Kapitel 8

"Shana, wach auf", weckt Can mich sanft, weswegen ich mürrische Geräusche von mir gebe. "Wie viel Uhr ist es?" Müde setze ich mich auf und greife nach dem Glas und der Wasserflasche. "07:22 Uhr." Entsetzt schaue ich ihn an, als ich trinke. "Ich kann noch acht Minuten schlafen!", kommt es etwas wütend von mir. Morgens kann ich gut gelaunt sein, aber auch ein Dämon. "Das Frühstück steht schon bereit." Er entfernt die Decke von meinen Beinen, weswegen ich sie an mich heranziehe. Can zieht mich hoch und führt mich raus. "Warte, so kann ich doch nicht unter Malik und Ramazan." Er schaut mich schmunzelnd an. "Dann willst du nicht wissen, wie sie aussehen." Okay, jetzt ist meine Neugierde größer, als mein Scham, weswegen ich in die Küche laufe und Ramazan und Malik oberkörperfrei sehen kann. "Das ist mal ein guter Morgen", murmele ich und laufe vorsichtig auf die Jungs zu. "Guten Morgen, mein Sonnenschein", trällert Ramazan, der mit seinen Brustmuskeln zuckt. "Morgen", murmele ich beschämt und helfe den Jungs. "Seid ihr immer so?", frage ich Malik. "Wie?" Ich schaue kurz zu ihm. "So früh wach und... halbnackt." Mein Blick huscht kurz auf Malik Oberkörper, was er bemerkt und mich schelmisch angrinst. "Ja, Shana", lacht er und stellt die Gurken und Tomaten auf den Tisch. "Gut zu wissen", murmele ich und schaue zu Can, der mich schmunzelnd anschaut. Er ist immer noch in Boxershorts, die seinen Hintern wirklich betonen. Ist er größer geworden? "Starrst du mir gerade auf meinen Arsch?", fragt Can, zu dem ich verstohlen schaue. "Ich glaube, du halluzinierst", nuschele ich, ignoriere das leise Gelächter und lege die Teller auf je einen Platz, bevor wir uns dann setzen. Ich bedauere gerade, dass Can mit einem T-Shirt vor mir sitzt. Ramazan setzt sich neben mich und stößt neckend seine Schulter gegen meine. Auch er hat an Masse gewonnen, genau wie Malik. Schüchtern belege ich mir mein Brot und verdränge den Gedanken, dass ich gerade den Traum vieler Mädchen auslebe und mit drei wirklich maskulinen, gutaussehenden und dazu noch intelligenten jungen Männern an einem Tisch sitze. Es ist ruhig und das stört mich. Jemand muss mich unterhalten, sonst muss ich die ganze Zeit auf die Brüste der Jungs starren. "Wie wäre es mit einem Haustier?", fängt dann Ramazan an. "Was für eins?", kommt es von Malik. "Eine Katze. Nach ein bisschen streicheln gehen sie sowieso immer irgendwo anders hin. Eine exotische Kurzhaarkatze wäre doch gut." Ich mag keine Katzen. Ich finde sie total eingebildet und brutal. Aber dann gibt es noch die verschmusten Katzen, die ich mag. Na ja, ihr Fell vertrage ich eh nicht. "Du vermisst Pascha, nicht wahr?", stellt Can fest. Ich stelle mir gerade Ramazan vor, wie er selber in die Rolle einer Katze schlüpft, nur um sich mit einer Katze anzufreunden. "Ja, er ist mein Schatz", schmollt Ramazan. "Du hast eine Katze?" Er nickt mir zu. "Aber ich konnte sie nicht mitnehmen. Pascha ist so süß", schwärmt er, was mich lächeln lässt. Ich beiße in mein Brot, woraufhin ich Can unzufrieden brummen höre. "Der Käse ist nicht laktosefrei und das ist Weizenbrot." Er kratzt sich nachdenklich den Bart, was ein leises Geräusch verursacht. Er erinnert sich noch daran. Diese Tatsache freut mich. "Ist nicht schlimm", streite ich ab. "Doch, das verträgst du nicht so gut." Ich schüttele beschwichtigend meinen Kopf. "Zu dieser Jahreszeit ist es eigentlich ganz ruhig mit den Unverträglichkeiten. Außerdem kann mir diese Dosis an Weizenmehl nichts anhaben", versichere ich ihm. Das mit meinen Unverträglichkeiten ist so eine Sache, mal vertrage ich es überhaupt nicht und mal fühlt man nicht einmal die Nebenwirkungen. "Trotzdem", murrt er und isst eine Gurke, wodurch seine Kiefermuskeln stark zur Geltung kommen. Ich