Kapitel 90

Heute wache ich viel entspannter auf. Zu wissen, dass wir uns wieder versöhnt haben, nimmt mir die Last von den Schultern. Gestern haben wir nicht lange telefoniert, da wir einfach keine richtige Konversation führen konnten. Wir waren kommunikations-inkompetent. Wie es heute wohl sein wird? Werden wir heute wieder telefonieren? Ich hätte nichts dagegen, nur fällt mir wieder nichts ein, damit wir reden können. Ich strecke mich und quietsche dabei, bevor ich mich auf die Seite drehe und mir mein Handy nehme. Wir haben 10:42 Uhr. Ich werde dann wohl um kurz vor zwölf im Labor sein. Langsam stehe ich auf und schlürfe in die Küche, wo schon gefrühstückt wird. Meine Haare streiche ich hinter mein Ohr und nehme mir sofort ein Brötchen zur Hand. Can ist bestimmt schon wach. "Gehst du heute wieder ins Labor?", fragt Saliha mich, was ich bestätige. "Machst du auch mal Pause?", fragt nun Ranja mich und blickt skeptisch zu mir. "Ja", gebe ich knapp von mir. Ich war länger nicht mehr im Labor. "Scheint mir nicht so." Ich verdrehe meine Augen. "Eine experimentelle Doktorarbeit hat eine Bearbeitungslänge von drei bis fünf Jahren. Die zwei Wochen, die ihr weg wart, habe ich als Auszeit genutzt, zufrieden?" Ihre Augen kann sie ja nicht überall haben. Sie zuckt nur mit ihren Schultern und trinkt ihren Tee. Gerade will ich mir Gurken nehmen, als mein Handy aufblinkt.

'Bist du schon wach?', schreibt Can mir.

'Ja, wieso?' Ich freue mich, dass er mir schreibt.

'Nur so. Gehst du heute ins Labor?'

'Ja.'

'Gut, dann hole ich dich ab. Um wie viel Uhr willst du los?' Etwas verblüfft hebe ich die Augenbrauen.

'Ich wollte schon um 12:00 Uhr an der Uni sein.'

'Gut, ich schreibe dir dann, wenn du runter kommen sollst.'

'Okay.' Mein Handy lege ich weg und kaue auf meinem Brot herum.

Das ist gut. Das ist sehr gut sogar. Wir nähern uns in kleinen Stücken wieder. Es wird wieder alles gut. Nur eine kleine Phase. Es war nur eine winzige Phase, die mit Geduld überwunden wurde. Ich fühle mich schon viel besser. Mein Hypothalamus produziert gerade viel Dopamin und meine Leber, mein zentrales Nervensystem, meine Milz und oder bestimmte Darmzellen erstellen so viel Serotonin, dass ich wacher bin und entspannt. Es wird ein guter Tag. Ein schüchterner vielleicht, aber er wird bestimmt gut. Cans Nachricht macht mir totale Hoffnung und Freude. Ich esse schnell zu Ende und mache mich fertig. Soll ich Can jetzt schon mal anschreiben? Wir haben 11:23 Uhr jetzt. Ich will ihn sehen. Schnell greife ich mir mein Handy und schreibe ihm, dass er jetzt kommen kann. Solange stelle ich mich vor den Spiegel und schaue, ob alles sitzt. Eigentlich sollte es mich nicht interessieren, aber heute interessiert es mich schon. Du Widerspruch.

'Komm runter.' Ich rase fast die Treppen hinunter und spüre, wie sich mein Herzschlag beschleunigt hat.

