Kapitel 3
Der Vormittag verging schneller als mir lieb war, vor allem da ich im Gegensatz zu den meisten Anderen aus meiner Klasse, gerne in die Schule ging. Ich zählte zwar nicht zu den Strebern, musste aber zugeben, dass ich nicht davor zurückschreckte mehrere Stunden zu recherchieren, wenn mich ein Thema interessierte. Es gefiel mir einfach, meinen Horizont zu erweitern und neues Wissen anzusammeln, wenn sich mir die Gelegenheit dazu bot. Das war auch einer der Gründe, warum ich mich in meiner Freizeit häufig in der Stadtbibliothek aufhielt.
Nachdem der Unterricht vorbei war, verabschiedet ich mich von Alina und machte mich auf den Weg nach Hause. Dummerweise hatte ich den Bus verpasst und musste nun eine Stunde lang durch den strömenden Regen laufen, der in der Zwischenzeit eingesetzt hatte. Bereits nach der Hälfte des Weges war meine Kleidung komplett durchnässt und ich ärgerte mich darüber, dass ich meine braune Lieblingsjacke angezogen hatte, die zwar toll aussah, dem Regen aber nicht viel entgegenzusetzen hatte. Meine Laune ging immer weiter den Bach runter und mittlerweile bereute ich es, nicht einfach auf den nächsten Bus gewartet zu haben. Nun war es jedoch zu spät um umzukehren und ich musste den restlichen Weg wohl oder übel zu Fuß hinter mich bringen.
In der Ferne grollte es und die ersten Blitze zuckten am Himmel, als ich den Bryant Park durchquerte. Die weitläufige Grünfläche bot viel Platz für die unterschiedlichsten Sportarten und es gab sowohl einen Tennisplatz, als auch Baseballfelder. Selbst Angler kamen hier auf ihre Kosten und konnten ihrem Hobby an einem der beiden Teiche nachgehen. Normalerweise war der Park gut besucht, aber heute schien das schlechte Wetter die meisten Menschen vergrault zu haben. Kein Wunder, denn ich wäre jetzt auch lieber im Trockenen.
Um mich besser vor dem Regen zu schützen, zog ich mir die Kapuze tiefer ins Gesicht und vergrub die Hände in den Jackentaschen. Meine Kleidung klebte an mir wie eine zweite Haut und ich war mir sicher, dass ich mich erkälten würde. Als ich dann auch noch auf dem matschigen Boden ausrutschte und meine Hände und Knie aufschürfte, erreichte meine Stimmung den absoluten Tiefpunkt.
"Hey, alles in Ordnung bei dir?" rief mir ein Unbekannter zu, der sich ebenfalls durch das Unwetter kämpfte und meinen Sturz mitangesehen haben musste. Ich blickte zu ihm auf, als er lächelnd vor mir stehen blieb und seine Hand ausstreckte, um mich hochzuziehen. Doch anstatt dankbar für seine freundliche Geste zu sein, stieg Wut in mir auf, die mit jeder Sekunde die verging, stärker wurde. Machte er sich etwa über mich lustig? Was war das nur für eine dumme Frage? Am liebsten hätte ich ihm das Lächeln aus dem Gesicht gekratzt, vielleicht sollte ich ihm auch gleich die Haut mit abziehen. Sicher würde es wie Musik in meinen Ohren klingen, wenn ich ihn langsam und schmerzhaft... ich unterbrach meine grausamen Gedanken, ehe sie weiter ausarten konnten. Mühsam kam ich auf die Beine und lehnte seine Hilfe ab, sollte er doch über mich denken was er wollte. Ich zögerte nicht lange, griff nach meiner Schultasche, die sich durch den Matsch braun gefärbt hatte, und ging ohne ein Wort zu sagen an ihm vorbei, den Kiesweg entlang. Verwirrung stand in seinem Gesicht geschrieben, als er mir hinterher blickte, aber das war mir egal. Ich hatte nicht vor, mich für mein Verhalten zu entschuldigen.
Erst als ich Zuhause ankam und sowohl meine Jacke, als auch meine Schuhe ausgezogen hatte, machte sich mein schlechtes Gewissen bemerkbar. Mittlerweile war mir klar geworden, dass ich überreagiert und mich vollkommen daneben benommen hatte. Innerlich schüttelte ich den Kopf und fragte mich, was nur in letzter Zeit mit mir los war. Bereits vor einigen Tagen war mir aufgefallen, dass ich selbst bei Kleinigkeiten schneller aggressiv wurde und auch sonst mehr Probleme damit hatte, meine Wut zu zügeln. Doch das war nicht das Einzige, was mir Sorgen bereitete, denn meine finsteren Gedanken kamen nun häufiger vor und ich konnte sie nur noch mit Mühe zurückdrängen.
