Jade:
Ich weiß nicht, wie lange  ich geschlafen habe, doch als ich aufwache, ist es bereits dunkel draußen. Jemand, vermutlich Callum, hat mich zugedeckt. Ich erinnere mich an die letzten Stunden. Ich bin im Auto eingeschlafen und Callum hat mich anscheinend ins Haus getragen. Nun liege ich im Bett und weiß nicht, was ich tun soll. Mein Kratzer von Marcus tut immer noch weh. Ich sehe vor meinem inneren Auge die  Szene aufblitzen, in der Marcus erschossen wird. Wieder ist es meinem fotografischen Gedächtnis zu verdanken, dass ich mir sicher sein kann, dass Marcus definitiv nicht von Thompson ermordet wurde. Denn hätte ich in dem Moment genauer aufgepasst, hätte ich erkennen können, dass kein Mann, sondern eine Frau in den Jeep gestiegen ist. Ich merke mir das Kennzeichen und hole aus meiner Reisetasche, die neben mir auf dem Bett liegt, meinen Laptop.
In Windeseile schalte ich ihn ein und gebe das Kennzeichen in einer Datenbank ein. Kurz darauf kommt bereits ein Ergebnis:
_Zugelassen auf: Meredith Lewis_
Ich gebe den Namen ebenfalls in die Datenbank ein und erhalte sogleich ein Ergebnis. Einen Zeitungsartikel aus der London Times. Nun muss ich mein Englisch auspacken.

London Times, 24. Februar 2019, Stadtteil Islington:
Gestern Abend gegen 23:33 Uhr in der Pentonville Road fand man in einem Nachtclub im Stadtteil Islington, der für sein Nachtleben bekannt ist, eine weibliche Leiche. Die Gerichtsmedizin identifizierte sie als Meredith  Lewis, fünfundvierzig Jahre alt, eine Agentin des Secret Services, die vor einigen Jahren den Job quittiert und ein Privatdetektivbüro eröffnet hat. Scotland Yard berichtet in einem Interview, dass es sich um Mord handle. Meredith Lewis wurde von hinten mehrere Male mit einem Messer erstochen und anschließend auf eine Empore über der Tanzfläche gezogen, wo man sie im richtigen Moment runterstieß. Verdächtigt werden einige Mitarbeiter des Clubs, die laut Zeugenaussagen einen Groll auf die ehemalige Ermittlerin des Secret Services hegten, die des Öfteren im Club aufgetaucht und Fragen gestellt hätte.
Einige Zeugen berichten, dass Ms Lewis plötzlich von der Decke fiel.
Die Polizei berichtet, dass es solch einen Vorfall bereits im Stadtteil City of Westminster gegeben. Dort wurde der vierunddreißigjährige Paul Williams in einem Café ermordet aufgefunden. Bei beiden Morden ist es die gleiche Vorgehensweise.
Die Polizei verdächtigt außer den Mitarbeitern des Clubs eine Verbrecherbande, dessen Anführer, laut Informanten, Henry T. und Marcus M. sind. Die Verbrechergruppe ist hinter ehemaligen Agenten und Spionen her.
Meredith wird am dritten März ehrenvoll beerdigt.

Ich sehe auf. Damit hatte ich nicht gerechnet. Thompson und Marcus stammten ursprünglich aus London. Dort haben sie mit ihrer Verbrecherkarriere begonnen. Das erklärt auch, warum es damals kaum Spuren gab und Thompson freigesprochen  wurde.
Manchmal wünsche ich mir, statt Jura studiert zu haben, lieber zur Polizei gegangen zu sein. Ich könnte jetzt einfach weitere Berichte anfordern und Thompson verfolgen. Außerdem könnte ich mir den Mord von Marcus ansehen.
Doch als Rechtsanwältin habe ich keinen Zugang zu den Beweisen. Wahrscheinlich muss ich am Ende auch noch Thompson verteidigen, wenn er endlich angeklagt werden würde. Denn dafür sind Rechtsanwälte ja da.
Und noch eine Sache kommt mir in den Sinn. Wie kann das Auto einer toten Frau plötzlich hier in Dortmund auftauchen? Müsste es nicht in London sein? Und warum ist es überhaupt noch auf Meredith Lewis zugelassen, wenn die Frau seit gut vier Jahren tot ist? Und wer war die Frau, die in das Auto gestiegen ist?
Auch wenn ich keine Kriminalpolizistin bin, möchte ich, nein will ich diesen Fall lösen. Ob das nun mit oder ohne die Hilfe von Callum passiert.
Ich muss zurück zum Ort, wo Marcus erschossen wurde. Vielleicht gab es Spuren, die die Polizei übersehen hatte? Ich hab zum sechzehnten Geburtstag ein Detektivset bekommen und trage es immer mit mir herum.
Doch was würde Callum dazu sagen? Würde er mich aufhalten wollen? Wenn das der Fall ist, dann muss ich es alleine tun.

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Geschrieben von Alexandra