne, blasse Brillenschlange, heraus und zeigt auf einen Gang, von dem drei Türen abgehen.
Da Rick die Waffe auf die Drei gerichtet hat, laufe ich in den Gang und drücke die Türlinke zur letzten Tür auf der rechten Seite. Verschlossen. So ein Mist. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als die nächste Tür einzutreten.
„Weg von der Tür!“, rufe ich, dann hole ich aus und trete mit aller Kraft gegen die Tür. Sie springt auf und ich betrete einen dunklen Raum. Er besitzt graue Wände, ein vergittertes Fenster, durch das nur ein wenig Licht auf einen metallenen Tisch wirft. Das ganze erinnert mich an einen Verhörraum. Und dann entdecke ich ihn. Callum! Auf einem Stuhl gefesselt sitzt er an einer der Wände und sieht mich erleichtert an.
„Jade!“
„Callum!“ Ich renne zu ihm, löse die Fesseln und helfe ihm auf die Beine. Dann kann ich es nicht länger zurückhalten. Ich falle ihm um den Hals und muss anfangen, zu weinen. Es sind Freudentränen, denn ich habe wirklich gedacht, ihn nicht mehr lebendig wiederzufinden.
„Ein Glück geht es dir gut“, flüstere ich und schwöre mir, ihn nie wieder allein zu lassen.
„Ich habe durchgehalten, weil ich wusste, dass du mich findest. Du kannst ziemlich fies sein, wenn du eine Information haben willst und das ist deine Stärke. Dank deines Durchsetzungsvermögens“, spricht Callum und ich muss grinsen.
„Habt ihr diesen Niklas und seinen Onkel festnehmen können?“, fragt Callum plötzlich, nachdem wir uns ein paar Sekunden einfach nur umarmt haben. Ich löse mich aus seiner Umarmung und antworte: „Wir haben zwei mir unbekannte Männer festnehmen können, und … noch jemanden.“ Ich sehe zu Boden.
„Wer ist es? Thompson, James? Meredith? Sag!“, drängelt Callum und sieht mich mit stechend scharfem Blick an.
„Schlimmer. Es ist Marcus. Ich weiß nicht, wie er überleben konnte, ich habe ihn doch sterben gesehen und Steele und Collins haben es doch auch gedacht. Ich kann doch nicht an meinem Verstand und an meinem Blick zweifeln!“ Auf einmal sprudeln all meine Gefühle aus mir heraus, die ich in den letzten Monaten unterdrückt habe, um den Fall zu bearbeiten. Es ist nicht einfach, seine Gefühle in eine Ecke zu kehren und emotionslos an die Sache ran zu gehen und ich habe bis eben gedacht, ich hätte es geschafft, vor meinen Gefühlen eine Mauer zu errichten. Doch Callum hat sie eingerissen und ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll.
„Hey, Jade! Du bist die mutigste, beste Agentin und die einzige Frau in meinem Leben, die mir mehr als mein eigenes Leben bedeutet. Auch wenn du dich mal irrst, Jade Harper, macht dich das nicht zu einer schlechten Agentin. Irren ist menschlich. Ich habe doch auch gedacht, dass Marcus tot ist. Vielleicht hat er seinen Tod inszeniert“, spricht Callum und sieht mir dabei tief in die Augen. Und ich merke, wie sehr ich seine Anwesenheit vermisst hab. Er macht mich zu der Person, die ich bin. Ich weiß nicht warum, aber durch ihn bin ich selbstbewusster geworden und ihn vom Fall abzuziehen war ein Fehler. Ich brauche ihn, um stark zu sein.
„Es tut mir so leid, dass ich dich vom Fall verbannt habe, ich …“, möchte ich sagen, doch Callum legt mir bloß den Finger auf die Lippen und zieht mich in seine Arme.
„Du musst dich nicht entschuldigen, Jade. Es ist für mich zu gefährlich, das habe ich jetzt gemerkt. Vielleicht sollte ich zurück nach London fliegen und wenn du zurück bist, dann leben wir zusammen unser Leben“, schlägt er vor.
„Nein, Callum. Bleib hier. Ich brauche dich“, flüstere ich, bevor ich ihn küsse und er erwidert.
„Ähh, ich will euch wirklich nicht stören, aber …“, unterbricht uns plötzlich Rick. Ich zucke zusammen und entferne mich ein Stück von Callum. Ich schiebe meine Gefühle beiseite und frage in meiner gewohnt ernsten Stimme. „Was gibt es, Rick? Und wie lange stehst du da schon?“
„Nicht lange. Die Männer haben ausgepackt und gesagt, dass zwei von ihnen geflüchtet sind. Einer heißt Niklas und den anderen nennen sie goldene Schlange“, berichtet Rick.
„Das sind die beiden, die mich zum Fall befragt haben“, erklärt Callum und guckt zu mir.
Ich nicke und sehe hinüber zu Rick.
„Wir fahnden bereits nach ihnen. Aber das ist gar nicht das, was ich sagen wollte. Dieser Marcus möchte dich sehen. Er hat Fragen. Und du sicher auch“, erklärt Rick.
Ich nicke und Rick verlässt das Zimmer.
„Möchtest du es allein machen, oder soll ich mitkommen?“, fragt Callum.
„Komm mit, dann kannst du Marcus eine Ohrfeige für sein Verhalten geben“, grinse ich und er muss lachen.
***
Geschrieben von Alexandra
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