Kapitel 9 - Kopfschmerzen

Alles um ihn war dunkel, der Boden unter ihm hart und feucht, in der Ferne hörte er Schritte hallen und Stimmen, die immer lauter wurden. Leise stöhnend drehte er sich um, stieß gegen jemand anderen, der ebenfalls schmerzerfüllt aufstöhnte. Oder war es seine eigene Stimme, die so seltsam fremd klang? Sein Kopf dröhnte so stark, dass er Angst hatte, er könnte zerspringen. Was war passiert? Er hatte keinerlei Erinnerung mehr daran, was geschehen war, nachdem er das Hotel betreten und die Handys seiner Kollegen gefunden hatte. Alle waren verschwunden. Er nun ebenfalls.

„Aizawa-sensei?" Eine Stimme rief nach ihm, doch sie klang, als wäre sie meilenweit entfernt. Er versuchte die Augen aufzuschlagen, doch er schaffte es nicht. Stattdessen drohte er erneut in die Bewusstlosigkeit abzudriften. „Er ist verletzt!", stellte jemand entsetzt fest und fasste ihm an die Stirn, die sich feucht anfühlte. Als dieser jemand eine Stelle berührte, die besonders schmerzte, fuhr Shotas Hand hoch, um den Übeltäter fest zu halten und er zwang sich dazu, die Augen aufzuschlagen.

Die grünen Augen von Midoriya sahen ihn besorgt an. „Ich wollte ihnen nicht wehtun", entschuldigte er sich und ließ den Arm sinken, als Aizawa ihn wieder losließ und half ihm dabei, sich etwas aufzusetzen, als er merkte, dass sein Lehrer Schwierigkeiten dabeihatte. „Vielleicht hätten wir doch auf Sie hören sollen", gab der Grünhaarige dann leise zu und seufzte, „aber wir wollten ihnen suchen helfen. Allerdings hat uns irgendetwas erwischt. Wir erinnern uns an nichts mehr. Wie geht es ihnen?"

Shotas Blick war immer noch leicht verschwommen und alles um ihn herum schien sich zu drehen. Vorsichtig tastete er selbst nach der pochenden Stelle an seinem Kopf. Eine Platzwunde. Das erklärte zumindest, wieso seine Kopfschmerzen heftiger als sonst ausfielen und ihm so übel war. Vielleicht hatte er sich auch eine leichte Kopferschütterung zugezogen, was ungünstig wäre. „Wo sind wir?", fragte er leise und ignorierte Izukus Frage. Seine Stimme klang heiser, auch wenn er keine Ahnung hatte, wieso.

Neben Izuku erschien Kaminari, der seit zwei Tagen verschwunden war. „Wir dachten, es wäre eine Höhle, aber es scheint ein Labyrinth zu sein", erklärte der Blondschopf, und wirkte ziemlich erschöpft und zerschunden. Scheinbar hatten er und Mineta schon einiges durchgemacht. Zumindest schienen sie die Zeit genutzt zu haben, um den Ort zu erkunden. „Es scheint sehr weitläufig zu sein, und wir konnten bisher weder einen Eingang noch einen Ausgang finden. Vielleicht gibt es so etwas auch gar nicht. Genauso wie die anderen, sind wir einfach mittendrin aufgewacht", erklärte Mineta weinerlich klingend und schniefte.

Am liebsten hätte sich Aizawa einfach wieder hingelegt, und geschlafen. Vielleicht war das alles nur ein böser Traum. Doch der Schmerz, der von der Platzwunde ausging, war so real, dass an Schlaf nicht zu denken war. Irgendwie musste er einen Weg hier rausfinden und seine Schüler in Sicherheit bringen. Außerdem kam ihm plötzlich etwas anderes in den Sinn. „Eri!", keuchte er, und zwang sich die Augen offen zu halten und sich umzusehen. Doch neben Midoriya, Mineta und Kaminari, waren nur Jiro und Sero bei ihm. „Wo ist Eri?", fragte er die Schüler und rappelte sich langsam hoch. Wenn alle anderen verschwunden waren, dann hatte es das kleine Mädchen bestimmt auch erwischt. Wie groß ihre Angst sein musste, darüber wollte er gar nicht erst nachdenken.

