Kapitel 26 - Trauma
Während alle versuchten herauszufinden, welchen Gang sie nehmen sollten, blieb Shota gemeinsam mit Hitoshi im Abseits. Beide hatten auf einem großen Stein platzgenommen und beobachteten die anderen bei der Suche nach Hinweisen. Auch Eri sah ihnen dabei zu, konnte es aber nicht verhindern, immer wieder zu Shota zu sehen, dem diese Seitenblicke nicht verborgen blieben. Als ihre Augen sich trafen, zuckte das Mädchen zusammen und wollte schnell den Blick sinken lassen. „Du bist noch immer wütend auf mich", stellte Shota fest, „was durchaus verständlich ist. Ich habe dich enttäuscht und wegen mir wurdest du verletzt."
Erstaunt sah das Kind in das jüngere Gesicht des Mannes, der sie bei sich aufgenommen hatte, und dem sie bis vor kurzem auch vertraut hatte. „Ja", antwortete sie kurz, obwohl er keine Frage gestellt hatte, „aber ... irgendwie tut es mir auch leid, dass ich böse auf dich bin, aber es geht nicht anders. Du hast gelogen! Du hast gesagt man lügt nicht, und dann hast du es gemacht. Wieso?" Sie war noch so jung, um zu verstehen, wieso sie sich schuldig fühlte, nur weil sie böse auf ihn war. Durfte sie überhaupt auf einen Erwachsenen böse sein? Immerhin war sie doch nur ein Kind.
„Ich weiß es selbst nicht", gestand er, „ich dachte ich würde das Richtige tun, wenn ich allein nach einer Lösung suche. Ich wollte dich nicht verletzen. Es tut mir leid, Eri." Sein Handeln war, nun im Nachhinein betrachtet, nicht so logisch gewesen, wie er angenommen hatte. Nachdem er oft genug betont hatte, wie wichtig es war sich nicht zu trennen, war er der erste gewesen, der sich abgespalten hatte. Das war nicht wirklich schlau gewesen und hatte zudem Eri verletzt. „Kannst du mir jemals vergeben?"
„Hm ... ich denke schon", meinte sie nach ein paar Minuten des Überlegens, „geht es dir jetzt eigentlich besser? Du warst doch vorhin krank." Zuvor, als er fiebernd bewusstlos zusammengebrochen war, hatte sie sich große Sorgen gemacht, auch wenn sie zu böse gewesen war, um es laut auszusprechen. Jetzt jedoch schien es ihm besser zu gehen. Zumindest nickte Shota. „Das ist gut ... aber wieso siehst du jetzt aus wie Hitoshi, nur mit schwarzen Haaren?", fragte sie mit kindlicher Neugierde und schien ihre Enttäuschung schon wieder vergessen zu haben.
„Diese Frage kann ich leider auch nicht beantworten. Vielleicht ist das ein neuer Trick von diesem Schurken", meinte Shota, ehe er sich zu Eri hinüberlehnte, „aber ich verspreche dir, dass er dir diesmal nicht wehtun wird! Nie wieder." Dieses Versprechen entlockte ihr ein Lächeln, was Aizawa erleichtert aufatmen ließ. Zumindest schien diese Wunde langsam zu heilen.
Währenddessen schienen die anderen kein Stück weitergekommen zu sein, was Shota dazu brachte, sich zu erheben und in Erfahrung bringen wollte, woran es denn scheiterte. Kaum, als er näher an die Tunnel herantrat, und angestrengt lauschte, während die anderen neben ihn diskutierten, hatte er das Gefühl eine Stimme aus dem linken Tunnel zu hören. Wie angewurzelt stand er davor und hörte konzentriert zu.
Indes erstarrte kurz darauf Toshinori auf der rechten Seite und starrte konzentriert in den Tunnel vor sich. Hatte er da gerade etwas gehört? Es klang danach, als ob jemand seinen Namen rief. Tatsächlich kam ihm der Klang dieser Stimme bekannt vor. Dennoch könnte er sich auch irren. „Seid doch mal leise!", bat er die diskutierenden Schüler, die sofort still waren. Somit war es für Yagi einfacher zu hören, ob es nicht doch der Wind war, der so trügerisch klang.
„Toshinori! ... Toshinori, hilf mir!"
Diese Stimme ... „Meister?", rief der Blondschopf laut in den Gang, was die Schüler verwirrte Blicke austauschen ließ.
„Ja ... Toshinori ... hilf mir! Er ist zu stark ..."
Diese Worte ließen den Blonden schlucken, der sich sofort an die Jugendlichen wandte, die neben ihm standen. „Ihr hört das doch auch, oder? Wir müssen da rein und ihr helfen!", erklärte er und wollte loslaufen.
„Wir hören gar nichts! Außerdem denken wir, dass wir den mittleren Gang nehmen sollten", erklärte Shoji, der seinen Heldologielehrer am Arm festhielt. Irgendetwas an seinem Blick ließ ihn annehmen, dass Yagi jeden Moment unbedacht losstürmen könnte. „Da ist wirklich nichts", versicherte er ihm erneut und musterte ihn.
