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Kati schaute erst zu ihr und dann zu dem Fremden hin, der sie nun großäugig anstarrte.
„Müssen wir das wirklich hier vor Fremden Leuten besprechen?", fragte sie das Mädchen schließlich leise.
Emena blinzelte nun mal wieder verwirrt.
„Elikatel ist nicht fremd, wie kommst du denn darauf...?"
Kati seufzte nur wieder leise auf.
„Für mich ist er es, Emena. Und da, wo ich herkomme, ist es tatsächlich auch gar keine ordentliche Vorstellung oder Umgangsform, jemanden zu Begrüßung ins Wasser rein zu stoßen.
Verzeih mir also, wenn sich da sowohl unser beider Erziehung, als auch meine letzte Welt von dieser hier sehr unterscheidet.
Aber um es kurz zu machen... Ich wurde heute Morgen wieder durch eine Streiterei vor meiner Hütte aus dem Schlaf gerissen und stellte fest, dass ich alleine eingesperrt war und nicht raus konnte.
Um nun nicht schon wieder in die Verlegenheit zu kommen, fast getötet zu werden, wenn eure Stammeskrieger noch einmal mit ihren Macheten, Forken und Sperren darauf einschlagen, um alles kurz und klein zu hauen, bin ich wieder oben aus dem Luft Abzug raus geflüchtet und hab dann die Drachen vom Stamm davon abgehalten, Iiron mal wieder einen rein zu würgen, den sie - warum auch immer - einfach gefangen genommen haben.
So viel ich hörte wollten sie wohl alle nicht, dass er bei mir ist.
Und das ist vollkommen idiotisch.
Er ist doch nun mein Gefährte.
Also sind wir da zusammen weg und er hat mich oben auf dem Plateau abgesetzt.
Er ist jetzt erst mal eine Runde ausgeflogen. Schließlich kann er ja nicht immer nur in Menschengestalt rumhängen, so als Drache... ich meine Dragorn. Aber vermutlich kommt er bald schon wieder.
Also lasst euch bitte nicht Stören. Ich setze mich jetzt einfach oben an den Abhang und warte da auf ihn. Viel Spaß!", wünschte sie dem nun entsetzt guckenden Mädchen noch leichthin winkend und wollte dann endlich zu ihrem Kleid gehen und es sich wieder anziehen.

Doch dieser Elikatel trat ihr plötzlich noch einmal in den Weg wobei seine eben noch dunklen Augen nun grellgelb aufglühten...
Oho... er war also auch ein Drache?
Na ganz Toll!
„Du... bist also das helle schöne Himmelskind, von dem die Waldläufer gesprochen haben?
Und du wurdest heute morgen, fast unmittelbar nach deiner Gefährtennahme, von deinem Dragorn getrennt und eingesperrt und auch bereits einmal tödlich meinend von deinem eigenen Stamm angegriffen?", fragte er sie nun kalt klingend.

Kati schnaubte lediglich leise auf.
„Helles Himmelskind - ja, heute morgen getrennt und eingesperrt - ebenfalls ja. Tödlich meinend angegriffen - nein. Die Haben vorher nur nicht noch mal nachgesehen ob sich da noch jemand in der Hütte befand, bevor sie sie eingerissen und alles kurz und klein gehackt haben.
Ich bin gerade noch hinten durch den Rauchabzug unterm Dach raus geschlüpft, bevor sie in sich zusammen gebrochen ist und die damit auch mich niedermachen konnten."

„Wurden die Schuldigen inzwischen zur Rechenschaft gezogen?", fragte der Fremde Drache sie nun äußerst energisch und fast schon ihren Bericht unterbrechend.
Kati zuckte nur kurz mit den Schultern.
„Ich weiß nicht..."
„Wieso? Warum weißt du das nicht? Hat es denn danach keine Ratsversammlung gegeben? Haben die Schuldigen das Haus, dass sie zerstört haben, wieder aufgebaut und Geschenke zur Wiedergutmachung gebracht? Haben Sie dich vor dem Oberhaupt kniend um Vergebung gebeten?", fragte der Drache sie nun aufgebracht. Und auch die anderen Drachen kam nun näher heran und runzelten mächtig irritiert aussehend die Stirn. Deren Augen glühten allesamt gelb.
Oh-oh.

