2- Ein Rundgang durch das Kloster
2-Ein Rundgang durch das Kloster
Nach dem Frühstück führte Bruder Paulus Endres durch das Kloster, während Lorentz unbedingt Bruder Vallentin in der Brauerei zuschauen wollte.
Der dicke Mönch hatte schwer geseufzt, als Lorentz seinen Vorschlag verkündete. Dem Mönch stand also ein harter Tag bevor. "Keine Angst", sagte Bruder Paulus. "Bruder Vallentin kriegt das schon hin. Auch wenn er mürrisch ist, mag er Kinder."
Endres nickte. Die anderen Mönche waren ebenfalls an ihre Arbeit gegangen. "Als was arbeitet Ihr eigentlich?", fragte Endres. Als Paulus keine Antwort gab, verbesserte er sich: "Was arbeitest du eigentlich?"
"Im Kräutergarten oder in der Apotheke. Da ist aber zum Großteil nichts zu tun, also helfe ich auch im Obst- und Gemüsegarten", antwortete Paulus. Neben dem Gebäude, in dem die kleinen Zimmer, der Speisesaal und die Küche lagen, stand die Kirche.
Bruder Paulus und Endres gingen hinein. Sie war im Inneren sehr prunkvoll geschmückt. Auf dem Altar lag eine Bibel. Sie war aufgeschlagen und zeigte die saubere Schrift und die verzierten Seiten. Das Papier raschelte, als Bruder Paulus umblätterte. Eine Seite war schöner als die vorergehende.
"Bruder Maximilian kann wirklich gut zeichnen", sagte er. "Bruder Jechlin steht den ganzen Tag in der Schreibstube und schreibt wertvolle Bücher ab. Wenn eines fertig ist, nach vielen Monaten, illustriert es Bruder Maximilian. Soll ich dir die Schreibstube einmal zeigen?" "Gerne", sagte Endres.
Bruder Paulus ging bereits nach draußen und Endres folgte ihm schnell. Die Schreibstube war zu dieser Tageszeit noch sehr düster, deswegen brannten überall Kerzen. Sie war nicht sehr groß, in einer Ecke standen Regale mit Büchern, die bereits fertig geschrieben waren.
Bruder Maximilian und Bruder Jechlin konzentrierten sich so sehr auf ihre Arbeit, dass sie Endres und Paulus nicht bemerkten. Die Federn kratzen auf dem Papier und ab und zu tauchte der Mönch sie in das kleine Tintenfass, das oberhalb des Pultes stand.Endres sah fasziniert zu.
Paulus räusperte sich und Bruder Maximilian blickte auf. "Hallo, was führt euch zu uns?", fragte Moritz. "Ich zeige Endres gerade das Kloster und da kommen wir um euch natürlich nicht herum, oder?"
„Dauert es lange, so ein Buch abzuschreiben?", platze es aus Endres heraus. Moritz lachte. „Oh ja, es dauert sehr lange. Du kannst ruhig herkommen und es dir genauer ansehen."
Endres trat an das Pult, auf dem das Buch lag. Bruder Moritz's Schrift war sauber und ordentlich, sodass Endres sie problemlos erkennen konnte. Einige Worte konnte er lesen, schreiben konnte er auch ein wenig. „Das ist eine Bibel, oder?", fragte er. „Genau", sagte Bruder Moritz erstaunt. „Du kannst lesen?" „Ja, mein Vater hat es mir beigebracht", meinte Endres. „Aber viel ist es nicht."
„Trotzdem ist es toll. Nicht viele können das. Worauf haben dein Vater und du denn geschrieben? Hattet ihr Pergament? Oder etwas Anderes?" „Wir haben es mit kleinen Ästen in den Sand geritzt", antwortete Endres. „Interessant", murmelte Moritz. „Vielleicht können wir uns später noch einmal darüber unterhalten, ich muss jetzt weiterschreiben. Es dauert manchmal Jahre ein Buch abzuschreiben. Und der Lehnsherr möchte die Bibel möglichst bald haben."
Endres seufzte. Der schon wieder! Gab es keine anderen Menschen auf der Welt? Kurz darauf kratzte wieder die Feder über das Papier und Moritz nahm Endres und Bruder Paulus wahrscheinlich gar nicht mehr wahr.