Sofort griff Izuku nach seinem Lehrer, als dieser ins Wanken geriet und sich an der Wand abstützte. „Sie ist nicht bei uns", erklärte der Junge, ehe er entsetzt die Augen aufriss, „wurde sie etwa auch entführt? Aber sie war doch bei Present Mic!"

Sein Kopf nickte zuerst langsam, ehe Aizawa vor Schmerz stöhnte. „Ich nehme es an, sie war nicht mehr im Hotel ... niemand war mehr da. Mics und Midnights Handys lagen herum, als hätten sie diese verloren", seufzte er und massierte sich ein wenig die Stirn, in der Hoffnung, es würde den Schmerz lindern. Hätte er doch nur mehr getan, als nur die Gegend zu beobachten. Doch solange er keinen Anhaltspunkt gehabt hatte, konnte er nur genau das machen. Beobachten. Ohne Beweise hatte er keine Verstärkung rufen können, weil ihm nicht einmal seine Kollegen glauben wollten. Und nun waren sie alle weg. „Ich hätte besser aufpassen müssen ..."

„Geben Sie sich keine Schuld! Immerhin haben Sie als erstes bemerkt, dass etwas nicht gestimmt hat", versuchte Hanta den Lehrer ein wenig aufzumuntern. Es war jedoch für alle Jugendlichen schwer, ein Lächeln zustande zu bekommen, da sie diese Situation ebenso verängstigte. Schließlich wussten sie nicht, wo sie waren, oder wer sie hierher gebracht hatte. Dieser Umstand allein machte sie alle nervös.

Shota bemerkte die Unsicherheit, die sich unter seinen Schüler breit machte und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt, dass er es dazu hatte kommen lassen, sie in so eine Situation zu bringen. Egal, wie viel sie bisher durchgestanden hatten, und bereits ihre vorläufige Lizenz hatten, sie waren nach wie vor Kinder. Also versuchte er, den pochenden Schmerz zu ignorieren und sich zusammen zu reißen, während er sich von der Wand abstieß und damit anfing, die Gegend genau unter die Lupe zu nehmen. „Labyrinth, sagst du? Wie kommt ihr auf den Gedanken?", wollte er wissen.

Links und rechts von ihnen standen Meter hohe Mauern aufgereiht, die einen langen Gang bildeten. Die Decke schien so hoch hoben zu sein, dass man sie kaum erkennen konnte. Ohne auf eine Antwort zu warten, sprang Aizawa los, um die kalte Steinwand hoch zu klettern, damit er sich einen besseren Überblick verschaffen konnte und durch die Bewegung die Schmerzen etwas los werden konnte. Irgendetwas musste er tun, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.

„Halt nein!", brüllten die Schüler sofort. Ohne zu zögern warf Sero sein Tape aus, um seinen Lehrer zurückzuziehen. Gerade noch im letzten Moment, ehe dieser den obersten Rand der Mauer erreicht hatte. „Was soll das?", ärgerte sich dieser über die Reaktion seiner Schüler, und versuchte sich dagegen zu wehren, von der Mauer gezogen zu werden wie ein unartiges Kind, doch er musste sich geschlagen geben.

„Sie sollten lieber nicht weiter rauf", versicherte Denki ihm und nickte Mineta kurz zu, der sich eine Kugel aus seinen Haaren abdrehte und so hoch warf, wie nur möglich. Zunächst passierte nichts, doch im nächsten Moment begann die Luft über ihnen zu knistern und die violette Kugel begann zu leuchten, ehe sie explodierte. Geschockt starrte Aizawa die Überreste der Kugel an, die zu Boden fielen und vor ihren Füßen landeten. „Fuck", entfuhr es ihm. Das hätte gerade mit ihm passieren können, wenn seine Schüler ihn nicht davor gerettet hätten. Wie konnte ihm erneut so ein Fehler unterlaufen?

