26 - Das alles entscheidende Match

Shivan steckte sich den fertigen Joint zwischen die Lippen und suchte in seinem Rucksack nach einem Feuerzeug.

Thorben streckte sich zu seinem Schreibtisch und nahm dort eines aus seiner Schublade.

„Nimm das", sagte er und hielt es Shivan hin.

„Danke."

Shivan zündete den Joint an und inhalierte. Die Glut an der Spitze der Zigarette glomm auf und feiner Rauch stieg zur Decke. Shivan führte den Joint wieder von den Lippen weg und reichte ihn an Thorben weiter, ehe er den Rauch auspustete.

Ich beobachtete Thorben, wie auch er den Joint zwischen die Lippen klemmte, zog und ihn anschließend mir hinhielt.

„Auch?", fragte er und hielt mir das Mundstück hin. Rauch entwich aus seinen Lungen, als er sprach.

„Ich kann's ja mal versuchen", murmelte ich und schloss meine Finger um das schmale, zerbrechlich wirkende Papierröllchen.

„Du musst wirklich nicht", erinnerte Shivan mich. Ich spürte seinen Blick auf mir ruhen, war aber zu sehr damit beschäftigt, den Joint nicht versehentlich zu zerbrechen.

„Ich möchte aber", sagte ich und führte ihn an die Lippen. Vorsichtig atmete ich ein. Ein süßlicher Geschmack nach Kräutern erfüllte meinen Mund, der Rauch kratzte in meinem Hals und ein drückendes Gefühl breitete sich in meinem Brustkorb aus. Hustend platzte der Rauch wieder aus meinen Lungen. Ich spürte, wie Shivan mir den Joint aus den Fingern nahm, während ich nach Luft rang.

„Geht's?", fragte er.

„Geht schon", hustete ich und nahm einen tiefen Atemzug. Ich brauchte ein paar Augenblicke, um wieder klarzukommen. Als ich mich endlich beruhigt hatte, standen mir sogar die Tränen in den Augen.

„Mit ein bisschen Übung wird's besser", sagte Thorben, bei dem der Joint inzwischen angekommen war.

„Wieder gut?", fragte Shivan. Er legte mir eine Hand auf die Schulter und schaute mir mit einem leichten Lächeln ins Gesicht.

„Ich hab sowas noch nie gemacht", erklärte ich mich und meine Wangen wurden heiß.

„Mach dir keinen Kopf, war bei mir beim ersten Mal nicht anders", grinste Shivan. Er drückte meine Schulter und nahm seine Hand dann wieder weg.

Thorben hielt mir erneut den Joint hin.

„Noch ein Versuch?", fragte er und ich nickte. Erneut schloss ich Daumen und Zeigefinger um das Papier, führte es an die Lippen und zog.

Hustete.

„Das wird", munterte Thorben mich erneut auf.

Die beiden öffneten sich ein Bier, tranken und rauchten. Einmal kam der Joint noch zu mir, einmal probierte ich es noch und wieder hustete ich.

„Ich mach später noch einen", grinste Shivan und stand dann auf, um das Lied zu wechseln.

Ich blieb vorerst bei Sprite. Heute Abend auch noch zum ersten Mal Bier trinken erschien mir nicht die beste Idee.

Thorben war wirklich ziemlich cool und mit dem Voranschreiten der Zeit fühlte ich mich immer wohler in seinem Zimmer, in dem die Pflanzen den ganzen Rauch zu schlucken und frische Luft zu produzieren schienen. Die beiden scherzten und ich lachte mit ihnen, wir unterhielten uns über alles Mögliche, auch Games. Ein Thema, über das ich stundenlang reden könnte, ohne dass mir der Gesprächsstoff ausging.

Shivan machte sich in ähnlicher Art über Thorbens Fähigkeiten lustig, wie ich es bei Syl immer tat und bald saßen wir zu dritt vor dessen Computerbildschirm, an den auch seine xBox angeschlossen war. Mit zwei Controllern, von denen einer dank eines Wackelkontakts alle zwei Minuten ausging und neu gestartet werden musste, zockten wir COD im Splitscreen gegeneinander. Verlierer gegen Verlierer, weil Shivan ein Problem mit übermäßigem Ehrgeiz hatte.

„Warum sollten wir dann überhaupt noch versuchen zu gewinnen?", fragte Thorben lachend.

„Sollst du ja gar nicht", meinte Shivan und schaute ihn tadelnd an.

„Ach nein?"

„Nein, es geht darum gut zu spielen. Weil's Spaß macht."

„Du bist bescheuert!"

Thorben lachte lauter.

„Von einem moralischen Standpunkt aus gesehen ist es auch viel besser, nicht um des Sieges willen zu spielen", führte Shivan seine Lehrstunde fort und Thorben kriegte sich kaum noch ein.

