30. Azog ist in echt noch gruseliger als in 3D

Eigentlich wollten uns die Zwerge von den Begebenheiten bei den Goblins erzählen, doch ehe wir es uns bequem gemacht hatten und ich zur Feier des Tages eine Tafel Schokolade herumgeben konnte, ertönte schon wieder das schauerliche Heulen der Warge.

„Scheiße!", brüllte Yara, „Wir müssen weg! Sofort!"

Das ließen wir uns nicht zweimal sagen, wir spurteten los, so schnell wir konnten. Mal wieder verfluchte ich mich dafür, dass ich schon vor zehn Jahren Leichtathletik aufgeben und zum Schwimmen übergegangen war. Meine nicht üblen Schwimmskills brachten mir hier ja leider gar nichts...

So kam es, dass ich mit Bilbo und Gloin das Schlusslicht bildete, während meine Freundinnen und Kili, Fili und Thorin schon fast aus meiner Sichtweite verschwunden war.

Ich schnappte panisch nach Luft, hinter mir heulten die Warge gefährlich nah und ich spürte schon den Anflug eines Seitenstechens. Scheiße, scheiße, scheiße. Ich hätte Sport das letzte Halbjahr nicht so oft schwänzen sollen!

Ich riskierte es, mich für einen kurzen Moment umzudrehen und blieb fast vor Schreck stehen. Ein zähnefletschender Warg starrte mich aus riesigen gelben Augen an, Sabber lief sein Maul hinab. Oh Gott, der glotze mich so an wie ich das Essen, das langsam in der Mikrowelle warm wurde...

„Weiterlaufen! Los!", spornte Dwalin Bilbo und mich an. Der Hobbit war nun etwas weiter hinter mich zurückgefallen. Wie es aussah, würde er die Vorspeise ergeben und ich den Hauptgang.

Eines der Monster hatte den Hobbit erreicht und holte mit einer seiner monströsen Pranken aus. Wenn ich nicht wüsste, was nun geschehen würde, hätte ich auf der Stelle einen Herzinfarkt bekommen und Bilbo eine gute Reise ins Jenseits gewünscht.

Denn der Warg warf ihn um, es sah für einen winzigen Moment so aus, als würde er ihn zerfleischen. Doch der Hobbit reagierte geistesgegenwärtig, zückte sein Schwert und in der nächsten Sekunde hatte er das Biest schon aufgespießt.

Nun hatten auch die anderen Zwerge ihre Waffen ergriffen und versuchten, so viele Feinde wie möglich niederzumetzeln, ohne selbst abgeschlachtet zu werden.

Kili nahm es mit zwei Wargen gleichzeitig auf, und er wäre sicher in Schwierigkeiten geraten, wenn Yara sich nicht von hinten angeschlichen hätte und einem der beiden Angreifer eine mit ihrem Schwert übergezogen hätte, das sie damals in der Höhle hatte mitgehen lassen.

Blut spritzte, der Warg jaulte auf.

Im nächsten Moment schlug Kili ihm den Kopf ab und das Jaulen erstarb. Nun war es Yara, die kreischte, denn der Kopf war wie ein Geschoss durch die Gegend katapultiert worden und volle Kanne gegen ihren Oberkörper geflogen. Das ehemals weiße Puma-T-Shirt hatte nun einen fetten, roten Fleck.

„Tut mir leid!", keuchte Kili und tötete auch den anderen Warg. Mit angewidertem Gesicht stolperte meine Freundin weiter, wir anderen rannten ebenfalls weiter.

Es kamen einfach zu viele Warge angerast, als dass wir es mit allen von ihnen aufnehmen konnten. So feige es vielleicht wirkte, aber Flucht war unsere einzige Möglichkeit.

Bilbo hatte mühsam sein Schwert aus dem Warg gezogen, es war blutgetränkt.

Zu meinem Schrecken stellte ich fest, dass die anderen wie angewurzelt stehen geblieben waren. Als ich sie – keuchend und von heftigem Seitenstechen geplagt – erreichte, erkannte ich auch wieso. Vor uns tat sich ein steiler Abgrund auf, den wir nie und nimmer überwinden konnten.

„Verdammt!", fluchte Dwalin, „Die Warge und Orks haben uns fast eingeholt!"

Wir sahen uns panisch um, gerade als mein Blick auf die Kiefern fiel, die den Abhang säumte, brüllte Gandalf auch schon: „Rauf, auf die Bäume! Alle! Sofort! Los! Klettert! Bilbo, kletter rauf!"

Wir folgten seinem Befehl ohne zu zögern, und mal wieder lobte ich meine Eltern dafür, dass sie mir als Kind nie verboten hatten, auf dem Spielplatz auf die hohen Bäume zu klettern. Ich hatte doch gewusst, dass mir das noch irgendwann von Nutzen sein würde!

