Kapitel 1.1
~Saborasa - Misura-Gebirge~
Wenn Sezuna daran dachte, wie andere Familien lebten, wie die Kinder in ihrem Alter miteinander spielten und unbeschwert über die Wiesen tobten, wurde sie immer wieder melancholisch.
Eine solch unbeschwerte Kindheit hatte sie nie genießen dürfen und außer ihrer Familie hatte sie keine Freunde, obwohl sie sich danach sehnte.
Verborgen zwischen den dichten Bäumen des Waldes lebte ihre Familie im Schutz eines Gebirges, das den Ruf besaß gefährlich und unwirklich zu sein. Was zum größten Teil stimmte. Dieser Wald, in dem sie lebten, war kaum zugänglich und abgeschnitten von der Außenwelt. Hierher zu kommen war beschwerlich und selbst für magische Wesen nicht sonderlich einfach. Auch wenn man fielen konnte, musste man diesen Ort zuerst einmal sehen und dann versuchen unbeschadet zu landen.
Sezuna seufzte und betrachtete sich im Wasser des kleinen Sees vor dem sie saß.
Ihr kirschrotes Haar fiel ihr über die Schulter und baumelte mit den Spitzen leicht ins Wasser, so dass die Wellen ihr kindliches Gesicht immer wieder verschwimmen ließen. Die goldenen Augen waren selbst in den Wellen zu erkennen.
Mit fünfundzwanzig Jahren war sie - für ihre Rasse - noch immer ein Kind und ihr Körper sah entsprechend aus, doch ihr Geist war reifer, als er es hätte sein dürfen. Einer der Flüche, die Sezunas Vater ihr hinterlassen hatte. Sie kannte ihn nicht. Wusste nicht einmal seinen Namen, doch sie wusste, dass er Schuld an ihrer körperlichen Verfassung war. Ihre Schwester Yuna hatte es besser getroffen als sie. Sie war nicht nur körperlich ein Kind, sondern auch geistig. Ihr Verhalten glich nicht dem ihrer Zwillingsschwester, das wusste Sezuna. Yuna entwickelte sich völlig normal. Trotz ihrer schneeweißen Haare und den Augen, die aussagen wie zersplitterter Kristall.
Sezunas begann damit mit ihren Finger das Haar zu kämmen, während sie sich weiter langweilte.
Ihre Schwester entwickelte sich für ihre Rasse völlig normal und machte ihrer Mutter damit keinen Ärger. Sie konnte man normal unterrichten und mit ihr umgehen, wie es üblich war. Doch Sezuna verhielt sich nicht normal und niemand verstand warum. Ihre Mutter Shioni sah in ihr das kleine Kind, das sie nicht war und der Umgang mit ihr wurde zunehmend schwieriger. Sezuna mochte den Körper eines Kindes besitzen, doch das war sie schon lange nicht mehr. Doch jeder Versuch es ihrer Mutter zu erklären scheiterte und endete damit, dass diese ihr den Kopf tätschelte und ihr nicht zuhörte.
Wenn sie Bücher über Magie las, wurden diese ihr entwendet und sie bekam stattdessen ein Bilderbuch, da sie doch die schweren Texte sowieso nicht verstand.
Shioni war eine starke Frau und nach den Geschichten ihrer Tante Mikoto war sie eine schlaue Königin. Daher verstand Sezuna nicht, wie sie die Augen vor der Realität so verschließen konnte. Hatte sie Angst ihre Tochter so zu verlieren? Sezuna wusste es nicht.
"Wenn du vor hast ins Wasser zu gehen ...", erklang eine Jungenstimme und Sezuna hob den Kopf, um sich umzublicken. Sie bemerkte einen blonden Jungen, der schlendernd auf sie zukam. Die Hände in den Taschen des Gewands, das Sezuna immer an die Bilder der Magier aus ihren Büchern erinnerte, aber nicht so auffällig blau, sondern beige war und die blutroten Augen direkt auf sie gerichtet. Darin lag Liebe, aber auch eine gewisse Vorsicht. Eine Vorsichtig, mit der Allan sie schon bedachte, seit sie denken konnte. "... Solltest du dir Badesachen anziehen. Sonst bekommt Shioni wieder einen Anfall, wenn dein Kleid nass ist und beschuldigt mich, nicht richtig auf dich aufzupassen", erklärte er ihr mit einem Grinsen, das eindeutig zeigte, dass er diesen einen Abend genossen hatte.