Vorsichtig steige ich ins Auto und schaue schüchtern zu Can, bevor ich mich anschnalle. Als Can dann losfährt, greift er vorsichtig nach meiner Hand, was mir ein Kribbeln im Bauch bereichert. Es kommt mir immer normaler und normaler vor. Es ist endlich vorbei. "Wie... wie geht es dir?", frage ich und fahre über seinen Handrücken. "Gut und dir?" Ich nicke. "Auch", flüstere ich und fahre die Linien des Löwen nach. "Wie lange möchtest du im Labor bleiben?", will ich wissen. "Solange du bleibst." Ich zucke mit meinen Lippen. "Aber ich bleibe öfters lange, du musst nicht so lange mit mir dort bleiben." Can schnalzt mit seiner Zunge. "Ich möchte solange dort bleiben, wie du bleibst." Er lächelt mir zart zu und verschränkt seine Hand in meiner. Wie schön unsere Hände so aussehen. Ich mag es, wenn unsere Hände verschränkt ineinander sind. Wir steigen aus und sehen einige Kommilitonen, die mit ihren Doktorvätern reden. Ich begrüße meinen Doktorvater, der mich freudig anlächelt. "Dein Paket ist da." Ich schnappe erfreut nach Luft und renne sofort zum Raum, wo die ganzen Chemikalien sind. "Aber mein EBC ist nicht da", schmolle ich dann. "Ja, es sind einige Transportprobleme aufgetreten. Es ist also nicht mehr sicher, dass es am Montag spätestens ankommt." Ich seufze und nehme die anderen Stoffe, mit denen ich mich zu meinem Platz bewege. "Die Zellstruktur hat sich wieder verändert. Es ist zwar semimaligne, aber es kommt mir so vor, als ob es zu einer Metastasierung gekommen ist. Sowas ist doch selten", murmele ich. Dann habe ich halt das Glück und habe eine besondere Form bekommen.

Bis 17:00 Uhr sind ich und Can geblieben. Diese Arbeit frustriert mich. Zwar ist es normal, dass man anfangs scheitert, aber ich will sofort positive Ergebnisse sehen! "Was ist los?", fragt Can mich, woraufhin ich seufze. "Mein semimaligner Tumor will nicht gesund werden. Er hat sogar Metastasen entwickelt." Can lächelt mich sanft an und fährt mir über meine Wangen. "Das ist nicht schlimm, Shana. Mein Hirntumor hat sich vergrößert, nachdem ich einen Stoff hinzugegeben habe, bei dem ich nicht wusste, dass Asbest ein Bestandteil ist." Ich zucke kurz mit meinen Schultern und laufe mit ihm zum Auto. "Hier, für dich." Er hält mir wie immer eine Rose hin, was mich rot werden lässt. Selbst, als wir uns gestritten haben, lagen am Morgen danach immer Rosen vor der Tür. Auch, wenn ich wütend war, habe ich sie nicht weggeschmissen. Ich konnte sie nicht wegschmeißen. "Danke", nuschele ich verlegen und fahre über die Blüten. "Hast du Hunger? Und widersprich nicht." Seufzend schnalze ich mit meiner Zunge und sehe zu Can. "Also gehen wir etwas Essen. Döner?" Ich schaue einfach auf meine Blume, statt zu antworten. "Dann der Döner. Sel Kebap's ist gut." Ergeben seufze ich und fahre mit der Rose über meine Wange. "Ich finde es schade, dass Rosen nicht für immer bleiben können. Ich will einfach eine Rose, die für immer bleibt. Das wäre schön", murmele ich am Ende. "Du magst Rosen auch so sehr, wie ich?" Ich nicke. Ich kriege gerade Schuldgefühle, weil ich Can nie eine Rose gegeben habe. Ich will ihm auch eine Rose schenke. Er mag Rosen. Er wird sich bestimmt total freuen, wenn ich ihm eine schenke. Er hat mein Gänseblümchen sogar laminieren lassen. Apropos. "Can?" "Ja?" Er hält vor der Ampel an und schaut zu mir. "Wo hast du mein Gänseblümchen hingelegt?" Was, wenn er es weggeschmissen hat aus Wut oder es verloren hat? "An einem bestimmten Ort." Das bringt mich auch echt weiter. Aber ich bin erleichtert, dass der Blume nichts zugestoßen ist. Wir laufen in die Dönerbude, wo Can vom Ladenbesitzer herzlich begrüßt wird. Ich glaube langsam, dass Can der Präsident von Hamburg ist. "Döner oder Dönerteller?" Ich brumme. "Dönerteller." Ich kann Can sowieso nicht entkommen. "Irgendetwas nicht drauf?" Ich muss Can nicht ansehen, um zu wissen, dass er grinst. "Alles und Schafskäse und Zaziki und Cocktail." Can lacht kurz und bestellt dann. "Ich gehe mich hinsetzen", gebe ich ihm Bescheid und laufe zu einem freien Tisch. Solange Can noch vorne ist, schaue ich mir die Karte an. "Da ist Can." Sofort schaue ich hoch und sehe vier Mädchen kichern. So ist das also. Ich ziehe meine Augenbraue hoch und fixiere die Weiber, die Can anschmachten und den Kopf drehen, als er anscheinend zu mir kommt. Einer der vieren schaut kurz zu mir, weswegen ich eine warnende und arrogante Grimasse mache. "Dreht euch um", gebe ich trocken von mir, weswegen Can sich fragend zu den Mädchen dreht und dann verstehend nickt. Was schauen diese Weiber einen vergebenen Mann an? Ist mir egal, ob sie es nicht wussten, dann sollen sie einen Kurs besuchen gehen, wo man es erschnüffeln kann. Demonstrativ hebe ich meine Rose an und fahre über die Blätter, damit die dummen Puten, die heimlich hierhin schauen auch sehen können, dass wir zusammen sind.

