Kapitel 51 - Zurückgelassen

Eine Woche war bereits vergangen, nachdem Eraserhead das Schulgelände verlassen hatte. Die Nachricht hatte schnell die Runde gemacht, vor allem da es bei der Pressekonferenz einschlug wie eine Bombe. Für die Presse war es das Eingeständnis dafür, dass der Undergroundhero sich wohl zu schuldig fühlte, als dass er weiter als Lehrer arbeiten konnte. Ebenso empfand man es als Erleichterung, weil es die geforderten Konsequenzen gegeben hatte. Dementsprechend ließ man die Schule bald in Ruhe, obwohl man versuchte herauszufinden, wohin es den Dunkelhaarigen verschlagen hatte, weil nach wie vor ein Statement von ihm zu der Geschichte fehlte. Doch diese Frage stellten sich auch seine Freunde, und auch seine Schüler, für die die Nachricht ein harter Schlag ins Gesicht gewesen war.

Am schlimmsten war es für Hizashi, der mit einem Schlag sein gesamtes Leben verloren zu haben schien. Auch wenn er, wie auch Aizawa, bisher nie sonderlich große Probleme damit gehabt hatte, nach einer Tragödie weiter zu machen wie bisher, fiel es ihm doch sehr schwer, sich seit Shotas Verschwinden aus dem Bett zu quälen und zur Arbeit zu erscheinen. Nur Nemuri und Toshinori war es zu verdanken, dass er das Angebot annahm, Shotas Klasse zu übernehmen und weiter arbeiten zu gehen, zu essen, nicht nur von Alkohol zu leben, und überhaupt aus dem Bett aufzustehen. Seine Welt war zusammengebrochen, als sein Verlobter ihm das kleine Stück Metall zurückgeben hatte, dass sie miteinander verbunden hatte.

Wehmütig erinnerte sich der Blondschopf zurück an die gemeinsame Zeit, an die Dinge, die sie gemeinsam durchgestanden hatten. Es hatte so lange gedauert, durch die dicke Mauer zu gelangen, die Shota nach dem Tod ihres Freundes um sich aufgebaut hatte. Umso glücklicher hatte es Hizashi damals gemacht, als Aizawa tatsächlich seinen dummen Antrag angenommen hatte, obwohl er ihn damals nur aus einem Scherz heraus gemacht hatte, und der ursprüngliche Ring der letzte Zwiebelring gewesen war, den sie sich eigentlich teilen wollten. Natürlich hatte Yamada damals gedacht, dass Shota ihn nur aufzog und auf seinen Scherz miteinging, doch als er merkte, dass der Dunkelhaarige tatsächlich bereit wäre, ihn zum Mann zu nehmen, war er der glücklichste Mensch auf Erden gewesen. Danach waren sie allerdings viel zu beschäftigt gewesen und es war zu viel passiert, als dass sie die Hochzeit tatsächlich hätten durchziehen können und Kayama hatte fest darauf bestanden, dass es einen schönen Festakt geben müsse und nichts einfach so ohne großes Aufsehen über die Bühne gehen dürfte. Also war es ausgeschlossen, einfach auf ein Standesamt zu fahren und Papiere zu unterschrieben, um alles offiziell zu machen.

Hizashi bezweifelte allerdings, dass es etwas an Shotas Entschluss geändert hätte, wenn sie bereits verheiratet wären. Vermutlich wäre er ebenso abgehauen. Ein Umstand, der den Voicehero ebenso wütend, wie traurig machte. Wieso hatte Aizawa immer noch nicht verstanden, dass sie solche Dinge gemeinsam durchstehen würden, und er kein Einzelkämpfer mehr sein musste? Nur zu gerne hätte Yamada ihm dafür eine verpasst, dass er ihm und auch noch Eri damit nur unnötig Schmerzen verursachte. Das Mädchen verstand ebenso wenig wie er selbst, wieso Shota einfach auf und davon war. Doch zumindest würde er für sie zurückkommen. Beide zählten bereits die Tage, bis es soweit war. Ja, sie schmiedeten sogar einen Plan, wie sie ihn festhalten konnten, damit er nicht wieder wegkonnte. Schließlich konnten sie sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, wenn sie ihn wieder zu Gesicht bekommen würden.

