Kapitel 37. Es blitzte - grell.

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,,Sensei!", riss ihn aus seinen tiefen Gedanken, sodass er den Kopf hob, jedoch nicht stehen blieb. Die Haruno holte bereits unweigerlich auf, lief neben ihm her und packte ihn am Ärmel. Anhalten blieb für ihn dennoch keine Option. Um sie nicht zu verschrecken, befreite er vorsichtig den Stoff zwischen ihren Fingern, der schmerzlich auf dem Mull darunter drücke.

,,Was ist los?" Sakura spüre die Unruhe in seinem Inneren. Er konne es nicht verbergen, denn sie hatte seine Tränen gesehen. Die Tränen, bevor sie ihn angegriffen hatte. Kakashi zwang sich jedoch ein Lächeln auf seine Lippen und kniff die Augen wie gewohnt zusammen. ,,Es ist nichts Wichtiges." Er brauchte seine Schüler nicht mit seinen Problemen belassten, dachte er sich, obwohl es ihn innerlich zerris.

Sein Innerstes schrie nach Erlösung, dass die schrecklichen Schmerzen endlich endeten, weshalb er die Hände in seine Hosentaschen steckte. Er spürte durch den weichen Stoff die Binden, wie sie die Schnitte und Kratzer verbargen, doch er konnte nicht anders. Achtsam, um die Bewegung nicht offensichtlich zu zeigen, kratzte und drückte er auf die Wunden. Der bleierne Schmerz durchzuckte seinen Körper, überragte seine Gedanken.

,,Das glaube ich nicht." Überzeugt stellte sie sich in seinen Weg, wollte ihn endlich zum Anhalten bewegen. ,,Mir wird jahrelang in meinem Team alles verheimlicht. Also verraten sie es mir, bitte." Beinahe flehend hob sie die Hände, blickte dem Hataken direkt ins Antlitz. ,,Persönliche Dinge haben in einem Team nichts zu suchen. Aber mach dir keine Gedanken. Das regelt sich wieder." Das wilde Tier in ihm tobte, wollte endlich an die frische Luft, doch die Lüge hinter seinen Worten befreite es um Haaresbreite.

,,Ich wünsche dir noch einen schönen Tag." Sein Lächeln, so falsch und seine Seele vergiftend, war das letzte, was die Haruno von ihm sah, ehe er an ihr vorbeilief und den Trainingsplatz verließ. Der Strom der Menschen trieb ihn durch die Straßen, bis er an seinem Wohnblock strandete und die Treppen zu seiner Wohnung erklomm.

Langsam bewegte er sich durch die Räume, sah die Erinnerungen und sammelte seine Gedanken. Jeden Tag, wenn er die Wohnung betrat, wenn er in ihr wandelte, sah er ihn. Er sah Naruto freudestrahlend vor sich, an seinem Tisch die Ramen schlürfend. Kopfschüttelnd, um die lästigen Gedanken zu verjagen, setzte er einen Kaffee an, ließ den Duft die Räume füllen und seine Gliedern entspannen. Allein in seiner Welt ließ er sich auf dem Sofa fallen und versank in den Kissen - und seinen Gedanken.

Erst am Abend, als die Sonne bereits den Horizont kitzelte und der Duft des Kaffees sich verflüchtigt hatte, schaffte er es sich aufzuraffen. Sein Körper schmerzte. Jeder Atemzug war ein endloser Kampf, als rebellierte die warme Luft gegen seinen Körper. Jeder seiner Schritte fühlte sich an wie ein Gang durch ein mit Bomben übersätet Land, voller Trümmer und Abgründe, als er sich auf den Weg ins Bad machte. Die Weste und der Pullover flogen in die Ecke, die Hose gleich hinterher, ehe er begann die Bandagen von seinem Körper zu wickeln.

All die Schrammen und Schnitte, all die Narben aus den Kämpfen gegen Feinde oder sich selbst zeichnetet sich auf seiner Haut, bildeten ein Muster aus hellen und roten Linien auf seinen Armen und Beinen und seinem Bauch. Ein Werk, für welches der Scham seine Sinne überrollte und er in den Schrank an der Wand griff. Der Deckel der Dose ploppte leise, bevor er sich die Salbe auf die Hände gab und begann seine Wunden zu pflegen.