So hockte ich mit meinen Freundinnen in der Spitze einer gewaltigen Kiefer und klammerte mich dort oben fest wie ein Äffchen. Jetzt hatte es auch das Schlusslicht Bilbo geschafft, auf einen der Bäume zu klettern.

„Sie kommen!" , keuchte Thorin, und im nächsten Moment hatten auch die Orks und Warge die Lichtung erreicht. Die Tiere krochen knurrend um die Bäume herum und mal wieder schlug mein Herz fast Saltos. Spätestens wenn ich aufs Klo musste, würde es hier verdammt unbequem werden!

Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie Gandalf eine Motte fing und ihr etwas zuflüsterte, ehe sie wieder davon flog.

„Haltet durch Brüder!", machte uns Gloin Mut, „Und Schwestern natürlich auch!"

Dafür erschien nun Azog persönlich am Abhang. Mir lief eine Gänsehaut über die Arme, als ich das Monster dort unten sah. Er war schon im 3D-Kino verdammt gruselig, aber jetzt – nur knapp Zehn Meter von mir entfernt, lebendig - hatte ich noch einmal mehr Angst vor ihm.

Auch die anderen fürchteten sich offensichtlich vor dem Oberork, keiner sagte einen Ton.

Nur Thorin stieß ein „Azog!" hervor. Seine Stimme war voller Hass und wenn Blicke töten könnten, wäre Azog augenblicklich in die Hölle befördert worden. Aber das konnten sie ja leider noch nicht.

Der Ork schnupperte und knurrte dann etwas auf orkisch, das ich leider nicht konnte. Das fehlte eindeutig in der Schule! Elbisch oder orkisch, damit man sich in Mittelerde wenigstens verständigen konnte!

„Er sagt Riecht ihr das? Den Geruch der Angst? Ich erinnere mich, dein Vater roch danach, Thorin, Sohn des Thráin'", wisperte Anna mit zitternder Stimme, die fast alle Sätze der Filmreihen auswendig mitsprechen konnte.

Nun deutete Azog mit seiner Keule auf Thorin und brüllte. Dieses mal wusste sogar ich, was das auf deutsch übersetzt bedeutete. „Der da gehört mir. Tötet die anderen!"

Die Warge taten wie ihnen befohlen und begannen, die Bäume hochzuspringen. Ich kreischte erschrocken auf, als sich einer beinahe in meinen Schuh verbiss.

„Ihhh, verpisst euch, ihr Kackviecher!", brüllte ich und griff mir mein Schwert, um wie wild auf die Biester einzuprügeln. Einen erwischte ich sogar, die anderen waren leider zu wendig für meine bescheidenen Kampfkünste.

Auch die Zwerge schienen ihre Probleme zu haben, einige schrien um Hilfe – wer sollte sie hier bitte hören? -, während andere sich gegenseitig ermunterten.

Leider waren die Bäume hier nicht sonderlich stabil, sie schwankten bedrohlich und einzelne kippten bereits um. Oh verdammt!

„Er fällt! Er fällt!", brüllte Dwalin voller Angst. Einzig und allein der Baum, auf dem meine Freundinnen und ich kauerten und der ganz am Rand der Schlucht stand, blieb halbwegs im Boden verwurzelt. Deshalb sprangen alle anderen ebenfalls zu uns. Ich klammerte mich ängstlich am Baumstamm fest, rechnete jeden Moment damit, samt Baum hinab in die dunkle Schlucht zu stürzen und damit das Ende der Trilogie nach nicht mal einem Teil zu erleben.

Doch oh Wunder – der Baum blieb stehen. Er schwankte zwar bedrohlich und Anna verlor eine Packung Taschentücher – aber das war auch der einzige Verlust.

Mein Atem ging immer noch stoßweise, und Azog lachte böse.

„Was machen wir jetzt?". Jammerte Oin, doch da kam Anna mal wieder ein rettender Gedanke. Sie zog ihr Feuerzeug aus der Hosentasche, das sie – seitdem sie mit 12 mit dem Rauchen begonnen hatte, wovon sie allerdings dringend abriet und wofür sie sich heute auch ziemlich schämte – immer bei sich trug.

Damit setzte sie einen der Kiefernzapfen, die hier überall herumhingen, in Brand und schleuderte ihn zu Boden.

Auch Gandalf entzündete einige Zapfen und schmiss sie hinterher. Innerhalb von Sekunden brannte eine Feuerwand hoch.

Wir taten es den beiden gleich und befeuerten die Warge mit brennenden Zapfen. Die Tiere, die getroffen wurden, jaulten erbärmlich. Es roch nach brennendem Fleisch – fast wie in unserer Dönberbude – und die Biester wichen verschreckt zurück.

