Kapitel 33 - Ängste

Es gab viele Dinge, die Hizashi in diesem Moment durch den Kopf schossen. Ein Gedanke jagte den nächsten, doch keiner davon enthielt einen Plan, um aus dieser Sache wieder rauskommen zu können. Er dachte an seine Familie, die aus seinen Eltern, Shota, Nemuri und zu einem kleinen Teil auch aus Eri bestand. Dachte an all die schönen Erlebnisse, die er gemeinsam mit seinen Freunden durchlebt hatte. An die wunderbaren Momente mit ihnen, vor allem an die Zweisamkeit mit Shota, an sein Gesicht. Sein Leben schien an seinen Augen vorbeizuziehen, während er immer wieder auszuweichen versuchte und sich letztendlich im Dreck wiederfand, mit dem Willen, schnell davon zu kriechen.

Angst war etwas Fürchterliches, das einen Menschen lähmen und handlungsunfähig machen konnte. Dabei wäre es so wichtig das Monster zu besiegen, und den Schülern zu Hilfe eilen zu können, bevor diese sich gegenseitig töteten. Doch es gab keine Möglichkeit, an der Monstrosität vor ihm vorbei zu kommen. Seine Macke konnte er nicht einsetzen, ohne Gefahr zu laufen einen bleibenden Schaden davon zu tragen und sein Lautsprecher, der ihm hätte helfen können das zu verhindern, war kaputt. Außerdem hätte er ohnehin keinen Ton hervorgebracht. Stattdessen wich er wie ein Feigling ständig aus, wenn die Spinne zustechen wollte, oder ihn mit ihren Fangarmen greifen wollte.

Auch für Nemuri war die Situation nicht einfach. Gefangen in einem festen Netz musste sie mit ansehen, wie dieses Biest Hizashi herumscheuchte, der keinerlei Möglichkeit hatte, sich zu wehren. Wie sollte man mit Nahkampftricks auch gegen eine Spinne ankommen, wenn man keine Waffe hatte? Je mehr sie jedoch herumzappelte und die Hoffnung hatte, frei zu kommen, umso enger schien das Spinnennetz zu werden. Ihr blieb also nichts anderes über, als zuzusehen, wie Yamadas Bewegungen immer langsamer wurden, wie er nach Luft rang, während er auswich. Wie er müde wurde.

Erneut sprang Hizashi zur Seite, rollte sich unter dem Stachel hinweg und wollte sich aufrappeln, als er merkte, dass sein Bein sich nicht vom Fleck rührte. Ohne es zu bemerken, hatte die Spinne ein paar Netze und Fäden verteilt, während er ihren Angriffen immer wieder ausgewichen war. Nun war er unbeabsichtigt in einem gelandet und kam nicht mehr vom Fleck. Entsetzt hob er seinen Kopf und sah, wie sich die Riesenspinne über ihm aufbäumte. Schneller, als jemand hätte reagieren können, sauste der Giftstachel der Spinne nach vorne auf ihn zu.

Sein Kopf schien plötzlich wie leer gefegt. Sein einziger Gedanke galt dem Mann den er liebte, seinen Freunden und den Schülern, die er eigentlich beschützen sollte, anstatt hier wie ein Feigling herumzuspringen. Hinter ihm konnte er Nemuri hören, die trotz ihres zugeklebten Gesichts versuchte zu schreien, obwohl man es kaum hörte.

In Momenten wie diesen hatte man oft das Gefühl, dass die Zeit langsamer laufen würde. Hizashi kam es wie eine Ewigkeit vor, in der der Stachel auf ihn zu kam. Eine Menge Zeit, um sich über eines im Klaren in zu werden: Sobald er ausgeschalten war, würde das Biest sich seine Freundin stürzen und danach die Schüler vorknöpfen. Das durfte er nicht zulassen. Nun, da er ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte, nahm er all seinen Mut zusammen und holte in den letzten Millisekunden, ehe der Stachel ihn durchbohrte, tief Luft. „AAAAAAAAAAARGH", stieß er laut aus, und aktivierte seine Macke. Die Wände, und auch der Boden um ihn herum vibrierten und zitterten.

Seine Angreiferin erwischte die Attacke unvorbereitet. Obwohl es ihr gelungen war, seinen Unterleib zu durchbohren, hatte sie keinen Zeit, diesen Triumph zu genießen, als der ohrenbetäubende Lärm ihre Umgebung zum Erzittern brachte und sie durch die Druckwellen der Voice-Macke nach hinten gedrängt und schließlich weggeschleudert wurde. Erst als Hizashi keine Luft mehr in den Lungen hatte, schloss er seine Lippen, und sank zu Boden.