schiele zu Malik, der Ramazan vielsagend anlächelt, was mich irritiert. Wieso grinsen die? Ich beiße nachdenklich in mein Brot, welches ich direkt in meinen Teller fallen lasse, als mein Kiefer ein lautes Knacksen abgibt. "Alles okay?", fragt Can direkt, als ich mir die Hand an meinen Kiefer halte. Ich versuche meinen Mund zu öffnen, was sich dann als ungünstig herausstellt. "Was ist?", möchte nun Ramazan wissen. "Ich weiß es nicht", murmele ich und drücke an meinem Kiefergelenk herum, bis ein dumpfes Gefühl kommt und ich meinen Kiefer wieder normal bewegen kann, doch beim Essen kommt immer wieder dieses unangenehme Knacken.

Nachdem ich mich frisch gemacht habe, laufe ich ins Zimmer und hebe meine Sachen vom Boden auf. "Willst du etwas frisches von mir? Ein Oberteil?", fragt Can mich, zu dem ich mich drehe. "Wenn's geht, lasse ich das T-Shirt an." Er nickt und öffnet eine Schublade, woraufhin er mir ein Paar schwarzes Socken gibt. "Und die sollen mir passen?", frage ich leicht belustigt und ziehe mir die Socken an, die mir über meine Knöchel gehen. "Passt doch", sagt Can und zuckt mit seinen Schultern. Ich greife nach meiner Hose und schaue zu Can, der mich fragend anschaut. "Raus?" Ich halte die Hose hoch, woraufhin er schmollend rausgeht. Vorsichtshalber schließe ich die Tür ab und ziehe mir dann meine dunkelblaue high-waisted Jeans an, woraufhin ich Cans T-Shirt in die Hose stopfe und sie zurecht zupfe. Die Tür schließe ich dann wieder auf und sehe, dass Can die ganze Zeit vor der Tür stand und mir eine Tüte hinhält. "Wie gut, dass ich abgeschlossen habe." Er lächelt schelmisch und schließt die Tür, woraufhin er zum Schrank läuft und schaut, was er anzieht. Mit einem Griff entfernt er sein T-Shirt und schmeißt es auf sein Bett. Er steht einfach nur in Unterhose vor mir. Mein Blick fällt sofort auf seine Narbe, weswegen ich direkt an den Tag denken muss, wo ich sie anfassen wollte, Can mich aber direkt aufgehalten hat. Can greift nach einer schwarzen Hose und einem schwarzen T-Shirt. Als er sich die Hose anzieht, kann ich mir ein kleines Lachen nicht verkneifen, als die Hose erst einmal nicht über seinen Hintern will. Er läuft ohne sich das T-Shirt übergezogen zu haben zu seiner Kommode, wo er sich mit Deo einsprüht und es mir dann anbietet, was ich nur zu gerne annehme. Dieser Duft ist himmlisch und ich könnte wirklich damit klarkommen, wenn die Luft so riechen würde, wie Can. Das Deo lege ich auf seinen Platz zurück und reiche ihm dann sein T-Shirt, welches er dann anzieht und sich seinem Schmuck widmet. Er greift sich einen silbernen Ring, der in der Mitte einen glatt geschliffenen, ovalen und schwarzen Stein besitzt und zieht ihn sich über den rechten Mittelfinger, woraufhin er den schlichten, silbernen über seinen Ringfinger gleiten lässt, danach zieht er sich eine silberne Edelstahl Uhr an, dessen Ziffernblatt schwarz ist. Beim näheren betrachten erkenne ich, dass auch sie von Hugo Boss ist. Er gönnt sich entweder oder sie ist gefälscht, was ich mir bei Can nicht so wirklich vorstellen kann. Wie kann man beim Anziehen einer Uhr so gut aussehen? Mein Blick schweift über seine Kommode, wo viele Düfte liegen, vor allem Hugo Boss Düfte. "Du magst Hugo Boss anscheinend", stelle ich fest und schaue in den Spiegel, wo er nickt. Er geht wieder zu seinem Schrank, wo er sich eine Jeansjacke rausholt, die wenigstens etwas Farbe in sein Outfit bringt. "Warte." Ich nehme die Kette mit der Gravurplatte und gehe zu Can, deute ihm, dass er seinen Kopf neigen soll und lege ihm dann die Kette um. Zufrieden nicke und schiebe die dichte Strähne nach hinten, die ihm vors Auge gefallen ist. Can fährt sich einmal durch seine Haare und schaut kurz in den Spiegel. "Warte hier, ich geh kurz meine Haare machen."