"Versuchst du den Mädchen nonverbal zu sagen, dass wir zusammen sind?" Ich nicke. "Ja, mein Schatz", gebe ich extra deutlich von mir, weswegen die eine mit den komischen braunen Haaren zu mir guckt. "Kino?", fahre ich sie an, was Can lachen lässt. "Beruhige dich. Alles gut", sagt Can und lächelt. "Was glotzen die auch so?", murre ich und stehe auf. "Cola, wie immer?" Can nickt. Mit meinem emanzipierten Gang, stolziere ich an den Tunten vorbei und hole für uns zwei Dosen Cola raus. Passend dazu kommen unsere Dönerteller. Wie gut, dass ich Hunger habe, denn der Teller ist nicht klein. "Dankeschön, Can", gebe ich verlegen von mir und fange an zu essen. "Bedank dich nicht. Es ist eine Pflicht es zu tun." Meine Augenbrauen ziehe ich zusammen und sehe zu ihm hoch. "Du bist meine Freundin, vor anderen sage ich schon Verlobte. Ich lasse dich doch nicht dein Essen bezahlen, wenn ich als Mann die Aufgabe habe, es zu tun." Gott, so ein hübscher Gentleman! Zwar stimme ich meiner inneren Stimme zu, aber widersprechen muss ich doch. "Du bist nicht verpflichtet es zu tun. Ich will auch einmal für uns bezahlen." Er lacht auf. "Nein." Pff! "Doch", entgegne ich ihm. "Das hast du schon damals nicht geschafft, also wirst du es jetzt auch nicht schaffen." Arrogant hebe ich meine Augenbraue. "Ach, ist das so?" Er nickt. Ich gabele viel Fleisch auf und schaue Can lächelnd an. "Dann hast du den Tag in Düsseldorf vergessen, als wir auf dem Fernsehturm waren oder als ich dir in Barcelona die zehn Euro zugesteckt habe und du mit ihnen bezahlt hast, weil sie dir aus deiner Tasche gefallen sind." Ich schiebe mir spitzbübisch die Gabel in den Mund und genieße Cans entrüsteten Blick. "Nein." Ich nicke. "Oh doch." Ich lache leise vor mich hin und sehe belustigt Can dabei zu, wie er fassungslos den Kopf schüttelt. "Ach, deswegen hast du so gegrinst, du Hexe." Ich nicke. "War ein sehr guter Zug von mir, ich weiß." Ich gabele wieder etwas auf und schiebe es in Cans leicht geöffneten Mund. "Und ich werde es wieder tun." Es tut gut, Can fassungslos zu machen. Es gefällt mir und erinnert mich an die Oberstufenzeit. Es tut echt gut, dass wir hier sitzen und normal reden können. Das Unbehagen bröckelt. Ich bin total froh, dass Can mich angeschrieben hat, denn ich hätte mich nicht getraut ihn anzuschreiben, auch wenn er mir höchstwahrscheinlich nichts schlimmes geantwortet hätte. Ich wäre wahrscheinlich noch länger so zurückhaltend geblieben, wenn Can sich nicht dazu bereiterklärt hätte, mich mit zur Uni zu nehmen. Ich sehe Can zu, wie er isst und dabei seine Kiefermuskulatur trotz des Bartes so schön zur Geltung kommt. Er sieht bei wirklich allem, was er macht so gut aus. Selbst wenn er in Scheiße baden würde, würde er gut aussehen. Er ist wirklich ein Wunder der Natur. Er schaut mich an und nimmt mir die Gabel aus dem Mund, bei der ich nicht bemerkt habe, dass ich an ihr nage. "Ups", nuschele ich und spüre, dass ich rot werde. Auch, wenn ich mich nicht mehr schämen und ihn heimlich begaffen muss, gerate ich des Öfteren in Verlegenheit. "Und? Wie geht es dir so?", frage ich und könnte mir gegen die Stirn klatschen. "Gut, wie vorhin auch", gibt er lachend von sich. "Besser, als vorhin?" Damit meine ich unser etwas schüchternes Verhalten im Auto. Jetzt sind wir wieder viel offener. "Ja, viel besser." Zart lächelt er mich an, was mir das Herz erwärmt. Es ist schön, dass wir uns beide wieder entfaltet haben und es auch spüren. Man fühlt sich gleich viel wohler und selbstbewusster.

