Kapitel 4 - Eris schönster Tag

„Okay, habt ihr uns verstanden? Wir treffen uns zum Mittagessen im Römerrestaurant und zum Abendessen dann beim Sushipalast! Dort müsst ihr pünktlich sein, weil der Besitzer uns empfängt. Also: Habt Spaß!", verkündete Toshinori so laut er konnte, doch er bezweifelte, dass jemand ihm zugehört hatte. Auch Shota war sich sicher, dass einige der Schüler zu spät kommen würden, weswegen er den Klassensprecher anwies, alle wichtigen Informationen noch einmal an seine Mitschüler rauszuschicken, damit niemand eine Ausrede hatte. Wozu hatten sie schließlich alle ein Handy? Anstatt dämliche Selfies zu knipsen, konnten sie es auch dazu nutzen, wozu es eigentlich gedacht war und sich damit Informationen beschaffen und notieren.

Aizawa seufzte und rieb sich die Stirn, nachdem die Schülerschar um sie herum sich zerstreut hatte und die Lehrer alleine dastanden. „Gut. Nehmt ihr bis zum Mittagessen Eri? Da hinten ist ein Aussichtsturm, von wo man den besten Blick über den Park hat, von dort aus werde ich die erste Schicht der Beaufsichtigung übernehmen", erklärte er seinen Kollegen und wandte sich zu ihnen um, damit er ihnen die Liste reichen konnte, die er zusammengeschrieben hatte. Falls sie gegen den Zeitplan waren, würde er eben jede Schicht übernehmen, auch wenn er auf Hilfe gehofft hatte. Allerdings war ihm bewusst, dass seine Begleiter allesamt ein Haufen Kindsköpfe waren, die ihn für diesen Plan vermutlich nur belächelten.

Anstatt mit einem Nicken oder sonst einem Zeichen zu antworten, sahen sie ihn tatsächlich nur verständnislos an. „Du willst doch nicht ernsthaft die Zeit hier damit vergeuden, ihnen nachzuspionieren? Are you kidding me?", entfuhr es Yamada und legte ihm einen Arm um die Schulter, „nein, nein, mein Freund: Wir werden uns ebenfalls unter die Menge stürzen, my love!" Wer wollte den jetzt an Arbeit denken? Sie waren schließlich eingeladen worden, um Spaß zu haben! Den Schülern würde auf dem geschützten Gelände schon nichts zustoßen. Immerhin wusste doch kaum jemand, das sie hier waren und wer würde schon einen Freizeitpark angreifen?

Gesagt getan. Alle Proteste des Dunkelhaarigen ignorierend, schleiften Nemuri und Hizashi ihn mit sich mit, obwohl er ihnen zu erklären versuchte, was er gestern gelesen hatte. Vielleicht halfen ihm die Geistergeschichten ja nun, dass sie seine Pläne ein wenig ernster nahmen. Vor allem nach all den Katastrophen, die er bisher mit der A-Klasse durchmachen musste, wollte er sich am Ende nicht wieder vorwerfen lassen, er hätte nichts für ihre Sicherheit getan. Auch wenn er nicht wusste wieso, sah er sich hilfesuchend nach Toshinori um, der Eri auf seinen Schultern trug, die freudig alles von oben betrachtete. Allein der Anblick ihres freudigen Lächelns stimmte Aizawa doch etwas um. Immerhin wollte er Eris ersten Ausflug nicht vermiesen, und wenn die anderen sich sicher waren, dass sie nicht ständig überall ihre Augen und Ohren haben mussten, dann würde er ihnen einfach vertrauen. Bestimmt würde schon nichts passieren, wenn er die ersten Stunden des Ausflugs mit seinen Freunden verbrachte und sich von Hizashi überall hinschleifen ließ.

Seit den Angriffen und Fehlschlägen, die er mit seiner Klasse miterleben und einstecken musste, war er übervorsichtig und sorgenvoll geworden. Dieser Umstand hatte ihn letzte Nacht auch kein Auge zumachen lassen. Nach allem, was sie bisher durchgestanden hatten, sollte er jedoch auch wissen, dass sie bereits auf sich selbst achtgeben konnte, und durch die vorläufige Heldenlizenz auch nicht mehr darauf angewiesen waren, dass er ihnen eine Kampferlaubnis erteilte. Es blieb nur zu hoffen, dass sie sich dennoch verantwortungsbewusst verhielten und ihm bewiesen, dass sie alle aus der Vergangenheit gelernt hatten.

„Hey, seht euch das an!", erklang plötzlich Nemuris Stimme. Ihr Finger zeigte auf eine kleine, kindgerechte Achterbahn, deren Wagen wie Tiere gestaltet waren. „Für den Anfang ist das doch nicht schlecht, oder? Zumindest darf Eri da ohne Probleme mitfahren!" Tatsächlich standen nur Kinder in Eris Alter an, was die vier Erwachsenen allerdings nicht störte, während sie sich ebenfalls in die Schlange einreihten. Schließlich konnten sie das Mädchen nicht allein ihre erste Fahrt am Rummelplatz bestreiten lassen.