Katis Herz begann schon wieder deutlich schneller zu schlagen.
Angepisste Drachen waren niemals gut.
„ Wir sind da gestern weg, bevor sie mich noch zwingen konnten, bei irgendjemand anderem unter zu kommen.
Ich hab Iiron darum gebeten, weil sie alle so irre waren. Wir haben dann auch noch diesen Gefährtenbund hier oben am Quell geschlossen. Das war meine Idee, damit ich vom Markt bin und Iiron wegen mir nicht weiter angegriffen, wird und ich auch nicht mehr länger verfolgt würde, wie ein Stück Wild auf der Flucht.
Als wir dann später zurückgekommen sind, haben Sie ein ganz elendes Tamtam um mich gemacht, dass ich doch nun total verbrannt sein müsste und Heilung bräuchte und so. Eine Versammlung war das nicht, und eine Entschuldigung auch nicht.
Und ich war gar nicht verbrannt.
Wirklich nicht!
Iiron ist ein netter und herzensguter Drache... Er passt sehr gut auf mich auf und beschützt mich immer, wenn sie ihn nicht gerade wieder davon abhalten.
„Drache...", murmelte einer der umstehenden verwirrt.
„Oh,... ich meine ... Dragorn.
Natürlich. 
Verzeihung.
Aber in meiner letzten Welt nennt man euch nun mal Drachen und nicht Dragorn. Und nett seit ihr da auch nicht. Eher grausige Menschenfresser...", murmelte sie unüberlegt und nun war das aufgebrachte Geraune groß.
„Ist das so?", fragte Elikatel nun gleichsam entsetzt.
„Und dann erwählst du dir ausgerechnet einen der unseren zum Gefährten?", fragte ein weiterer Drache sie entsetzt.

Kati verzog kurz das Gesicht.
Langsam bekam sie nun Kopfschmerzen von dieser Diskussion. Sie hatte auch keine Lust mehr darauf, Iiron ständig gegen alle zu verteidigen.
„Ich habe mir hier nur den gewählt, der egal ob Mensch oder Drache der bei weitem netteste Typ im Regenwald ist. Und das bereue ich auch nicht.
Iiron ist wunderbar.
Er hat gestern noch bis spät in die Nacht das Haus wieder aufgebaut. Nur ich hab ihm dabei geholfen, - so gut ich eben konnte, aber viel war das nicht. Außerdem hat er dann noch für uns gekocht. Ich kenne mich hier nämlich absolut gar nicht damit aus, was essbar ist und was nicht. Und jagen kann ich auch nicht.
Wie gesagt... Ich stamme aus einer vollkommen anderen Welt als dieser hier. Und ich kenne mich auch nicht mit euren Sitten, euren Bräuche, oder euren Regeln aus. Und da war bisher auch keiner, außer Iiron, der sie mir mal erklärt hat.
Oh... Außer Emena und ihrer Mutter. Die haben mir geholfen, als Iiron zum Feuerdrachen mutiert ist und meine erste Unterkunft abgefackelt hat..."

Wieder raunten die Drachen leise. „Der helle Dragorn durchlebte den Wandel nun doch noch? Und keiner hat es uns mitgeteilt?"
„Weil das helle Himmelskind ihn erwählte und damit seinen guten Kern aus ihm herausholte, ganz sicher!"
„Sie muss Zauberkräfte haben. Die Ahnen sandten sie dem weststamm, weil dieser gerade fehlt..."
„Elikatel... das dürfen wir nicht einfach ignorieren. Der Weststamm tötete beinahe das neue Himmelskind und hat wohl auch niemanden dafür bestraft..."

Der Anführer der Drachen nickte nur zu seinen Leuten hin.
„Was ich bis jetzt noch nicht verstehe, geehrte Dragorn-Gefährtin Kati, ist, warum der Stamm diese Hütte mit dir darinnen zerstören wollte ... weißt du etwas mehr darüber?", fragte Elikatel sie nun äußerst ernsthaft.
Kati rieb sich die Stirn.
„Sie wollten wohl nicht, dass der helle Drache mir diese Hütte als Werbegabe schenkt.", erklärte sie seufzend und schnaubte dann.
„Das hätte er aber ohnehin nicht tun müssen, ich hätte ihn auch ohne die Hütte akzeptiert. Wie gesagt, er war der einzige dort, der sehr fürsorglich und nett zu mir war und mich nicht die ganze Zeit über bedrängt, verfolgt, angemacht oder gejagt hat. Und als Rouke dann auch noch angeordnet hat, dass ausgerechnet er sich von mir fernhalten sollte, hab ich für mich entschieden, dass ich mich lieber an ihn vergebe, als an irgend jemand anderen, den ich weder mag noch Will. Ganz zu schweigen davon, dass sie sogar auch noch eine Schamanin aus mir machen wollten, nur weil ich nicht Rouke oder einen der dunklen Drachen oder Krieger ausgewählt habe,", bekannte sie nun doch etwas fröstelnd vor Unbehagen und blickte betreten zu Emena hin, die aber nun ihrerseits betroffen zu Boden blickte.

