32. Beorns Haus

Die nächsten Tage verliefen leider ähnlich. Immer wieder durchbrach das schaurige Heulen der Warge die Stille, wir duckten uns panisch hinter irgendwelche Felsen und versuchten so unauffällig wie möglich unterwegs zu sein. So unauffällig wie man als Gemeinschaft aus 13 Zwergen, einem Hobbit, einem Zauberer und drei Mädchen – davon zwei im Schlafanzug – nur sein konnte.

Gandalf hatte Bilbo zu unserem Spion auserkoren, der immer wieder möglichst unauffälliig nach Orks und Wargen Ausschau hielt.

Gerade spähte er mal wieder die Gegend für uns aus, wir anderen warteten in einer Felsausbuchtung auf seinen Bericht. Die Stimmung war angespannt, nicht einmal Fili oder Kili erzählten ab und zu einen Witz. Ich hoffte, dass wir bald bei Beorn ankommen würden. Eine ruhige Nacht abseits von düsteren Bedrohungen würde uns allen mal wieder gut tun. Ich traute mich nicht einmal mehr, mit meinen Freundinnen zu reden – zu schwer lastete die ständige Anspannung auf uns.

Bilbo kam außer Atem angerannt.

„Und? Was gibt's?", flüsterte ich, „Wie nah ist die Meute?"

Der Hobbit antwortete keuchend: „Ich habe einen Bär gesehen, er schien die Orks genauso zu verabscheuen wie wir, denn er sah ihnen nach und brüllte ohrenbetäubend. Und was die Meute angeht... zu nah. Ein paar Wegstunden, mehr nicht. Aber es kommt noch schlimmer."

Auch wenn es kaum möglich erschien – sofort wurde die Stimmung noch angespannter und jeder malte sich sein persönliches Horrorszenario aus.

„Haben die Warge uns gewittert?", fragte Dwalin alarmiert und Gandalf rief besorgt: „Wurdest du gesehen?"

„Nein, das ist es nicht", erwiderte Bilbo und schüttelte den Kopf. Daraufhin lächelte Gandalf zufrieden und stellte mit einer nicht unbeachtlichen Portion Stolz in der Stimme fest: „Ah! Was habe ich euch gesagt? Mucksmäuschenstill."

Nun hagelte es erst mal eine Runde Lob für unseren Hobbit.

„Einem Meisterdieb angemessen", meinte Gandalf, „Hervorragend", freute sich Kili und Yara grinste: „Ein richtiger Macher!"

Doch Bilbo konnte sich nicht recht über die Lorbeeren freuen, er rang verzweifelt die Hände und rief: „Würdet ihr bitte mal zuhören?"

Wir verstummten augenblicklich und starrten ihn verwirrt an.

„Ich versuche euch zu sagen, dass da oben noch etwas anderes ist!"

„Was?", tat ich überrascht und blickte ebenso unruhig und besorgt um mich wie die Zwerge, „Etwa etwas noch schlimmeres als Orks oder Warge? Sowas gibt's?"

Nur Gandalf blieb ruhig und fragte: „Sprichts du von dem Bären, der den Orks nachbrüllte?"

Aha. Wusste ich's doch. Die erholsame Nacht rückte näher, würde ich sagen.

„J.. J, ja. Aber er war viel... größer als ein gewöhnlicher Bä . Viel größer!", stimmte der Hobbit eingeschüchtert zu. Gandalf nickte zufrieden. 

Bofur rief empört: „Ihr wusstet von dieser Bestie?"

Der Zauberer reagierte nicht, und der Zwerg fuhr erbost fort: „Ich sage, wir machen kehrt!"

„Um von Orks geschnappt zu werden?", keifte Thorin, und es keimten erneut Unruhe und Gemurmel auf und mal wieder fühlte ich mich in einen Familienurlaub zurückversetzt, wenn wir mal wieder keinen Parkplatz fanden oder jemand Hunger hatte.

Einzig und allein Gandalf blieb cool. Aber er war halt auch Gandalf.

Es gibt ein Haus", erklärte er, „Es ist nicht weit von hier und dort könnten wir Zuflucht suchen."

„Wessen Haus? Freund oder Feind?", wollte Thorin misstrauisch wissen.

„Weder noch", erwiderte der Zauberer, „ Er wird uns helfen oder uns umbringen."

Wow. Das klang ja wirklich vielversprechend.

„Quasi russisch Roulette", murmelte ich, „Oder Pest oder Cholera."

Alle Augen ruhten auf Thorin, dem Chef der ganzen Unternehmung. Er schien nachzudenken, dann fragte er mit einem Unterton in der Stimme, als wüsste er die Antwort bereits: „Haben wir eine Wahl?"

Wie auf Kommando ertönte wieder das ohrenbetäubende Brüllen des Bären, und Gandalf antwortete: „Nein."

Das war dann der Startschuss für den nächsten Wettlauf. Wir rannten los. Durch einen Fluss, über eine Wiese. Dank der Filme wusste ich zu gut, dass die Orks und Warge gerade durch einen Wald ritten und uns gefährlich nahe waren.

