15

Mit noch leicht taub anfühlenden Händen wickelte sie das Tuch nun rasch um ihren Oberkörper fest und band die Enden an der Seite unter dem Arm zusammen, damit es nicht gleich wieder runter rutschen würde. Derweil bewegte sie sich schon vorwärts, mitten in dieser aufgebrachte, hysterisch schimpfende Mädchenmeute hinein, stieß und drängelte und schob sich durch sie hindurch, bis sie endlich bei dem hellen Dragorn angekommen war, der rein gar nichts tat, sich nicht wehrte, nicht einmal mehr sprach sondern nur mit geschlossenen Augen und gesenktem Kopf da stand, und sich wie ein Verdammter Punching Ball prügeln ließ.
Denn ja, inzwischen trafen ihn auch die Fäuste und Schläge der aufgebrachten Mädchen.

Was denn? Die schlugen ihn einfach so... ohne jeden Grund? Er hatte doch gar nichts getan, außer sie zu halten! Und er hatte doch auch gesagt, dass er das mit dem Nervenfühlen gar nicht konnte... Also warum macht sie nun ihn dafür verantwortlich, wenn der Anführer der Drachen Mist gebaut hatte?
Ohne zu überlegen stürzte sie sich einfach zwischen die Mädchen und umarmte Iiron rasch, Damit diese Meute von Harpyien nun besser sie mit ihren Schlägen treffen sollten... Ihren Rücken... Ihre Schultern...

Doch in dem Augenblick, da sie Iiron so beschützte, endete der Streit und das Geschrei abrupt und Iiron legte nun ebenfalls hastig seine Arme um sie herum.
„Kati? Was tust du? ... Warum hältst du mich?", fragte er sie reichlich fassungslos klingend und wollte sie dann von sich schieben, doch
sie schüttelte nur hastig den Kopf und hielt sich weiter und mit aller Kraft an ihm fest.
„Nein... dann schlagen sie dich wieder. Dann schimpfen sie dich weiter, obwohl du doch gar nichts gemacht hast, außer mich aufzuwärmen und zu halten. Das mit dem Nacken war Rouke! Rouke hat mich im Genick gepackt und verletzt...
Also warum wehrst du dich nicht dagegen, wenn sie dich ungerecht schimpfen? Warum lässt du zu, dass sie dich sogar schlagen? Sie müssten Eher Rouke schlagen! Er hat mir weh getan, nicht du.
Doch natürlich hacken sie lieber auf dir herum, statt auf einem dieser fiesen, wilden dunklen Dragorn - diese hirnlosen dummen Rassisten!", schluchzte sie leise auf und klammerte sich dann ganz fest an ihn, derweil er nur heftig atmete und es ansonsten mucksmäuschenstill wurde.

„Das Helle Himmelskind hat gesprochen! Zudem ist nun offensichtlich, dass auch sie eine Wahl getroffen hat! Lasst also ab von eurem Zorn, da sie ihm nicht zürnt. Der Himmel und die Ahnen wollen es so!", sagte eine der älteren Frauen nun reichlich tonlos hinter ihr und da erst drehte Kati sich wieder um und strich sich das zerzauste Haar hinter die Ohren zurück.
„Das helle Himmelskind zürnt euch und Rouke!
Ihr seid voreingenommen, weil Iiron ein heller Dragorn ist. Aber ihr alle seid dunkel, so wie auch eure Seelen zum grössten Teil Dunkel sind! Eure Ahnen schämen sich für den Stamm! Sie schämen sich, weil ihr einen unschuldigen guten und netten Dragorn prügelt, der mir nichts getan hat aber den wahren, schlechten Dragorn ungestraft lasst! Da oben ist gerade sicher keiner stolz auf euch! Nein... niemand!", stieß sie hervor und senkte dann erst wieder ob der schockierten und fassungslos Gesichter der Frauen und Männer ringsum den Kopf.
Eine Hand legt sich leicht auf ihre Schulter.
„So kannst du uns jetzt verstehen, Kati und sogar Legirim sprechen? - So schnell?", Fragte Iiron sie leise und sie wandte sich ihm langsam wieder zu.
Nickte schließlich ehrlich.
„Was ein Wunder!"
„Das helle Himmelskind spricht Legirim? Ich dachte die Nano-Bots würden sie lediglich verstehen lassen..."
„Hast du nicht gehört? Sie wurde von den Ahnen gesandt, uns zu belehren. Sie ist besonders!"
„Ja, besonders! Sie sollte besser die nächste Schamanin sein, oder?"
„Sie hat sich bereits einen Dragorn erwählt... Schamanen sind aber ungebunden!"
„Sie hat den hellen Dragorn beschützt, ist das zu fassen? Sie hat sich sogar zwischen uns geworfen, die wir ihn in ihrem Namen straften!"
„Das hätten wir nicht tun sollen! Jetzt zürnen uns auch noch die Ahnen!"
„Hat das Dorf also deshalb dieses Jahr eine Missernte eingefahren?"
„Es hörte erst mit dem Dauerregen auf, als sie zu uns kam..."
„Wir sollten vielleicht besser ein Opferfest abhalten, um die Ahnen zu beschwichtigen und einen neuen Weg zu suchen..."

