Kapitel 23 - Erkenntnis

Wider jeder Erwartung stimmte Aizawa tatsächlich zu, eine Pause einzulegen. Er war müde und fühlte sich außer Stande, weiter zu laufen. Schließlich war er zuvor zu seinen Schülern geeilt, um sich ihnen anzubieten, und seine letzten Kräfte hatte er letztendlich verbraucht, als der Playmaker sie erneut vor eine Aufgabe gestellt hatte. Immer wieder warf er Eri einen Blick zu, die sich immer noch an Izuku klammerte und mittlerweile eingeschlafen schien. Er würde sich wohl damit abfinden müssen, dass sie ihn, dank seiner Lüge, nun hasste.

Umso mehr war Hizashi darum bemüht, seinen Fehler wieder gut zu machen. Nur mit großer Mühe konnte Shota ihn davon abbringen, ihn auch noch zu füttern. Dafür reichten seine Kräfte schon noch. Außerdem musste der Dunkelhaarige ihm schwören, keinen Alleingang mehr zu unternehmen, ehe Yamada ihm den dünnen Ring wieder an den Finger steckte. Danach saßen sie schweigend nebeneinander angelehnt, noch immer dabei zu verarbeiten, was hier eigentlich für ein Mist ablief.

Toshinori, der bisher ebenso still geblieben war, seufzte irgendwann. „Konntest du eigentlich noch irgendetwas in Erfahrung bringen? Du kennst ja immerhin seinen Namen. Uns hat er nur erklärt, wie sehr er dich hasst und das er sich wünscht, dass einer deiner Schüler dich tötet ... was für ein nettes Kerlchen", seufzte Yagi und schüttelte den Kopf. Nicht einmal er hatte es zustande gebracht, sich solche Feinde zu machen, mit Ausnahme von All for One natürlich, aber wieso sollte gerade jemand wie Aizawa das geschafft haben? Bisher hatte er niemanden getroffen, der ein schlechtes Wort über Eraserhead verloren hätte.

Nachdenklich runzelte Aizawa die Stirn. „Er hat mir erklärt, dass ich ihn kennen müsste, weil wir uns vor sechs Jahren schon einmal begegnet sind", erinnerte er sich und kratzte sich im Nacken. Tatsächlich hatte er versucht, sich daran zu erinnern, aber er konnte das Gesicht noch immer nicht einordnen.

„Vor sechs Jahren", wiederholte Nemuri, „das passt irgendwie in unsere Tokyo-Theorie." „Hm ... eigentlich nicht? Wenn uns beiden das Gesicht auch bekannt vorkommt, kann es nicht da gewesen sein. Da waren wir zwei doch schon an der UA", warf Hizashi ein und fuhr sich durchs Haar, „oder haut das hin, dass wir ihm bei einem der letzten Fälle dort begegnet sind? Vielleicht bei der Sache mit Captain Celebrity? Aber damals kam niemand zu Schaden, was ein Gefühl von Rache erklären würde. Und die Verantwortlichen dafür sind später geschnappt worden." Allein bei dem Klang dieses Namens verzog Aizawa seine Miene.

„Von seinem Aussehen ausgehend, kann er nicht älter als Anfang bis Mitte zwanzig sein", ergriff plötzlich Tenya das Wort, „davon sechs Jahre abgezogen ... dann wäre er in unserem Alter gewesen, als Sie ihn getroffen haben, Sensei."

„Und wenn es einer unserer ehemaligen Schüler ist?", schoss es Yamada plötzlich durch den Kopf, „aber wieso würde einer davon so etwas ... das hier ist die Tat eines Schurken. Niemand, der die UA abgeschlossen hat, wurde jemals zu einem Schurken." Das war unlogisch, auch wenn Iidas Worte irgendwie Sinn machten. Ein Puzzleteil fehlte jedoch noch.

Was für Hizashi noch kein ganzes Bild ergab, ließ Aizawa bleich werden, als ihm etwas in den Sinn kam. Sofort war er auf den Beinen und entfernte sich ein paar Schritte, auch wenn es ihm viel Kraft kostete und er kaum gerade stehen konnte. Er brauchte Bewegung, um nachzudenken. Einige Schüler hatten sofort die Befürchtung, dass ihr Lehrer wieder abhauen wollte und sprangen ebenso auf, um ihn notfalls zurückzuhalten. „Was ...?", begann Toshinori fragend, „Shota?"