"Wir sollten uns langsam für das Pflegepraktikum bewerben", sage ich zu Can, als wir im Auto sitzen. Drei Monate müssen wir im Krankenhaus arbeiten und ich weiß jetzt schon, dass ich komplett übermüdet sein werde, da man schon um 07:00 Uhr dort antanzen soll. Das Ganze hatte ich schon mal während meiner Realschulzeit durchleben müssen. "Lass uns am Montag gehen, da haben wir genug Zeit." Er startet den Wagen und fährt los. "Wieso nicht direkt heute?", frage ich und fasse mir wieder an den Kiefer, da ich das Gefühl habe, dass er mir gleich rausspringt. "Weil wir heute bis 20:00 Uhr Vorlesungen haben und ich dann danach noch in die Klinik fahre", erzählt er. "Zu deinem Vater?" Can nickt. "Soll ich mitkommen?", frage ich vorsichtig, woraufhin Can etwas überrascht die Augenbrauen hebt. "Das musst du nicht, lern lieber." Etwas trotzig zucke ich mit meinen Schultern. "Ich will aber mitkommen und diese paar Stunden kann man auch im Auto lernen." Can schaut mich mit einem warmen Lächeln an, was mir sagen soll, dass er es wirklich wertschätzt. Ich möchte ihm so sehr es geht unterstützen, egal ob physisch oder psychisch, am besten auf beide Wege. Er sieht ausgeschlafener aus, als gestern und vor allem sieht er durch seinen gekürzten Bart frischer und jünger aus. Ich würde gerne wissen, wie er ohne Bart aussieht. Seine Gesichtskonturen würden bestimmt messerscharf aussehen. Sein Adamsapfel ist jetzt viel stärker zusehen, als vor einem Jahr, das erklärt auch die tiefe und raue Stimme, bei der man manchmal das Gefühl hat, dass Vibrationen ausgestrahlt werden. Schon komisch, wie ich von ihm denke, wenn man bedenkt, was ich anfangs von ihm gehalten habe. "Was haben wir gleich?", fragt Can. "Topographische Anatomie." Er nickt. "Wir schreiben am Ende des Monats das Wiederholungstestat in Embryologie." Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen. "Aber da schreiben wir doch schon die Anatomieklausur?" Ich vergleiche immer noch alles mit der Realschule, aber leider ist nichts mehr so einfach wie früher, vor allem nicht, wenn man Medizin studiert.

