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Iiron brachte sie nun wieder ins Landesinnere hinein, zurück zu der Felsenformation, wohin sie schon einmal vor dem Stamm geflohen waren, ganz in der Nähe des Badeteiches.
Sie stieg von seinem Rücken hinab und wartete dann immer noch leicht zitternd, bis er sich wieder in die Menschengestalt zurückverwandelt hatte.
Ihr war nun doch etwas mulmig zumute.
Sie sah zudem so selten, wie Iiron sich in den Menschen zurückverwandelte und dabei einfach so in sich zusammenschmolz ... mit nur noch diesem leichten Feuerglühen um seinen eben noch gewaltigen Körper herum, verpackten die Drachen diese, wie auch ihre langen Flügel und Schwänze in jene winzigen, menschlichen Hüllen hinein ... wow.
Wie Origami war das ...aus einem gewaltig großen Wesen ... nur wesentlich schneller und ohne dabei etwas zu falten.
Doch Iiron schien dabei zumindest nicht wieder so heiß zu brennen wie schon einmal bei seinem Wandel neulich ... war das erst gestern gewesen?
Oder vorgestern? Vorvorgestern...?!
Oh, es war so viel passiert.
Ja, schon wieder.
Sie kam da gedanklich schon lange nicht mehr mit.
Doch jetzt und hier besann sie sich auf die Gegenwart und versuchte alles was gerade erst gewesen war schleunigst zu verdrängen.
Ja... in eine Schublade zu stopfen und diese dann zuzuwerfen.
Iiron hatte sich diesmal kalt verwandelt, denn er strahlte keine Hitze ab. Und zuletzt war er auch nur wieder der attraktive, menschlich aussehende Iiron, dessen Augen nur noch mal leuchtend hell erglühten derweil er sich kurz streckte und seinen Kopf und Hals dann stirnrunzelnd reckte, so als wäre seine nun zu kleine Gestalt gerade ein klein wenig unbequem für ihn.
War es vielleicht sogar auch.
Ganz sicher sogar...
Schon trat er langsam zu ihr hin und reichte ihr ernsthaft blickend seine nun wieder normal warme Hand.
Hm... vermutlich, weil sie gerade schon wieder mal wie Espenlaub zitterte.
Die Sache da am Strand und im Wasser hatte sie wirklich sehr mitgenommen. Und zugleich schämt sie sich nun aber auch ein bisschen.
Weil sie versagt hatte ... mit dem anpassen an diese beängstigende Welt.
Tja, ... lieber nicht so viel darüber nachdenken, oder?
Ja, war vermutlich klüger, alles erst mal zu verdrängen. Sie war nun so müde ... und hungrig auch.
„Kati!", berührte Iiron ihre Hand schließlich hauchleicht und sie schlang sofort ihre Finger um die seinen herum und lächelte kläglich vor sich hin, jedoch, ohne ihn dabei anzuschauen.
Sie fühlte sich gerade irgendwie sehr seltsam. Fast schon surreal...
„Du ... bist echt ein total klasse Gefährte, weißt du das eigentlich? Ich kenne ja echt nicht viele Typen, die nur für ein Mädchen gleich mit zwei Stämmen brechen würden, mich einfach so verteidigen, gegen alle anderen, gegen diese Drachen und sogar die Anführer und ältesten, die nun schon wieder komplett alle gegen mich sind und denken ich sei gewalttätig ..."
„Das ist doch keine Frage ... Ich stehe natürlich zu dir und ich war doch auch selbst mit dabei!
Die Immanida waren nicht friedlich.
Ja, sie haben dich sogar verstümmelt, Kati! Sie haben dir dein wundervolles Haar kurz abgeschnitten, und der Clan tut nichts dagegen, sondern gibt nur dir allein die Schuld.
Das ist auch für mich nicht hinnehmbar! Also sprich nun nicht so, als hättest du genau das eigentlich auch so von mir erwartet, Kati, ebenso kläglich zu versagen wie der Rest des Clans. Das beleidigt meine Ehre!", stellte er überaus ernsthaft fest und sie lief nun noch viel beschämter hochrot an... bevor sie einfach sang und klanglos zu Boden ging und da erst zu schluchzen begann.
Haltlos und total irre.
Doch Iiron war da.
Er hatte sie sogar noch halb aufgefangen und war dann zusammen mit ihr zu Boden gegangen, um sie nun einfach fest an sich zu ziehen.
„So... fies... Wasser... Nixen ... so... Angst...", schnief-schluchzte sie abgehackt und klammerte sich dann wieder fest an seinen Hals, ganz wie eine irre Ertrinkende.
Gott wie jämmerlich.
Aber sie konnte einfach nicht mehr aufhören zu heulen ... oder zu zittern, sich zu fürchten, was nun weiter passieren würde.