Als ich meine schmutzigen Sachen in die Waschmaschine gestopft hatte und nach einem wohltuenden Bad aus der Wanne stieg, ging es mir schon gleich viel besser. Ich trocknete mich ab und schnappte mir eine Bürste von der Ablage rechts neben der Tür, ehe ich in den Spiegel blickte und meine widerspenstigen Haare kämmte. Eine junge Frau mit schulterlangen, schwarzen Haaren starrte zurück. Sie trug einen Pony, der knapp über ihren hellbraunen Augen endete und sie jünger erscheinen ließ, als sie mit ihren achtzehn Jahren war. Einige Muttermale zierten ihren Hals, genauso wie eine dünne Silberkette mit herzförmigem Anhänger.
Eigentlich war ich ganz zufrieden was mein Äußeres anging und auch wenn ich selten als hübsch bezeichnet wurde und eher als süß oder niedlich galt, mochte ich mich so wie ich war. Natürlich gab es trotzdem Dinge an meinem Aussehen, die ich zu bemängeln hatte, wie beispielsweise die Narbe an meiner rechten Augenbraue oder meine kleine Größe, aber welcher Mensch war schon perfekt. Ich sollte mich mit dem zufrieden geben was ich hatte und nicht irgendwelchen Schönheitsidealen hinterherjagen, denen ich ohnehin nie gerecht werden konnte.
Da ich es bevorzugte ungeschminkt vor die Tür zu gehen, brauchte ich nicht lange um mich fertig zu machen. Und nachdem ich mir sowohl die Haare geföhnt, als auch frische Kleidung angezogen hatte, machte ich mich auf den Weg in die Küche. Es wunderte mich nicht im Geringsten, dass meine Eltern noch nicht zu Hause waren, denn ihnen gehörte ein kleines Café in der nächsten Ortschaft. Hin und wieder half ich dort sogar als Kellnerin aus, vor allem im Sommer, wenn viel zu tun war.
Als ich schließlich in der Küche ankam, fiel mir sofort ein Zettel auf, der am Kühlschrank klebte. Neugierig nahm ich ihn in die Hand und las die Nachricht, die mir meine Eltern hinterlassen hatten. "Mach dir keine Sorgen, könnte heute spät bei uns werden. Im Backofen steht dein Essen" stand dort geschrieben und ich seufzte frustriert. Heute war Freitag und eigentlich hatten wir vorgehabt am Abend zusammen ins Kino zu gehen, da wir schon seit einer halben Ewigkeit nichts mehr gemeinsam als Familie unternommen hatten. Immer kam irgendetwas dazwischen und es nervte mich, dass auch der heutige Tag keine Ausnahme darstellte. Nicht mal, dass meine Mutter mein Lieblingsessen gekocht hatte, konnte mich über meine Enttäuschung hinwegtrösten. Genervt wärmte ich die Lasagne auf und dachte darüber nach, was ich heute noch machen sollte. Im Normalfall hätte ich mich mit Alina getroffen, aber ich bezweifelte, dass sie so kurzfristig noch Zeit für mich hatte. Ich zuckte mit den Schultern und nahm mein Handy aus der Hosentasche. Was soll's, einen Versuch ist es wert, dachte ich mir und wählte ihre Nummer. Vielleicht hatte sie ja doch noch nichts vor und wir konnten zusammen in die Sporthalle gehen, um für das kommende Badminton Turnier unserer Schulmannschaft zu trainieren. Badminton war schon immer unsere große Leidenschaft gewesen und keine andere Sportart interessierte uns mehr wie diese.