Sezuna schenkte ihm ein Lächeln, das ihre Augen funkeln ließ. Wenn sie ihre Phasen hatte, in denen sie sich selbst verachtete und niemanden sehen wollte, war er der einzige aus ihrer Familie, der zu ihr durchdrang. Er hatte eine Art sie zu sehen, wie es kaum ein anderer tat. Er schien sie zu verstehen. Etwas, was nicht einmal Mikoto immer gelang, auch wenn sie im Gegensatz zu Shioni wenigstens versuchte sie zu verstehen.
Neben ihrer Mutter Shioni, ihrer Tante Mikoto und ihrem Bruder Allan, der eigentlich gar nicht ihr Bruder war, gehörte noch Sam zu ihrer Familie. Auch Sam war nicht ihr leiblicher Bruder, sondern wurde von Shioni aufgenommen. Außerdem waren da noch Lucien, der so etwas wie ein Freund von ihrer Mutter war und dessen Sohn Yuki mit dem Sezuna eigentlich ganz gut klar kam. Beide waren meistens unterwegs und jagten, oder kundschafteten die Gegend aus.
Das Misura-Gebirge war auf Grund seiner verwinkelten Gebirge, Wälder und Höhlen ein perfekter Ort für Leute, die sich verstecken mussten. So wie sie. Auch wenn Sezuna noch immer nicht genau wusste warum, da es ihr niemand erklären wollte.
Ihre Familie war nicht wie die anderen Geächteten, denen sie bereits mit Shioni zusammen begegnet waren. Diese versteckten sich meistens, weil sie von der aktuell herrschenden Königin verfolgt wurden. Dann gab es da noch die gefährlichen Leute, die sich hierher verirrten. Sie waren Mörder, Diebe oder anderweitig in Ungnade ihrer Königin gefallen und versuchten sich dem Gesetz ihrer Königin zu entziehen. Nicht in allen Regionen gab es ein Gesetz, das Mord verbot und solange die Königin keine Anklage erhob, weil einer ihrer Leute zu Schaden gekommen war, konnte der Mörder weiter frei herumlaufen.
Sezuna hatte von diesen Dingen gelesen, ohne dass ihre Mutter sie rechtzeitig hatte aufhalten können. Sie verstand sogar, warum es dieses Gesetz gab. Die magische Welt war ein gewalttätiger Ort und das, obwohl sie es nicht anders kannte.
Allan trat an sie heran und legte seinen Kopf auf ihre Schultern. Da sie auf einen großen Stein saß und die Arme um die Beine geschlungen hatte, konnte er mühelos hinter ihr stehen. Seine Augen richteten sich auch auf den Teich.
"Was betrachtest du denn da, dass es dir so eine schlechte Laune bereitet?", fragte er scheinbar in dem Versuch zu erraten, warum sie den Teich so bitter anstarrte. Er fragte sie nicht direkt. Versuchte sie nicht zu drängen ihm etwas zu erzählen. Er war einfach nur da und versuchte sie aufzumuntern.
"Was macht Yuna?", wollte sie wissen, da sie davon ausging, dass sie heute wieder mit Lucien trainierte. Obwohl sie geistig noch nicht so weit war, durfte sie Kampftraining machen, aber Sezuna nicht. Das ärgerte sie, doch ihr Körper gab es einfach nicht her, dass sie sich sehr viel sportlich betätigte. Wenn sie sich zu lange konzentrierte oder ihren Körper zu lange belastete, kamen diese Anfälle, die ihr Leben bestimmten.
"Lucien geht mit ihr die Übungen durch", erklärte Allan ohne eine Wertung in seinen Worten.
"Würdest du sie mit mir ebenfalls üben?", fragte Sezuna leise, lauschte dabei aber auf ihre Umgebung. Sie wusste, dass Allan hier war, um auf sie aufzupassen und Shioni wusste, dass sie vor Allan nicht wegrennen würde. Doch ob Shioni ihn nicht doch beobachtete, um sicher zu gehen, war schwer zu sagen. Sie war dagegen, dass sie Übungen machte, um ihren Körper zu stärken und erst recht gegen alles, was das Kämpfen betraf. Dabei war es in ihrer Welt eine Notwendigkeit so etwas zu können. Als sie jünger gewesen war, hatte sie noch zusammen mit Yuna geübt. Hatte gelernt sich zu verteidigen. Doch dann ...
