Kapitel 10 - Im Labyrinth

Stillschweigend liefen sie nebeneinander her und hielten bei Weggabelungen immer wieder inne, damit Kyoka ihre Earplugs einsetzen konnte, um zu lauschen. Auf diese Weise hofften sie, schneller zu den anderen zurückkehren zu können. Da es keinerlei Anzeichen dafür gab, welche Tageszeit gerade herrschte, verloren sie relativ rasch jegliches Zeitgefühl. Sie könnten bereits Stunden immer geradeaus laufen, ohne es zu merken, wenn nicht Mineta irgendwann plötzlich zurückgefallen wäre. „Ich kann nicht mehr", jammerte der Kleinste der Klasse, ehe er stolperte und der Länge nach hinfiel.

„Komm schon, steh auf!", versuchten Denki und Hanta ihren Klassenkameraden zu ermutigen, doch er wollte sich nicht auf die Beine ziehen lassen.

„Vielleicht sollten wir eine Pause einlegen", schlug Midoriya vor und kratzte sich am Kinn, „oder wir tragen ihn." Natürlich war der kleine Jugendliche nicht der einzige, der müde war, oder Hunger hatte. Mittlerweile waren sie alle langsam am Ende und niemand hatte das Gefühl, dass sie weit gekommen waren.

Shota hielt ebenfalls inne und wandte sich zu den Schülern um, die stehen geblieben waren. Er war ratlos, was wohl das Beste wäre. Wenn er allerdings in die müden Gesichter seiner Schüler sah, wäre eine Pause wohl kaum verkehrt, jedoch vergeudeten sie dadurch nur Zeit, die sie weiterbringen könnte. Seufzend rieb er sich die Stirn und berührte dabei unbedacht seine Platzwunde, was ihn kaum merklich zusammenzucken ließ. „Wenn ihr wollt, könnt ihr euch hier ausruhen. Ich werde weitergehen und versuchen irgendetwas in Erfahrung zu bringen", erklärte er und griff an seinen Gürtel, an dem unzählige kleine Taschen hingen. In einer davon hatte er ein paar seiner Trinkpäckchen verstaut, die er an die Kinder verteilte. „Es ist nicht viel, aber es sollte für den Moment helfen." Sie konnten sich das wenige, das sie hatten, nicht einmal irgendwie einteilen. Wenn sie nicht bald irgendwo Nahrung oder zumindest Wasser fanden, würde es schlimm aussehen.

Dankend nahmen die Schüler die Päckchen entgegen. Minoru saugte seines sofort aus, während Izuku seinen Anteil in seiner Hosentasche verstaute und sich nicht, wie die anderen, auf dem Boden niederließ. „Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern mitkommen", bat er den Lehrer und schien zu hoffen, dass er nicht nein sagte. Irgendetwas sagte ihm, dass er Aizawa nicht allein lassen sollte.

„Meinetwegen. Wenn aber Gefahr droht, kehrst du um und warnst die anderen. Verstanden, Problemkind?", verlangte Aizawa. Es war wohl sinnlos, dem Problemfall zu erklären, dass er hierbleiben sollte. Midoriya hielt sich selten an Regeln. Der Grünschopf nickte. „Gut, dann lass uns aufbrechen."

Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Immer wieder ließ er den Blick schweifen, nur um sicher zu gehen, dass sie nicht von hinten angegriffen wurden. Vielleicht hätte er die Schüler nicht allein lassen sollen, doch er wollte nicht untätig herumsitzen und darauf warten, dass seine Kopfschmerzen noch schlimmer wurden. So konnte er sich zumindest davon ablenken.

Irgendwann unterbrach Midoriya die Stille mit einer Frage, die sich Shota ebenfalls bereits gestellt hatte. „Glauben Sie, dass das von Anfang an eine Falle war?" Tatsächlich hatte Aizawa schon darüber nachgedacht. Es war ihm schon zu Beginn seltsam vorgekommen, dass jemand eine gesamte Klasse einlud und sich dann nur bei einem einzigen Abendessen blicken ließ. Vor allem wenn man einen Freizeitpark führte, über den es eine Geistergeschichte im Netz gab.