Leider hatte sie, wie ich bereits befürchtete, keine Zeit für mich. Und auch Sophie, die ebenfalls in unsere Klasse ging und mit der wir uns gut verstanden, musste mir Absagen, da sie schon zu einer Geburtstagsfeier eingeladen war. Kurz überlegte ich, einfach alleine ins Kino zu gehen, doch ich verwarf den Gedanken schnell wieder. Alleine war das Ganze nur halb so spaßig, wie zusammen mit Freunden. Als der Backofen schließlich piepste und meine Lasagne fertig war, setzte ich mich mit einem vollen Teller an den Esstisch. Lustlos stocherte ich in meinem Essen herum und malte mir aus, wie schön es jetzt wäre, wenn ich einen festen Freund hätte, mit dem ich den Tag verbringen könnte. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich stellte mir vor, wie wir zusammen auf der Couch saßen und einen Film schauten, während er mich in den Arm nahm und mir die Wärme und Geborgenheit spendete, die ich so sehr vermisste. Ich konnte mich natürlich auch selbst belügen indem ich mir einredete, dass mir meine Eltern dieses Gefühl gaben, aber das wäre gelogen. Ich wusste zwar, dass sie mich lieb hatten und dass ich ihnen wichtig war, aber in letzter Zeit zeigten sie mir das immer seltener, was vermutlich ihren Überstunden zu verschulden war. Sie hatten kaum noch Zeit für mich und wenn ich sie mal zu Gesicht bekam, dann redeten wir entweder über die Schule oder ihre Arbeit. Auf eine Umarmung oder ein paar nette Worte wartete ich vergebens, und ich hatte mehr und mehr das Gefühl, mich von ihnen zu distanzieren.
Den restlichen Tag verbrachte ich damit, für die bevorstehende Matheklausur am Montag zu lernen und mich über einen Roman aufzuregen, den ich mir letztens in der Stadt gekauft hatte.
Als meine Eltern spät am Abend immer noch nicht zurückgekehrt waren, machte ich mich bettfertig und beschloss schlafen zu gehen. Mein Zimmer befand sich im Dachgeschoss und ich hatte mir viel Mühe gegeben, den Raum so einzurichten, dass ich mich hier pudelwohl fühlte. Zwei der vier Wände waren rot gestrichen, die anderen beiden weiß. Der flauschige Teppich inmitten des Raumes war ebenfalls rot und passte hervorragend zu dem dunklen Parkettboden und dem Rest der Inneneinrichtung. An der linken Wand, direkt über meinem Schreibtisch, hatte ich eine Fotocollage erstellt, die ich zu einem riesigen Herz geformt hatte und die fast jeden meiner Ausflüge mit Alina zeigte. Außerdem liebte ich Blumen jeglicher Art, daher hatte ich auch nicht lange gezögert und mir eine rote Flamingoblume zugelegt, die nun auf der Fensterbank neben einem Bild von meinen Eltern stand. Mein Bett war mit roter Bettwäsche überzogen und die einzigen Möbelstücke die farblich nicht zum Gesamtbild passten, waren meine Kommode und der Kleiderschrank. Vielleicht kam ich ja noch dieses Wochenende dazu, sie zu Streichen. Müde zog ich mir die Kleidung aus und schlüpfte in ein weißes Nachthemd, das ich zuvor schon aus dem Schrank geholt hatte. Das Prasseln des Regens gegen die Fensterscheibe verriet mir, dass sich die Wetterlage nicht verändert hatte und dass noch immer ein Unwetter draußen tobte. Ich kuschelte mich in meine Bettdecke und knipste das Licht aus, um endlich einzuschlafen, doch bereits wenige Minuten später wurde ich von einem Grollen aus dem Schlaf gerissen. Erst mitten in der Nacht, als sich der Sturm beruhigt hatte, konnte ich mich entspannen und ins Reich der Träume eintauchen.
„Du wünschst dir also einen Mann an deiner Seite, der für dich da ist und der zu dir passt", flüsterte mir eine unbekannte Männerstimme ins Ohr, die so attraktiv klang, dass ich eine wohlige Gänsehaut bekam. Ich wagte es nicht die Augen zu öffnen, aus Angst, dass der Traum vorbei war, noch ehe er richtig beginnen konnte.
„Vielleicht bin ich ja dieser Mann, Clara. Ich könnte alles für dich sein, was du dir wünschst", fuhr er fort und sein warmer Atem streifte meinen Hals „Du musst es nur zulassen."
Ich nahm einen leichten Luftzug wahr, als er das Nachthemd an meiner Schulter vorsichtig nach unten zog, um die entblößte Stelle mit federleichten Küssen zu bedecken. Augenblicklich wurde mir wärmer und ich spürte ein sanftes Ziehen in meinem Unterleib. Seine Lippen fühlten sich gut an und ich konnte kaum verbergen, wie sehr mir gefiel was er tat.
Langsam schob er die Bettdecke beiseite und begann damit, die Knöpfe an meinem Nachthemd zu öffnen. Dabei ging er so behutsam vor, dass ich es erst bemerkte, als mein halber Oberkörper nackt vor ihm lag. Doch anstatt peinlich berührt meine Arme um mich zu schlingen und ihm die Sicht zu verwehren, blieb ich regungslos liegen und wartete darauf, was als nächstes geschehen würde.
Er öffnete auch die restlichen Knöpfe und ließ sich Zeit um den Stoff zur Seite zu schieben. Mein ganzer Körper prickelte vor Erwartung.