„TOSHINORI!", erklang es nun viel lauter, was den Blondschopf zusammen zucken ließ. Die Stimme klang eindeutig nach Nana Shimura, seiner ehemaligen Mentorin und sie schien Hilfe zu brauchen. Wieso seine Schüler das jedoch nicht verstanden, war ihm unklar. Konnten sie die verzweifelten Schreie denn nicht hören?
Stattdessen schienen ihre Blicke verständnislos und verwirrt. „Aber sie ...", versuchte Toshinori sie zu überzeugen und wollte losstürmen, ehe ihn die Erkenntnis packte. Diese Schreie. Niemals hätte Nana so nach ihm gerufen. Sie war immer stark gewesen, hatte immer ein Lächeln auf den Lippen gehabt. Selbst als sie gegen All for One gekämpft hatte, war es ihr wichtig gewesen, keine Schwäche zu zeigen und Yagi in Sicherheit zu wissen.
Kaum hatte er diese Gedanken zu Ende gedacht, verschwand nicht nur die Stimme, sondern ebenso der Durchgang vor ihm. Verwirrt legte er en Kopf schief und starrte auf die Steinwand. „Was war das denn?", fragte er leise, legte seine Handflächen auf den kalten Stein, nachdem Mezo in losgelassen hatte, „ich dachte, ich hätte sie gehört ..." Der Playmaker spielte wirklich gemeine Streiche.
Sofort versuchte Toshinori ein tapferes Lächeln aufzusetzen, doch er konnte nicht verhindern, dass sich Tränen in seinen Augen gesammelt hatten, als er an Nana dachte und an den Tag, an dem Gran Torino ihn aus dem Kampf gegen AFO ziehen und in Sicherheit bringen musste, während sie sich geopfert hatte. Alte Erinnerungen gegen jemanden zu verwenden, war wirklich unfair. Diese Psychospielchen waren das letzte.
Während der Blondschopf versuchte sich langsam wieder zu fangen, sich aber am Ende in einer tröstenden Umarmung von Toru wieder fand, stand Shota immer noch wie angewurzelt vor dem linken Tunneleingang und hielt die Luft an. Diese Stimme...
„Shota!", erklang es immer lauter und verzweifelter. „Hilf mir!"
Vollkommen erstarrt von dem Klang und der Reaktion, die sie in ihm auslöste, bekam Aizawa nicht mit, dass Toshinori so eben dieselbe Erfahrung durchgemacht hatte. Doch anders als sein Kollege, konnte der Dunkelhaarige sich nicht losreißen. Stattdessen starrte er weiter in den Gang, und hob den Kopf, als sich die Lichtwolke auf ihn zu bewegte und kurz über ihm kreiste. „SHOTA!", schrie die Stimme so laut und verzweifelt, dass er zusammenzuckte.
Sofort huschte die Wolke davon, zurück in den Gang. „Oboro!", schrie Shota laut aus, starrte der Wolke nach, ehe seine Beine begannen sich von allein zu bewegen und ihr nachliefen. Eine Wolke. Shirakumos Macke. Er musste ihr folgen, um zu ihm zu kommen und ihm helfen. Auch wenn etwas in ihm schrie, dass irgendetwas nicht stimmte, schaltete sein Verstand einfach ab, und überließ seinem jugendlichen Körper die Führung, der unbedingt seinem besten Freund zur Hilfe eilen wollte. Immerhin hatte die Wolke sie hierhergeführt. Sein Freund brauchte ihn!
„Nein, Shota, warte! Das ist eine Falle!", rief Toshinori ihm nach, als er bemerkte, dass auch sein jüngerer Kollege dabei war, in die Irre geführt zu werden, doch zu spät. Aizawa war längst losgesprintet und im Tunnel verschwunden.
Kurz sahen die zurückgebliebenen Schüler einander an, ehe ihr Blick zu Yagi glitt. „Wir müssen ihn aufhalten. Wer weiß, was der Playmaker vorhat", stellte dieser fest und lief ebenso los. Noch hatte er sich nicht von dem Schrecken erholt, den der Klang von Nanas Stimme in ihm ausgelöst hatte. Er konnte sich also gut vorstellen, was wohl in Shota vorgehen musste, das ihn so unvorsichtig werden ließ. Irgendetwas an der Stimme, die nach ihnen gerufen hatte, schaltete ihr Gehirn in Standby und ließ sie unbedacht handeln. Vermutlich hatte man sie deswegen in Jugendliche verwandelt, weil der Effekt dieser Falle dadurch nur größer wurde. Toshinori lief ein kalter Schauer über den Rücken, während er kurz darüber nachdachte, was ihn wohl erwartet hätte, wenn er der Stimme gefolgt wäre. Im Moment war es allerdings wichtiger, Shota einzuholen, bevor es zu spät war.
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