Auch wenn es wirklich sehr kindlich gestaltet war, und wohl schon Dreijährige mitfahren durften, war Eri so nervös, dass sie Shotas Hand festdrückte, als sie in einem Wagen platznahmen, der wie ein Fuchs aussah. „Keine Sorge. Die Fahrt ist ganz schnell wieder vorbei und im Notfall sind wir ja da", versicherte er ihr, während die anderen Lehrer in einem Wagen hinter ihnen platznahmen. „Dreht euch doch mal um!", rief Hizashi ihnen zu, der sofort auf den Auslöser an seinem Handy drückte, als Eri und Shota der Bitte nachkamen, „fürs Familienalbum!" Aizawa lief rot an, und ließ sein Gesicht zur Hälfte in seinem Fangtuch verschwinden. Dass ein paar Schüler ihnen von weitem zuwinkten, ließ ihn nicht weniger verlegen dreinblicken. Öffentliche Zuneigungsbekundungen waren immer noch ungewohnt für ihn, auch wenn er schon seit Jahren in dieser Beziehung steckte und den Antrag von Hizashi damals sofort angenommen hatte.

Tatsächlich war die Fahrt nicht weiter schlimm. Nur mit viel Mühe und gutem Zureden, konnte sie Eri dazu überreden, auch andere Sachen auszuprobieren, weil sie unbedingt noch eine Runde drehen wollte. Bis zum gemeinsamen Mittagessen schafften sie es, fast die Hälfte aller Fahrgeschäfte des Kinderbereichs durchzuprobieren. Auch wenn Aizawa gehofft hatte, dass er danach eine Pause einlegen konnte, wich das Mädchen jedoch nicht von seiner Seite, und wollte immer nur mit ihm alles ausprobieren oder dort einsteigen, wo er mitkam. Bald schon setzten sich Nemuri und Hizashi von ihnen ab, weil die beiden ebenso ein paar der gefährlicheren Sachen ausprobieren wollten. Toshinori zog es allerdings vor, bei dem Dunkelhaarigen und dem Kind zu bleiben. Auch wenn er so gut wie keinen Magen mehr hatte, bekam er schon beim Looping der nächsten Kinderachterbahn das Verlangen, seinen Mageninhalt in den nächsten Mülleimer zu entsorgen.

Grün um die Nase saß er auf einer Parkbank und hatte die Augen geschlossen. Eri saß neben ihm und tätschelte seinen Arm, während Aizawa etwas zu trinken holte. „Tut mir wirklich leid", entschuldigte sich das Mädchen, doch Yagi winkte ab. „Du kannst nichts dafür. Ich wusste nicht, dass mein Magen so extrem empfindlich geworden ist", erklärte er dem Mädchen und beugte sich erneut über den Mülleimer neben der Parkbank. Eher tat es ihm leid, dass er ihr den Tag so vermieste.

Stöhnend lehnte sich Toshinori zurück, als Shota zurückkehrte und ihm eine Flasche stilles Wasser reichte. „Wir sollten dich zurück ins Hotel bringen", schlug der Undergroundhero vor und musterte seinen blassen Kollegen, der nur erschöpft seinen Kopf schüttelte und auf Eri deutete. „Ihr solltet die letzten Stunden vor dem Abendessen noch nutzen", versuchte er sie zu ermutigen, ihn einfach allein sitzen zu lassen, „mir geht es schließlich ..." Eigentlich hatte er versucht, den Daumen hoch zu strecken und sein übliches Lächeln aufzusetzen, doch weil er erneut Würgen musste, blieb sein Satz unvollendet.

„Ich möchte auch lieber zurück ins Hotel. Bei der letzten Fahrt ist mein Pullover schmutzig geworden, und es wäre unhöflich so zum Abendessen zu erscheinen. Außerdem ...", wollte Eri fortfahren, doch stattdessen unterbrach sie sich selbst, indem sie langezogen gähnte und sich die Augen rieb.

„Außerdem ist da jemand müde", stellte Aizawa schmunzelnd fest und nahm die Siebenjährige hoch, „nach all der Aufregung wäre es besser, wenn Eri sich etwas ausruht." Somit gab sich auch Yagi geschlagen, und folgte den beiden zurück zum Hotel, damit auch er etwas Ruhe bekam und sich frisch machen konnte. Tatsächlich wusste Shota, dass der Vorwand mit dem Pulli nur dazu dienen sollte, dass Toshinori sich nicht schlecht fühlte, wenn sie zum Hotel zurückgingen. Denn er hatte genau gesehen, dass ihre Sachen gar nicht schmutzig geworden waren. Allerdings rechnete er es ihr hoch an, dass sie bereits selbst ihre Mitmenschen gut genug einschätzen konnte, um diese kleinen Notflügen zu benutzen, was allerdings nicht bedeutete, dass er Lügen deswegen guthieß. Da sie allerdings ebenso müde, war, war es besser, wenn sie sich kurz ausruhte, anstatt während einer Fahrt einfach einzuschlafen. Shota war nur froh, dass ihr nicht auch übel geworden war.

Auf dem Weg zurück zum Hotel trafen sie immer wieder auf ihre Schüler, die sichtlich Spaß am Ausflug hatten. Bisher schienen sie sich auch wirklich von ihrer besten Seite zu zeigen, zumindest die meisten.

„Könnt ihr diese fremden Mädchen nicht in Ruhe lassen?", hörten sie Iida hinter der nächsten Ecke mit Kaminari und Mineta schimpfen. Die beiden würden sich wohl auch nie ändern, dachte Aizawa seufzend und war froh, dass der Klassensprecher sich um diese Angelegenheit kümmerte, während er merkte, dass Eri auf seinem Arm langsam einschlief.

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