Sie hatte es doch eben noch verdrängen wollen, Verdammt. Also warum ging das nun nicht? Warum hieß es gerade über all dies hinaus auch noch Wasser Marsch und losheulen wie blöde?
Warum konnte sie sich einfach nicht mehr kontrollieren?
Gott... Hör auf, hör auf, hör auf!!!, herrschte sie sich im Gedanken selbst an, doch das machte es nur noch schlimmer. Sie weinte noch herzzerreißender, war fix und fertig.
Doch dieser mächtig gut aussehende, attraktive Drache, der nun ihr Gefährte war, hielt sie einfach nur in seinen Armen und auf seinem Schoß, streichelte ihr über das immer noch fest verknotete Haar und den Rücken, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, sie so vollkommen out of Order zu erleben.
Und ihn, ausgerechnet ihn, hatten die dunklen Drachen schlecht genannt?
Der Umstand ließ sie noch viel heftiger weinen. Noch mehr.
Ja...
Viel mehr.
Oh Gott...!
Sie bekam schließlich sogar Schluckauf davon. Ging es eigentlich noch peinlicher?
Ja, dachte, sie bei sich, sie war vollkommen würdelos, rückgratlos, feige und zudem auch noch ein jämmerlicher Angsthase geworden.
Doch er hielt sie einfach nur schweigend in den Armen, so unglaublich geduldig, ruhig, wieder ganz der Fels in der Brandung, bis ihr Schluchzen endlich wieder leiser wurde, ihre Schnieflaute abgehackt, und sie sich schließlich erschöpft an ihn anlehnte.
Erst jetzt schob er seine Arme unter ihrem Rücken und ihren Knien hindurch und stand mit ihr in den Armen auf.
Oh...
Er trug sie mal wieder hinunter zum Badeteich.
Doch dort dann tatsächlich einfach am Wasser vorbei und in den Dschungel hinein.
Er lief flink und blickte immer wieder abschätzig nach oben oder spähte zwischen die Bäume, übersprang mit ihr sogar auch noch einen Bachlauf, der von einem Wasserfall gespeist wurde, der wiederum wie eine natürliche Dusche aussah und durchbrach dann gleich dahinter einen dichten Vorhang aus Schlingpflanzen und wild blühenden Rankengewächsen, um sie in eine wohl geheime Höhle im Felsen hinein zu tragen, die recht klein, dunkel und kalt auf sie wirkte. Doch auch wenn sie hier drin zunächst nicht gut sehen konnte, weil sie aus dem Zwielicht der Dämmerung ins Dunkle eingetreten waren, Iiron konnte das gerade ganz sicher.
Er war ein super Drache, nein er war ganz einfach Superman ... in Blond ... und dazu noch so sexy wie ein hochbezahltes Männer-Model. Naja, bis auf die rote Farbe und den schwarzen Strich im Gesicht. Aber seine Augen waren und blieben immer noch der Hammer.
Einfach unvorstellbar schön und ausdrucksstark.
Sie hätte ihn nun gerne wieder angesehen und sich davon beruhigen lassen, doch es war immer noch zu dunkel dazu und er trug sie einfach weiter einen schmalen Gang entlang. Also ... zumindest für einen Drachen schmal. Für einen Menschen nicht.
Und als er sie schließlich mal wieder auf einem Fell-Lager absetzte, dass hier tatsächlich schon so existierte, war ihr auch ganz schnell klar, dass das hier dann wohl seine Höhle sein musste.
- Sein geheimer Zufluchtsort!?
Wow...
Das er so was überhaupt gebraucht hatte verriet ihr eine ganze Menge über die hiesigen Zustände gegenüber den angeblich so geehrten Himmelskindern.
Iiron musste lange Zeit so furchtbar einsam und allein gewesen sein ...
Sie hatte da doch zumindest ihn gehabt, der sie gleich von Anfang an unterstützte und zu ihr hielt. So wie jetzt auch schon wieder, da seine Hände einmal mehr beruhigend über ihren Rücken und Kopf strichen, dabei aber tatsächlich den festen Knoten am Hinterkopf lösten und nur einzig den Kurzen geflochtenen Zopf in ihrem nun wieder lose herabfallenden Haar beließen.
Sachte strich er ihr noch einmal über den Scheitel und atmete schwer aus und dann wieder tief ein.
„Warte kurz hier, ich hohle rasch Holz für ein wärmendes Feuer und auch noch etwas Nahrung für dich. Dann kannst du ausruhen. Der Stamm kennt diese Höhle nicht, da ich sie selbst gegraben habe und ich habe soeben sehr aufgepasst, dass uns niemand hierher hat gehen sehen.", sagte er noch beruhigend zu ihr und sie nickte nur wieder leise schniefend zu ihm auf.
Schon war er verschwunden.
