26. Der Tropfende Kessel
pov: Harry
Seit Niall heute Morgen angekommen ist, ist bei uns im Haus das Chaos ausgebrochen. Niall hat es geschafft innerhalb kürzester Zeit seine Sachen überall zu verteilen und den Kühlschrank zu plündern. Er fühlt sich hier wie zu Hause, aber manchmal wünsche ich mir er wäre dabei ein bisschen ordentlicher. Robin und meine Mom sind arbeiten, Gemma ist seit ein paar Tagen wieder abgereist. Niall und ich haben das Haus für uns allein. Wir liegen zusammen auf dem Sofa und Niall erzählt mir von den Feiertagen mit seiner Familie. Sein Bruder hat eine neue Freundin und seine Mutter war direkt vernarrt in die junge Frau und sieht sie schon als ihre zukünftige Schwiegertochter. Ich erzähle ihm von den Spieleabenden mit Gemma und Mom. Und ich erzähle ihm von den Nachrichten von Louis. „Harry wow, das ist unerwartet. Irgendwie auch nicht. Aber sicherlich gut!", befindet Niall. Ich nicke.
Die restlichen Ferientage vergehen, wie im Flug und ehe ich mich versehe hat meine Mom uns schon im Tropfenden Kessel einquartiert, damit wir am nächsten Tag direkt zum Zug gehen können. Wir treten durch den Durchgang in die Winkelgasse und sofort empfängt uns die Straße mit buntem Trubel. Elfen fliegen durch die Luft, Schüler treffen sich, um gemeinsam einkaufen zu gehen, ein paar gestresste Mütter versuchen ihre Kinder von kleinen Spielzeugbesen herunterzuziehen. Ich atme tief ein. In der Luft liegt eine Duft von Zuckerwatte, Kräutern und Magie.
Wir stöbern ein bisschen bei Gambol und Japes durch Scherzartikel und machen danach einen Abstecher zu Fortescues Eissalon. Niall kauft sich eine Riesentüte mit Fruchteis, ich entscheide mich für die kleinere Variante. Eine Weile schlendern wir mit unserem Eis durch die Einkaufsstraße, als wir fertig gegessen haben machen wir uns auf den Weg zu Flourish & Blotts.
Niall stapelt mir gefühlt ein dutzend Bücher in die Arme, die er seiner Mutter schicken soll, sodass ich kaum noch sehe, wohin ich laufe. Der Stapel in meinen Armen wackelt bedenklich. „Niall?", frage ich leicht verzweifelt. Aber Niall ist außer Hörweite. In der Hoffnung ihn zu finden, versuche ich soweit es geht unfallfrei zur Theke zu kommen, um die Bücher dort abzulegen. Kurz bevor die Theke in greifbarer Nähe ist, bleibe ich aber mit meinem Fuß an einem kleinen Hocker hängen, der im Gang steht. Ich strauchle und merke, wie alle Bücher ins Rutschen kommen. „Wingardium Leviosa", ertönt eine Stimme hinter mir. Die Bücher schweben abrupt in der Luft und ich schaffe es dadurch nicht volle länge hinzuknallen, sondern kann mich gerade noch abfangen. Trotzdem stoße ich mit dem Ellenbogen gegen den Hocker. Der Verursacher des ganzen Übels. „Aua", murmle ich als ich auf dem Boden kniee und mir den Arm halte. Der Schmerz ist mir durch den ganzen Arm gezogen. Mit einem sanften „Plopp", landen die Bücher ordentlich gestapelt neben mir auf dem Boden.
„Alles in Ordnung bei dir?", fragt eine sehr bekannte Stimme hinter mir. Langsam stehe ich auf und drehe mich um. „Hi Louis", murmle ich und nicke dabei, „ja alles... okay". Ich klopfe ein wenig Staub von meinen Knien. Als ich wieder aufblicke lächelt Louis schüchtern. „Was machst du hier?", will er dann wissen. „Niall und ich wollten heute den Tag hier verbringen und morgen direkt von hier aus zum Zug gehen..." Er nickt verstehend. „Haben wir so ähnlich vor." „Wir?", frage ich erstaunt. Wieder ein nicken. „Meine Schwester Lottie und ich. Meine Mom hat mir die Verantwortung überlassen. Ihr Training, die Kleinen... es ist alles ein bisschen viel. Deshalb sind Lottie und ich schon hier", erklärt er.
Einen kurzen Moment stehen wir uns stumm gegenüber. Dann platze ich unüberlegt heraus: „Wieso hast du nicht mehr geantwortet?" „Uhm..." „Harry", ertönt da Nialls Stimme hinter mir und der blonde Ire biegt mit weiteren Büchern in den Gang ein. Als er Louis sieht bleibt er überrascht stehen. „Und Louis...", fügt er hinzu und wirft mir einen undefinierbaren Blick zu. „Hi, schön dich zu sehen!" Louis nickt: „Hallo Niall. Auch schön dich zu sehen" Er grinst. „Dann lasse ich euch mal hier weiter machen. Wir sehen uns später sicherlich nochmal. Ihr seid auch im Tropfenden Kessel nehme ich an?!" Ich kann nur nicken. „Bis dann Louis", ruft Niall dem kleinen Slytherin hinterher, der sich schon zum Gehen gewandt hat. „Bis später." Und dann ist er verschwunden.
„Was war das denn?", schnaubt Niall. Er versucht mühsam einen neutralen Gesichtsausdruck zu bewahren, aber ich weiß, dass er das alles unglaublich komisch findet. „Das wüsste ich auch gerne", grummle ich. „Komm, lass uns bezahlen, damit wir hier endlich wieder rauskommen", beschließe ich und greife nach den Büchern, die immer noch auf dem Boden liegen. Niall stimmt zu und wir schleppen alles zu Kasse. Zum Glück schicken wir die Bücher per Flohpulver zu seiner Mutter. Wenn eine Eule das alles tragen müsste, würde sie sicher unterwegs abstürzen.