„Wir mussten das auf die harte Tour lernen", erklärte Kaminari, „es ist ein Stromnetz!" Kein Wunder also dass Denki so zerschunden aussah. Er schien jedoch keine weiteren Verletzungen davon getragen zu haben. Vermutlich hatte seine Elektro-Macke ihn davor bewahrt so gegrillt zu werden, wie Minetas Kugel. „Wir nehmen einfach an, dass es ein Labyrinth ist, weil es sehr danach aussieht", antwortete der Blonde auf die Frage und kratzte sich am Arm.

Es gab also keinerlei Möglichkeit, sich einen Überblick von oben zu verschaffen. Doch glücklicherweise war eine Schülerin mit einer nützlichen Fähigkeit bei ihnen. Sofort wandte er sich ihr zu, jedoch musste er nicht einmal den Mund aufmachen, da sie ahnte, was er sie fragen wollte. Durch zahlreiche Übungsstunden, in denen ihre Macke zur großflächigen Auskundschaftung genutzt wurde, hatte sie ohne lange nachzudenken bereits ihre Fähigkeiten eingesetzt. „Als wir wach wurden, habe ich sofort gelauscht. Anscheinend sind wir alle aufgeteilt, aber ich habe insgesamt, uns miteinberechnet, um die 25 Menschen ausgemacht. Das Areal scheint aber riesig zu sein, deswegen weiß ich nicht genau, wo sie sind", berichtete sie, „Sie haben wir gerade auch nur auf gut Glück gefunden."

Alle waren also hier. Shota konnte nicht begreifen, wer es geschafft hatte, mehr als 20 Menschen auf einen Schlag zu entführen und zu verschleppen, vor allem nachdem vier davon Profihelden waren. Sie konnten sich gerade im Nirgendwo befinden, und niemand würde nach ihnen suchen. Nun war es nur wichtig, dass sie erst einmal wieder zu den anderen zurückfanden. Wenn sein Kopf doch nur nicht so wehtun würde, wäre es einfacher einen Plan zu entwickeln.

Izuku, der bemerkte, dass sich sein Lehrer immer wieder an die Stirn fasste, kramte kurz in einer seiner Seitentaschen, und zog ein kleines Verbandsset hervor, das er für Notfälle immer dabeihatte. „Wir sollten ihre Wunde versorgen, damit es nicht schlimmer wird", erklärte der Grünhaarige und hielt es hoch. Doch Aizawa winkte ab. „Hebe es lieber für Wichtigeres auf", versicherte er ihm. Es wäre nur Vergeudung von wertvollen Ressourcen. „Wir sollten lieber an einem Plan arbeiten", wechselte er das Thema, ehe einer der Schüler protestieren konnte.

Die Tatsache, dass sie alle getrennt in einem großen Labyrinth unterwegs waren, ließ Shota nicht los. Vor allem die Sorge, dass Eri allein sein könnte, gab ihm genug Kraft, um sich auf den Beinen halten zu können. Seine einzige Hoffnung war, dass sie bei Hizashi oder einem der anderen Erwachsenen sein könnte. Bei dem Gedanken an seinen Verlobten strichen seine Finger unbewusst über den Ring an seiner Hand. Er hatte keine Ahnung, was den anderen oder ihm selbst zugestoßen war, damit er sich nun so k.o. fühlte. Seine Erinnerung ließ ihn dabei einfach im Stich und sein Kopf dröhnte so schmerzhaft, dass er nicht einmal darüber nachdenken konnte. Als erstes musste er sich ohnehin auf die Handvoll Schüler konzentrieren, die bei ihm waren. Scheinbar hatten Kaminari und Mineta, die beide schon ein wenig länger durch den Irrgarten aus Steinwänden irrten, nacheinander die Schüler gefunden, die nun vor ihm standen und ratlos, aber erwartungsvoll zu Shota aufblickten, in der Hoffnung er hätte einen Plan oder eine Idee, um zu entkommen.