Nachdem wir den Laden verlassen haben, fahren wir etwas durch die Stadt. "Kaugummi?" Ich stecke es Can in den Mund, statt auf eine Antwort zu warten und kichere, als er brummt. "Möchtest du an einen bestimmtem Platz?", fragt er mich, was ich verneine. "Dann lass uns hier spazieren." Er parkt das Auto, woraufhin wir den Straßenrand entlang laufen. Eine Absperre steht zwischen uns und dem Fluss, der die Sonnenstrahlen reflektiert und glitzern lässt. "Can?" Er reagiert sofort. "Was meintest du mit dem Traum?" Er weiß sofort, wovon ich rede und senkt seinen Blick. "Nichts, nur ein Albtraum", murmelt er. "Was ist passiert? Wieder Autounfälle?" Ich halte seine Hand fest und drücke sie. "Nein, alles gut. Ich will mich nicht wieder daran erinnern müssen." Anscheinend muss es wohl etwas total schlimmes gewesen sein. Wann war er denn so verängstigt? "Meinst du, als du mich angerufen hast und als du dann Fieber bekommen hast?" Ich drehe mich geschockt zu ihm und lege meine Hand auf seine Wange. "Nimmt dich das immer noch mit?" Er schließt seine Augen und legt seine Hand über meine, als er sich an sie schmiegt. "Oh Gott, Can. Wieso sagst du mir das nicht?" Ich nehme ihn sofort in den Arm. Ich weiß nicht, wie er sich fühlt, aber es muss grauenhaft sein und so bedrückend. Wie kann es nach so langer Zeit immer noch in seinem Gedächtnis herumschwirren? "Kommt dieser Traum manchmal wieder?" Er schüttelt seinen Kopf und legt ihn in meine Halsbeuge. "Ich habe ab und zu Albträume. Aber bis jetzt war keiner dabei, der so schlimm war, wie der mit Cihan. Meine Verlustängste sind zu stark", flüstert er am Ende brüchig, was mir die Tränen in die Augen schießen lässt. Meine Arme schließe ich fester um ihn und schließe meine Augen. "Es wird nichts passieren, Can. Mach dir keine Sorgen." Es brennt in mir, dass er sich solche Sorgen macht. Plötzlich kann ich mitfühlen, obwohl ich es bei anderen nie konnte. Es ging regelrecht an mir vorbei. Aber bei Can... bei Can ist es, als ob es mir selber zustößt. Ich will, dass er glücklich ist und sich nicht in Sorgen ertränkt. Zärtlich küsst er meine Stirn, woraufhin ich mich über seine Brust fahre. Can hebt sanft mein Kinn an und fährt mir verträumt über meine Wange, als er dann zart anfängt zu lächeln.

"Ich liebe dich, Shana."

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NOMINIERUNG

1. Hast du Pflanzen im Zimmer?
Hell no. Am Ende erschrecke ich mich in der Nacht, wegen der Silhouette.

2. Magst du Kinder?
Ich bin mir nicht sicher.

3. Bist du ehrgeizig?
Hehe, ja.

4. Kannst du backen und kochen?
Ich hasse es zu backen.

5. Liest du Zeitung?
Hell no.

6. Lieber duschen oder baden?
DUSCHEN.

7. Sessel oder Sofa?
Sessel.

8. Magst du es eher bunt oder schlicht?
BLING BLING.

9. Uhr oder Handy?
Handy, aber ne freshe Uhr macht es auch.

10. Hast du ein Lieblingszitat oder einen Lieblingsspruch?
Hab keins, aber ich finde das schön: Sei nicht traurig, dass Rosen Dornen haben, sei glücklich, dass auch Dornen Rosen haben.

11. "In der Ruhe liegt die Kraft." Meinung?
HAHAHAHAHAHAHAH, HELL NO.

12. Snapchat oder Instagram?
Eher Snapchat. Ehem, Snap: Quzelkurt, Insta: Shemamee

13. Nationalität?
Kurdi, Kurdi.

@Shxlinx
You wurdest nominiert.

- Helo

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