Kapitel 83

Fast die ganze Fahrt über herrschte Stille. Eine angespannte und erregte Stille. Ich habe noch nie so etwas gefühlt und kann nur sagen, dass es sehr verspannend ist, wenn man vor allem nicht weiß, was man dagegen tun kann. Falls wir geredet haben, waren es nur kurze Sätze. Wir haben uns gegenseitig gefragt, ob wir Hunger haben oder ob jemand auf die Toilette muss. Es war etwas peinlich, wie ich finde. Can und ich kommen vor der Wohnung an und steigen, ohne ein Wort zu sagen in den Aufzug, wo meiner Meinung nach noch mehr Spannung in der Luft liegt, als im Auto. Vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass ich es so in Fifty Shades of Grey gelesen habe. Cans Hand wandert zu meiner Taille und zieht mich an ihn, als wir aussteigen. Unter der braunen Matte, holt er einen Schlüssel hervor und schließt die Tür auf. Die Wohnung ist komplett leer, was mich schlucken lässt. "Wo sind alle hin?", frage ich und öffne Deryas Tür. "Im Salon. Meine Mutter und Derya mit Shevin und mein Vater und meine Brüder mit dem Bräutigam." Ich nicke und laufe langsam in Cans altes Zimmer. "Ach so, müssen wir etwas erledigen?" "Nein." Can dreht mich plötzlich um und drückt mich an die Wand, woraufhin er seine Lippen auf meine presst und schon fast brutal anfängt mich zu küssen. Wegen seiner Grobheit muss ich aufkeuchen und spüre schon wieder dieses verdammte Ziehen und Kribbeln. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass Can sich zurückhält, sich nicht vollkommen austobt. Als er anfängt seine Zunge mitspielen zu lassen, spüre ich zum ersten Mal, dass er versucht mich zu dominieren und das gefällt mir. Ich will seine Frisur nicht zerstören, weswegen ich mich in seinen Nacken kralle und ihn enger an mich ziehe. Dieses Gefühl ist vollkommen neu und zu aufregend, was meinen beschleunigten Puls erklärt. Seine Hände wandern von meiner Taille ab und legen sich auf mein Kreuz, was die Stelle kurz heiß werden lässt. Ich weiß, dass er tiefer gehen will und plötzlich habe ich auch gar keine Bedenken deswegen, weswegen ich die Initiative ergreife und seine Hände auf meinen Hintern lege, was ihn lächeln lässt. Er kneift zu, was mich kurz quieken lässt und löst sich schwer atmend von mir. Cans Augen sind viel dunkler als sonst und seine Pupillen sind stark geweitet. Wir schauen uns eine Weile an und versuchen wieder normal zu atmen. Oh Gott.

Verlegen beiße ich mir auf meine Lippe und schaue zur Seite. Das war... anders, als sonst. Es war neu. "Habe ich dich irgendwie bedrängt?" Mein Kopf schnellt zu Can, welcher mit leichter Unsicherheit zu mir schaut. Ich schätze es immer wieder, dass Can sich immer um mich kümmert und wissen will, was ich von einer bestimmten Sache halte. Er zeigt mir damit, dass ich ebenfalls mitreden darf und dass es auch auf mich ankommt. "Nein", gebe ich kopfschüttelnd von mir und wische mit einem Schmunzeln über seine leicht geschwollenen Lippen. "Mein Lippenstift ist bestimmt total verschmiert, wegen dir." Er lächelt und sieht mir zu, wie ich seine Lippen vom roten Lippenstift befreie. Kurz gehe ich ins Bad und frische den Lippenstift auf, woraufhin ich meine rötlichen Wangen bemerke. Auch meine Pupillen sind stark geweitet, verständlich. Nachdem, was passiert ist, hätte es mich auch gewundert, wenn es mich kalt gelassen hätte. Mit dem Kamm gehe ich durch meine Haare und setze mich dann zu Can auf sein Bett. Ich fahre mit meiner Hand über seine Brust und schaue auf sein Handy. Er schreibt mit den Jungs, die gerade zum Strand fahren.