Allerdings wusste niemand, wann es soweit sein würde. Seitdem Eraserhead das Schulgelände verlassen hatte, hatte niemand mehr etwas von ihm gehört oder zu Gesicht bekommen. Sie wussten weder wohin er verschwunden war noch ob es ihm gut ging. Nach allem, was vorgefallen war, könnte er zu allem fähig sein. Zumindest waren ein paar Schüler seiner Klasse dieser Meinung.

„Ich verstehe nicht, wieso er abgehauen ist! Wir haben uns doch alle entschuldigt", seufzte Denki. Wie schon in den letzten Tagen hatte die Klasse sich im Gemeinschaftsraum des Wohnheimes versammelt, um einen Plan zu schmieden, ihren Lehrer zurückzuholen. Diesmal hatten Nemuri und Toshinori Pizza von Lunch Rush besorgt, um die Laune ein wenig zu bessern.

„Um ehrlich zu sein, bin ich mir gar nicht sicher, ob er es bewusst gehört hat", erklärte Toshinori, der gerade Yamada ein Stück Pizza reichen wollte, der jedoch ablehnte und lieber an einem Glas Bier nippte, „du solltest etwas essen. Shota will bestimmt nicht, dass du dich so gehen lässt." Allerdings ließ den Blondschopf diese Aussage nur schnauben. Wenn Aizawa wollte, dass es ihm nicht schlecht ginge, dann wäre er nicht verschwunden. Yagi seufzte, stellte den Teller dennoch vor seinem Kollegen ab und ließ sich neben Nemuri nieder, die sich sofort ein wenig an ihn schmiegte. Auch wenn sich die beiden langsam etwas näher gekommen waren, vermieden sie es, irgendetwas offen anzusprechen, aus Rücksicht auf Hizashi.

„Und selbst wenn er etwas gehört hätte, ist es doch nachvollziehbar, dass er sich aus dem Staub gemacht hat", murrte Katsuki und bekam dafür verständnislose Blicke. „Kacchan hat Recht. Aizawa-Sensei braucht Zeit, und es hätte nicht geholfen, wenn wir ihn bedrängt hätten", stimmte Izuku zu. Da es selten vorkam, dass beide einer Meinung waren, begannen die anderen darüber nachzudenken.

„Aber was, wenn er ... naja, ... wenn der Playmaker ihn so richtig zerstört hat, und er ... ihr wisst schon", stammelte Toru vor sich hin. Sie hatte noch gut in Erinnerung, wie aufgelöst und zerstört ihr Lehrer war, als er dachte, er wäre schuld an ihrem Tod. Damals hatte er gesagt, dass er nicht mehr leben wollte, und es hatte oft genug Momente gegeben, in denen er lieber den Freitod gewählt hätte. Ebenso war es doch auch sehr eindeutig gewesen, als er fast gestorben wäre. Was, wenn der Wille zu sterben und den Tod zu finden, noch immer sehr präsent in ihrem Klassenlehrer war? Tatsächlich war sie nicht die einzige, die diese Sorge hatte.

Nachdem sie diese Worte ausgesprochen hatte, sahen auch andere bedrückt drein. Doch Hizashi, der bereits ein paar Bier hatte, lachte kurz auf. „Ihr vergesst, dass er versprochen hat, Eri weiter zu trainieren", erinnerte er sie, „an solche Versprechen hält er sich. Wenn er also nicht im Kampf unterliegt und dabei getötet wird, lebt er weiter." Selbstmord wäre unlogisch für Shota. Im Labyrinth hätte es durchaus Sinn gemacht, weil sie alle dadurch frei gekommen wären, aber hier draußen, in der echten Realität ergab es keinen Sinn. Eher war es wahrscheinlicher, dass Aizawa seinem selbstzerstörerischen Verhalten unterlag, aber im Kampf würde er stets versuchen, alles zu geben, um den Schurken zu besiegen.

