I.II Kane
Eine kleine Flamme, nicht mehr als ein Funken, tanzte um meinen Zeigefinger. Trotzdem erhellte sie den kleinen Schuppen und die niedergeschlagenen Gesichter um mich herum. "Die Shevu haben uns hart getroffen. Sie kannten unsere Stützpunkte und haben sie gezielt angegriffen. Ich weiß nicht wie das passieren konnte...", mit festem Blick starrte ich in die Runde. Natürlich wusste ich, wie das passieren konnte.
Nia. Sie war es gewesen, die uns verraten hatte. Hatte das dreckige Geld der Regierung eingesackt und war verschwunden. Wahrscheinlich in die Nähe des inneren Ringes, um sich dort besser zu fühlen, als hier bei uns in Aedas. Aber sobald die da herausfanden, wer und was sie war, wäre sie schneller erledigt, als sie "Viva la Revolution!" sagen konnte. Der Tag würde schon noch kommen, an dem ich mich an ihr rächen konnte.
Ich rümpfte die Nase beim Gedanken an die Verräterin und gab der Flamme ein bisschen mehr Saft. Das verlieh meinen Worten noch mehr Tragkraft, als ich die Stimme hob: "Ihr habt tapfer gekämpft, Na'hi. Wir werden nicht aufgeben. Noch ist unsere Rebellion nicht gefallen und ich bin überzeugt, dass es auch so bleiben wird!" Zustimmendes Gemurmel kam aus der Gruppe und ich konnte erkennen, wie einige Augen mutig aufblitzen. "Wir ziehen uns in den Norden zurück und geben den Süden frei. Von dort haben wir bessere Chancen, den Regierungstruppen zu zeigen, mit wem sie es hier zu tun haben! Ich werde die Elementals darauf vorbereiten, ihr Gesicht zeigen zu können, aber noch hat das keinen Sinn. Wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite und sollten es erst nutzen, wenn wir uns sicher sind, dass wir einen ordentlichen Gegenschlag starten können. Bis morgen zum Sonnenaufgang sollte hier alles evakuiert sein. Die Shevu werden nicht vor übermorgen angreifen, nachdem wir sie heute zurückschlagen konnten. Dann werden wir ihnen hier ein paar Überraschungen hinterlassen, die sie so schnell nicht wieder vergessen werden..."
Die Monde des Ivis standen schon tief, als ich die Hütte endlich verlassen hatte. Nachdem mein engster Zirkel gegangen war und sie damit begannen, die Evakuierung einzuleiten, hatte ich noch lange im Dunkeln gesessen und nachgedacht. Das heute hätte nicht passieren dürfen. Verdammt, Nia. Ein aufstrebender Stern am Himmel. Ich hatte all meine Hoffnung in sie gesetzt. Sie war zielstrebig, wissbegierig, mutig und ... hinterlistig. Als sie ihre Ausbildung bei mir begann, war sie dem Tod näher als dem Leben. Klein, unterernährt und schwach. Doch ihre schmalen türkisblauen Augen versprachen Großes. Als sie entdeckte, welche Fähigkeiten in ihr steckten, war sie kaum noch zu zügeln. Sie lernte und trainierte Tag und Nacht und kam nur unter Zwang zur Ruhe. Ich hätte es wissen müssen. Und doch hatte ich so viel von mir in ihr wieder erkannt. Ich baute eine Beziehung zu ihr auf, bevorzugte sie in Trainingseinheiten und weihte sie viel zu früh in Pläne und Taktiken unserer Rebellion ein. Und immer war da eine Stimme im Hinterkopf, die mich leise vorwarnte. Doch waren die Begeisterung und Zuversicht in mir stärker. Ich sah sie meinen Platz einnehmen. Gemeinsam mit ihr hätten wir...
Ich rieb mir die Augen und erinnerte mich daran, was dank meines Vertrauens in Nia geschehen war. Die Regierungstruppen hatten unser Lazarett, die vorübergehenden Wohnblocks und das Hauptquartier zerstört. Hätte uns ein Späher nicht eine halbe Stunde vorher gewarnt, wären wir jetzt wahrscheinlich alle tot. So konnten wenigstens die Hälfte der Zivilisten in Sicherheit gebracht werden, während ich ein Drittel meiner Armee verlor. Wütend stieß ich einen Feuerschwall in die Luft. Scheiße, Kane, bist du verrückt? Stell dich doch gleich mit einer Leuchtfackel aufs Dach und lad die Shevu auf einen Tee ein!
In einer kleinen Gasse brach ich zusammen. Ich ließ meine Finger unter den Saum meines Hemdes gleiten und spürte die Narben meiner Tattoos. Sie erinnerten mich daran, wer ich war. Warum ich war. Und was ich wollte. Elemental.
Meine Augen wurden schwer und die Restwärme der Sommernacht lockte mich in einen unruhigen Schlaf. Hoffentlich würde uns die Flucht in den Norden etwas Zeit verschaffen. Dann konnte ich das Training mit meinen Schützlingen wieder aufnehmen. Und denen da oben zeigen, dass sie vor 20 Jahren nicht alle von uns ausgelöscht hatten.
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