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„Kati.", brachte sich Iiron schließlich wieder in Erinnerung und berührte sachte ihr Haar.
Sie drehte sich wieder verwirrt und verzweifelt schluchzend zu ihm um und ließ den Kopf dann aber sofort wieder sinken, wobei sie ihr Gesicht erneut in den Händen vergrub, laut aufschluchzte und dann erneut an ihm vorbei rannte, aber diesmal nur ein paar Meter weit, bis zu einem umgestürzten Baum. Dort setzte sie sich heftig schniefend und zittrig nach Luft schnappend in eine Ausbuchtung, die wie ein Sitz aussah. Über ihr war der Himmel hier auch noch etwas frei also starrte sie nur erneut hinauf und rief ganz laut „MAMA!" hinauf, obwohl sie wusste, dass es nichts nutzen konnte. Ihre Eltern waren wirklich ganz woanders hingekommen, wie auch Gina ihr Schwester.
Einfach jeder den sie je gekannt hatte war nun fort.
Tränen liefen ihr wieder und wieder übers Gesicht und sie fühlte sich einsam, ... ja! Einsam und seltsam leer, während sie immer noch nach oben blickte und die Hände faltete, weil sie zu Gott beten wollte. Er sollte sie bitte zu ihren Eltern zurückbringen... oder zumindest in den anderen Himmel und nicht hierher, wo sie doch gar niemanden kannte und auch keiner sie kannte. Doch außer dem einen geschluchzten Wort „Gott...!", kam ihr nichts mehr über die Lippen als noch weitere heftige Schluchzer und schnieflaute.
Also blickte sie nur wieder hinauf, weil sie wissen wollte ob es nicht doch sein konnte das sie den Absturz wie durch ein Wunder überlebt hatte.
Wenn sie wenigstens ein paar Flugzeugstreifen am Himmel entdecken könnte...
Doch der war nur ganz wunderbar klar und blau und weit und leer.
Sie sah nirgends eine Spur von moderner Zivilisation, keine noch so kleine Kondesstreifen, welche echte Flugzeuge am Himmel hinterlassen würden.
Also nein ... sie war nicht mehr am Leben, nicht mehr in ihrer Welt. Da konnte sie nun rufen und beten so viel sie nur wollte, sie konnte nicht mehr zurück gehen.
Dies war nun ein ganz neues Leben in einer neuen Existenz in einem Paralleluniversum oder so ähnlich, in das sie hier hinein gestürzt war. Und so war das nun also wohl ihr Schicksal, ganz ohne die, die sie liebte weiter zu existieren?
War ihre Seele denn so anders oder schlechter als die ihrer Familie gewesen? Oder kam man generell immer ganz woanders hin und auch ihre Mutter rief nun irgendwo völlig verzweifelt nach ihren Kindern... und Gina nach Papa und ihr und Papa nach Agnes, seiner Frau und seinen Töchtern?
War Gott denn wirklich so grausam oder war es ihm nur schlicht scheißegal, wem er da nun Schmerz und Kummer zufügte?
Wieder schniefte sie bei dem fiesen Gedanken, zittrig und abgehackt nach Luft schnappend, bevor sie nur wieder still und unglücklich zum Himmel hinauf starrte und sich dann ganz allmählich wieder beruhigte.
Iiron war zwischendurch still davon gegangen. Sie hatte ihn ja schließlich auch weggeschickt.
Er verstand sie ja auch gar nicht, aber wie sollte er das auch? Er sprach ja nicht ihre Sprache.
Aber er hatte seine eigene gesprochen. Und diese musste sie nun also wohl erst mal lernen.
Nun gut...
Wenn es gar nicht anders ging... ?! Sie versuchte sich wieder an die Vokabeln zu erinnern und schloss kurz angestrengt die Augen.
Nagru marie - Wie heißt du/Wer bist du;
harrukra marre - hast du Hunger oder aber hat hunger; weil er Kati harrukra mare gesagt hatte also Kati hat hunger ... oder ... Kati will was essen? Schließlich hatte er daraufhin was zu essen für sie bekommen.
Lurrak hieß gebratenes Fleisch. Oder es war eine Tierart von der das Fleisch war? Kein Geflügel, etwas anderes, dachte sie kurz bei sich
Bayija hieß das Schneewittchen, Iiron der blonde starke junge Mann.
Und N'ka - das hieß wohl nein oder nicht...
Dann hatte er noch was anderes zu ihr und den Leuten gesagt aber das hatte sie nicht verstanden. Ja, sie hatte ihm heute deutlich mehr erklärt als er ihr. Wasser und Saft und Durst und Hunger.
Wie sollte sie sich den Leuten denn begreiflich machen, wenn sie so gar nichts von niemandem wusste, ja, noch nicht einmal deren Sprache sprechen konnte und es auch nicht erklärt bekam?
Ach Gott...
Eine gefühlte Ewigkeit lang saß sie nur da und starrte in den Himmel hinauf, bis ihr wieder die drückende Schwüle auffiel und dass sie schon wieder total verschwitzt war.