„Gut möglich", gab der Dunkelhaarige zurück und sah sich weiter um, ehe er seufzend innehielt. Falls das wirklich von vornherein der Fall gewesen war, dann würde die UA schon wieder in Diskredit fallen. Erneut hatte die Presse ein gefundenes Fressen, um ihn zu attackieren, weil er zugelassen hatte die Schüler in Gefahr zu bringen. Diesmal würde er bestimmt nicht wieder so einfach mit einer Entschuldigung davonkommen. Schon nach dem Trainingscamp war es nicht einfach gewesen, die Eltern zu besänftigen.

„Sensei?", riss Izuku ihn aus den Gedanken. Der Blick des Grünhaarigen hing besorgt an Aizawa, da er einfach stehen geblieben war.

„Wir sollten umkehren und die anderen nicht allein lassen", kam es plötzlich über Shotas Lippen. Wenn das alles hier wirklich eine Falle war, dann wäre es fatal, die Schüler allein zu lassen. Das hier wirkte alles so, als ob jemand wollte, dass sie alle voneinander getrennt waren, um sie einfacher anzugreifen. Ein dumpfes Gefühl beschlich ihn. „Sofort." Ohne dem Jungen seine Gedanken zu erklären, machte Aizawa am Absatz seiner Schuhe kehrt und lief den Weg zurück, den sie gekommen waren.

Verwundert über den plötzlichen Sinneswandel seines Lehrers sah Izuku ihm kurz hinterher, ehe er ihm nachlief. Der Weg erschien viel länger, als er ihn zuvor in Erinnerung gehabt hatte. Aizawa hatte das Gefühl, nicht schnell genug voran zu kommen. Er wusste auch nicht, weshalb er plötzlich so ein mieses Gefühl hatte, dass es Übelkeit in ihm aufsteigen ließ. Vielleicht täuschte er sich auch nur, doch diesen Gedanken hatte er im Laufe dieses Ausflugs bereits zu oft gehabt. Außer es lag an seiner Kopfverletzung, aber das schloss er sofort aus.

Tatsächlich hörten die beiden schon nach ein paar Metern lautes Gebrüll und Geschrei. Ein Blitz war vor ihnen zu erkennen, der ganz klar nach Denkis Spezialität aussah. „Fuck", fluchte Shota laut und versuchte noch schneller zu laufen. Völlig außer Atem kamen sie bei den anderen an, die ihnen bereits entgegen kamen, dicht gefolgt von seltsamen großen Gestalten, die so aussahen als wären sie aus Lehm oder Erde gemacht worden. „Bringt euch in Sicherheit", wies er die Schüler an, ehe er sein Fangtuch vom Hals riss und es auf die Kreaturen warf und seine Macke aktivierte, die allerdings keine Wirkung zeigte.

Das erste Wesen zerbröselte sofort, nachdem das Tuch sich um es gewickelt hatte, und Aizawa es zu sich ziehen wollte. Ohne sich davon aufhalten zu lassen, sprang er weiter, verpasste einer weiteren Kreatur einen Tritt, während er erneut seine Fangwaffe auf das nächste Ding warf. Es dauerte keine fünf Minuten, bis die zehn Wesen, die seine Schüler überrascht hatten, als Staubhaufen vor ihm lagen.

„Ist jemand verletzt worden?", fragte er in die Runde und versuchte nicht außer Atem zu klingen, während er sein Fangtuch wieder aufwickelte.

„Nein, wir haben uns nur erschreckt und Denki hat seine Macke auf die Dinger losgelassen, die allerdings unbeeindruckt waren", erklärte Hanta und sah zu seinem Klassenkameraden, der es wieder einmal geschafft hatte, sein Gehirn mit einer zu hohen Voltzahl außer Kraft zu setzen und daher hilflos von den anderen mitgeschleift werden musste.

„Gut ... die Pause ist zu Ende!", verkündete Shota daraufhin und scheuchte die Jugendlichen weiter. „Aber Sensei, Sie sollten sich ein wenig ausruhen", merkte Jiro an, doch Aizawa winkte ab. Dafür blieb keine Zeit. Sie durften keine weiteren Pausen mehr einlegen, solange sie nicht wussten, was sonst noch hier lauerte. Außerdem pumpte nach dem Kampf genug Adrenalin durch seine Adern, um dafür zu sorgen, dass er nicht stillhalten konnte.

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