„Das macht es aber nicht besser", tadelte Nemuri den Blonden, sprang auf und entriss ihm das Bier, „und du solltest damit aufhören. Als neuer Klassenlehrer solltest du ihnen ein Vorbild sein!" Doch die Worte brachten nicht viel. Stattdessen sprang der Voicehero auf, wankte ein wenig und versuchte sein Glas zurück zu erobern. Erfolglos. Wütend wollte er Kayama zur Seite schubsen, doch Toshinori ging dazwischen. „Ihr solltet nicht streiten", mahnte er die beiden und deutete auf die Schüler, die dabei zusahen, wie ihre Lehrer sich böse anfunkelten, „wir haben alle das Gleiche durchgemacht und machen uns gleich viele Sorgen. Im Moment sollten wir einander helfen, und nicht streiten!"

Doch Hizashi schnaubte erneut, zog einen Flachmann aus der Tasche und leerte ihn in einem Zug. „Das gleiche durchgemacht? Das ich nicht lache", lallte er und wankte so bedrohlich, dass Mashirao schnell aufsprang, und seinen Englischlehrer zu stützen, der sich allerdings davon losriss, „ihr habt alle nur euren Lehrer verloren, aber ich ... ich hab alles verloren!" Seine Knie wurden weich, während er am gesamten Körper zu zittern begann. Vorsichtig half Ojiro ihm dabei, sich wieder auf das Sofa zu setzen.

Sofort war Nemuri bei ihm, und nahm ihn sachte in die Arme. Seit Tagen hatte sie darauf gewartet, hatte vermutet, dass Hizashi versuchte stark zu sein, bis er daran zerbrechen würde. Sie hatte sogar zugelassen, dass er sich Nacht für Nacht betrank, bis er schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel. Es war schließlich die einzige Möglichkeit gewesen, dass er überhaupt schlafen konnte. Jetzt war allerdings der Moment gekommen, in dem er nicht mehr konnte. Ein Staudamm schien zu brechen, und Yamada begann zu weinen. All die Tränen, die er die letzten Tage zurückgehalten hatte, flossen auf einmal über seine Wangen. „Er hat mich verlassen", schluchzte er in Nemuris Schulter, „er ist weg."

„Sh, schon gut", murmelte sie tröstend und strich über seinen Rücken, während sie sich hilfesuchend zu Toshinori umsah. Sie waren alle verlassen worden, doch für Hizashi war es weitaus schmerzhafter als für sie alle. Immerhin hatte der Mann, den er liebte, ihn verlassen. Alle Versuche, ihn seither anzurufen, oder sonst wie zu kontaktieren, waren vergeblich gewesen. Es war ein harter Bruch gewesen, und Yamada schien es nicht zu verkraften.

„Als wir in dieser Höhle waren, in der wir Geheimnisse erzählen sollten, damit wir das Gegengift für Sie erreichen konnten, hatte Aizawa-Sensei erzählt, dass er gerne lebend aus dem Labyrinth rausmöchte, um mit ihnen und Eri eine Familie zu gründen", erzählte Eijiro und brach somit das Versprechen, das sie sich gegeben hatten. Aber es war ihm egal. Für ihn zählte im Moment nur, seinen Lehrer ein wenig aufzumuntern. „Sie könne also sicher sein, dass er zurückkommt, sobald er sich beruhigt hat!", versicherte der Rotschopf und versuchte aufmunternd zu lächeln.

„Das stimmt. Er liebt dich doch so sehr, dass er dir ohne zu zögern mitten im Labyrinth sein Blut gespendet hat und er ohne über seine Schulterverletzung nachzudenken, an der Wand entlang zum Gegengift klettern wollte. Er kommt zurück, an etwas anderes darfst du gar nicht denken", versicherte Nemuri, leise auf ihn einredend. Sie hatten alle so viel durchgemacht, und es war unfair, dass sowohl Shota, als auch Hizashi weiterhin leiden mussten. Nur zu gerne hätte sie nach dem Dunkelhaarigen gesucht, um ihn an den Ohren zurück an die UA zu zerren, aber sie wusste nur zu gut, dass es nicht helfen würde. Shota war nur weggegangen, weil er es für nötig hielt, und er Zeit brauchte. Ihn zurückzuholen würde zwar Yamada helfen, aber Aizawa nicht. Und solange nicht beide davon profitieren würden, war es sinnlos, darüber nachzudenken.