'Can, hier sind voll hübsche Jungs. Malik und ich gehen auf Schwanz-Jagt.' Ich lache leise und schüttele belustigt den Kopf.

'Wärst du hier, dann hätte ich dir dein Höschen ausgezogen, du Hengst.'

'Das hat Ramazan schon bei mir versucht. Renn lieber weg', schreibt Malik.

'Bei Can schaffe ich es. Aber wir müssen es heimlich machen, damit Shana nichts mitbekommt.' Can schickt, ohne sein Handy anzuheben ein Foto von uns, wo ich einen Kussmund mache und schickt es in die Gruppe.

'Ähm, das war Malik.'

'Malik hat mich gezwungen es zu schreiben.'

'Malik will immer Cans Höschen und schnüffelt immer.'

'Ich mache so etwas nicht.'

'Niemals würde ich so etwas machen.'

'Ich stehe nicht auf Can, das ist ja ekelerregend.'

'Can ist hässlich.'

'Mensch, Shana, du siehst aber echt toll aus, Schätzchen!', wechselt Ramazan nun das Thema, was mich lachen lässt.

Wir schreiben noch mit den Jungs, bis wir dann hören, wie die Tür aufgeschlossen wird und ich am Klang der Schuhe erkenne, dass die Frauen im Haus sind, weswegen ich freudig in den Flur laufe und kurz aufschreie, als ich Shevin sehe. Ich nehme alle in den Arm und drücke Shevin noch einmal. "Du siehst ja richtig verführerisch aus", flüstert sie und zwinkert mir zu, weswegen ich rot werde. Verführung passt heute sehr gut. "Du siehst wunderschön aus." Ich drehe Shevin und seufze bei ihrem Brautkleid, welches im Prinzessinstil ist und dementsprechend viel Platz einnimmt, aber so ist es am schönsten. Ihr Rumpf ist mit Steinen beschmückt, die im Licht so schön glitzern. "Ich will auch so ein Kleid", gebe ich quengelnd von mir und spüre, wie Can eine Hand um meine Taille legt. "Kriegst du." Er küsst meine Schläfe, was mich rot werden lässt und die Blicke seiner Schwestern und vor allem die von seiner Mutter helfen mir nicht, aus meiner Verlegenheit zu kommen. Er ist so süß! "Aber ist das nicht ein bisschen zu viel Schulter?", gibt Can leicht kritisierend von sich und kriegt von uns allen bedrohliche und schiefe Blicke, weswegen er abwährend seine Hände hebt. Ich haue Can auf die Brust, was ihn grinsen lässt. "Sollte das wehtun?" Ich drehe mich um und sehe kopfschüttelnd zu Shevin und Derya. "Euer Bruder ist echt komisch." Beide nicken grinsend. "Und verdammt gutaussehend." Mehr als nur das. Wir laufen ins Wohnzimmer, woraufhin ich für uns alle etwas zu Trinken hole. Etwas geniert setze ich mich. Ich bin die Einzige, die kein kurdisches Kleid trägt, weswegen ich mich leicht unwohl fühle. "Ihr beide habt ein kurdisches Kleid an", murmele ich und fahre mir über meine Nasenspitze. "Du wirst dich jetzt nicht schlecht fühlen! Ich wollte unbedingt, dass du so kommst und der Braut erfüllt man am Hochzeitstag jeden Wunsch", sagt Shevin, woraufhin ich schmunzelnd nicke. Es klingelt an der Tür, weswegen ich