Müde setzen wir uns ins Auto und fahren los. Der Himmel ist schon dunkel und die Straßen mittelmäßig befahren. Can ist seit der zweiten Vorlesung angespannt. Die Sache mit seinem Vater geht ihm sehr nahe. Wenn einem der Fakt bewusst ist, worum es sich handelt und wie gravierend die Schäden sein können, dann möchte man am liebsten diese Informationen über Bord schmeißen. Aber da man dieses Wissen hat, grübelt man auch, wie man es am besten heilen kann, wie man es präventiveren kann. "Raucht dein Vater?", frage ich, woraufhin er mit seiner Zunge schnalzt. "Mein Vater lebt gesund, weder Alkohol, noch Zigaretten und dass er Stress hat, kann auch nicht sein." Er seufzt leise und resigniert. Vielleicht liegt das Problem ja am Herzen. In der Terminologie hatten wir uns auch mit Herzerkrankungen befasst. Vielleicht hat er Probleme mit den Vorhöfen oder mit den Herzklappen - Gott bewahre ihn davor. Ich hole meine Notizen zu der medialen Ansicht der Lunge und zur Respiration raus und lese mir die ersten beiden Stichpunkte durch. "Soll ich laut vorlesen?", frage ich ihn, doch er schüttelt nur träge den Kopf. "Ich kann mich gerade auf nichts konzentrieren." Er klingt etwas mitgenommen, was mir nicht gefällt. Ich nicke und schaue zu, wie er sich über sein Gesicht fährt und dann wieder den Schalterknüppel festhält. Vorsichtig und zögernd lege ich meine Hand auf seine und drücke sie. Er soll wissen, dass ich für ihn da bin. Er schaut auf meine Hand und dann zu mir, weswegen ich leicht unsicher schaue. Erst, als er mich anlächelt, entspanne ich mich wieder und als er dann seine Finger mit meinen verschränkt, macht sich ein wohliges Gefühl in meiner Brust breit. "Kannst du die Notizen doch vorlesen?" Ich nicke und mache das Licht an, bevor ich anfange. "Also: es gibt vier verschiedene Respirationskontrollen; die zentrale Kontrolle, die reflektorische Kontrolle, die chemische Kontrolle und sonstige Atemantriebe", setze ich an. "Die Zentrale für die Atmung befindet sich in der Medulla oblongata." Bei diesem Stichpunkt musste ich schon heute in der Vorlesung schmunzeln, da ich sofort an eine Stelle aus dem ersten Fifty Shades Buch denken musste. Nach dem sehr vielen Vorlesen, kommen wir auf dem Klinikparkplatz an und laufen auf die Herzklinik zu. Can spannt sich wieder an und versucht durch Schulterdrehungen irgendwie eine entspannte Haltung einzunehmen, was nichts bringt. Wir laufen an der Pforte vorbei zum Aufzug und steigen ein. Mein Blick gleitet zu seiner Hand, wo er nervös mit seinem Zeigefinger über die Nagelhaut seines Daumens streicht. "Hey, alles wird gut", versuche ich ihn zu beruhigen und nehme seinen Zeigefinger in meine Hand. Can verschränkt seine Finger mit meinen und drückt leicht zu, um mir Dank zu zeigen. Die Türen des Aufzuges öffnen sich, weswegen mein Herz etwas schneller schlägt. Ein Jahr ist es her, dass ich seine Eltern nicht gesehen habe. Wie sie wohl denken werden? Vor dem Zimmer 10B bleiben wir stehen, gehen aber noch nicht rein. Ich klopfe langsam und öffne vorsichtig die Tür, wo ich dann die ganze Familie zu sehen bekomme. Cans Mutter hält sich die Hand vor den Mund und kommt langsam auf mich zu. "Shana", sagt sie leicht überrascht, aber auch erleichtert und umarmt mich dann innig. Ich will die Umarmung mit beiden Händen eigentlich erwidern, aber Can lässt meine Linke nicht los. "Immer noch so hübsch, wie früher. Wie geht es dir, mein Kind?" Sie fährt mir liebevoll über meine Wange. "Gut und dir? Wie geht es... meinem Onkel?", frage ich leicht verlegen, als ihr Blick auf unsere Hände fällt und sie sich ein Lächeln verkneift. Ich schaue zu Cans Vater, der müde lächelt. "Mir geht es gut. Es freut mich, dass du gekommen bist." Dankend nicke ich und lächele