Durch die Schallwellen hatte sich das Netz, das Nemuri festgehalten hatte, gelöst, sodass sie sich endlich befreien konnte. Schnell eilte sie zu den Blonden, der regungslos auf dem Boden lag, drehte ihn um und drückte ihn ein wenig an sich. Aus seinen Mundwinkeln lief Blut. Erst einen Augenblick später merkte sie, dass immer noch ein Teil des Stachels in seinem Bauch steckte. „Scheiße ...", murmelte sie leise und tätschelte sachte Hizashis Wangen, in der Hoffnung sie könnte ihn aufwecken. Doch er rührte sich nicht. „Hilfe ...", sprach sie leise, während ihre Augen sich langsam mit Tränen füllten, und sie sich zu den Schülern umwandte, die nichts von alledem mitbekommen hatten, „HILFE!"

Die Jugendlichen ließen sich jedoch nicht davon abbringen, sich gegenseitig zu bekämpfen. „HILFE!", versuchte sie es erneut, doch erfolglos. Sie ließen sich nicht von ihrer Wut aufeinander abbringen, und kämpften mit immer härteren Bandagen. Natürlich könnte sie diesen Kampf einfach beenden, doch sie fühlte sich außerstande Hizashi allein zu lassen. Sie wollte ihn nicht verlieren. Schluchzend klammerte sie sich an ihn und hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen.

„Ängste sind schon eine interessante Sache, nicht? Während man die einen mit einfachen Krabbeltieren quälen kann, hat man bei anderen mehr Spaß, wenn man sie psychisch foltert. Weißt du, seine Angst war es auch, seine Freunde zu verlieren, aber seine Insektenphobie hat sich so schön dazu geeignet, dich gleich mit zu quälen. War es schön, ihm beim Sterben zuzusehen?", säuselte plötzlich jemand neben ihr. Der Breathtaker war neben ihr in die Hocke gegangen und strich ihr sachte über die Wange, um ihre Tränen zu fühlen. „Ihr Helden seid so einfach zu besiegen. Es ist fast lächerlich", lachte er, „aber diese Energie der Angst, die ihr abstrahlt, tut wirklich gut!"

Nemuri zitterte leicht, als sie die kalten Finger auf ihrer Haut fühlte. Sie wollte seine Hand wegstoßen, doch genau in den Moment, als er fühlte, dass sie sich bewegen wollte, schlossen sich seine Finger um ihren Hals und drückten zu. „Nur leider muss man bei seelischen Foltermethoden oft beim Sterben nachhelfen", knurrte er und drückte fester zu.

Auch wenn man gerade als Frau in der Heldenbranche unzählige Kampfkurse absolviert hatte, um aus solchen Situationen entkommen zu können, schaffte Nemuri es nicht, den Griff ihres Gegners zu lockern. Stattdessen wurde ihr langsam schwindelig und ich Blick verschwamm. Er war einfach zu stark. Immer schwächer wurden ihre Versuche, sich zu wehren, ehe ihr die Kraft fehlte und sie ihre Hand nicht mehr heben konnte. Die Tatsache, dass der Blondschopf leblos und blutend vor ihr lag, ließ sie vergessen, dass sie ihre Fähigkeit einsetzen könnte.

Genau in diesem Augenblick spürte sie, wie sich etwas unter ihr bewegte. Mit letzter Kraft hatte Hizashi den abgebrochenen Stachel aus seinem Unterlaib gezogen und stach nun damit auf den Gegner ein, der schreiend Nemuri losließ. „Das werdet ihr mir büßen", verkündete er, und hielt sich die Schulter, in der nun der Stachel steckte, ehe er sich aus dem Staub machte.

„Hizashi", keuchte Nemuri und rang nach Atem, während sie auf ihren Freund hinunter sah, der versuchte tapfer zu lächeln, ehe er erneut das Bewusstsein verlor. Sie brauchte dringend etwas, um seine Wunde zu versorgen.

Nun,da der Mann weg war, schien sie endlich wieder klare Gedanken fassen zu können.Also zog sie Hizashi seine Lederjacke aus und legte seinen Kopf darauf, alswäre es ein Kissen, ehe sie sich erhob und auf die Schüler zulief. Einer vonihnen hatte in seinem Rucksack bestimmt noch einen Verbandskasten. Doch dazumusste sie erst einmal dafür sorgen, dass man ihr zuhörte. Noch ehe sie jedochetwas sagen konnte, erfasste auch sie der glutrote Blick des Schurken. „Ihrbenehmt euch alle wie bescheuerte kleine Kinder", begann sie rumzubrüllen undstürzte sich ebenso in den Kampf.

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