aufstehen will, Can es aber für mich übernimmt. Mehrere männliche, als auch weibliche Stimmen sind zu hören, woraufhin jeder begrüßt wird und ich etwas unbeholfen da stehe. "Shana, komm her." Derya zieht mich zu der ganzen Verwandschaft, woraufhin sich Can zu mich stellt. "Wer ist denn das?", fragt eine ältere Frau grinsend, die wahrscheinlich Cans Tante ist. "Das ist meine Freundin Shana", sagt Can voller Stolz und zieht mich an sich, weswegen ich rot werde. "Du hast es also geschafft?" Fragend sehe ich zum Mann, der Can umarmt und mir voller Freude die Hand schüttelt. Er kommt mir bekannt vor. "Das ist Dilo, der in Barcelona im Restaurant gearbeitet hat." Natürlich. Ich lächele ihn sofort an, da es mir jetzt wieder einfällt. "Hast du versucht mich mit Essen zu erobern?", frage ich nun Can und ziehe die Augenbrauen zusammen. Er schaut brummend zur Seite, woraufhin wir alle anfangen zu lachen. Es kommen immer mehr von Cans Verwandten, die mich alle herzlich begrüßen. Seine Cousinen, Shevins engen Freundinnen und seine Schwestern haben mich in Deryas Zimmer verfrachtet und schauen mich alle grinsend an. "Was denn?", frage ich lachend, woraufhin gekichert wird. "Wann wollt ihr heiraten?" Verdutzt sehe ich Shevin an, die mich schalkhaft angrinst. "Sollte es heute nicht um dich gehen?", frage ich amüsiert, woraufhin sie mit ihren Schultern zuckt. "Ich will mich nur informieren, mehr nicht", säuselt sie. "Wir sind gerade mal seit ungefähr drei Monaten zusammen, darüber haben wir noch nicht geredet und außerdem ist das Studium und vor allem die Doktorarbeit im Weg", sage ich. "Du studierst auch Medizin?", fragt mich eine der Cousinen, was ich bestätige. Sofort nicken alle beeindruckt. "Respekt. Hübsch und schlau auf einmal." Verlegen schaue ich zur Seite und bedanke mich. "Wie habt ihr euch überhaupt kennengelernt?", fragt die gleiche Cousine, woraufhin ich leise lache. "Can und ich haben uns direkt am ersten Tag miteinander gestritten. Wir haben jeden Tag diskutiert und uns angeschrien. Jeder wusste, dass wir uns hassen, aber zwischen durch kamen auch echt außergewöhnliche Momente vor, die sich vermehrt haben, Missverständnisse haben uns das Leben erschwert", nuschele ich am Ende und seufze, als mir die letzten Wochen in der Oberstufe wieder in den Sinn kommen. "Can hat nach dem Ball nicht aufgegeben, ich war nämlich zu ängstlich. Er ist mir bis nach Hamburg gefolgt und hat sich gegen die beste Universität Deutschlands entschieden, nur um mich zu kämpfen." Ich lächele verträumt und werde freudig von Derya umarmt. "Du warst mir von Anfang an schon sympathisch und du wirst meine Schwägerin. Das wird schön", sagt sie, woraufhin es klingelt und wir wieder aufstehen, da es bei uns so ist, dass die Familienmitglieder die Besucher begrüßen müssen.