Das leise Raunen um sie herum wurde zunehmend ängstlicher.
Kati bemerkte jetzt erst, dass sie wohl die Ahnen besser nicht hätte erwähnen sollen. Das nahmen sie jetzt alle ganz furchtbar ernst.
Gott...
„Kati? Ist dir wieder kalt? Möchtest du mein Hemd haben, oder frische Kleider?", fragte Iiron Sie leise und beugte sich dabei zu ihr herab. Oh, sie kam sich neben ihm nun so winzig vor. So unbedeutend.
Und doch war er der Einzige, der die ganze Zeit über schon auf sie achtete und auf sie aufpasste.
Langsam drehte sie sich ganz zu ihm herum und blickte ihn Stirnrunzelnd an, bevor sie aus einer Eingebung heraus ihre Hand an sein Gesicht hob.
„Du bist nicht kalt und auch nicht emotionslos, Iiron. Lass dir das nicht mehr von diesen dort einreden, die es tatsächlich sind! Schlecht sind die Menschen, die nur schlechtes in anderen Wesen erkennen wollen, die eigentlich nur Gutes tun und darauf vertrauen, dass andere es irgendwann bemerken.
Doch ein Blinder sieht den Himmel nicht, Egal ob dieser nun in den schönsten Farben erstrahlt. Und ein Tauber hört es nicht, wenn jemand sanft und freundlich mit ihm spricht. Sie sind hier alle schlecht und blind und taub, dass sie nicht sehen und verstehen können, wie freundlich und gütig du wirklich bist. Alle, die da auf dich schimpfen, und alle die dich geschlagen haben oder weggestoßen, Iiron.
Lass es dir bitte nicht mehr von ihnen gefallen!
Es tut mir weh zu sehen, wie wenig du hier wert geschätzt wirst, nur weil du so wie ich hell bist... und aus dem Himmel kommst."
Er hob nun ebenfalls seine Hand an ihre Wange und kurz hatte Kati erneut das Gefühl, als würden ihre Augen brennen. Aber das ging schnell vorbei. Was jedoch nicht schnell vorbei ging, waren die Drachen, die sich nun um sie herum versammelt hatten. Allen voran Rouke der leise aufknurrte.
„Himmelskind?", sprach er sie grollend an und Iiron ließ sie sofort wieder los und senkte den Kopf, trat sogar ein Schritt von ihr zurück.
Also drehte sie sich nun langsam wieder zu den anderen Drachen um und sah den Anführer direkt und die fest und sicher sie nur konnte an.
„Ich heiße Kati und nicht Himmelskind. Und ich mag dich nicht, dunkler Dragorn-Anführer.", fügte sie leise und ehrlich hinzu.
Rouke runzelte daraufhin finster die Stirn und senkte den Blick. Wurde er gerade rot? Schämte er sich? Unter seinem bemalten Gesicht konnte man das nicht erkennen.
Doch als er schließlich vor ihr auf die Knie viel, erkannte sie zumindest, dass er gerade sehr betroffen war, wenn nicht gar niedergeschlagen.
Und er schwieg nun...
Was immer das auch bedeuten sollte. Holt er sich gerade von ihr eine Strafe ab? Dummer Drache...