„Dein Anblick raubt mir den Verstand, Clara", hauchte er und keine Sekunde später, spürte ich seine rauen Hände auf meiner nackten Haut. Die Erregung schoss auf direktem Wege in meinen Unterleib, als er mich sanft liebkoste und über meinen Oberkörper streichelte. Seine Finger fanden einen Weg zu meinen Brüsten und als er zart über die empfindlichen Stellen streichelte, konnte ich mich nicht länger zurückhalten und bäumte mich seinen Händen entgegen, um noch mehr von ihm zu bekommen.
„Nur Geduld, ich bin noch lange nicht fertig mit dir", meinte er amüsiert und seine Hände wanderten weiter nach unten, meinen Bauch entlang. Ich krallte meine Finger in das Bettlaken und wandte mich unter seinen Berührungen. Hitze sammelte sich zwischen meinen Beinen und ich konnte kaum mehr klar denken. Wenn er nicht bald sein Ziel erreichte, würde ich noch wahnsinnig werden.
"So süß, so empfänglich", raunte er und schien den Moment absichtlich in die Länge zu ziehen, um mir zu demonstrieren, wieviel Macht er über mich hatte.
„Bitte", stammelte ich und war mir sicher, dass er genau wusste, wie sehr er mich auf die Folter spannte. Wenn er ein Gesicht für mich gehabt hätte, hätte er vermutlich zufrieden gegrinst.
„Wie könnte ich dir diese Bitte nur abschlagen", antwortete er und seine Finger setzten ihren Weg nach unten fort, hinterließen ein angenehmes Kribbeln auf meiner Haut.
„Ich könnte dir all deine Wünsche erfüllen, wenn ich wirklich bei dir wäre, Clara. Es gibt da nur eine winzige Sache, die uns voneinander trennt", wisperte er und mein Puls beschleunigte sich zunehmend, je näher er seinem Ziel kam.
„Was soll ich tun?", fragte ich, ohne groß darüber nachzudenken.
„Es gibt einen Ort an dem ich gefangen gehalten werde. Einen Ort, der ganz in deiner Nähe sein muss. Befreie mich, damit ich auch in der Realität bei dir sein kann", sagte er und ließ mir keine Zeit, um zu antworten.
„Als erstes musst du deinem Verlangen nachgeben, Anderen zu Schaden. Erst wenn du deinen wachsenden Blutdurst gestillt hast und unsere Verbindung zueinander stark genug ist, wird sich dir dieser Ort offenbaren."
Augenblicklich sank die Temperatur im Raum und mir wurde bitterkalt. Meine Erregung verwandelte sich in blankes Entsetzen, als mir die Worte des grünäugigen Raben wieder einfielen, der fast daselbe sagte, wie dieser Mann.
„Du bist der Vogel aus meinem Traum", platzte es aus mir heraus und bei der Erkenntnis gefror mir das Blut in den Adern. Gerade als ich seine Hand wegschlagen wollte, bemerkte ich, dass ich keine Kontrolle mehr über meinen Körper hatte und nicht mal die Augen öffnen konnte. Der Fremde lachte nur und seine Hände wurden immer größer, formten sich zu scharfen Klauen, die sich unangenehm in meine Haut bohrten. Mein Herz hämmerte laut gegen meine Brust und das Gefühl, ihm vollkommen ausgeliefert zu sein, trieb mir die Tränen in die Augen.
„Du wirkst überrascht, dabei wusstest du tief in deinem Inneren die ganze Zeit über, dass ich es bin. Du hast die Gedanken daran nur verdrängt, sowie du alles verdrängst, was dir nicht gefällt."
„Ich will nicht sterben", wimmerte ich verzweifelt, als er seine Krallen tiefer in mein Fleisch grub.
„Wenn ich vorgehabt hätte, dich zu töten, wäre das schon längst geschehen. Nein Clara, ich bin nur hier um dir den richtigen Weg zu weisen. Dein Leben ist viel zu kostbar für mich, als dass ich es einfach so wegwerfen könnte", sagte er nun mit deutlich tieferer Stimme, die alles andere als menschlich Klang.
„Wer oder was bist du?", presste ich mühsam hervor, woraufhin eine kurze Pause des Schweigens folgte.
„Das wirst du schon noch früh genug erfahren. Tu einfach was ich dir gesagt habe und ich verspreche dir, dass ich jeden deiner Wünsche erfüllen werde, sobald ich frei bin" mit diesen Worten ließ er mich gehen und ich erwachte aus dem Traum.
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