Die Zwerge jubelten und ich war kurz davor miteinzustimmen, doch dann fiel mir ein, was nun geschehen würde. Der Baum. Er würde umkippen.

In der nächsten Sekunde trat genau das ein. Die Zwerge schrien auf, als die Kiefer langsam kippte. Ich klammerte mich mal wieder panisch am Stamm fest, betete, dass alles so eintreten würde wie in den Filmen. Und das tat es auch. Der Baum blieb horizontal hängen und ich fest an meinem Platz im Baum.

Doch nicht alle hatten so viel Glück. Ori fiel und konnte sich nur noch an Doris Fuß festklammern. Daraufhin rutschte Dori ab und schrie angstvoll: „Herr Gandalf! Hilfe!"

Im nächsten Moment stürzte er in die Tiefe. Gandalf konnte ihm gerade noch seinen Stab hinstrecken, der Zwerg klammerte sich daran fest und stieß atemlos hervor: „Halt dich fest, Ori!"

„Was machen wir jetzt?", fragte Bilbo mit einem Anflug von Verzweiflung in der Stimme.

„Keine Ahnung", krächzte ich, doch da fiel mein Blick auf Thorin. Der Zwergenkönig sah Azog an. Dann stand er auf und stürmte auf ihn zu.

Fassungslos starrten wir die beiden Erzfeinde an. Das war jetzt nicht Thorins Ernst. Er wollte es allein mit dem Monster aufnehmen!

„Der Junge ist wahnsinnig, das schafft er nie!", stöhnte Balin.

Azog sprang mit seinem Warg auf Thorin, der sofort zu Boden ging. Mein Herz pochte wie verrückt. Wir mussten Thorin helfen, sonst war er verloren! Doch ich konnte mich vor Schreck kaum rühren und stellte fest, dass es den anderen auch so ging.

Der Ork griff erneut an, sein Keulenhieb beförderte den Zwergenkönig wieder zu Boden. Doch Thorin war zäh. Er gab nicht auf, kämpfte weiter, ging wieder zu Boden. Ich sah, dass bereits Blut über sein Gesicht tropfte und er offensichtlich Schmerzen hatte. Azog war beinahe unverletzt.

„Nein!", schrie Balin, als Azogs Warg den König mit seinen Zähnen packte, worauf dieser vor Schmerzen schrie.

„Thorin!", brüllte Dwalin, versuchte aufzustehen, doch der Ast brach unter dem Gewicht des muskulösen Zwergs ab.

Thorin schaffte es inzwischen, dem Warg aufs Maul zu schlagen, doch davon ließ dieser sich wenig beeindrucken. Er schleuderte Thorin wie ein Hundespielzeug durch die Gegend. Mit einem ekelhaften Geräusch klatschte der Zwergenkönig gegen einen Felsen, worauf die Zwerge kollektiv aufstöhnten.

Ein Ork, der Azog begleitet hatte, legte nun seine Klinge an Thorins Hals. Der versuchte, sich sein Schwert zu schnappen, doch ohne Erfolg.

Dafür zog Bilbo neben mir sein Schwert. Es lag Angst in seinem Blick, doch auch Entschlossenheit.

„Alles muss man selber machen", murmelte er mehr zu sich selbst und sprang dann vom Baum. Ich staunte, wie tapfer der Hobbit kämpfen konnte. Er warf sich gegen den Ork, dieser stürzte zu Boden und ohne mit der Wimper zu zucken erstach Bilbo Beutlin das Monster. Todesmutig stellte er sich Azog, den anderen Orks und den Wargen in den Weg. Wow, er war echt ein Held.

„Ach scheiße, wenn Bilbo so mutig ist, schaffen wir das auch!", rief nun Yara und folgte unserem Held des Abends. Auch einige der Zwerge rissen sich nun zusammen und stürzten sich in den Kampf. Ich umklammerte das Schwert so gut es ging und versuchte mir einfach vorzustellen, dass ich mich gerade in einem unfassbar realistischen Computerspiel befand.

Ich biss also die Zähne zusammen und stach mehr oder weniger blind auf alles ein, was mir in die Quere kam und größer als ein Zwerg war. Nicht, dass ich noch aus Versehen Fili oder Kili abstach. Oder noch schlimmer, eine meiner beiden Freundinnen.

Ich sah, wie Bilbo sich erneut in den Kampf stürzte und von Azogs Warg zu Boden geworfen wurde. Neben mir versuchte Yara einen Ork abzuschlachten, was ihr nur mehr oder weniger gelang, eben hatte ihr das Biest sogar eine ihrer langen dunklen Locken abgeschlagen. Ein paar Zentimeter weiter und es wäre ihr Ohr gewesen.

In diesem Moment fiel mein Blick auf die Motte. Sie war wieder da! Das bedeutete... 

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