„Komm, wir gehen weiter", flüsterte Paulus. „Vielleicht sind ja Bruder Auberlin und Wibalt bei den Tieren." „Ihr habt Tiere?", fragte Endres. „Ja, vier Schafe, ein Pferd, zwei Kühe, sechs Schweine, drei Ziegen und mindestens zehn Hühner. Ich weiß, es ist nicht viel, aber wir brauchen auch nicht so viel."
„Habt ihr auch Felder, wo ihr Getreide anbaut?", wollte Endres wissen. „Ja, ein paar", antwortete Paulus. „Sie liegen nicht weit von hier entfernt. Morgen gehen wieder fast alle dorthin. Denn allein ist die Arbeit nicht zu schaffen." „Was heißt ‚fast alle'?", fragte Endres. „Bruder Sewolt bleibt hier. Er ist der, der die Klosterschätze beaufsichtigt. Nur er weiß, wo der Schlüssel zum Zugang der Schatzkammer ist."
Endres wollte fragen, was für Schätze das denn waren, aber irgendwie traute er sich nicht. Schätze waren geheim und wenn nur einer der Mönche wusste, wo der Schlüssel zur Schatzkammer aufbewahrt wurde, musste es ein besonders wertvoller Schatz sein. Also beschloss Endres nicht weiter zu fragen. Dennoch fragte er sich, warum ausgerechnet Bruder Sewolt diese Person sein sollte.
Es war der Mönch, der seit der Ankunft von Lorentz und Endres kein freundliches Wort zu den beiden gesagt hatte. Wenn sie am Tisch saßen, musterte er sie grimmig und wenn Lorentz etwas sagte, stöhnte er vernehmlich und sah weg, als wäre es ihm peinlich. Auch sonst benahm er sich ziemlich seltsam.
Den ganzen Tag blieb er in der Kirche und kam nur zu den Mahlzeiten einmal heraus. Was er da nur trieb? Vielleicht war er deshalb so blass und schlecht gelaunt, weil er den ganzen Tag in der Kirche verbrachte.
Der Stall lag nun direkt vor ihnen. Es war eine kleine Scheune mit schiefen Wänden und einem Dach, das sicherlich schon bessere Zeiten gesehen hatte. Links und dahinter befand sich eine von einem Holzzaun umgebene Grasfläche, auf der die Tiere weideten.
Die Hühner pickten in ihrem Bereich der Weide ein paar Körner auf. Um eine kleine Pfütze standen drei kleine, gelbe, flauschige Küken. Eine Kuh muhte.
Im Stall lagerte Stroh, das von Bruder Auberlin verteilt wurde. Wibalt molk gerade eine der Kühe. Durch die Ritzen und Löcher in den Holzwänden fielen Sonnenstrahlen auf den Boden. Endres musste niesen.
„Ach, was führt euch beide denn hier her?", Bruder Auberlin sah auf. „Ich zeige Endres nur gerade das Kloster", erklärte Bruder Paulus. „Ist bei euch in der Zwischenzeit irgendwas Nennenswertes passiert?" „Ja, eine der Kühe scheint krank zu sein. Seit ein paar Tagen gibt sie keine Milch mehr und will nicht mehr fressen. Kannst du sie dir dann mal ansehen?" „Mach' ich", versprach Paulus. „Wir werden schon das richtige Kraut finden."
Endres versuchte sich zu erinnern, welche Kräuter Helena in solchen Fällen verwendet hatte. Auch im Dorf konnte es vorkommen, dass Tiere krank wurden. Meistens hatte Helena ihnen helfen können.
„Gegen Appetitlosigkeit könnte Anis helfen, oder?", fragte er. Bruder Paulus sah ihn erstaunt an. „Du hast recht, Junge", meinte er. „Dann werden wir einen kurzen Abstecher in die Küche machen und dann zeige ich dir noch die Gärten." Bruder Auberlin ging wieder an seine Arbeit und Paulus und Endres weiter zur Küche.
Dort roch es nach frischgebackenem Brot. Bruder Linhart, Caspar, Siman und Clewiz liefen umher. Caspar schnippelte Gemüse klein, während Siman einen Topf über die Feuerstelle hing und Wasser hineinkippte.