Derweil saß Kati nun immer noch klamm und nun sogar auch kalt fühlend auf den Fellen und blickte wieder zu dem dichten grünen Vorhang am Eingang der Höhle hinüber.
Das letzte Tageslicht der bereits untergegangenen Sonne schickte noch einzelne Lichtfetzen hinein, doch ihre Augen gewöhnen sich nun zum Glück rasch an die hier bereits vorherrschende Dunkelheit. Vor allem als sie die Augen kurz schloss, sich sammelte... und sie dann erst wieder öffnete.
Die Höhle ging hinten raus, noch viel weiter, und auch einige Felsenstufen abwärts, viel ihr jetzt erst auf. Aber da unten war es nun wirklich Stockduster.
Etwas beängstigend fand sie...
Da kehrte Iiron schon wieder zurück und stapelte rasch Holz in einem unauffälligen Steinring vor dem Lager auf, entzündete es mit nur einem lodernden Blick seiner Augen... Oder waren es seine Finger gewesen, die er so zum Glühen und dann entflammen gebracht hatte?
- Ach egal.
Schon setzte er sich ihr gegenüber hin und begann einen kleinen Beutel, den er wohl aus langem Gras geflochten haben musste auszupacken und dann mit dem ihr immer noch unbekannten Obst und Wurzelgemüse zu hantieren.
„Hier!", reichte er ihr dann eine geschälte Frucht zu und Kati griff sofort hungrig danach.
Ihr Magen knurrte hörbar laut. Und Iirons Blick verfinsterte sich einmal mehr.
„Danke.", sagte Kati schließlich nachdem sie zwei Spalten der wie auch immer heißenden Frucht hinunter geschlungen hatte und aß dann ihm zuliebe wieder langsamer weiter.
„Tu das nicht! Bedanke dich nicht, denn dies hier war meine bereits versäumte Pflicht. Ich habe schon wieder so viele Fehler gemacht und nicht gut auf dich geachtet.
Du ruhst dich kaum einmal aus, erlebst viel zu viel Furcht und Gewalt und bist ständig hungrig, weil ich doch immerzu auf andere vertraute, die es mir versprachen dir genügend Nahrung zu geben. Doch das taten sie nicht, ... oder zumindest nicht genug.
Du kannst ihnen auch nicht sofort in allem vertrauen. Und ich verstehe den Grund dafür jetzt noch besser als zuvor", sagte er stirnrunzelnd und Kati kaute und schluckte die dritte Obstspalte zu ende, bevor sie leise seufzte.
„Die Sache mit Beziehungen bei Menschen ist die, dass sie einem Fremden eben nicht sofort vertrauen können. Es ist ganz egal, um wen es sich dabei auch immer handelt. Wenn sie fremd sind, dann sind sie anders. Und alles, was anders ist, wird zuerst misstrauisch oder abwartend oder zurückhaltend beäugt. Selbst, wenn sie noch so sehr Lächeln, ... es erreicht ihre Augen nicht, und kann auch noch gar nicht von Herzen kommen.
Man kann es also nur versuchen, sich näher kennen zu lernen und sollte sich damit vielleicht auch mal gelegentlich etwas Zeit lassen.
Aber hier bei euch wird mir gar keine Zeit gelassen, Iiron. Sie überfahren mich einfach. Sie fordern, Sie verlangen. Jetzt sofort und auf der Stelle, soll ich dies und das mitmachen.
Dabei möchte ich selbst eigentlich nur mal gerne irgendwo sitzen, mir alles in Ruhe ansehen, und auch generell mal etwas mehr für mich sein können.
Auch wenn ich natürlich verstehe, dass das hier nicht so Sitte oder Brauch ist.
Ich glaube, dir haben sie am Anfang vermutlich auch keine Zeit dazu gelassen, einfach hier anzukommen und dich umzusehen. Ich bin total überfordert mit alldem hier und das schürt meiner Angst davor entweder Fehler zu machen oder solche vorgeworfen zu bekommen, die in meinen Augen aber gar keine Fehler sind.
Doch unser Verhalten bestimmt gerade dass ihre.
Und ihr Verhalten bestimmt ebenso dass unsere.
Meine Mutter hat immer gesagt, wenn dein gegenüber nicht vollkommen offen und ehrlich mit dir ist, kannst du es auch nicht sein. Aber selbst wenn der Fremde vollkommen offen und ehrlich ist, weißt du es nicht, ob er es auch tatsächlich ist oder ob er es nur so vorspielt. Denn du kennst ihn ja noch gar nicht", flüsterte sie niedergeschlagen.
Iiron runzelte prompt noch mehr die Stirn.
„Also... Möchtest du jetzt damit sagen, dass du mir misstraust ... und auch meinen Absichten?", fragte er sie bestürzt.
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