„Er hätte gar nicht weggehen dürfen", schluchzte Hizashi, „ich hätte ihm doch geholfen, sich wiederzufinden. Dieser verdammte Sturkopf! Immer will er alles allein schaffen." Gemeinsam und mit der Hilfe eines Therapeuten wäre er bestimmt schneller zu einer Lösung gelangt, als allein herumzuirren. Shota war noch nie ein Meister der Gefühle und Emotionen gewesen, weswegen Yamada bezweifelte, dass der Dunkelhaarige schnell an sein gewünschtes Ziel kommen würde.

„Du kennst ihn doch", murmelte Nemuri leise, was Yamada nicken ließ, „er gibt selten zu, dass er Hilfe braucht und will alles allein schaffen." Dabei musste er kein Einzelkämpfer sein. Er hatte Freunde, Menschen, die ihn liebten und die ihm nur zu gerne unter die Arme griffen. Dennoch verschloss er sich weiterhin und kapselte sich sofort ab, wenn etwas nicht funktionierte. Aizawa Shota war ein furchtbarer Sturkopf.

„Wir werden einfach weiter nach ihm suchen, und ihm dann einfach helfen. Ob er will oder nicht!", stellte Toshinori fest. Da er selbst oft genug ein Sturkopf war, wusste er, dass man oft zu seinem eigenen Glück gezwungen werden musste. Daher würde es wohl nicht schaden, wenn sie Shota, egal ob er wollte oder nicht, unter die Arme greifen würden. Aber dazu mussten sie ihn erst einmal finden.

Bereits seit seinem Verschwinden hatte Yagi seine Kontakte zu Tsukauchi und der Polizei genutzt, damit sie die Ohren und Augen offenhielten, und sofort Bescheid gaben, falls sie etwas irgendwo etwas von Shota mitbekamen. In der vergangenen Woche war allerdings keine Meldung gemacht worden, doch Toshinori hatte die Hoffnung, dass Aizawa nicht weit weg sein konnte. Wie sollte er sonst weiter Eri unterrichten wollen? Er musste also irgendwo weiterhin in der Nähe sein, und sich im Moment sehr gut verstecken.

„Bis wir ihn gefunden haben, sollten Sie sich aber etwas zusammenreißen. Ich glaube nicht, dass es förderlich für sein Zurückkommen wäre, wenn er sieht, wie sehr er Sie verletzt hat, quack", meinte Tsuyu ehrlich und reichte Yamada ein Taschentuch. Auch sie hatte noch gut das Gesicht ihres Lehrers in Erinnerung, als sie in der Höhle der Geheimnisse waren. Aizawa würde es nur wieder verscheuchen, wenn er bemerkte, wie schlecht es Yamada wegen ihm ging.

„Tsuyu hat recht, aber das heißt nicht, dass Sie nicht traurig sein dürfen", meinte Mina sofort, „denken Sie einfach daran, dass er zurückkommt. Wir werden schon daran arbeiten, dass er auch bleibt!" Diesen Worten stimmten viele ihrer Klassenkameraden sofort zu. Schließlich wollten sie alle ihren Lehrer zurück haben, der sie bisher vor so vielen Gefahren bewahrt hatte, und sich am Ende sogar für sie opferte. Sie wollten sich endlich dafür erkenntlich zeigen, so wie sie es schon seit ihrem Erwachen im Krankenhaus versucht hatten. Immerhin wollten sie Aizawa zeigen, wie falsch der Playmaker lag. Denn auch wen Shota so getan hatte, als wäre alles in Ordnung, war den Schülern sehr wohl bewusst gewesen, dass ihr Lehrer noch immer daran festhielt, was der Schurke ihm eingetrichtert hatte. Dazu mussten sie ihn allerdings erst einmal finden.

Zumindest schafften sie es im Moment erst einmal dafür zu sorgen, dass es Yamada etwas besser ging. Tatsächlich gab er freiwillig seinen Flachmann ab und griff nach dem Stück Pizza. Schließlich hatten seine Schüler recht. Wenn Shota sehen würde, wie schlecht es Hizashi ging, würde er nie wieder zurückkommen und sich selbst nur noch mehr bestrafen und zurückziehen wollen. Das durfte einfach nicht passieren.

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