Cans Geschwister an. Derya sieht reifer aus und auch die Jungs haben sich leicht verändert. "Wo ist Shevin?", fragt die Mutter und zeigt auf die Stühle hinter uns. "Shevin ist gerade in der Prüfungsphase, sie versucht aber diese Tage noch zu kommen", erzählt Can. Anscheinend ist Shevin eine weitere Schwester von ihm. "Lasst sie, sie soll sich auf ihr Studium konzentrieren. Noch dieses Jahr und dann sie fertig", sagt Cans Vater und lächelt mich an, was ich sofort erwidere. "Wie ist das Studium?", fragt die Mutter und schaut uns stolz an. "Es ist anstrengend, aber man überlebt es", kommt es mit einem kleinen Lächeln von mir. "Ich kann mir Shana total gut als Ärztin vorstellen, aber Can? Er sieht viel mehr aus wie ein Mörder", sagt Derya. "Derya, sei froh, dass Baba hier ist", knurrt Can, weswegen ich schmunzelnd zu seiner Schwester schaue und ihr zuzwinkere. ''War der Arzt schon da?", fragt Can, woraufhin der Vater nickt. "Er kommt aber gleich um mich aufzuklären." Kurz danach kommt auch der Kardiologe, der jedem von uns die Hand schüttelt. "Also, Herr Jamil. Sie wurden gestern wegen eines Herzinfarktes bei uns eingeliefert. Einige Tests haben wir schon gemacht und haben im CT dann herausgefunden, dass Sie an einer Mitralklappeninsuffizienz leiden." Can drückt meine Hand wieder. "Die Klappe kann man ersetzen", flüstere ich ihm zu. "Bitte?", fragt dann der Arzt. "Ouh, ich habe nur gesagt, dass die Mitralklappe ersetzt werden kann." Es gibt zwei Optionen: einmal die mechanischen Klappe, die hauptsächlich aus Metall besteht oder die biologische, die von einem Menschen oder von einem Tier stammen kann. "Richtig. Wir hätten einmal die mechanische Variante und die biologische." Hab ich doch gesagt. "Welche ist den besser?", fragt Cans Vater. "Bei der mechanischen ist man aber dann immer Antikoagulationsabhängig", murmelt Can. "Meinst du wegen der gerinnungsaktivierenden Metalloberfläche?", hake ich nach und kriege ein Nicken seinerseits als Antwort. "Aber bei der biologischen Klappe ist die Haltbarkeit beschränkt, da sie im Vergleich zum eigenen Gewebe einem beschleunigten Alterungsprozess unterliegt. Außerdem halten die mechanischen sehr lange." Can fährt sich über sein Gesicht. "Das Risiko an Thrombosen und Thrombembolien zu leiden ist aber bei künstlichen Klappe da", sagt Can dann und schaut mich an. "Deswegen doch die Antikoagulation", erkläre ich ihm in einem sanften Ton. "Sind Sie selber als Ärzte tätig?", fragt uns der Arzt. Ich bebe gerade innerlich vor Freude, da ein Arzt denkt, dass wir Ärzte sind. "Nein, Studenten des zweiten Semesters", sage ich gefolgt von einem stolzen Lächeln. Er zieht verblüfft die Augenbrauen hoch. "Dann müsst ihr ausgezeichnete Studenten sein. Zu meiner Zeit waren alle faul und haben sich nur das Wichtigste vom Wichtigen gemerkt." Er lächelt uns zu, was ich sofort erwidere. "Jedenfalls haben wir diese beiden Klappenersatze zur Auswahl. Ich würde Ihnen die mechanische eher empfehlen, da Ihre Lebenserwartungen sehr gut aussehen und sich in Ihrem Körper zurzeit keine weiteren Gefahren lauern. Vorerst möchte ich Sie noch hierbehalten und weitere Tests mit Ihnen machen. Den Rest besprechen wir dann gemeinsam in zwei Wochen. Ihr seid gerne wieder eingeladen", sagt der Arzt auf uns bezogen und verabschiedet sich dann von uns. Nach dreißig Minuten kehrt Stille ein. "Wir sollten auch langsam gehen", sagt Can, als er auf seine Uhr schaut. "Soll ich euch nach Hause fahren?", fragt er seine Mutter. "Nein, geht ihr. Wir werden gleich abgeholt." Cans Mutter läuft zu uns und umarmt uns innig. "Kommt mich bitte Besuchen, ich vermisse euch so sehr." Ich muss lachen und gleichzeitig schmollen deswegen. "Werden wir, wenn wir Zeit haben", versichere ich ihr.

