Kapitel 48 - Zurück zur Normalität?

Da er noch nie viel mit Emotionen und Gefühlen anfangen konnte, war Shota heilfroh, als die Ärzte die Schüler aus dem Krankenzimmer scheuchten und er nicht mit ihnen sprechen musste, nachdem er aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war. Im Moment hatte er genug von dem Trubel um seine Person, die er die letzten Tage ertragen musste, da war ein wenig Ruhe nicht verkehrt. Zumindest wenn man unangenehme Untersuchungen und ein Verlobter, der einen nicht mehr loslassen wollte, überhaupt als Ruhe bezeichnen konnte. Fast teilnahmslos ließ der Dunkelhaarige alles über sich ergehen, blickte nur starr gerade aus und hörte nur halb zu, während ihn das medizinische Personal von oben bis unten durchcheckte und ihm Fragen zu seinem Wohlbefinden gestellt wurden, die er halbherzig beantwortete. Hoffentlich hatte das Bald ein Ende.

Ärgerlich war nur, dass er nicht gehen durfte, weil sie ihn zur Beobachtung im Krankenhaus behalten wollten. Natürlich war es logisch, weil er sich nicht fit fühlte, sein Kopf noch immer dröhnte und er noch immer unter Nachwirkungen der Blutvergiftung litt, dennoch wäre er viel lieber auf und davon. Nach all den Strapazen wollte er einfach nur allein sein und sich irgendwo verkriechen, weit weg von allen Menschen, die ihm unangenehme Fragen stellten und ihn beobachteten, als wäre er ein Versuchskaninchen oder ob sie erwarteten, dass er irgendeine Gefühlsregung zeigte. Auch ein Blick aus dem Fenster hob seine Laune nicht sonderlich. Reporter standen sich vor der Tür die Beine in den Bauch und belagerten die Schüler, die das Krankenhaus wieder verlassen wollten, nachdem ihnen mitgeteilt wurde, dass die Besuchszeit zu Ende war und die Patienten Ruhe brauchten. Ein Entkommen war also nicht möglich, außer er stahl sich durch die Hintertür nach draußen. Doch dazu müsste er erst einmal an seinen Freunden und dem medizinischen Personal vorbeikommen, die ihn nicht gehen lassen würden.

„Sho?", riss ihn Hizashis heiser klingende Stimme aus dem Gedanken. Der Blondschopf war an den Dunkelhaarigen herangetreten, der am Fenster stand und nach draußen starrte und sah ihn besorgt an. „Alles in Ordnung bei dir?" Tatsächlich war es Shota gar nicht aufgefallen, dass er bereits ein paar Minuten vollkommen regungslos dort verharrt hatte und vor sich hinstarrte. Vorsichtig schlangen sich die dünnen Arme des Voiceheros um seinen Oberkörper, und lösten in Aizawa das Verlangen aus, in der Umarmung zu versinken und nie wiederaufzutauchen. Er kämpfte regelrecht mit sich selbst, nicht in Tränen auszubrechen und offen zu zeigen, wie zerbrochen und müde er sich fühlte. Doch er hatte Angst, dass er es nicht mehr schaffen würde, eine Fassade aufzubauen, wenn er erst einmal Schwäche zu ließ.

Stattdessen setzte er eine Miene auf, von der er meinte, sie würde seinem Verlobten signalisieren, dass alles soweit in Ordnung wäre. „Alles bestens", fügte er rasch an, falls sein leichtes Lächeln allein nicht ausreichen würde. „Aber wie geht es dir? Sie haben deine Stimmbänder geflickt, das ist schön", lenkte er das Thema sofort auf Yamada. Immerhin war er viel schwerer verletzt worden, und für Shota war es wichtiger zu erfahren, wie es ihm ging. Über seinen eigenen Gesundheits- und vor allem Geisteszustand wollte er keinesfalls sprechen, aus Angst, dass er die Wahrheit dann nicht mehr verbergen könnte.