Für Sezuna war es ein erholsamer Schlaf gewesen. Für den Rest ihrer Familie ein Banngen um ihr Überleben. Niemand hatte gewusst, ob sie jemals wieder aufwachen würde. Danach hatte Mikoto, die eine ausgebildete Ärztin war, ihr diese Art der körperlichen Ertüchtigung untersagt und machte nur noch Yoga oder Meditation mit ihr. Etwas für was sie aber eindeutig noch nicht bereit war. Sie konnte einfach nicht so lange still sitzen und sich konzentrieren.
"Du weißt deiner Mutter würde das nicht gefallen", murmelte er und nahm seinen Kopf von ihrer Schulter, um sich umzusehen.
Sezuna seufzte. "Darum frage ich ja auch dich und nicht meine Mutter", erklärte sie leise und versuchte die aufkommende Unruhe in ihr nicht siegen zu lassen. Diese Unruhe war meist das erste Anzeichen, dass ihr Körper drohte zusammenzuklappen.
Da war eine Kraft in ihr, die nicht wirklich ihre war. Auch ein Fluch ihres Vaters. Es gab in ihrer Welt unterschiedliche Möglichkeiten einer zweigeteilten Blutlinie.
Wenn sich zwei verschiedene Rassen paarten, dann war meistens eine davon dominant und unterdrückte die andere, so dass nur wenige Eigenschaften zurück blieben. Waren beide jedoch dominant, konnte es passieren, dass sie ein Leben lang im Körper des Kindes um die Vorherrschaft kämpften. Solche Wesen wurden Mischlinge genannt, da sie auf die vollen Kräfte beider Rassen zugreifen konnten. Nur hinterließ dieser Kampf Spuren und nicht selten war die Lebenserwartung dieser Mischlinge sehr gering. Gewann nicht eine Seite, dann konnte dieser Kampf den Körper zerstören. Bei ihr gab es noch keine Anzeichen auf einen solchen Kampf und niemand wusste, welcher Rasse ihr Vater angehörte.
Shioni war eine Itari, deren Gene normalerweise dominant waren. Sehr dominant. Daher war es eigentlich eher unwahrscheinlich, dass die Gene ihres Vaters sie stark beeinflussten. Doch niemand wusste es genau.
Ein ergebenes Seufzen verließ Allans Kehle und Sezuna wusste, dass sie gewonnen hatte.
"Na gut", erklang seine Stimme. "Aber nur ein bisschen", fügte er hinzu. Er konnte ihr einfach keinen Wunsch abschlagen. Das konnte er noch nie. Selbst, wenn er ihre Ideen nicht in Ordnung fand, stellte er sich nicht gegen sie. Nur dann, wenn er glaubte, dass sie vorhatte sich umzubringen. Das war bisher nur ein einziges Mal vorgekommen und die Erinnerung an die Angst in seinen Augen hielt Sezuna davon ab wieder etwas so Dummes und Unüberlegtes zutun.
Sezuna schenkte ihm ein Lächeln und erhob sich mit einem Sprung von ihrem Felsen. Sie besaß die selbe, ungezügelte Energie, wie ihre Schwester. Eine Energie, die für Kinder so typisch waren, doch Sezuna fehlte die Möglichkeit diese abzubauen. Nicht einmal bei Spielen war ihr das möglich, weil selbst dort ihre Mutter immer anwesend war, um sie zu beobachten und vor sich selbst zu beschützen - wie sie es selbst immer nannte.
Allan beobachtete, wie Sezuna auf ihn zu kam und er wusste, dass er am Ende dieser kleinen Übungsstunde völlig erschöpft sein würde, weil die Rothaarige zu viel Ausdauer besaß und schwerer zu bändigen war, als ein Sack voll Flöhe.
~*~*~
An dieser Stelle brauche ich mal eure Meinung. In der Geschichte werden recht viele Charakter vorkommen und ich habe vor einige weitere wichtige Charaktere im nächsten Kapitel vorzustellen.
Fändet ihr das in Ordnung, oder eher nicht, weil ihr noch mehr von Sezuna und Allan erfahren wollt? Da ich die Charaktere kenne ist es für mich schwer das wirklich zu überblicken. Also ob man sich die Charas so schon vorstellen kann und auch merken, oder ob mehr von ihnen sinnvoller wäre.
Also kurz: Nächstes Kapitel wieder mit den beiden oder wären auch neue Charaktere okay.
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