„Was kocht ihr denn Feines?", fragte Bruder Paulus. „Heute gibt es eine Gemüsesuppe", erklärte Linhart, der gerade das nächste Brot in den Ofen schob. „Oh, da wird Bruder Vallentin aber begeistert sein", grinste Paulus. „Er wird es überleben", meinte Clewiz trocken. „Außerdem wollte er doch abnehmen", sagte Siman. „Er wollte von nun an immer nur zwei Mal Nachschlag holen." Endres lachte.
„Wer will nur zwei Mal Nachschlag holen?", fragte in dem Moment eine Stimme. Bruder Vallentin kam mit Lorentz aus der Brauerrei. Die Mönche guckten schnell woanders hin und taten als hätte niemand etwas gesagt.
„Gut", meinte Vallentin beleidigt. „Ich wollte euch nur sagen, dass ich zu den Feldern gehe, um zu kontrollieren, der Weizen auch gut gewachsen ist. Wenn ich wiederkomme möchte ich ein schönes Mittagessen auf dem Tisch sehen. Ach ja, könntet ihr mal eben auf den Jungen hier aufpassen?"
Er verschwand wieder, um das Pferd zu holen. Als er außer Hörweite war, brachen alle in schallendes Gelächter aus.
***
„Hm. Hier riecht es gut", sagte Endres. „Wie viele Kräuter baust du denn an?" „Viele", antwortete Paulus. „Mal sehen, ob wir Anis finden." Auf den Beeten wuchsen die Kräuter an manchen Stellen so wild durcheinander, dass man nicht erkennen konnte, was welches Kraut war.
Aber Endres fand schnell Anis, sogar einen großen Zweig. Hier wuchsen alle die Kräuter, die auch Helena angebaut hatte. Für einen kurzen Moment dachte er, dass er wieder im Garten seiner Mutter war. „Ist irgendwas?", fragte Bruder Paulus.
„Äh, was?", verwirrt sah Endres auf. „Was war?" „Ich fragte, ob dich etwas bedrückt", sagte Bruder Paulus. „Nun ja", meinte Endres. „Ich denke, dass wir euch hier zur Last fallen. Lorentz hängt die ganze Zeit an Bruder Vallentin, dass er schon ganz genervt ist.Ihr müsst für uns mit kochen und... ."
„Jetzt hör aber auf", sagte Bruder Paulus. „So, wie du denkst, ist das nicht. Wir freuen uns, dass ihr da seid. Und um Bruder Vallentin brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen. Er hatte Lorentz schneller ins Herz geschlossen als du denkst. Er zeigt es nur nicht."
Kurz schwiegen die beiden. „Ich habe eine Idee", sagte Bruder Paulus. Er hockte sich ins Gras.„Wir machen eine Art Kräuterrätsel." Zögernd setzte sich Endres. Bruder Paulus hielt eine Pflanze hoch. „Das ist Pfefferminze, hilft bei Grippen, Erkältungen und Schnupfen, außerdem beliebt in der Küche", sagte Endres ohne nachzudenken. „War auch einfach", fügte er hinzu und setzte sich auf einen großen Stein. „Ach, sag bloß", meinte Paulus. „Und die hier?"
„Rosmarin", antwortete Endres. „Zu verwenden bei Kopfschmerzen, zur Stärkung von Herz und Kreislauf." Bruder Paulus nickte anerkennend. „Was hältst du davon, wenn ich dir hier in den Gärten helfe?", fragte Endres plötzlich.
Die Idee war ihm auf einmal gekommen und er hatte sie gestellt, ohne vorher nachzudenken. Paulus dachte kurz nach. „Klar, warum nicht? Ich kann hier immer Hilfe gebrauchen. Vielleicht kommst du dir dann auch nicht so nutzlos vor."
„Danke", sagte Endres und grinste. Plötzlich kam vom Tor ein lauter Aufschrei von Bruder Wibalt. „Brüder, kommt schnell!", rief er.
Sofort sprangen Endres und Paulus auf, um nachzusehen was los war. Auch von den Ställen und aus der Küche kamen Auberlin, Moritz, Jechlin, Linhart, Caspar, Siman und Clewiz angerannt.
Siman hatte Lorentz im Schlepptau, der sich verwundert umsah, warum denn auf einmal alle wir die aufgescheuchten Hühner herumliefen. Nur Bruder Sewolt ließ sich nicht blicken, dabei wusste Endres genau, dass er wieder in der Kirche hockte. Er war wirklich ein komischer Kauz.
„Was ist passiert?", fragte Paulus, als fast alle am Tor angekommen waren.
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