Kapitel 42 - Süße Freiheit?
Vorsichtig schlug Hitoshi seine Augen auf. Der weiche Untergrund, auf dem er lag, verwirrte ihn. Gerade eben war er noch der festen Überzeugung gewesen, Eri in seinen Armen zu halten, sie fest an sich zu drücken, während er selbst in Tränen ausgebrochen war, und auf seinen leblosen Mentor zuzugehen, doch nun lag er in einem Bett. Auf einer weichen Matratze, umgeben von blütenweiser Bettwäsche. Wie war das verdammt nochmal möglich? Dabei war er nicht der Einzige, der sich aufsetzte und verwirrt den plötzlichen Umgebungswechsel musterte. In den Betten, die neben seinem standen, wachten nach und nach die anderen Jugendlichen auf, die soeben noch neben ihm gestanden und fassungslos auf das Geschehen gestarrt hatten. War das ein neuer Trick? Wollte der Playmaker sie in Sicherheit wiegen, nur um dann noch härter zuzuschlagen? Shinsou bezweifelte jedoch, dass es einen noch gefährlicheren Schlag geben könnte, als den, den sie zuvor beobachtet hatten. Allein der Gedanke daran ließ ihn schluchzen.
„Was ist passiert?", fragte neben ihm Ojiro leise und rieb sich die Stirn, weil er Kopfschmerzen hatte. Auch der Violetthaarige hatte welche, doch er ignorierte sie. Irgendwie hatten sie diese Schmerzen verdient, schließlich hatten sie versagt.
Tatsächlich hatte niemand eine Antwort auf diese Frage. Nachdem sie noch wenige Augenblicke zuvor in dem Labyrinth und dem Reich des Playmakers gestanden hatten, und zusehen mussten, wie ein Schurke Aizawa seine Seele aus der Brust riss, war ihre neue Umgebung vollkommen ungewohnt. Genauso wie der Wohnblock damals, der am Ende des Tunnels auf sich gewartet hatte und sich als Hölle auf Erden entpuppte. Das hier ließ auf Ähnliches schließen. Doch wessen persönliche Hölle war es diesmal? Irgendetwas sagte Hitoshi, dass er es gar nicht so genau in Erfahrung bringen wollte. Dennoch blieb die Neugierde und der Drang, herauszufinden, was soeben passiert war.
Sie konnten sich alle nur noch an eine plötzliche Dunkelheit erinnern. Nachdem die Schüler aufgewacht waren, versammelten sie sich in einem der Räume, auf die sie aufgeteilt worden waren und versuchten herauszufinden, was soeben passiert war. Doch niemand wusste, was geschah, nachdem Aizawa zusammengebrochen und der Playmaker verschwunden war. Dabei vermieden sie alle jedoch, darüber zu sprechen, was ihrem Lehrer zugestoßen war.
Währenddessen betrat ein Arzt das Krankenzimmer, und musterte die versammelten Jugendlichen. „Es ist schön zu sehen, dass alle endlich wieder wach und wohlauf sind", verkündete der Mann und notierte sich etwas auf einem Klemmbrett, „wir werden jeden noch einmal untersuchen. Nachdem ihr alle so lange bewusstlos wart, müssen wir nachsehen, ob auch wirklich alles in Ordnung ist. Aber zumindest seht ihr alle gesünder aus als eure Lehrer." Danach begann er kurz zu erklären, was er wusste und in welchem Zustand die Kinder und Erwachsenen sich befunden hatten, als man sie fand. Allein bei der Erwähnung ihrer Lehrer wurden sie kurz blass, auch wenn der Arzt kaum etwas über den Zustand der vier Profihelden erzählte. Selbst auf Fragen von Shinsou und Midoriya gab er nur ein Kopfschütteln als Antwort.
Betrübt sah Shinsou dem Doktor nach, der nach seiner Erklärung einfach ging, um eine Schwester und einen Kollegen für die Untersuchungen zu holen, und wollte zur Tür hinaus eilen, als plötzlich Kayama vor ihm stand, Eri in ihren Armen hielt und ihm somit den Weg versperrte. Beide wirkten vollkommen aufgelöst und müde. „Midnight-Sensei! Wissen Sie, was passiert ist?", wollte Izuku sofort wissen und ging auf Eri zu, nachdem sie auf dem Boden abgestellt wurde. Sofort fiel das Mädchen ihm in die Arme und vergrub ihr Gesicht in seinem T-Shirt.