Wir verlassen das Krankenhaus und fahren los. Irgendwie finde ich es schade, dass ich nur wenige Minuten von meinen Eltern entfernt war, doch ich will keine Umwege machen. Außerdem ruft meine Mutter mich fast jeden Tag an und redet ungefähr eine halbe Stunde mit mir, deswegen gleicht es sich auch irgendwie aus. Apropos! Mein Handy ist noch aus. Schnell schalte ich es an und sehe über hundert WhatsApp Benachrichtigungen. Ja, mir wird der Arsch aufgerissen. Die Nachrichten bestehen hauptsächlich aus einzelnen Buchstaben und Beleidigungen auf Kurdisch, Englisch, Arabisch und Deutsch natürlich. Ranja hat sich wohl mit angeschlossen und mich auch von Kopf bis Fuß fertiggemacht, was mich schmunzeln lässt. Sie werden mich Konsultieren, doch ich werde nicht wirklich viel sagen, da ich finde, dass Cans Probleme sie nichts angehen. "Hast du Hunger?", fragt Can mich, woraufhin ich mein Handy wegpacke. "Nein, nicht wirklich." Eigentlich schon, aber Ranja hat bestimmt gekocht. "Du bist sehr schlecht im Lügen." Can wechselt die Spur, weswegen ich ihn anmeckere. "Psht", ist das Einzige, was ich zu hören bekomme. "Can, bitte. Nicht schon wieder!", jammere ich. "Das ist das Mindeste, was ich tun kann, jetzt lass es mich machen." Ich schnalze resigniert mit meiner Zunge und schaue auf unsere Hände, die immer noch ineinander verschränkt sind. Wir haben uns kaum losgelassen, außer beim Einsteigen und anschalten des Autos. Nach unserem kurzen McDonalds-Trip und unserer mobilen Vorlesung, die von mir geführt wurde, kommen wir vor meiner Haustür an. "Danke fürs Fahren." Langsam lasse ich meine Hand aus seiner gleiten und beuge mich langsam vor, um ihn zu umarmen. Das habe ich jetzt gebraucht und vermisst habe ich es auch. Seine Hand fährt über meinen Rücken und verharrt dort, genau wie ich in der Umarmung. Ich will sie nicht beenden, denn gerade fließen viele Gefühle und Gedanken durcheinander. Es fühlt sich so schön, so gut, so geborgen an, in seinen Armen zu liegen. Es gibt mir das Gefühl von Schutz. Langsam trenne ich mich auch wieder von ihn, ehe seine Hände sich auf meine Wangen legen und meinen Kopf zu ihm ziehen, um mir dann einen sachten Stirnkuss zu geben, was mich innerlich fiebern lässt. Seine Bartstoppel kitzeln meine Stirn, weswegen ich lächeln muss. Ich mag es, wenn Can mir diesen Kuss immer schenkt. "Danke, Shana. Danke für alles", haucht er und streicht eine Strähne zurück. Ich presse meine Lippen aufeinander und nicke kaum vernehmbar. "Bis Morgen", flüstere ich und verlasse den Wagen, wo ich dann das Gefühl habe, normal atmen zu können. Habe ich etwa die Luft angehalten? Meine Schultern sinken jetzt auch. Ich musste ja total verspannt gewesen sein neben ihm, aber was soll ich schon großartig machen? Bei Can habe ich komische Symptome. Von schwankenden Temperaturen, bis hin zu komischen Gedanken: alles ist dabei. Hoffentlich steigt mir diese ganze Sache nicht zu Kopf. Ich schließe die Tür auf und schließe sie leise. Wir haben schon nach Mitternacht, aber die Lichter sind noch an. Als ich ins Wohnzimmer laufe, sehe ich die beiden mit ernster Miene auf dem Sofa sitzen, weswegen ich meine Augenbrauen zusammenziehe. "Shana, wo warst du?", fragt Ranja direkt und klingt schon fast vorwurfsvoll. Ich räuspere mich und ziehe meine Jacke aus. "Bei Can", antworte ich. "Und wieso?", fragt sie weiter. "Weil etwas passiert ist", gebe