Obwohl sein Blick kurz skeptisch wurde, erwiderte Hizashi das Lächeln kurz darauf und nickte. „Ich brauche wohl noch etwas, bevor ich wieder eine Moderation machen kann, oder überhaupt meine Macke einsetzen darf, aber immerhin bin ich nicht dazu verdammt, zu schweigen!", freute er sich, und musste kurz darauf etwas husten. Dabei wurde er plötzlich so blass, dass Shota ihn besorgt ansah. Ganz gut schien es Yamada noch nicht zu gehen. Aber es war auch kein Wunder, schließlich war er schlimm verletzt worden. Noch immer verstand Aizawa nicht ganz, was vorgefallen war. Wenn alles nur in ihren Köpfen stattgefunden hatte, wie konnten sie dann dennoch diese Verletzungen erlitten haben? Allzu viel konnte er allerdings nicht darüber nachdenken, da sein Kopf dröhnte. Für ihn zählte ohnehin nur die Tatsache, dass niemand gestorben war und die Schüler keinen Kratzer abbekommen hatten. Immerhin war dies das erste, was er in Erfahrung bringen wollte, nachdem er sicher gegangen war, dass Hizashi wohl auf war und auch Toshinori kein Haar gekrümmt worden war.

Doch auch wenn seine Schüler äußerlich keinerlei Schaden genommen zu haben schienen, gab es wohl andere Verletzungen, die sie davongetragen hatten. Zumindest hatte Yagi ihm erzählt, was weiter vorgefallen war, nachdem Shota sich geopfert hatte. Es schien ihnen leid zu tun und mit Toshinori hatten sich die Jugendlichen wieder versöhnt, nachdem sie den Playmaker gejagt und Shotas Seele zurückgebracht hatten. Ja, sie hatten sich wohl ebenso bei Aizawa entschuldigt, was ihn unterbewusst vor dem Tod bewahrt hatte, doch als Shota davon hörte, hatte er keinerlei Erinnerung daran, oder wusste, wie er sich fühlen sollte. Er verstand nicht einmal, wieso die Kinder überhaupt das Verlangen hatten, das alles zu tun und sich bei ihm zu entschuldigen. Eigentlich müsste es doch umgekehrt sein. Er müsste bei ihnen um Vergebung bitten, und hoffen, dass er nicht bereits zu großen Schaden angerichtet hatte bei ihrer Ausbildung.

Auch wenn ihn all das nach wie vor beschäftigte, schluckte er diese Gefühle hinunter, so wie er es immer getan hatte, und verbarg sie vor Hizashi, Nemuri und Toshinori. Seit Jahren hatte Aizawa längst Übung darin, seine wahren Emotionen zu verbergen und dafür zu sorgen, dass es anderen gut ging, während er sein eigenes Leiden ignorierte. Im Moment fiel es ihm zwar etwas schwer, in seine alten Muster zurückzukehren, doch es gelang ihm soweit ganz gut, seine Freunde zu täuschen und vorzugeben, dass es ihm gut ginge. Solange sie dachten, dass alles in Ordnung mit ihm wäre, schienen sich ihre Launen auch etwas zu heben. Allein dieser Umstand war es wert, ihnen allen etwas vorzumachen.

Nur Eri beobachtete ihn weiter skeptisch, sodass er auch in Momenten, in denen er sich unbeobachtet fühlte, darauf bedacht war seine Maske nicht fallen zu lassen. Ein paar Umarmungen und Knuddeleinheiten schafften jedoch auch dafür Abhilfe, was dazu führte, dass sie nach den Untersuchungen zu dritt im Krankenbett aneinander gekuschelt lagen. „Ich bin froh, dass es dir gut geht", murmelte sie leise, während sie sich eng an ihn kuschelte. „Ich auch", fügte Hizashi leise hinzu. Shota nickte nur. „Und ich bin froh, dass euch allen nichts passiert ist", meinte er und gähnte.

Währenddessen hatten sich Nemuri und Toshinori im Bett daneben aneinander gekuschelt. Da die drei Männer noch ein wenig länger im Krankenhaus bleiben mussten, wollte auch Kayama nicht einfach gehen. Zum einen wusste sie nicht, wohin sie gehen sollte und zum anderen wusste sie, dass Shota vermutlich nur auf eine gute Gelegenheit wartete, um sich aus dem Staub zu machen. Das konnte sie immerhin am einfachsten verhindern. Denn auch wenn er sich vollkommen normal gab, hatte sie dennoch das Gefühl, dass die gesamte Situation ihn nach wie vor sehr bedrückte.

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