Bevor sie auf diese Frage antwortete, ließ sich Nemuri auf einem Stuhl nieder. Eigentlich hatte der Arzt ihr geraten, liegen zu bleiben, doch sie konnte auf keinen Fall stillhalten. Stattdessen hatte sie sich sofort aufgemacht, um nach Eri zu suchen und auch nach den Schülern, obwohl sie von letzteren eher enttäuscht war. Es fiel ihr schwer, in ihre Gesichter zu sehen, nachdem zwei davon sie davon abgehalten hatten, Shota zu Hilfe zu eilen und auch der Rest der Klasse sich nicht sonderlich mit Ruhm bekleckert hatte, um ihre Lehrer zu retten. „Anscheinend waren wir alle ziemlich lange bewusstlos", begann sie zu erklären, „und so wie es scheint sind wir alle hier aufgewacht ... im Gegensatz zu ..." Ein Schluchzer entfuhr ihr, und ließ ihren Satz unvollendet.
Die Schüler konnten sich jedoch denken, wie ihre Worte weitergingen. „Wo sind sie? Wo ist Aizawa-Sensei?", wollte Shinsou sofort aufgebracht wissen und sah seine Lehrerin an. Er konnte hier nicht mehr rumsitzen und sich mit Fragen den Bauch durchlöchern lassen.
„Sie sind alle drei auf der Intensivstation", erklärte sie, nachdem sie sich ein wenig gefangen hatte, wagte es aber weiterhin nicht aufzusehen. Sie konnte es einfach nicht. Wie sollte sie in die Gesichter dieser Kinder sehen, die zugelassen hatten, dass Shota sich opferte? Natürlich verstand sie, wieso er es getan hatte, doch sie hatte gehofft, dass sie es nicht zulassen würden. Bisher hatten sie doch immer einen Weg gefunden, sich gegen die einfachsten Lösungen und schwierigsten Situationen zur Wehr zu setzen.
Kurz wechselten Izuku und Hitoshi einen Blick, ehe sie aus dem Zimmer stürmten. Die anderen waren nach wie vor viel zu schockiert. Nur langsam sickerte das, was passiert war, in ihre Gedanken. Aber war all das überhaupt tatsächlich passiert? Genauso plötzlich, wie sie alle verschwunden waren, wachten sie hier wieder auf. War vielleicht alles doch nur ein böser Traum gewesen? Vor allem wenn sie so lange bewusstlos gewesen sein sollen, wie der Arzt gesagt hatte. Aber wieso waren dann die Lehrer auf der Intensivstation? Vielleicht war alles nur Einbildung?
Diese Hoffnung hatten auch die beiden Jungen, die durch das Krankenhaus hetzten und die Intensivstation suchten. Doch der Anblick, der sich ihnen bot, ließ den Funken, der aufgekeimt war, sofort wieder erlöschen. Nur mit viel Überredungskunst durften sie das Krankenzimmer überhaupt betreten. Von den drei Männern, die in den Betten lagen, ging es Yagi tatsächlich am besten. Er erholte sich von der Vergiftung und hatte nur ein paar Verletzungen davongetragen. Yamada hingegen hatte eine Notoperation gerade so überstanden und befand sich langsam auf dem Weg der Besserung. Im letzten Bett, nahe dem Fenster, lag Aizawa, vollkommen blass, doch sein Brustkorb hob und senkte sich kaum merklich, was bedeutete, dass er noch lebte. Allein diese Tatsache ließ Shinsou erleichtert aufatmen. Auch Izuku war froh darüber, fragte sich jedoch, wieso sie dann dennoch plötzlich hier waren, wenn der Playmaker den Lehrer doch eigentlich hatte töten wollen und er eindeutig noch lebte.
Als hinter ihnen ein Seufzer zu vernehmen war, wandten sie sich um. Nemuri war ihnen langsam gefolgt, und lehnte nun an der Tür. „Die Ärzte haben ihr Bestes gegeben, um sich um ihn zu kümmern, allerdings geben sie ihm nur mehr wenige Tage", verriet sie den beiden Jungen und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Tatsächlich hatte Aizawa eine Gehirnerschütterung, eine Blutvergiftung und eine Menge Verletzungen davongetragen. Alles Dinge, die einfach zu heilen wären mit der Zeit, dennoch ging es ihm immer schlechter.
„Liegt es daran, dass seine Seele weg ist?", fragte Izuku und sah Hitoshi nach, der näher herantrat. „Nein, wir haben schon öfter Menschen behandelt, die meinten, ihre Seele wäre gestohlen worden", erklang es von der Tür her. Ein Arzt war neben Nemuri getreten und wollte nach den Patienten sehen. „Es wirkt eher so, als ob er den Willen zu Leben verloren hat", fügte er an, „das kommt oft vor, wenn man einiges durchgemacht hat, vor allem bei Helden. Man wird einfach müde, und möchte nicht mehr kämpfen."
Obwohl die beiden Jugendlichen kaum mehr Farbe im Gesicht hatten, wurden sie noch bleicher. „Das ist alles unsere Schuld", murmelte der grünhaarige Junge entsetzt, während er auf das leblose Gesicht seines Klassenlehrers starrte. Seit Beginn dieses Schuljahres hatte dieser Mann alles getan, um sie zu beschützen und in Sicherheit zu wissen und genau in diesem Moment, indem sie ihm ebenso zur Seite hätten stehen müssen, hatten sie versagt. Wie konnten sie mit diesem Wissen weitermachen und Helden werden?