Mit bleicher Miene wandte er sich seinen Kollegen und Schülern zu. „Ich glaube ... ich weiß, wer er ist", flüsterte Aizawa leise. Ihm war übel. Vor allem nun, da ihm bewusst wurde, wieso sie wohl alle hier waren. Es war seine Schuld. Seine allein. Dabei hatte er nie etwas böse gemeint, oder aus Boshaftigkeit getan. „Er ist einer der ersten, die ich von der Schule geschmissen hatte, nachdem ich die Stelle angenommen habe", erklärte er, nachdem er sich wieder etwas gefangen hatte, den ratlosen Anwesenden.

„Aber du hast doch jedem immer wieder die Möglichkeit gegeben, zurückzukommen und ihnen beim Training und lernen geholfen. Es hat doch bisher jeder wieder an die UA geschafft, sogar die letzte erste Klasse, die du komplett der Schule verwiesen hattest und jetzt ist ihr Notenschnitt einer der besten seit Jahren", erinnerte sich Nemuri. Sie wusste, dass Aizawa das nur tat, um seine Schüler zu motivieren, auch wenn sie es für den falschen Weg hielt, doch bisher schien es immer gut funktioniert zu haben.

„Das stimmt, ... damals war jedoch einer dabei, der es nicht wieder zurückgeschafft hat", begann er zu erzählen, „und eigentlich hatte er mir versichert, dass es so besser wäre und ich ihm die Augen geöffnet hätte. Er wirkte nicht verärgert, sondern eher ... erleichtert ..." Er verstand also nicht, was diese Nummer hier sollte. Wieso eine ganze Klasse entführen, und das Jahre nachdem man von der Schule verwiesen wurde, obwohl man doch damit kein Problem gehabt hatte. Was hatte sich seither verändert, um seine Meinung so zu ändern?

Nun schien sich auch Hizashi daran zu erinnern. „Das war doch dieser Junge, der viel zu überheblich war, obwohl er keine wirklichen Ambitionen hatte, ein Held zu werden. Ich kann mich noch erinnern, wie er einmal im Englischunterricht den großen Macker markieren wollte ..." So ein Schüler blieb einem natürlich irgendwie in Erinnerung. Ebenso wie die Tatsache, wie einfach es gewesen war, dass ein Heldenanwärter das Interesse verloren hatte, und Aizawas Art des Ansporns eher das Gegenteil bewirkt hatte. Dabei hatte er damit gerechnet, dass dieses Schockerlebnis eines Rauswurfes den Schülern den nötigen Kick geben würde, sich zu steigern. Bei allen andere war es zumindest so gewesen, nur bei diesem einen Kerl nicht.

„Ist es nicht sehr übertrieben, sich nach all den Jahren erst an ihnen zu rächen?", merkte Mina an, „so viel Geduld hat doch niemand." „Aber es erklärt, wieso er ständig darauf beharrt, dass wir eine zu hohe Meinung von ihnen haben. Er scheint sauer wegen des Rauswurfs zu sein", meinte Momo. „Uns ist egal, was er sagt, wir halten zu ihnen, genauso wie Sie zu uns halten!", verkündete Eijiro und reckte die Faust in die Luft, woraufhin er eine Menge Zustimmung erhielt. Sie würden es mit vereinten Kräften diesem Kerl zeigen, wer hier eine falsche Meinung hatte. So einfach würden sie bestimmt nicht aufgeben und schon gar nicht zulassen, dass ihrem Lehrer, der sie bisher immer vor allem beschützt hatte, etwas zustieß. Diesmal waren sie dran, ihm zu helfen.

Seltsam gerührt von der Szenerie, wandte Shota kurz den Blick ab, damit niemand sehen konnte, dass sich Tränen in seinen Augenwinkeln gebildet hatten. Er wusste selbst nicht, wieso er so seltsam emotional auf diese Worte reagierte. Es war unlogisch und es wäre viel einfacher, wenn sie das taten, wonach der Playmaker verlangte. Irgendwie hatte er es ja wohl ohnehin verdient. Dennoch ließ es sein Herz etwas höher springen, solche Dinge zu hören, vor allem nachdem er zuvor gedacht hatte, sie würden sich längst alle darüber Gedanken machen, wie sie ihm am besten töten konnten. Außerdem hatte Bakugos Finte ihm durchaus gezeigt, dass sie auch dazu bereit waren, die Regeln des Gastgebers zu brechen und sich so zurecht zu biegen, wie sie gebraucht wurden. Hoffentlich würde dieser Einfallsreichtum sie hier alle heil rausbringen. Einen Weg musste es zumindest geben.

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