„Das musst du nicht tun, Rouke. Du musst nicht vor mir knien. Kein Dragon und kein Mensch sollte das je vor einem anderen tun müssen. Doch finde ich es wirklich vermessen, wie du deinen eigenen Fehler einfach Iiron untergeschoben hast. Brauchst du immer einen Sündenbock, der für dich oder die Fehler der anderen büßt, ja? Und er muss es dann sein?
Und denkst du wirklich, nur weil du einen hohen Rang hast, müssen alle Frauen dich auch mögen?
Oder glaubst du etwa, dass ich dich mag, jetzt wo ich verstehe, was hier vor sich geht, wer du hier bist und wie rassistisch ihr hier seid?
Warum magst du mich, Rouke und buhlst um mich? Ich bin doch eben so hell, wie Iiron. Ihn findet ihr schlecht, kalt und emotionslos... doch mich schön und gut?
Ich will dir etwas sagen, damit du es weißt.
Sein helles Aussehen hätte mich an Iiron nicht beeindruckt, wäre er genauso gemein, kalt und aufdringlich wie ihr dunklen Dragorn gewesen.
Ihr nennt ihn kalt... Doch ich glaube ihr habt alle keine Ahnung was wirkliche Kälte ist.

Ich jedenfalls mag ihn. Er ist der einzige hier der versucht hat mich zu verstehen und mir zu helfen, wenn ich Hilfe gebraucht habe. Er ist vielleicht ein Dragorn, Ja, Und ich fürchte mich vor solchen, denn in unserer Welt sind sie das Sinnbild des Bösen. Gewaltige Bestien die morden und brandschatzen, Jungfrauen entführen, sie grausig behandeln und dann töten und gewaltige Schätze anhäufen, die einst anderen gehörten.
Ich hatte Angst als ich erkannte was ihr seid.
Doch Iiron hat mir immer nur Güte und Verständnis entgegengebracht. Er hat es akzeptiert, wenn ich etwas nicht wollte und blieb auf Abstand.
Ihr zeigtet mir dagegen nur alle euren Zorn und Verachtung, pure Gewalt und drängtet euch mir auch noch gewaltsam auf. 
Deshalb habe ich beim Tanz auch mit Gewalt geantwortet, damit ihr mich überhaupt versteht.
- Fass mich nicht mehr an, Rouke! Egal wer du hier auch bist und welche Stellung du hast. Das ist mir gleichgültig.", schloß sie und der Dragorn erhob sich schließlich wieder und verneigte sich vor ihr.
„Danke für deine Belehrung, Himmelskind Kati. Ich werde sie mir zu Herzen nehmen und an mir arbeiten, so wie jeder einzelne Dragorn hier an sich arbeiten wird, bis die Kälte und die Gewalt, die du in uns erkannt hast wieder von uns weicht.
Die Ahnen sind hoch geehrt, dass Sie uns ein solches Geschenk schicken, auf das wir unseren Weg wieder finden, den wir anscheinend verloren haben. Natürlich hast du recht, ich sollte bestraft werden..."
„Nein! Keiner wird hier mehr bestraft, weil er einen Fehler gemacht hat. Bitte mich schlicht um Verzeihung und tu das dann nie wieder bei einem Menschen! Denn Strafen schüren nur Zorn und auch Schmerz. Sie ändern nichts an der Einstellung. Sei lieber in Zukunft vorsichtiger und wirklich gut, statt, dass du Iiron oder andere dazu drängst zu sagen, dass du es bist.
Taten sagen mehr als tausend Worte, Rouke. Und wenn du es eines Tages bist, ... ich meine, wirklich gut im Herzen wie auch in deiner Seele ... dann wirst du auch eine Frau bekommen. - Aber ich werde das nicht sein.", fügte sie noch leise hinzu, da der Drache schon wieder hoffnungsvoll zu ihr aufsah.
Ja, war besser gewesen ihm den Zahn gleich wieder zu ziehen. Denn seine Mine verdüsterte sich natürlich sogleich wieder. War aber auch wirklich besser so.
Denn sie wollte ihm schließlich keine Hoffnungen machen. Das wäre dann noch ein viel schreckliches Benehmen, als wenn sie von vornherein ehrlich zu ihm war.
Plötzlich sanken alle Drachen ringsherum auf ein Knie hinunter, so wie Rouke und senkten die Köpfe.
Danke für den Hinweis auf den Weg der Ahnen, helles Himmelskind.", sagten alle wie aus einem Munde heraus.
Sogar Iiron hinter ihr tat das so. Aber er nun als einziger leicht lächelnd. Und als sie ihn verwirrt anblickte, hob er den Kopf und sah sie ebenfalls an. So eindringlich und warm und...
- Wow!

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