Hitoshi, der die Hand seines Mentors drückte, nickte. Es war alles ihre Schuld. Die gesamte 1-A hatte das zu verantworten. Wie sollte er jemals in die Gesichter seiner neuen Klassenkameraden blicken, solange er das Wissen besaß, dass sie schuld daran waren, dass der Mann, der ihm den Wechsel in den Heldenkurs und die Verfolgung seines Traumes ermöglicht hatte, gestorben war. Egal, ob Aizawa sich am Ende dazu entschlossen hatte, sich zu opfern, um ihnen die Entscheidung abzunehmen, war es doch die Schuld der Heldenklasse, weil sie nichts dagegen unternommen und ihn sogar durch ihre Gedanken dazu ermutigt hatten, sein Leben aufzugeben. Shinsou selbst hatte in diesem Augenblick den Wunsch, ein Held zu werden, aufgegeben.
„Darf ich euch bitten, zurück auf eure Zimmer zu gehen? Ihr müsst die letzten Untersuchungen abwarten, bevor wir euch alle entlassen können", scheuchte der Arzt die beiden Jugendlichen aus dem Zimmer. Nur widerwillig kamen sie der Bitte nach und gesellten sich zurück zu ihren Klassenkameraden, die es nicht einmal wagten, nach dem Befinden der Lehrer zu fragen. Sie schämten sich viel zu sehr für ihr Verhalten, dem sie wohl zu verdanken hatten, dass sie am Ende freigekommen waren.
Es dauerte nicht lange, bis die Untersuchungen der Kinder abgeschlossen waren, ebenso wie eine kurze Befragung durch Polizisten, und ihre Eltern sie herzlich in ihre Arme schlossen. Scheinbar waren sie alle wirklich sehr lange bewusstlos gewesen, und man hatte sich große Sorgen gemacht. Dieser Umstand warf vor allem die Frage auf, ob sie sich tatsächlich in diesem Labyrinth befunden hatten, oder es nur ein Traum gewesen war. Tatsächlich sprach einiges dafür, aber ebenso dagegen. Die Verletzungen ihrer Lehrer jedoch sprachen für sich: Sie mussten sich dort befunden haben. Mit Sicherheit konnten sie das aber nicht bestätigen.
Dennoch stürzte sich die Presse darauf, wie Raubtiere auf ein verletztes Tier. Bereits einen Tag nach der Entlassung der Jugendlichen las man in den Schlagzeilen, dass das Drama um die bewusstlosen Schüler der 1-A endlich ein Happy End genommen hatte. Izuku konnte einem Artikel entnehmen, dass sie wohl alle in dem Freizeitpark, den sie besucht hatten, vor einer Woche bewusstlos gefunden und seither im Krankenhaus behandelt wurden. Seine Mutter erklärte ihm, dass sie krank vor Sorge war und ihn aus der UA nehmen würde, wenn es dafür keine Konsequenzen für die Verantwortlichen geben würde.
Der Besitzer des Parks, Mr. Takeshi, hatte sich bereits aus der Affäre gezogen. Als diese Tragödie passiert war, war er gerade bei einem Termin und weit weg vom Park gewesen. Natürlich bedauerte er, was passiert war, aber es war nicht seine Schuld, sondern die der Schule. Seither versuchte Nedzu die Feuer, die dadurch entfacht wurden, zu löschen. Vergebens. Die Reporter, und auch die Eltern gingen auf die Schule los, ebenso wie sie kein gutes Wort über Aizawa in den Berichten verloren. Anstatt sich auf die Suche nach den wirklichen Übeltätern zu begeben, stürzte man sich auf einen Mann, der im Sterben lag, weil man ihnen ein paar schlimme Gerüchte über ihn hatte zukommen lassen. Es war einfach, auf die Wehrlosen los zu gehen. Zumindest brachte das die bessere Story, als wenn man Geistern nachjagte, die sich Playmaker und Quartett des Bösen nannten.
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Hey ihr lieben und tollen Leser! ^__^
Schön, dass wir uns hier wiedertreffen und ihr noch weiterlesen wollt! Ihr wurdet jetzt genug auf die Folter gespannt, aber leider ist die Spannung nicht vorbei, denn jetzt beginnt das Nachspiel ... *muhahahaha*
Die Kapitel werden zwar etwas unregelmässig erscheinen, aber ich habe gestern zumindest das Ende vorgetippt und kann schonmal verraten, dass das Kapitel 65 superkitschig wird. Aber bis dahin ist es noch ein weiter und schwerer Weg :D
Liebe Grüße und vielen Dank fürs weiterlesen! Ihr seid klasse <3
LG Tina
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