Genervt durchkämmte sie ihr langes Haar mit den Fingern und flocht ein paar sehr kleine Zöpfe in ihr oberes Deckhaar, welche sich hoffentlich selbst halten würden. Sechs winzige geflochtene Schnüre an jeder Seite, bevor sie diese am Hinterkopf zusammenführte und zu einem kleinen Knoten zusammen wand. Hinten steckte sie dann noch einen kleinen entrindeten Zweig hinein, der an einer Verästelung am Ende noch ein paar wenige Blätter hatte. So hielt der Knoten und das Holz konnte auch nicht durchrutschen. Eine Frisur, die sie zu Hause oft mit der Knochennadel ihrer Mutter gemacht hatte, die sich für Mittelalterliches- wie auch Germanisches Werkzeug und Schmuck interessiert hatte... und auch für damalige Frisuren.
Bevor es Haarnadeln, Spangen und
Gummibänder gegeben hatte, hatten schließlich schon andere Möglichkeiten existiert, sich das Haar zu bändigen. Und so stand Kati nun zumindest halbwegs von ihren Erinnerungen an Früher getröstet auf und wanderte auf dem Trampelpfad herum um nach einer junge Liane oder irgendeinem anderen halbwegs bindbaren Faserstrang zu suchen, diesen dann abzurupfen und somit ein einflechtbares Haarband zu erhalten.
Sie fand auch ziemlich schnell eine junge biegsame Ranke entblätterte sie und begann rasch damit den Rest ihrer dicken Haare zu einem langen Zopf zu flechten.
Wenigstes das hatte Gott ihr nicht genommen. Ihre Mutter hatte ihre Mähne immer so geliebt, sie bewundert und für sie frisiert wie auch unglaublich schön gefunden, nachdem sie selbst sich das Haar gleich nach der Geburt der ältesten Tochter hatte abscheiden müssen, da sie ihr fast alle abgebrochen waren.
Eine Folge der der Hormonumstellung, hatte sie ihr oft noch wehmütig erzählt und alte Bilder gezeigt. Einigen Frauen passierte das oder sie bekamen sogar ernsthaft Haarausfall.
Kati schniefte nur noch ein klein wenig, als sie sich schließlich wieder zum Dschungel-Dorf hin umwandte um über den Pfad zurück zu laufen. Sie flocht unterdessen ihren großen Zopf weiter und befestigte die entblätterte Ranke darum herum, knotete sie zu und war erleichtert dass es hielt, bevor sie sich dann aber kurz noch mal eben für ein nun drängendes Bedürfnis in die Büsche schlug und erst danach wieder ihren Weg den Pfad entlang fortsetzte. Dabei dachte sie unablässig an ihre Mutter, dass diese es sicher nicht gut heißen würde für immer und in allen zukünftigen Leben von ihrer Tochter getrennt zu sein, so wie auch sie jetzt gerade.
Dass sie dann auch noch in einer solch unzivilisierten Existenz gelandet war die noch nicht einmal Haarbürsten oder Flaschen oder Becher kannte würde sie sicherlich besorgt sein lassen.
Doch ihre Familie war woanders gelandet.
Und sie stand hier nun einer ungewissen Zukunft ausgeliefert ...
Leise seufzte sie auf und hämmerte sich kurz gegen die eigene Stirn.
Oh ja... genau das war wohl der Grund für Gottes Launen. Wenn sie nun derart niederträchtig dachte, obschon sie hier doch recht nette Leute um sich hatte, die sie obschon fremd und andersartig bei sich Aufnahmen, ihr halfen, ihr Kleidung gaben, Essen und Trinken...
Oh ja... sie war wirklich total oberflächlich, oder? Noch dazu verwöhnt und im höchsten Maße undankbar, gerade jetzt nur an fehlende Bürsten und echte Flaschen zu denken und sich ein moderneres, privilegierteres Jenseits zu wünschen. Jeder Mensch bekam nach seinem Tod genau das was er oder sie verdiente, dachte sie mit nun furchtbar schlechtem Gewissen und beeilte sich darum zurück zum Dorf zu kommen und lief mit raschen Schritten den Trampelpfad zurück.
Sie hatte die Stelle schnell wieder erreicht, an der Iiron sie noch umschlungen und festgehalten hatte.
Warum er das allerdings getan hatte konnte sie sich immer noch nicht so ganz erklären. Aber er wollte wohl nicht das sie ganz alleine und so unglücklich weglief, oder? Er hatte sie damit wohl trösten wollen.
Doch dann hatte sie Iiron fort gewiesen, der nun sicher sonstwas von ihr denken musste.
Ja genau... nur deshalb hatte er sie überhaupt fest gehalten. Das musste es sein. Schlicht und einfach Trost. Er war so freundlich zu ihr, gab ihr neue Kleider, Essen und Trinken und sie ... war dafür so biestig zu ihm.
Kati beschloss ihn umgehend zu suchen und um Entschuldigung zu bitten, wenn sie ihm das irgendwie begreiflich machen konnte, was sie wollte, dachte und empfand.
Also lief sie noch etwas schneller und war schon beinahe auf dem Platz angekommen als sie es bemerkte... ein dunkles Grollen und beunruhigendes Fauchen. Wie angewurzelt blieb sie zwischen den letzten Bäumen stehen und sah sich einem gigantischen Reptil gegenüber, dass da auf der Mitte des Platzes stand... und es hatte zwei ganz gewaltig große Flügel... war schwarz-grau ... mit einem weißen Bauch... hatte einen unglaublich langen biegsamen Hals ... und ... und Hörner am Kopf ... und... ein riesiges T-Rex-artiges Dinosauriermaul!?
War das ein Drache???
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