Seine Beine zwickten. Die Salbe brannte, doch er verteilte sie weiter, behandelte jede kleinste Schramme. Er biss die Zähne zusammen, fluchte, doch er gab sich selbst die Schuld. Der letzte Tropfen hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Vor Jahren hatte man ihm bereits die Kunai massenweise mitten in sein Herz gerammt, doch die ausgesprochenen Worte hallten in seinen Gedanken wider. Ich liebe dich, hatte er gesagt und die Sehnsucht, nach seinem glücklichen Ende packte ihn mit jeder Minute mehr. Die Hoffnung hatte sich längst mit einem weißen Tuch winkend verabschiedet und war über die weiten Meere davon gesegelt.

Die Welt war grau. Die Hoffnung hatte all die Farben mit sich genommen. Er konnte nur noch in die Leere starren - ohne Glanz, aber voller Tränen.

Kakashis Hände zitterten, als er die Bandage zurück über die Wunden wickelte und sich seine Hose wieder anzog. Er fror. Ein Windzug hauchte durch sein Bad, bereitete ihm eine Gänsehaut, ehe er seinen Bauch verband. Jede Bewegung wirkte wie ein Akt voller Kraft und Überwindung, als würden die kleinsten Handlungen ihm die größten Hürden in den Weg stellen. Auch seine Arme bekamen die Salbe, gefolgt von den Binden und dem Pullover.

Fast fertig mit der Pflege blickte er in den Spiegel. Alles wie immer. Fast nichts mehr zu sehen, nur seine dunklen Augenringe stachen ihm entgegen. Sein müdes Gesicht, seine müden Augen. Er war am Ende angelangt. Er konnte nicht mehr durchhalten. ,,Was mache ich hier?", fragte er sich zum wiederholten Male an dem Tag selbst, wandte seinen Blick zu seiner Hand, die von den Schlägen gegen den Baum geschunden, wild hämmerte.

Seine Hände zitterten wie Espenlaub. Einst waren sie stark und entschlossen, doch nun wandelten sie in einem Schleier aus Blut und Schuld. Rin flackerte vor seinen Augen auf, wie sie vor ihm stand - seine Hand in ihrem Herzen. Obito, wie er unter dem Stein lag und ihm das Versprechen abnahm. Sein Vater, wie er in der stürmischen Gewitternacht in seinem eigenen Blut gelegen hatte. Es hatte geblitzt und gedonnert, hell und laut.

Noch immer hörte Kakashi jede Nacht die Stimmen seiner Kameraden. Ihre Stimmen hallten in seinem Kopf wider wie ein Chor, der ihm seine Schandtaten vorführte. Es war immer wieder dasselbe: Ein Labyrinth, aus dem er nie entkommen könnte. Immer wieder starben seine Kameraden - und er war Schuld.

Auch Naruto wäre umgebracht worden. Er hatte nicht gehandelt, sich nicht bewegt. Er hatte es nicht von selbst bemerkt. Der Mann, dem er nach all den Jahren des Verlustes und Schmerzes seine Liebe gestanden hatte. Der Mann, dem er sich geöffnet hatte und ihm von ganzen Herzen vertraute. Das Blut diesen Mannes klebte an seiner Hand und so oft er es abgewaschen hatte, es kam immer zurück. Er sah den Raum, die leeren Augen, die Angst.

Er war Schuld, er allein. Es zerfrass seine Gedanken, tauchte sie in gähnende Qualen. Er sah seinen Vater, Obito, Rin - alle durch sein Unvermögen tot.

Die Welt um ihn verschwamm, die Realität löste sich allmählich auf. Die Farben waren bereits verblasst, doch nun verwischten die Konturen und die Geräusche waren nicht mehr als ein fernes Echo. Ein Zwitschern und Licht, doch seine Sinne waren taub. Es blitzte - grell. Als würde die Geschichte sich wiederholen. Sein Vater - im Gewitter. Rin - durch sein Chidori.

Nun er.

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