„Das ist ja ungeheuerlich!", sagte einer der Drachen nun entrüstet.
„Letzte Nacht hat es auch noch stark geregnet, Elikatel! Und sie erhielten keinerlei Hilfe vom West-Stamm, nachdem dieser ihr Eigentum und fast auch noch die selbst zerstörte ...", meinte
Wieder einer der anderen Kriegerdrachen finster.
Elikatel sah nur kurz nickend zu Emena hin.

„Du weißt, dass euer Clan wie auch euer Stamm gerade fehlen, Emena! Hier ging es um ein geehrtes, weibliches Menschenleben, und sie ist auch noch ein helles Himmelskind, dass die Ahnen zu uns sandten.
Es tut mir leid, aber unter diesen Umständen werde ich nun besser zurückkehren und Mienoel informieren, damit er hier interveniert.

Die Verbindung zwischen Gefährten ist schließlich heilig. Und es ist schon schlimm genug, dass dieses helle Himmelskind so schnell dazu genötigt wurde, überhaupt eine Wahl zu treffen.
Rouke muss wohl verrückt geworden sein, dass er solches schändliche Treiben und ihre tödliche Gefährdung zugelassen hat, ohne danach ordentlich Gericht zu halten.

Und dass er sie heute Morgen einsperrte, in ihre eigene Hütte... Ein Mensch kann gehen, wohin er will, zu jeder Zeit! Das ist eines unserer höchsten Gesetze. Ein Dragon, der einen Menschen vorsätzlich einsperrt, ist ein schlechter und gehört vernichtet..."

„Ich bin mir sicher, sie hätten mich gleich wieder rausgelassen, wenn ich nur zugestimmt hätte, Iiron zu verlassen... oder sobald sie ihn weggebracht hätten. Mich wollen die Typen ja draußen gerne allein rumlaufen sehen, nur nicht zusammen mit meinen hellen Drachen-Gefährten.", brummelte Kati noch leise vor sich hin und seufzte schließlich kopfschüttelnd.
„Sei es, wie es sei, ich bin jetzt hier und damit in relativer Sicherheit. Ich bleib also nun da oben auf der Plattform, bis mein Drache zurückkommt.... Verzeihung, Dragorn...
Keine Sorge, ich lerne das schon noch irgendwann..."

„Warum solltest du?", fragte Elikatel sie nun derart finster, dass es Kati schon wieder unbehaglich zumute wurde.
„Na, um mich besser anzupassen. Schließlich möchte ich hier niemanden vor den Kopf stoßen. Ihr habt nun mal eure eigene Sprache, auch wenn manche Wörter darin nicht mit meinem Verständnis übereinstimmen. So ist es doch stets so, dass der jenige, der in eine Zivilisation hineinkommt, auch die Pflicht hat, sich zu integrieren, sofern er bleiben möchte.
Und mir wird ja nun mal keine andere Wahl gelassen, als zu bleiben.
Der Himmel hat mich einfach hierher gebracht. Sie haben mich sogar runter fallen lassen.
Oh, ich wünschte das wäre nicht so.
Doch, andererseits hätte ich dann Iiron nicht kennen gelernt und wäre nun immer noch da oben oder wer weiß wo.
Ich weiß auch nicht, was dieses Leben hier mir noch bietet, oder was ich diesem Leben hier bieten kann. Zur Zeit nicht besonders viel, das ist mir bewusst.
Aber ich hoffe und bete einfach mal dafür, dass es bald besser wird. Und dass meine Meinung irgendwann auch mal wirklich was zählt..."

Plötzlich verneigten sich sämtliche Drachen vor ihr und berührten allesamt zuerst ihre Brust und dann ihre Stirn, bevor sie sich dann wieder erhoben, nun alle mit bitterernsten Mienen.

„Deine Gedanken und Worte ehren dich, helles Himmelskind. Du hast immer noch, trotz allem, was man dir antat den Willen in dir, dich zu integrieren. Der Stamm hat aber wohl nicht den Willen das auch so zuzulassen, da deine Absichten ihren eigenen Wünschen und Hoffnungen an dich widersprechen.
Auch das werden wir nun also im großen Rat diskutieren und sehr bald schon eine Lösung für dich und auch den hellen Dragorn finden.
- Das schwöre ich dir, helles Himmelskind!", nickte Elikatel ihr noch einmal ernsthaft zu.

Wow...

Dann traten sie alle umgehend von ihr und Emena zurück, verwandelten sich und flogen auf und davon.

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