ich kryptisch von mir. Ich werde ihnen nicht erzählen, was passiert ist. "Was kann es denn gewesen sein, dass du fast zwei Tage bei ihm warst, Shana?", fragt Saliha, der man den vorwurfsvollen Ton schon alleine am Gesichtsausdruck anmerken kann. "Eine bestimme Sache, Saliha. Hinterfragt einfach nichts." Die beiden lachen humorlos auf. Jetzt geht es los. Meine Tasche lasse ich direkt fallen und bereite mich auf die Diskussion vor. "Shana, du warst einfach bei Can zu Hause, du warst die Einzige unter den drei Jungs, wo hast du geschlafen? Was hast du da gemacht?" Warte mal! Denken die jetzt ernsthaft, ich hätte was mit Can? Mein Gesicht verzieht sich entgeistert. "Seit wann machst du überhaupt sowas?", ergänzt Saliha zu ihren vorherigen Fragen. Okay, jetzt reicht's! "Ihr wollt mich gerade wohl ganz verarschen, oder?, gebe ich laut von mir. "Schrei nicht", sagt Ranja ruhig, die ich finster anschaue. "Ich schreie aber! Wenn ich will, dann wecke ich die gottverdammten Nachbarn auf!" Ich bin total wütend. Was denken die, was ich mache?! "Seit wann ich so etwas mache? Seit wann geht ihr denn bitteschön feiern, huh? Erst nachdem wir nach Hamburg gezogen sind, wo ihr schön weit weg von eurer Familie seid. Erst dann traut ihr euch feiern zu gehen, wieso macht ihr sowas?", fauche ich und trete näher an sie heran. "Habt ihr mir nicht erzählt, dass ihr getanzt habt und mit Jungs geredet habt, vor allem mit Malik und Ramazan, die ihr nicht einmal richtig kennt?!" Meine Stimme hebt sich immer mehr. "Ja, aber-,", setzt Ranja an. "Sei still!", herrsche ich sie an und hebe meine Hand dabei. "Ihr habt mir rein gar nichts zusagen, okay? Ich wusste, was ich getan habe und werde, wenn es sein muss, wieder tun. Immer und immer wieder, bis diesem Jungen keine Sorgen mehr auf den Schultern lasten. Was habt ihr euch für kranke Gedanken ausgemalt? Dass ich mit ihm geschlafen habe? Ja, ich war dort! Und ich habe auch dort übernachtet, und? Was jetzt?" Meine Hände öffne ich und warte auf Antworten. "Sag doch einfach, was passiert ist. Mein Gott!", sagt Saliha und schnalzt mit ihrer Zunge, was mich kochen lässt. "Ich werde nicht, NICHT erzählen, wieso ich dort war, was passiert ist, denn es geht euch einen gottverdammten Scheißdreck an, was bei Can passiert ist, was zwischen Can und mir passiert ist, was überhaupt der Grund war! Gar nichts!" Mit dem Finger zeige ich auf Ranja und Saliha und laufe wütend in mein Zimmer. Sie müssten doch wissen, dass ich nichts mache, was schlimm sein könnte. Sie wissen doch, wie ich von Cans Image denke. Wieso denken sie so falsch?! Ach, scheiß drauf, Shana. Ich seufze und mache mich bettbereit. Sollen sie doch denken, was sie wollen. Solange ich die Wahrheit kenne, sind die Unwissenden unwissend und wälzen sich in Primitivität und Ignoranz.

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Verstehe gar nicht, wieso so viele auf Shana draufgehen und sie attackieren, statt die Freundinnen, die sie verurteilen und ihr Vorwürfe machen. Also entweder haben es viele nicht verstanden oder haben kein Selbstwertgefühl, dass sie sich von ihren Freunden so behandeln lassen, weil sie die Geheimnisse anderer Leute nicht weitersagt. Vor allem bin ich angeekelt von denen, die ihren besten Freunden die Geheimnisse anderer erzählen würden. Rafft euch. 🤢🤢🤢

- Helo

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