"Oh Gott, nicht die schon wieder." Ich ziehe bei Shevins Kommentar fragend die Augenbrauen zusammen. Die Mutter, die nicht wirklich traditionell gekleidet ist, sondern für ihr Alter recht jugendlich angezogen ist, begrüßt jeden und wirkt meiner Meinung nach sehr gekünstelt. Bei mir stellt sie sich fragend hin, weswegen ich meine Augenbrauen zusammenziehe. Ich mag diese Frau jetzt schon nicht. "Du bist?" Sie lächelt freundlich, doch ein Blinder würde merken, dass es nur eine Maske ist, da hilft auch das ganze Make-Up nicht. "Das ist Cans Freundin und meine Schwägerin", sagt Derya und klingt leicht verfeindet. Die Augenbrauen der mir unsympathischen Frau heben sich. "Oh, Can, lass dich drücken." Sie umarmt Can, woraufhin sie mit Cans Mutter in die Küche geht. Ähm, okay? Was zum Teufel war das denn bitte für eine Frau? Allein anhand ihres Aussehens bemerkt man, wie arrogant und hochnäsig sie ist. Ein Mädchen, die hinter dieser komischen Frau stand und womöglich die Tochter ist, schüttelt mit einem ebenfalls ausgesetztem Lächeln meine Hand und auch die von Shevin und Derya, bevor sie sich mit einem verstohlen anzüglichen Blick vor Can stellt. Mich packt die Eifersucht in den Nieren bei ihrem Blick. "Hallo, Can." Sie will ihn umarmen, als ich meinen Arm zwischen die beiden Stelle und sie sanft, aber mit Druck zurückschiebe. Entgeistert blickt sie mich an, was mich total rasend macht. "Ich darf doch wohl meinen Kindheitsfreund begrüßen?" Mit ihren künstlichen Nägeln zeigt sie auch Can, woraufhin ich meinen Kopf schüttele. "Nicht, wenn ich es als seine Freundin nicht toleriere." Wäre sie mir sympathisch, hätte ich wahrscheinlich kein Problem, aber ich sehe ihr und ihrer Mutter an, dass es sich bei ihnen um eine Mischung aus Schlangen und Ratten handelt. Ihr mit Make-Up tapeziertes Gesicht verzieht sich angeekelt, weswegen ich sie am liebsten schlagen würde. "Du hast mir gar nichts zusa-," "Es reicht, Helin." Helin heißt du Schlampe also. Fassungslos sieht sie zu Can und läuft an uns vorbei, wahrscheinlich zu ihrer Mutter in die Küche. "Was zum Teufel war das?" Ich versuche nicht wütend zu werden, als ich mich zu Shevin drehe, die ebenfalls nicht begeistert guckt. "Glaub mir, ich hasse sie und ihre Mutter schon seid Kind auf. Mach dir keine Sorgen, ja?" Ich nicke und atme tief ein. "Egal, das ist deine Hochzeit und deswegen werde ich keine schlechte Laune verbreiten." Wenn diese Schlampe versucht, mich irgendwie eifersüchtig zu machen, dann wird sie sehen, was sie davon hat. Ich werde umgedreht, woraufhin mir Can sanft über meine Wangen fährt. "Lass dich deswegen nicht betrüben." Ich nicke und schaue zu Bode. Ich weiß, dass diese Frauen Ärger machen werden. "Hey." Er hebt mein Kinn an und küsst meine Nasenspitze. "Ich mag es nicht, wenn du so traurig bist. Vergiss sie. Sie ist nur wegen deinem Selbstbewusstsein und deiner Schönheit verärgert." Ich nicke und seufze. Seine Worte bewirken wirklich Wunder. Sie erzeugen immer ein Kribbeln in meinem Bauch. "Soll ich bei dir bleiben?", fragt Can mich, was ich verneine. "Geh zu deinen Cousins." Er nickt und küsst noch einmal meine Stirn, bevor er zurück ins Wohnzimmer geht. Seufzend drehe ich mich zu den Mädchen, die mich pervers grinsend ansehen, was mir ein kleines Lachen entlockt. "Schaut nicht so dreckig." Ich laufe belustigt ins Zimmer und bin froh, dass Can und die Mädchen mich etwas beruhigt haben.

"Ich habe zu Mama gesagt, dass sie die beiden nicht einladen soll." Frustriert seufzt Shevin, woraufhin ich sie fragend ansehe. "Wer denn?", fragen die Cousinen. "Helin und ihre Mutter", antwortet Shevin angewidert, woraufhin alle genervt aufstöhnen. Wie gut, dass alle die beiden hassen. "Gott, du musstest mal sehen, wie Helin aussah. Als ob sie einen Wasserfarbkasten im Gesicht hätte", fängt Derya an, wo ich ihr nur zustimmen kann. Man könnte meinen, sie sei Aleynas Schwester. "Ich wollte ja, dass einige in normalen Kleidern kommen, aber das galt nur für Freunde und nicht für die beiden. In diesem pinken Kleid sieht sie aus wie ein Hühnchen." Ich fange an zu lachen und stimme Shevin zu. "Und die Mutter. Das Grün soll wohl symbolisieren, was für eine Schlange sie ist." Derya verzieht angeekelt das Gesicht. Es wird noch eine Weile gelästert, bevor es an der Tür klingelt und ich Trommeln höre, weswegen ich grinsend zu Shevin sehe und mit allen in die Hände klatsche.

"Jetzt geht's los!"

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