Wir sitzen an einem der Tische im Tropfenden Kessel und die Wirtin Hannah bringt uns Teller mit dampfendem Essen. „Dürfen wir uns zu euch setzten?" Ein kleines blondes Mädchen steht vor uns. Sie ist vielleicht zehn Jahre alt und trägt einen dunkelgrünen Umhang. „Natürlich", einladend zeige ich auf die freien Plätze. „Mein Bruder hat sich nicht getraut, sich einfach zu euch zu setzten. Dabei seid ihr doch Freunde, oder nicht?!", stellt sie fröhlich fest. „Dein Bruder...?", frage ich sie. „Hi Leute", ertönt seine Stimme da neben uns. Louis sieht aus, als wäre ihm das Ganze ein wenig peinlich. Natürlich ist Louis ihr Bruder „Ist es wirklich okay, wenn..." „Klar!", sage ich nochmal mit Nachdruck. Ich glaube Erleichterung in seinem Blick zu erkennen, als er sich mir gegenübersetzt.
Wir verbringen einen entspannten Abend. Außer uns sind nur wenige Gäste im Tropfenden Kessel und wir können uns gemütlich an den Kamin setzen. Niall und Lottie verstehen sich blendend. Die beiden spielen Knallpoker und lachen jedes Mal laut auf, wenn eine Karte explodiert. Louis und ich sitzen nebeneinander auf einem kleinen Sofa mit abgenutzten Armlehnen und ein paar undefinierbaren Flecken auf den Polstern.
„Ich lag falsch", sagt er auf einmal. Ich schaue zu ihm hinüber. Er hat sein Gesicht dem Feuer zugewandt. „Womit?" „Damit dich wegzustoßen." „Weil du nicht mit mir befreundet sein willst?" Jetzt schaut er mich an. Sein Blick durchbohrt mich förmlich, mir wird ganz warm und daran ist nicht das Kaminfeuer schuld. In Louis Blick liegt eine unglaubliche Intensität und ich habe das Gefühl, dass er all die unausgesprochenen Worte zwischen uns in diesen Blick gelegt hat. Plötzlich ist mir bewusst, wie dicht wir beieinandersitzen. Seine Hand liegt keinen Zentimeter entfernt von meiner. Wenn ich auch nur ein wenig rutsche, würden wir uns berühren. Aber ich traue mich nicht.
„Harry. Ich will mit dir befreundet sein. Aber ich will auch...", seine Stimme stockt und er verstummt mitten im Satz. In seinen Augen tobt ein Kampf und ich kann nicht erkennen welche Seite gewinnt. „Ich will zurück in die Band", platzt er dann unerwartet heraus. Erstaunt hebe ich eine Augenbraue. Das ist alles? Er will zurück in die Band? Ich spüre wie Enttäuschung mich überrollt. Ich schlucke, meine Kehle fühlt sich an wie ausgetrocknet. Dann nicke ich. „Natürlich. Ich wollte dich immer", ich schlucke noch einmal, um das Krächzen aus meiner Stimme zu vertreiben, „dabeihaben." Louis sieht mich erleichtert an. „Danke. Ich hatte Angst, dass du. Naja das du wütend auf mich bist. Weil ich so ein Chaos angerichtet habe. Weil ich einfach gegangen bin, weil ich dir diesen bescheuerten Brief geschrieben habe..." Bescheuert? Das ist der Brief in seinen Augen? Meine Augen fangen auf einmal an zu brennen und schnell wende ich den Blick ab, damit er nicht das verräterische Glitzern von tränen bemerkt.
Da spüre ich, wie er sanft mit seinen Fingern über meine Hand streicht. „Harry...", zögernd setzt er zu einem Satz an. Ich blinzle nochmal und schaue dann wieder zu ihm. In seinen Augen spiegelt sich das sanfte Flackern des Feuers. Sein Daumen streicht über die Haut meiner Handfläche. „Der Brief war nicht bescheuert. Ich bin bescheuert", seufzt er frustriert. „Lou können wir ins Bett gehen?", ertönt da eine helle Stimme. Wir werden unterbrochen. Schon wieder. Immer wenn ich glaube, dass wir endlich einen Schritt weiter kommen in dieser chaotischen Geschichte werden wir unterbrochen. Louis und ich schauen uns an. Und dann müssen wir beide auf einmal lachen. Es ist ein gelöstes Lachen. Ein bisschen verzweifelt, aber vielleicht tut es dadurch gerade so gut. Lottie schaut verwirrt zwischen mir und ihrem Bruder hin und her. Louis drückt sanft meine Hand und ich erwidere den Druck. Dann löst er unsere Hände voneinander und steht auf. „Also gut. Wir sehen uns morgen. Schlaf gut Harry!" „Gute Nacht ihr beiden", erwidere ich mit einem Lächeln auf den Lippen. Und das Lächeln bleibt, bis ich selbst im Bett liege und die dicke Decke bis an mein Kinn ziehe, um gemütlich einzuschlafen.
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Willkommen zurück zu einem neuen Kapitel - dieses Mal wieder länger als letzte Woche. Wir nähern uns dafür umso rasanter dem Ende der Geschichte. Es sind noch zwei Kapitel übrig und ich hoffe, dass ich noch einen runden Abschluss hinbekomme.
Habt ihr Wünsche für das "große Finale"?
xx cu.
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