„Denki, Minoru, könnt ihr euch an irgendetwas erinnern?" Er musste erst einmal versuchen, mehr Informationen über all das zu beschaffen, bevor er sich etwas einfallen lassen konnte. Erst wenn sich das Puzzle zusammensetzen konnte, würde sich ein Bild ergeben, das weiterhelfen konnte. Zumindest war das seine große Hoffnung.

Leider schüttelte jedoch Mineta sofort den Kopf, doch Kaminari versuchte zumindest nachzudenken. „Ich weiß noch, dass ich Minoru davon abhalten wollte, einer hübschen Frau nachzustellen. Aber nachdem wir am Pferdekarussell um eine Ecke gebogen sind, setzt meine Erinnerung aus", berichtete der Blonde, „danach sind wir hier aufgewacht und sind erstmal herumgelaufen, bis wir Hunger bekommen haben. Zum Glück hatten wir noch ein bisschen Proviant in der Tasche." Das erklärte zumindest, wieso noch keiner der beiden jammerte, doch es schien nicht so, als ob sie davon noch etwas übrig hatten.

„Wenn mich nicht alles täuscht, dann haben wir vor zirka zwei Stunden oder so, dann Izuku und dann die anderen getroffen und sind mit ihnen gemeinsam hier lang, als wir Sie entdeckt haben", erklärte Mineta weiter. Es war also nichts Nennenswertes passiert. Das war schon einmal gut, fand Aizawa, es sei denn, dass jemand erst darauf gewartet hatte, die gesamte Klasse in seine Fänge zu bekommen. Dies würde allerdings bedeuten, dass diese Sache von Anfang an geplant worden wäre. Ob der Besitzer des Freizeitparks etwas damit zu tun hatte?

Tausende Fragen schossen durch Shotas Kopf, was die Schmerzen nicht weniger werden ließ. „Dann lasst uns weitergehen und die anderen suchen", schlug Aizawa vor und setzte sich in Bewegung, „wenn ihr irgendetwas entdeckt, dann teilt es sofort mit. Wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen. Egal, wer uns hierhergebracht hat, er führt bestimmt irgendetwas im Schilde." Wenn die Schüler ebenso achtsam waren, würden sie vielleicht schnell die anderen finden und gemeinsam nach einer Lösung suchen können. So gern Shota auch alleine einen Plan entwickeln wollte, waren im doch die Hände gebunden.

„Denken Sie, dass jemand im Park uns aufgelauert hat?", fragte Sero und sah zu dem Lehrer. „Haben Sie deswegen den Typen gefesselt, der uns gefolgt ist?", warf Jiro ein und kratzte sich an der Wange. „Wie kann überhaupt jemand so einfach so viele Menschen entführen und verschleppen, ohne aufzufallen?", fragte Izuku.

Aizawa grummelte. Es war natürlich, dass die Jugendlichen Fragen hatte, doch er wusste darauf keine Antworten. „Ich weiß es nicht", musste er seufzend gestehen und die Kinder somit enttäuschen, „vor der Abreise sind mir Berichte untergekommen, dass in diesem Park Menschen verschwinden, aber ich dachte es wären Geistergeschichten. Auch der Besitzer hatte es als solche abgetan ..." Er hätte der Sache einfach weiter nachgehen müssen. Normalerweise hätte er das auch getan, wieso nur hatte er sich so einlullen lassen?

Als Izuku sah, wie der Dunkelhaarige seine Hände zu Fäusten ballte, setzte er ein aufmunterndes Lächeln auf und sah zu Aizawa auf. „Wir werden die Sache schon aufklären. Gemeinsam. Machen Sie sich keine Vorwürfe!", meinte er aufmunternd, „und Eri geht es bestimmt auch gut!"

„Natürlich. Das ist logisch", gab Shota barsch zurück. Eigentlich war es seine Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Schüler sich sicher fühlten, und nicht umgekehrt. Er musste sich eindeutig besser konzentrieren.

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