„Das ist ein verdammtes Kriegsspiel, du Idiot, was für Moral?", gackerte er und brachte damit auch mich dazu laut loszulachen.

„Fick dich!", lachte Shivan und verschränkte mit einem gespielten Schmollen die Arme vor der Brust. Lange hielt er diese Grimasse allerdings nicht durch, unser Lachen war zu ansteckend.

Den Regeln zufolge hätte Thorben nach den ersten Runden gegen sich selbst spielen müssen, denn er verlor sowohl gegen Shivan wie auch gegen mich. Er probierte es aus, befand es allerdings für ziemlich langweilig seinen einen Soldaten in einem guten Versteck zu platzieren, ihn mit dem anderen zu suchen, versehentlich ins falsche Haus zu laufen, das richtige zu finden und den Camper zu killen. So kam es, dass die beiden Gewinner sich in einem alles entscheidenden Match gegenüberstanden.

Shivan gegen mich.

MissMolotov gegen your_mother.

„Auf diesen Tag hab' ich schon gewartet", verkündete Shivan mit verheißungsvoller Stimme. Er kniff die Augen zusammen wie ein Cowboy und hielt seinen Controller mit abgespreizten Armen neben seine Hüfte wie ein Colt.

„Heute entscheidet sich wer von uns der Bessere ist", stimmte ich zu und kniff ebenfalls die Augen zusammen. Rümpfte die Nase und nickte ihm in einer schnellen Bewegung zu, meinen Controller hielt ich genau wie er an meine Hüfte.

„Bereit?", fragte Thorben, der in unserer Mitte auf seinem Drehstuhl saß. Er schaute mich an, dann Shivan. „Los!"

Blitzschnell hoben wir unsere Controller an und drehte uns zum Bildschirm, auf dem unsere Soldaten bereit standen. Im Stehen bewegten wir sie durch die unübersichtliche Map, meine ganze Konzentration galt dem Bildschirm. Das Zimmer verschwand, Thorben verschwand, Shivan verschwand. Auf mein Gehör konnte ich mich nicht verlassen. Im Splitscreen war es unmöglich auszumachen, wenn sich mir Schritte näherten, also war mein Blick umso wichtiger. Keine Regung in der Map entging mir. Lange passierte nichts, ich streifte durch menschenleere Straßenzüge. Eine Geisterstadt, ausgerottet vom Krieg. Dann ertönte ein ohrenbetäubender Knall und mein Soldat sackte in sich zusammen.

Shivan grinste.

Verdammt, der erste Kill ging an ihn.

„Das war erst der Anfang", verkündete ich durch zusammengebissenen Zähne.

„Der Anfang meines Triumphs", stellte Shivan klar.

Er killte mich nochmal.

Und nochmal.

Dann aber starb er fünfmal durch meine Hand, mir fehlte noch ein Kill. Sechs war die magische Zahl. Sechs Kills bestimmten den Sieger. Hatte Thorben ausgewählt, weil Sechs und Sex so ähnlich klangen. Ein Humor, bei dem ich noch nicht angelangt war, aber Shivan hatte gelacht.

Ein Kill noch.

„Es ist einsam an der Spitze", flüsterte Shivan, dann fiel mein Soldat von dem Balkon, auf den ich einen Blick gewagt hatte.

Egal, er brauchte immer noch zwei und ich nur einen.

„Das holst du nicht mehr auf!", war ich mir sicher.

„Das glaubst auch nur du", grinste Shivan und ehe ich mich versah ließ mein Soldat sein Leben, weil er in Shivans Miene getreten war und wurde schließlich erschossen, als ich ihn in geduckter Haltung ganz vorsichtig aus einer Hintertür einen Hinterhof betreten ließ.

„Gefickt, Bitch!", lachte Shivan, warf mich mit dem Controller ab und machte einen Satz auf die Couch, wo er auf dem Polster herumsprang.

„Er ist echt kein guter Gewinner", seufzte Thorben und schüttelte theatralisch den Kopf, während Shivan schon wieder auf mich zuhüpfte.

„Gutes Spiel, war echt knapp", grinste er, schlug seine Faust gegen die Hand, in der ich immer noch den Controller hielt und umarmte mich dann.

„Du hattest bloß Glück", erwiderte ich mit einem Lächeln, während ich seine Umarmung erwiderte.

„Können, reines Können, ich hab's dir gesagt", stellte Shivan klar.

Er roch nach Räucherstäbchen und Gras. Frisch und exotisch.

„Habt ihr jetzt genug gekuschelt da?", lachte Thorben und Shivan drückte mich nochmal, ehe wir uns voneinander lösten.

„Zeit für den Siegerjoint", grinste er, schmiss sich wieder auf die Couch und baute den nächsten.

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