„Lauft!", schrie Gandalf passenderweise, und ich versuchte wie zu oft in letzter Zeit noch einmal alles aus mir herauszuholen. Die Pferde, die wir aus Bruchtal mitgebracht hatten, hatten sich leider irgendwann geweigert weiterzugehen und wir hatten sie noch vor unserem Wiedersehen mit den Zwergen laufen lassen müssen. Was würde ich jetzt für einen fahrbaren, äh, reitbaren Untersatz geben! Wenn ich das nächste mal die Chance hätte, nach Mittelerde zu reisen würde ich im Auto schlafen. Dann könnte ich entspannt mit 100 Stundenkilometern durch die Landschaft brettern und ganz nebenbei die Orks und Warge oder was auch immer über den Haufen fahren. Die Vorstellung hatte was.

Unser Ford Fiesta stand nun aber leider vor unserem Haus in Bamberg und hier in Mittelerde musste ich laufen. 

Ich bekam kaum noch Luft und fühlte mich, als müsste ich gleich kotzen. Aber immerhin – ich schaffte es Bilbo zu überholen.

'Bei einem Angriff durch einen Bär, Warg oder Ork musste man nicht schneller als der Angreifer sein – man musste nur schneller als der Langsamste in der Gruppe sein', schoss es mir bitterböse durch den Kopf. Den Gedanken hatte offensichtlich auch Bombur. Denn nun geschah das, was ich die ganze Zeit schon befürchtet hatte – ich wurde von dem stattlichen Zwerg mit der lustigen Flechtfrisur überholt.

„Das ist peinlich", hörte ich Anna ächzen, und Yara nickte zustimmend.

„Lauft, lauft!", brüllte nun Thorin, und endlich erschien Beorns Haus vor uns. Jeder rannte noch einmal schneller und meine Sportlehrerin, Frau Schwarz, hätte unseren „Teamspirit" gelobt – alle feuerten sich gegenseitig an. Das Haus, das von einer hohen Hecke umgeben war, kam immer näher, und nun war ich mir sicher – ich hatte eben einen olympischen Rekord aufgestellt! So schnell zu rennen war definitiv nicht normal.

„Mach die Tür auf!", keuchte ich, als die ersten Zwerge bereits angekommen und gegen die verschlossene Tür geprallt waren. Nun hatte auch ich – kurz vor Bilbo – das Haus erreicht. Ich konnte kaum atmen und stolperte den schmalen Weg auf die Eingangstür zu. Nur der Gedanke, dass der überdimensionale Bär bald hier sein würde, trieb mich noch vorwärts. Nachdem Thorin den Riegel geöffnet hatte und alle anderen hineingeströmt waren, hechteten auch Bilbo und ich über die Schwelle.

„Macht sie zu!", rief Thorin und ich knallte eilig mit Hilfe von Oin und Gloin die schwere Holztür zu.

Draußen versuchte etwas, ins Haus einzudringen – das musste Beorn sein.

„Helft uns!", quetschte ich hervor, er hatte die Tür bereits ein Stück aufgeschoben. Die anderen halfen uns, die Tür zuzuschieben und nach bangen Minuten gelang es uns endlich, die Bärenschnauze zurückzudrängen. Dann schob ich den Riegel vor und ließ mich atemlos zu Boden sinken.

Auch die anderen schnauften schwer und versuchten, wieder zu Atem zu kommen. Irgendwann ächzte Ori: „Was ist das?"

Gandalf seufzte und sagte dann: „Das ist unser Gastgeber."

Ja, damit hat jetzt niemand gerechnet. Alle starrten ihn erstaunt an, auch wir Fangirls natürlich, ein bisschen Tarnung musste ja dennoch sein.

„Sein Name ist Beorn", fuhr der Zauberer fort, „Er ist ein Hautwechsler. Manchmal ist er ein riesiger schwarzer Bär, manchmal ein großer starker Mensch. Etwa so ähnlich wie ein Animagus, von dem ihr sicher in Hogwarts schon gelernt habt. Der Bär ist unberechenbar, aber dem Menschen ist mit Vernunft beizukommen. Jedoch schätzt er Zwerge nicht übermäßig."

Ori spähte durch den Türspalt und wisperte: „Er verschwindet.", wurde jedoch prompt von Dori zurückgezogen.

„Komm weg von der Tür!", flüsterte er besorgt, „Das ist nicht natürlich! Nichts davon! Es ist offensichtlich. Ein dunkler Fluch liegt auf ihm!"

„Nicht natürlich", brummte Yara, „dass ich nicht lache. Ihr wollt einen Berg zurückerobern, der von einem fucking Drachen besetzt ist! Wir wurden fast von Trollen gegrillt, von Wargen und Orks zerfleischt und ein Hautwechsler ist nicht natürlich?"

Auch Gandalf hielt wohl nichts von Hautwechslershaming, denn er fuhr Dori genervt an: „Sei nicht töricht! Der Zauber ist ein Teil von ihm. Nun denn, legt euch alle schlafen. Hier seid ihr heute Nacht sicher!"

„Ein Glück, endlich mal wieder ausschlafen", seufzte Yara und ließ sich in einer Ecke zu Boden, „gute Nacht allerseits!"

Ich tat es ihr gleich und seufzte erleichtert. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass ich ein Stückchen Steinboden in einer solchen Hütte bequem finden könnte. So streckte ich mich aus, schloss die Augen und kuschelte mich in meine Sweatshirtjacke

Das von Gandalf leise gemurmelte „Hoffe ich jedenfalls" überhörte ich dabei geflissentlich. 


Neues Update :D Ich wollte mich nochmal für die vielen lieben Geburtstagswünsche gestern bedanken, ihr seid so toll <3 das hat mir den Tag echt verschönert ❤❤❤

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